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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 17 W 251/05
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
RPflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit der Rechtspfleger das Kostenfestsetzungsgesuch der Klägerin vom 08.09.2005 zurückgewiesen hat; insoweit wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an den Rechtspfleger des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäss § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz statthaft und begegnet auch im Übrigen keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. In der Sache führt das Rechtsmittel insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, als dadurch der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen worden ist, und im Umfang seiner Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an den Rechtspfleger des Gerichts des ersten Rechtszuges, der über das Kostenfestsetzungsbegehren der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu wird entscheiden müssen. Das Verfahren ist derzeit noch nicht zur Endentscheidung reif; es bedarf hierzu vielmehr weiterer tatsächlicher Feststellungen. Der Senat hält es für sachdienlich, die noch erforderlichen Ermittlungen dem Rechtspfleger des Landgerichts zu übertragen.

Anders als der Rechtspfleger angenommen hat, war die Klägerin unter Erstattungsgesichtspunkten nicht gehalten, einen in Köln praktizierenden Rechtsanwalt mit der Prozessführung vor dem Landgericht Köln als dem für die Durchführung des Streitverfahrens zuständigen Prozessgericht zu beauftragen. Das gilt unbeschadet der Tatsache, dass die gerichtliche Geltendmachung eines vorprozessual nach Grund und Höhe unstreitigen Darlehensrückzahlungsanspruchs für die Klägerin als ein Kreditinstitut lediglich eine Routineangelegenheit darstellt, und dass sich eine Partei, die einen bloßen Routineprozess führt, grundsätzlich auf die in einem solchen Fall ausreichende und zumutbare Möglichkeit verweisen lassen muss, einen am Ort des Prozessgerichts praktizierenden Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten zu bestellen und diesen auf dem Postweg und ergänzend telefonisch mit den für die Prozessführung benötigten Informationen zu versehen.

Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Rechtsstreit ein Mahnverfahren vorausgegangen ist, in welchem die Klägerin bereits durch ihre örtlichen Vertrauensanwälte vertreten war. In einem solchen Fall ist auch eine Partei, die über die zur Beurteilung der Rechtslage erforderlichen Rechtskenntnisse und die Befähigung verfügt, den Streitstoff selbst korrespondierend zu vermitteln, erstattungsrechtlich nur dann verpflichtet, sogleich einen Anwalt am Ort des Prozessgerichts einzuschalten, wenn sie begründeten Anlass zu der Annahme hatte, die Gegenseite werde sich gegen den Mahnbescheid mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs zur Wehr setzen.

Für den umgekehrten Fall eines nicht vorhergesehenen und den Umständen nach auch nicht vorhersehbaren Widerspruchs hat der Senat unter dem bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Recht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Gläubiger einen nicht am Ort des späteren Prozessgerichts ansässigen Anwalts mit der Beantragung des Mahnbescheids beauftragen dürfe, ohne deswegen Nachteile bei der Kostenerstattung befürchten zu müssen. Daran hat sich seit Inkrafttreten der Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO am 01. Januar 2000 und dem dadurch bewirkten Wegfall des Lokalisationsprinzips nur insoweit etwas geändert, als nunmehr nach einem nicht vorhersehbaren Widerspruch des Schuldners gegen den Mahnbescheid kein neuer Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten für das streitige Verfahren beim Landgericht bestellt werden muss, so dass zwar die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels zu verneinen ist, stattdessen jedoch die mit der Wahrnehmung eines Verhandlungs- und/oder Beweistermins beim auswärtigen Prozessgericht verbundenen Reisekosten des örtlichen Rechtsanwalts der Partei oder die Kosten eines Unterbevollmächtigten als erstattungsfähig anzuerkennen sind.

Im gegebenen Fall hatte die Klägerin keinen begründeten Anlass anzunehmen, dass der Beklagte einem Mahnbescheid und dessen Vollstreckbarerklärung widersprechen werde. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Beklagte den in der Folge gerichtlich geltend gemachten Anspruch vorgerichtlich nicht beanstandet hat. Unter diesen Umständen muss der Gläubiger nicht ernstlich in Erwägung ziehen, dass der Schuldner gleichwohl - etwa aus Verzögerungsgründen und zur Erlangung eines kurzfristigen Vollstreckungsaufschubs - den mit nicht unerheblichen Mehrkosten verbundenen Weg der Widerspruchseinlegung wählen werde. Dann aber ist der Gläubiger in der Auswahl des Rechtsanwalts für das Mahnverfahren unter dem Blickwinkel des Erstattungsrechts völlig frei; er darf ohne kostenrechtliche Nachteile einen beliebigen Rechtsanwalt mit der Einreichung des Mahngesuchs beauftragen. Dass dies auch für einfache Routinesachen gilt, folgt aus § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO; dort ist ausdrücklich bestimmt, dass die gesetzlichen Gebühren- und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind. Danach darf sich jede Partei, auch diejenige, die einen aus ihrem Geschäftsalltag hervorgegangenen Anspruch gerichtlich durchzusetzen beabsichtigt, anwaltlicher Hilfe bedienen.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Klägerin das Mahnverfahren gegen den Beklagten nicht von einem Kölner Anwalt hat betreiben lassen, dass sie den Mahnbescheid vielmehr unter Mitwirkung ihrer in der Folge zu Prozessbevollmächtigten bestellten örtlichen Vertrauensanwälte erwirkt hat.

Aus alledem folgt, dass die der Klägerin durch die Einschaltung Kölner Rechtsanwälte als Unterbevollmächtigte entstandenen Mehrkosten insoweit zu erstatten sind, als sie die Reisekosten nicht übersteigen, die ihr erwachsen wären, wenn ihre Braunschweiger Hauptbevollmächtigten den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, der am 06.09.2005 stattgefunden hat, selbst wahrgenommen hätten. Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung des Bundesgerichtshofs, die der Senat teilt, sind die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den am Wohnort oder am Ort der gewerblichen Niederlassung der Partei praktizierenden Rechtsanwalt Termine beim auswärtigen Prozessgericht wahrnimmt, als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erstattungsfähig, soweit dadurch sonst notwendige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart worden sind, die bei der Wahrnehmung des Termins durch diesen selbst entstanden wären; eine geringfügige Überschreitung der durch die Inanspruchnahme eines Unterbevollmächtigten ersparten Reisekosten von bis zu 10 % steht der Erstattung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZP 30/02 -, NJW 2003, 898 ff., MDR 2004, 233 ff.; ferner BGH-Report 2004, 70-71). Von der Höhe der Reisekosten, die von der Klägerin hätten aufgewandt werden müssen, wenn der mit der Bearbeitung der Sache befasste Rechtsanwalt aus der Sozietät ihrer Braunschweiger Prozessbevollmächtigten zum Termin des Prozessgerichts nach Köln gereist wäre, wird es demnach abhängen, ob die streitigen Mehrkosten der als Unterbevollmächtigte zugezogenen Kölner Rechtsanwälte ganz oder nur teilweise zu erstatten sind. Zur Höhe der fiktiven anwaltlichen Reisekosten, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.10.2005 mitgeteilt hat, hat der Rechtspfleger keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Rechtspfleger vorbehalten, da sich derzeit noch nicht übersehen lässt, inwieweit das Rechtsmittel der Klägerin Erfolg haben wird.

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