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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 17 U 3/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 633 Abs. 2 a. F.
BGB § 633 Abs. 3 a. F.
BGB § 634 Abs. 1 a. F.
BGB § 635 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Dezember 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 27 O 578/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung in Anspruch. Im Jahre 1997 führte der Beklagte in den beiden Eigentumswohnungen der Klägerin Estricharbeiten durch. Die Schlussrechnung datiert vom 11. Juli 1997. Mit Schreiben vom 24. Juli 1997 (Bl. 37 f. GA) rügte die Klägerin, dass der Estrich nicht in ausreichender Stärke, nämlich ca. 30 mm zu niedrig aufgebracht worden sei. Zugleich bat sie um Vorschläge bezüglich der Mangelbeseitigung. Da der Beklagte weder etwas von sich hören ließ noch etwas unternahm, zahlte die Klägerin den noch ausstehenden Werklohn nicht. Vielmehr ließ sie Fliesen verlegen und entsprechend eines vom Beklagten schon vor dem 24. Juli 1997 gemachten Vorschlages zum Ausgleich der Minderhöhe in den Wohnungen die Türblätter verlängern. Sodann wurden die Wohnungen, spätestens ab , Anfang 1998, vermietet.

Vor dem AG Köln - 136 C 95/00 - erhob der Beklagte erfolgreich Klage auf Zahlung des noch ausstehenden Werklohnes. Mit Urteil vom 29. Mai 2002 wurde die hiesige Klägerin zur Zahlung des Restwerklohns in Höhe von 2.340,61 € verurteilt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sah das Amtsgericht einen Mangel der Estrichstärke nicht als erwiesen an. Die Klägerin hatte gegenüber dem Zahlungsanspruch des hiesigen Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ihrer Ansicht nach zu geringen Estrichdicke geltend gemacht sowie die Hilfsaufrechnung erklärt mit den Kosten für die Verlängerung der Türblätter.

Erst nach Verurteilung durch das Amtsgericht im Jahre 2002 leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren beim AG Köln ein - 145 H 2/02 -. Der dort beauftragte Sachverständige F. kam zu dem Ergebnis, dass für den Fall, dass entsprechend der Behauptung der Klägerin vertraglich eine Höhe von Oberkante des Estrichs bis zum Meterriss von 1,01 m vereinbart gewesen sein sollte, 25 bis 30 mm mehr Estrich in der Wohnung im 2. Obergeschoss und 23 mm in derjenigen im 1. Obergeschoss hätte eingebracht werden müssen. Die Kosten für die Mangelbeseitigung schätzte er auf 21.400,00 €. Zudem wies er darauf hin, dass er wegen weiterer entstehender Kosten, insbesondere solcher für das Ein- und Ausräumen des Mobiliars keine Schätzung vornehmen könne, da er insoweit nicht sachverständig sei.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Arbeiten des Beklagten seien mangelhaft.

Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat behauptet, wegen der Fußbodenheizung sei man übereingekommen, den Estrich in geringerer Stärke zu legen und zum Ausgleich die Türblätter zu verlängern.

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen hat das Landgericht der Klage weitestgehend stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 20.508,14 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Er ist der Ansicht, das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar. In materiell-rechtlicher Hinsicht vertritt er die Auffassung, dass es bereits an einer wirksamen In-Verzug-Setzung durch die Klägerin fehle, so dass von daher Mängelbeseitigungsansprüche nicht mehr bestünden. Nach ihrem Schreiben vom 24. Juli 1997 habe sie sich - was insoweit unstreitig ist - nicht mehr gemeldet, habe vielmehr ohne jede weitere Aufforderung die Türen verlängern lassen, die Wohnungen vermietet und diesen Zustand über Jahre hinweg klaglos hingenommen. Angesichts der Zeitablaufes sei es ihr verwehrt, nunmehr wegen angeblicher Mängel Ansprüche an ihn zu richten. Sie habe auf eine weitere Mängelbeseitigung verzichtet. Es komme hinzu, dass die Ausführung der verlangten Mängelbeseitigungsarbeiten infolge des Vorgehens der Beklagten mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden seien. Auf diesen Umstand habe auch der Sachverständige F. zutreffenderweise hingewiesen. Der von der Klägerin durch die erstrebten Mangelbeseitigungsmaßnahmen zu erzielende Nutzen sei im Vergleich zum Aufwand bestenfalls gering. Des weiteren werde durch die Erhöhung der Estrichschicht die Funktionsfähigkeit der Fußbodenheizung beeinträchtigt, worauf auch der Sachverständige F. hingewiesen habe. Bei Abwägung aller Umstände könne die Klägerin keine Ansprüche mehr gegen ihn geltend machen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 12. Dezember 2006 - 27 O 578/05 - insoweit teilweise abzuändern, als er verurteilt worden ist, an die Klägerin 20.508,14 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2005 zu zahlen und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, ein Verfahrensfehler des Landgerichts liege nicht vor. Die Verlängerung der Türblätter sei lediglich eine provisorische Maßnahme im Rahmen der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht gewesen. Bei der Frage der Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit des Mangelbeseitigungsaufwandes sei nach der Rechtsprechung nicht auf die Kosten, sondern auf den Nutzen abzustellen. Ein solcher sei hier gegeben. Insbesondere sei bei der Abwägung darauf hinzuweisen, dass dem Beklagten ein erhebliches Verschulden im Sinne grober Fahrlässigkeit an der Verursachung des Mangels vorzuwerfen sei, da er sein Werk nicht fachgerecht ausgeführt habe. Entgegen dessen Behauptung gebe es noch heute in der Wohnung zahlreiche Beeinträchtigungen durch das zu niedrige Bodenniveau.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat den Prozessbevollmächtigten der Beklagten u.A. darauf hingewiesen, dass bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Kostenvorschuss schon deshalb Bedenken bestünden, weil sich die Beklagte im Werklohnprozess u.A. dergestalt verteidigt hatte, dass sie hilfsweise mit einem Anspruch auf Schadenersatz bezüglich der Kosten für die Verlängerung der Türblätter aufrechnen wollte. Zudem sei der Klägerin widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie begegnet auch im Übrigen keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. In der Sache selbst hat sie vollen Erfolg. In Verkennung der materiellen Rechtslage hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Kostenvorschuss fälschlicherweise zuerkannt.

1. Ein Anspruch auf Vorschussleistung notwendiger Mängelbeseitigungskosten im Rahmen von § 633 Abs. 3 BGB a. F. ist nicht gegeben. Ein solcher Anspruch setzt denknotwendig voraus, dass noch ein Anspruch auf Mängelbeseitigung im Sinne von § 633 Abs. 2 BGB a. F. besteht. Das ist hier aber nicht (mehr) der Fall, denn die beanstandeten Mängel sind bereits im Wege der Ersatzvornahme beseitigt worden.

Unstreitig veranlasste die Klägerin, dass der Bodenbereich auf der Grundlage des von dem Beklagten hergestellten Werks fertiggestellt wurde. Dabei wurde das Bodenniveau durch einen Fliesenbelag angehoben. Die Türen wurden verlängert. Entgegen der Annahme der Klägerin handelt es sich dabei nicht um ein bloßes Provisorium, das etwa nur einer vorüber gehenden Notlösung diente. Durch das Überbauen des Estrichbereichs und die Herstellung eines wohnfertigen Zustands war ein neuer baulicher Zustand geschaffen worden. In diesem Zustand wurde das Objekt einer nachhaltigen wirtschaftlichen Verwertung (Vermietung) zugeführt. Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich ferner, dass auch nicht von einer vorübergehenden Lösung gesprochen werden konnte, denn das Objekt blieb über Jahre hinweg in diesem Zustand.

Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine Ersatzvornahmehandlung, die zwar auf eine letztlich ungeeignete Maßnahme abzielte, die aber deshalb keinen verbindlichen Endzustand schuf, weil dieselbe Maßnahme auch von anderen vernünftig und wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bauherren (ex ante) hätte durchgeführt werden können (zu einer solchen Konstellation vgl. OLG Brandenburg IBR 2007, 551). Sachliche Gründe, weshalb für die Dauer von mehreren Jahren in sinnvoller Weise zunächst ein Zwischenzustand geschaffen werden musste, um sodann mit erheblichem Mehraufwand sowie unter Zerstörung der inzwischen geschaffenen Abhilfe eine gänzlich andere Ausführungsart anzustreben, sind nicht zu ersehen.

Soweit die Klägerin sich vor diesem Hintergrund nach Ablauf von rund 8 Jahren entschlossen hat, eine gänzlich andere Art der Mängelbeseitigung zu verlangen, ist sie hiermit aus mehreren Gründen ausgeschlossen.

Das Mängelbeseitigungsstadium und die vertraglichen Herstellungsansprüche sind infolge der durchgeführten Ersatzvornahme schon in tatsächlicher Hinsicht überholt. Der nochmalige Rückgriff auf den Herstellungs bzw. Nachbesserungsanspruch ist der Klägerin auch aus rechtlichen Gründen versagt, denn damit würde die Systematik des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts unterlaufen.

Die für die Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten gehen nämlich zu Lasten der Klägerin und können nicht im Rahmen eines neuen Nachbesserungs bzw. Vorschussverlangens wieder aufleben. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin eine eigenmächtige bzw. vorschnelle Ersatzvornahme vorgenommen hat. Es ist nicht feststellbar, dass der Beklagte sich mit der Mängelbeseitigung im Verzug (§ 284 BGB) befand. Dass eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde, ist ebenso wenig ersichtlich wie Umstände, die eine solche Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich machen könnten. Die eigenmächtige Ersatzvornahme führt aber zum Verlust des Aufwendungsersatzes im Sinne von § 633 Abs. 3 BGB a. F. (vgl. Siegburg, Handbuch der Gewährleistung, 4. Aufl., Rdn. 963).

Diesen Anspruchsverlust kann die Klägerin nicht dadurch unterlaufen, dass die bereits erfolgte Mängelbeseitigung gleichsam ignoriert und erneut in das Nachbesserungsstadium zurückgeschritten wird. Eine solche Rechtsverfolgung würde zu einer sinnwidrigen Schlechterstellung des Werkunternehmers führen, wenn er - wie auch hier - nicht nur mit einem Zustand konfrontiert wird, der nicht von ihm geschaffen wurde, sondern durch die schon erfolgten Mängelbeseitigungsmaßnahmen überlagert ist, und er darüber hinaus noch mit einem beträchtlichen Mehraufwand konfrontiert wird, der durch die Beseitigung des durch Ersatzvornahme geschaffenen Zustands erforderlich würde. Damit würde der sich aus einer eigenmächtigen Ersatzvornahme ergebende Anspruchsverlust in sein Gegenteil umgekehrt.

2. Aus Vorstehendem ergibt sich letztlich, dass auch die Kosten der bereits erfolgten Ersatzvornahme nicht als ein in der Klagesumme aufgehendes Minus erstattet verlangt werden können.

Damit steht zugleich fest, dass auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch schon dem Gegenstand nach überholt ist. Ein solcher Anspruch ist überdies nicht streitgegenständlich und seitens der Klägerin trotz Hinweises des Senats im Termin nicht geltend gemacht worden. Von daher kann dahinstehen, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 635 BGB a. F., insbesondere eine Fristsetzung nebst Ablehnungsandrohung im Sinne von § 634 Abs. 1 BGB a. F., erfüllt sind und ein etwaiger Ersatzanspruch oder Ersatzansprüche nicht bereits nach § 242 BGB (infolge widersprüchlichen Verhaltens) ausgeschlossen sind.

3. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Verjährung und zur Rechtskraftwirkung hat der Beklagte mit seiner Berufung zu Recht nicht angegriffen, denn sie sind zutreffend.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 20.508,14 €.

Ende der Entscheidung

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