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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 17 W 201/08
Rechtsgebiete: BGB, JVEG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
JVEG § 19 Abs. 1 Nr. 4
JVEG § 20
JVEG § 22
ZPO § 91 Abs. 1 S. 2
ZPO § 104 Abs. 2 S. 1
ZPO § 294 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin werden der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Köln vom 26.03.2008 sowie der teilabhelfende Beschluss vom 18.06.2008 teilweise abgeändert.

Aufgrund des Urteils der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 24.07.2007 sind von der Beklagten weitere 70,93 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20.09.2007 an die Klägerin zu erstatten.

Der Rechtspfleger bei dem Landgericht Köln wird angewiesen, nunmehr umgehend über das Kostenfestsetzungsgesuch der Klägerin betreffend die Reisekosten ihres Prokuristen infolge der Teilnahme an den Gerichtsterminen vom 18.02.2003, 11.07.2003, 30.09.2003, 09.03.2004 und 26.06.2007 zu entscheiden.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Rechtspfleger bei dem Landgericht Köln zu entscheiden.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18.09.2007 Kostenausgleichung beantragt und hierbei Kosten in Höhe von 7.269,98 € angemeldet, die sich aus den Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten, dessen Reisekosten und Abwesenheitsgeldern sowie Reisekosten und Verdienstausfall der Partei selbst zusammensetzten.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2008 hat der Rechtspfleger des Landgerichts die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.770,48 € festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, von den seitens der Klägerin angemeldeten Kosten könnten allein 5.426,00 € berücksichtigt werden, nämlich die Rechtsanwaltsgebühren nebst Postpauschalen sowie die Abwesenheitsgelder des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die indes um 13,00 € zu kürzen seien. Der von der Klägerin geltend gemachte Verdienstausfall, den diese für die Wahrnehmung von 5 Gerichtsterminen durch ihren Prokuristen beanspruche, sei abzusetzen, weil dem Prokuristen der Klägerin ein Verdienstausfall nicht entstanden sei. Über die Fahrtkosten des Prozessbevollmächtigten sowie des Vertreters der Klägerin könne nicht entschieden werden, da Originalbelege trotz Aufforderung nicht eingereicht worden seien.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 24.04.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tag, bei Gericht eingegangen am 25.04.2008 sofortige Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die sofortige Beschwerde richte sich gegen die nicht festgesetzten Teilbeträge der Reisekosten. Nicht weiter verfolgt werde der Antrag im Hinblick auf die zu hoch angesetzten Abwesenheitsgelder ihres Prozessbevollmächtigten sowie im Hinblick auf den Verdienstausfall der Termine im Jahre 2003 und 2004. Aufrecht erhalten bleibe der Antrag dagegen im Hinblick den Verdienstausfall des Herrn Weis für den Termin am 26.06.2007 sowie hinsichtlich der Abwesenheitsgelder, die auch der Partei zustünden.

Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.06.2008 hat der Rechtspfleger des Landgerichts die von der Beklagten zu erstattenden Fahrtkosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf 63,95 € festgesetzt. Durch Beschluss vom selben Tag hat er der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und ausgesprochen, dass von der Beklagten weitere 76,00 € an die Klägerin zu erstatten seien. Zur Begründung hat er ausgeführt, anstelle des Verdienstausfalles des Prokuristen der Klägerin für die Wahrnehmung von fünf Terminen zu je acht Stunden werde die Zeitversäumnis nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 4, 20 JVEG ausgeglichen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1.

Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Nichtbescheidung der von der Klägerin geltend gemachten Reisekosten richtet, ist sie als Untätigkeitsbeschwerde zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass eine Entscheidung im Sinne von § 567 Abs. 1 ZPO über die geltend gemachten Reisekosten von dem Rechtspfleger des Landgerichts noch nicht getroffen worden ist. Zwar geht das Rechtsmittelsystem der ZPO davon aus, dass ein Rechtsmittel den Erlass einer Entscheidung voraussetzt, die mit diesem angefochten wird; denn das Rechtsmittel dient der Überprüfung einer Entscheidung, nicht deren Herbeiführung (vgl. Gummer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 567 Rdnr. 21). Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung, welche von dem Senat geteilt wird, ist jedoch eine außerordentliche Beschwerde wegen Untätigkeit eröffnet, wenn Veranlassung zu der Annahme besteht, dass das Erstgericht durch eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Untätigkeit einen der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand herbeigeführt hat (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, NJW-RR 1999, 1290 f. und MDR 1997, 1062 f., jeweils zitiert nach juris; OLG Köln NJW-RR 1999, 290 f., zitiert nach juris; Gummer in: Zöller, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Rechtspfleger hat durch seine gesamte Verfahrensweise zum Ausdruck gebracht, dass er nicht beabsichtigt, vor der Einreichung von Originalbelegen über die von der Klägerin zur Kostenausgleichung angemeldeten Reisekosten ihres Prokuristen zu entscheiden. Hierdurch wird ein der Rechtsverweigerung gleichkommender Verfahrensstillstand herbeigeführt. Denn die Klägerin hatte bereits mit Schriftsatz vom 18.03.2008 darauf hingewiesen, dass ihr nicht mehr sämtliche Originalbelege vorliegen und sie diese deshalb auch nicht zur Akte reichen könne; zugleich hatte sie um die Bescheidung des Antrags gebeten und in diesem Zusammenhang ausgeführt, sofern der Rechtspfleger des Landgerichts weiterhin die Auffassung vertrete, dass bestimmte Positionen nicht hinreichend belegt seien, möge er dies im Rahmen seiner Entscheidung darlegen. Dadurch, dass der Rechtspfleger über die angemeldeten Reisekosten im Beschluss vom 26.03.2008 gleichwohl mangels Vorlage von Originalbelegen nicht entschieden hat, hat er der Klägerin zugleich die Möglichkeit genommen, den von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkt zur Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu stellen und damit einen der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand herbeigeführt.

In der Sache selbst führt die Untätigkeitsbeschwerde zu der Anweisung, nunmehr über die von der Klägerin geltend gemachten Reisekosten ihres Prokuristen infolge der Teilnahme an den Gerichtsterminen vom 18.02.2003, 11.07.2003, 30.09.2003, 09.03.2004 und 26.06.2007 zu entscheiden.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Auch wenn das formalisierte Kostenfestsetzungsverfahren im Interesse der Rechtssicherheit klarer und praktikabler Berechnungsgrundlagen bedarf, bedeutet dies auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, dass Kosten, die nicht ohne weiteres anhand der Gerichtsakten oder anderer Urkunden feststellbar sind, nicht festsetzungsfähig sind. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt nach § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO vielmehr grundsätzlich, dass er glaubhaft gemacht ist, wobei sich der Rechtspfleger sämtlicher Beweismittel des § 294 Abs. 2 ZPO bedienen kann und muss (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2007, III ZB 79/06). Hierfür ist lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.2007, XI ZB 38/05). In diesem Zusammenhang wird der Rechtspfleger auch zu berücksichtigen haben, dass die Teilnahme des Prokuristen der Klägerin an den einzelnen Gerichtsterminen durch die jeweiligen Verhandlungsprotokolle belegt ist.

2.

Die von der Klägerin weiter angemeldeten Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten hat der Rechtspfleger des Landgerichts durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.06.2008 festgesetzt; sie sind aufgrund dessen nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

3.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der Klägerin für die Teilnahme ihres Prokuristen an den Gerichtsterminen vom 18.02.2003, 09.03.2004, 11.07.2003 und 30.09.2003 beanspruchten Abwesenheitsgelder. Insoweit hat der Rechtspfleger des Landgerichts mit Beschluss vom 18.06.2008 der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen hat, indem er der Klägerin 38/60 der Zeitversäumnisentschädigung nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 4, 20 JVEG in Höhe von jeweils 24,00 € zuerkannt hat.

4.

Soweit die Klägerin für die Teilnahme ihres Prokuristen an dem Verhandlungstermin vom 26.06.2007 Verdienstausfall in Höhe von 136,00 € beansprucht, ist die sofortige Beschwerde begründet.

Die der Partei durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis ist erstattungsfähig; entsprechendes gilt bei Handelsgesellschaften für den Zeitaufwand ihrer gesetzlichen oder sonstigen Vertreter oder Mitarbeiter (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn. 13 "Zeitversäumnis" m.w.N.; vgl. auch den Senatsbeschluss vom 28.07.1999, 17 W 70/99). Die Entschädigung bemisst sich unter Berücksichtigung des von der Partei versäumten Erwerbs gemäß § 91 Abs. 1 S. ZPO i.V.m. den Vorschriften des JVEG. Gemäß § 22 JVEG richtet sich die Entschädigung nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge und beträgt für jede Stunde höchstens 17,00 €. Im Rahmen des § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO ist darauf abzustellen, welchen wirtschaftlichen Wert die Tätigkeit des zum Termin entsandten Mitarbeiters für die Partei hatte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.06.2005, 15 W 28/05, juris, Rn. 17). Bei dem Prokuristen einer GmbH liegt der Wert der Arbeitszeit sicherlich über einem Stundensatz von 17,00 €, so dass der Klägerin der Zeitaufwand des Herrn X mit dem gesetzlichen Höchstsatz zu entschädigen ist. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Rechtspflegers des Landgerichts für die Entschädigung bei der Zeitversäumnis des Mitarbeiters einer juristischen Person nicht darauf an, ob dem Mitarbeiter tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden ist. Insoweit ist dem Rechtspfleger zuzugeben, dass dem Mitarbeiter einer Partei, der zu Wahrnehmung eines Gerichtstermins entsandt wird, in der Regel kein Verdienstausfall entsteht, da die Wahrnehmung des Termins zur dienstlichen Tätigkeit des Mitarbeiters gehört und im Rahmen des Dienstverhältnisses stattfindet. Andererseits erleidet die Partei eine wirtschaftliche Einbuße, da ihr Mitarbeiter während der für den Gerichtstermin aufgewendeten Zeit zu einer anderweitigen dienstlichen Tätigkeit für die Partei nicht zur Verfügung steht. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO ist daher nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass eine Entschädigung für Zeitversäumnis bei der Entsendung eines Mitarbeiters zum Gerichtstermin nicht an einen Verdienstausfall des Mitarbeiters geknüpft ist, sondern sich danach bemisst, mit welchem Stundensatz die übliche Arbeitstätigkeit des Mitarbeiters für die Partei zu bewerten ist (Senatsbeschluss vom 28.07.1999, 17 W 70/99; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 18).

In Anbetracht der Termin- und Reisedauer stellt sich die geltend gemachte Zeitversäumnis von 8 Stunden dem Umfang ohne weiteres als plausibel dar. Mithin ergibt sich der geltend gemachte Entschädigungsbetrag von 136,00 €, der anteilig in Höhe von 38/60 entsprechend 86,13 € zu erstatten ist. Da der Rechtspfleger des Landgerichts im Rahmen des Beschlusses vom 18.06.2008 die für die Wahrnehmung des Termins vom 26.06.2007 entstandene Zeitversäumnisentschädigung bereits auf 38/60 von 24,00 €, mithin 15,20 € festgesetzt hat, ergibt sich ein weiterer erstattungsfähiger Betrag in Höhe von 70,93 €.

Ende der Entscheidung

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