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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.09.1996
Aktenzeichen: 18 U 14/96
Rechtsgebiete: HGB, AGB-Gesetz, ZPO


Vorschriften:

HGB § 9 b
HGB § 89 b
HGB § 89 b Abs. 4
HGB § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
HGB § 89 a Abs. 4 Satz 1
AGB-Gesetz § 3
AGB-Gesetz § 2
AGB-Gesetz § 2 Abs. 1 Nr. 2
AGB-Gesetz § 24
ZPO § 256
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 14/96 44 023/95 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 19.09.1996

Verkündet am 19.09.1996

Schiffer, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 1996 durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg und Wahle sowie den Richter am Landgericht Dr. Törl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. Dezember 1995 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung - auch: Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen anerkannten Kreditinstituts - in Höhe von 6.600,00 DM abwenden, sofern nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob ein HandelsvertreterAusgleichsanspruch des Klägers aus Billigkeitsgründen insoweit nicht entstanden ist, als der Kläger aus Beiträgen der Beklagten eine Anwartschaft auf Leistungen der Alters- und Hinterbliebenenversorgung hat.

Der Kläger war vom 1. 7. 1979 bis zum 30. 6. 1995 für die Beklagten aufgrund eines Agenturvertrages vom 2. 7. 1979 als Versicherungsvertreter tätig. Zuvor hatte er seit 1974 als Angestellter in Diensten der Beklagten gestanden. Er war damals als Organisationsinspektor für die Betreuung von Handelsvertretern zuständig. Der Vertrag der Parteien endete zum 30. 6. 1995. Seit Januar 1980 nimmt der Kläger an der Altersversorgung der Beklagten in Form einer Direktversicherung teil. Diese Versicherung wird von den Beklagten mit Beiträgen bedient. Hinzukommt eine für den vorliegenden Rechtsstreit nicht bedeutsame eigene Versicherung des Klägers. Aus diesen Versicherungen wird der Kläger mit der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente erhalten, also mit Beginn des Monats Dezember 2008.

Zur Teilnahme des Klägers an dieser Zukunftssicherung kam es wie folgt:

Mit Schreiben vom 28. 5. 1979, also noch vor Abschluß des Agenturvertrages, informierten die Beklagten über die künftige Zukunftssicherung freier hauptberuflicher Außendienstmitarbeiter. Das Schreiben enthielt u. a. den Hinweis darauf, daß der Kläger zwischen zwei verschiedenen Formen der Zukunftssicherung wählen könne. Dem Schreiben war Abschrift eines Informationsschreibens vom 15. 3. 1979 beigelegt sowie eine Broschüre "Zukunftssicherung der hauptberuflichen Mitarbeiter des ...Außendienstes" sowie ein weiteres Blatt "Versicherung der hauptberuflichen Mitarbeiter".

In § 12 Nr. 3 des Agenturvertrages befindet sich ein Hinweis auf die "Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches..."; diese waren weder dem vorerwähnten Schreiben beigefügt, noch wurden sie dem Kläger aus Anlaß des Vertragsabschlusses überreicht.

Da sich die Beklagten im Zuge der Vertragsbeendigung auf den Standpunkt gestellt haben, der Barwert der angesammelten Rentenanwartschaft mindere den Ausgleichsanspruch des Klägers, soweit die Anwartschaft auf Beiträge der Beklagten zurückzuführen sei, hat der Kläger die Beklagte auf Feststellung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten schuldeten ihm neben der Versorgungsanwartschaft den vollen Ausgleich nach § 9 b HGB.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagten nicht berechtigt sind, den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB um Beiträge, die sie in die zu Gunsten des Klägers bestehende Lebensversicherung (Gruppensicherungsvertrag Nr. T 2189... bei der ... Versicherungs-AG) gezahlt hat bzw. um den sich aus diesen Beiträgen ergebenen Anwartschaftsbarwert ( Kapitalwert Deckungskapital) der Versicherung zu kürzen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Sie haben geltend gemacht, die Anrechnung des Deckungskapitals aus der Rentenzusage auf den Ausgleichsanspruch entspreche sowohl den vertraglichen Vereinbarungen als auch der Billigkeit. Denn Ausgleich und Rente hätten ihre Grundlage im selben Vertragsverhältnis. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, die beantragte Feststellung ausgesprochen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, eine vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung sei zwar dem Grunde nach geeignet, die Entstehung des Ausgleichsanspruches unter Billigkeitsgesichtspunkten zu beeinflussen. Es entspreche aber nicht der Billigkeit, den Ausgleichsanspruch herabzusetzen, wenn der Termin der Rentenzahlung erst Jahre nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters einsetze. Etwas anderes hätten die Parteien auch nicht wirksam vereinbart. Eine einzelvertragliche Vereinbarung gebe es nicht. Die vereinbarten "Grundsätze" seien nicht Vertragsinhalt geworden. Soweit dort die Berücksichtigung der Altersversorgung vorgesehen sei, handele es sich um eine überraschende Klausel im Sinne von § 3 AGB-Gesetz. Die dem Schreiben der Beklagten vom 28. Mai 1979 beigefügten Anlagen schließlich ergäben nicht die von den Beklagten jetzt beabsichtigte Verrechnungsmöglichkeit.

Gegen dieses ihren Prozeßbevollmächtigten am 29. 12. 1995 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 24. 1. 1996, bei Gericht eingegangen am 26. 1. 1996, Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 26. 3. 1996 - bei Gericht am gleichen Tage eingegangen - begründet.

Die Beklagten machen geltend:

Die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Pensionsanspruches im Rahmen der nach § 89 b HGB anzustellenden Billigkeitserwägungen entspreche seit Jahren der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. Auf eine Vereinbarung der Parteien könne es wegen der Regelung in § 89 b Abs. 4 HGB nicht ankommen. Es bestehe eine funktionelle Verwandtschaft zwischen Ausgleichsanspruch und Rentenanwartschaft. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, daß hier die Altersversorgung selbst dann nicht ersatzlos wegfalle, wenn der Kläger vor Erreichen des 65. Lebensjahres versterbe, ohne daß eine Witwenrente zu zahlen sei. Denn dann werde in den Nachlaß ein wertgleiches Kapital gezahlt werden. Der Kläger habe aus seiner beruflichen Tätigkeit für die Beklagten Kenntnis davon gehabt, daß die Betriebsrente auf einen Ausgleichsanspruch angerechnet werde. Eine solche Verrechnung sei auch weder ungewöhnlich, noch subjektiv überraschend. Der Höhe nach übersteige das Deckungskapital der Betriebsrente mit gut 156.000 DM den rechnerischen Ausgleichsanspruch des Klägers, der sich - unstreitig - auf 137.174,38 DM beläuft.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, Zurückweisung der Berufung.

Er macht geltend:

Infolge der bestehenden Fälligkeitsdifferenz sei der praktische Zweck der Ausgleichszahlung hier ein anderer als derjenige der Rentenanwartschaft. Ein Handelsvertreter, der vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst des Unternehmens ausscheide, müsse sich regelmäßig ein neues Betätigungsfeld aufbauen, sich insbesondere einen neuen Kundenstamm verschaffen. In diesem Falle habe die Ausgleichszahlung den Zweck, die Existenz des Handelsvertreters für eine Übergangszeit zu sichern, in dem er keine oder jedenfalls nur erheblich geminderte Einkünfte habe. Eine - wie hier - erst mehr als 13 Jahre nach dem Ausscheiden fällig werdende Altersversorgung könne bei der Lösung dieser Probleme nicht helfen, zumal sie nicht zur Kreditsicherung eingesetzt werden könne. Unter diesen Umständen entspreche ihre Berücksichtigung nicht der Billigkeit. Eine Anrechnungsvereinbarung sei nicht, jedenfalls nicht wirksam, getroffen worden. Der Agenturvertrag enthalte insoweit keine abschließende Regelung. Die "Grundsätze" seien dem Kläger seinerzeit - unstreitig - nicht vorgelegt worden; sie seien ihm auch nicht aus seiner früheren beruflichen Tätigkeit bekannt gewesen. Jedenfalls seien sie nicht im Sinne von § 2 AGB-Gesetz in den Agenturvertrag einbezogen worden. Im übrigen stehe die dortige Anrechnungsregelung im Widerspruch zu den Anlagen des Schreibens vom 28. 5. 1979. Schließlich stellt der Kläger die Ausführungen der Beklagten zur Höhe des Deckungskapitals in Abrede.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Klage ist als Feststellungklage zulässig.

Dies ist von den Beklagten nicht beanstandet worden. Die Begründung des Landgerichts, es handele sich um eine negative Feststellungsklage (Bl. 159 d. A.), ist freilich nicht richtig. Auch die weitere Erwägung der Kammer, die Parteien stritten nicht über die Höhe, ist jedenfalls jetzt nicht mehr richtig. Aber all dies mag dahinstehen. Bei Erhebung der Klage (Zustellung 8. Mai 1995) war das Vertragsverhältnis der Parteien noch nicht beendet. Also konnte der Kläger damals nur auf Feststellung klagen. Eine einmal zulässig erhobene Feststellungsklage bleibt zulässig, auch wenn der jeweilige Kläger später auf Leistung klagen könnte (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, § 256 ZPO, Rnr. 83 a. E.).

Ebenfalls unrichtig ist die Annahme des Landgerichts, es gehe hier um eine reine Rechtsfrage zwischen den Parteien; das wäre kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, Rnr. 11). Es geht hier vielmehr um die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagten einen ungekürzten Ausgleichsanspruch hat oder ob die Versicherungsanwartschaft in irgendeiner Weise zu berücksichtigen ist.

B. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf eine ungekürzte Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB.

1.

Daß die Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift vorliegen, steht im Berufungsrechtszug zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Insbesondere haben die Beklagten die Ausführungen der Kammer zur Unwirksamkeit der von den Beklagten erklärten fristlosen Kündigung hingenommen. Es geht nunmehr ausschließlich um die Frage, ob die Zahlung bzw. die ungekürzte Zahlung eines Ausgleiches der Billigkeit entspricht (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Sie ist zu bejahen.

2.

In der Rechtsprechung des BGH ist es seit langer Zeit anerkannt, daß bei der nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB vorzunehmenden Abwägung das Vorliegen einer durch freiwillige Beiträge des Unternehmers begründeten - unverfallbaren - Anwartschaft auf Betriebsrente von Bedeutung sein kann (BGHZ 45, 268, 270 ff; 51, 45, 58 f. = NJW 71, 462, 464 = VersR 71, 265, 268 f. mit Anmerkung Höft; WPM 75, 856, 858; VersR 82, 593, 594 f. = NJW 82, 1814; VersR 84, 184, 185 f. = WPM 84, 212, 213 f. = LM § 89 b HGB, Nr. 69; VersR 94, 8o7, 8o8). Dieser Grundsatz hat im Schrifttum einhellige Zustimmung gefunden (vgl. Küstner von Manteuffel-Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, 6. Auflage 1995, Rdn. 1007, 1008 m. N.). Er wird auch von den Parteien nicht in Abrede gestellt. Ihm liegt die Erwägung zu Grunde, daß zwischen handelsrechtlichem Ausgleichsanspruch und der Altersversorgung eine "funktionelle Verwandtschaft" bestehe (BGHZ 45, 273), da die Altersversorgung im wesentlichen den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernehme ( a. a. O. 272; VersR 82, 595 1. Sp.). Wenn und soweit dies der Fall ist, erscheint es nicht gerechtfertigt, dem Handelsvertreter neben den durch freiwillige Leistung des Unternehmers entstandenen Ansprüchen aus der Altersversorgung einen ungekürzten Ausgleichsanspruch zu belassen, zumal der Unternehmer seine Leistungen zur Begründung der Rentenanwartschaft gerade in der Erwartung erbracht haben wird, damit gleichzeitig eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruches zu bewirken (vgl. Höft VersR 71, 271).

Wie der Kläger aber hier mit Recht geltend macht, trifft diese Erwägung nur für den Fall zu, daß der Handelsvertreter in dem Zeitpunkt (oder zeitnah zu dem Zeitpunkt) aus dem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer ausscheidet, in dem nach den maßgeblichen Bestimmungen der Altersversorgung die Zahlung der Altersrente einsetzt. Denn nur dann erhält er, soweit sich der Barwert der Rente mit der rechnerischen Ausgleichszahlung deckt, die Rente tatsächlich an Stelle dieser Ausgleichszahlung. Anders liegt es, wenn - wie im Streitfalle - zwischen dem Ausscheiden und dem Einsetzen der Rentenzahlungen ein Zeitraum von mehr als 13 Jahren liegt. Hier wird man nämlich nicht sagen können, daß die - wenn auch unverfallbare - Rentenanwartschaft tatsächlich "im wesentlichen den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernehmen" kann. Der BGH hat dazu im Urteil vom 17. 11. 1983 (VersR 84, 184, 185 r.Sp.) ausgeführt, der (dortige) Kläger, der keiner Sozialversicherungspflicht unterliege, müsse für ausreichende Alters- und Hinterbliebenenversorgung selber Vorsorge treffen. Insoweit werde er also durch die von der beklagten Versicherungsgesellschaft begründete Versorgungsanwartschaft schon heute entlastet. Im Streitfall hält der Kläger dem zu Recht entgegen, daß diese Argumentation der tatsächlichen Situation eines vor Eintritt in das Rentenalter ausscheidenden Handelsvertreters nicht ausreichend Rechnung trägt. Denn ein Handelsvertreter in der Situation des Klägers ist normalerweise darauf angewiesen, sich eine neue Existenz zu schaffen, etwa nach Abschluß eines Handelsvertretervertrages mit einem anderen Unternehmer neue Kunden zu werben und neue Provisionen zu verdienen. Dazu braucht man Zeit und Geld. In dieser Situation hat die Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB jedenfalls auch den Zweck, dem Kläger für eine Übergangszeit die nötigen Geldmittel zur Verfügung zustellen, die er benötigt, bis ihm aus einer neuen Tätigkeit ausreichende laufende Mittel zufließen. Eine Rentenanwartschaft ist hierfür kein Äquivalent; denn sie kann weder kapitalisiert, noch auch nur beliehen werden. D. h. : der Kläger hat eine Anwartschaft, die ihm zwar in der Zukunft nützlich sein wird, für die er sich derzeit aber "nichts kaufen kann".

3.

Die letztgenannte Frage kann aber dahingestellt bleiben. Denn auch der BGH hält unter Voraussetzungen, wie sie hier vorliegen, eine Berücksichtigung der Rentenanwartschaft nur für geboten, wenn die jeweiligen Vertragsparteien sich darüber einig geworden sind (VersR 84, 186 1.Sp.; 94, 8o8 r. Sp.). Daran fehlt es hier.

a)

Die Beklagten meinen, auf eine Vereinbarung könne es wegen der Regelung des § 89 b Abs. 4 Satz HGB nicht ankommen. Danach kann der Ausgleichsanspruch nicht im voraus ausgeschlossen oder - was dem gleichsteht (BGH WPM 75, 858 1. Sp.) - eingeschränkt werden. Dem steht aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (VersR 84, 186 1. Sp.) nicht entgegen, bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit ein Ausgleichsanspruch entstanden ist, aus Billigkeitsgründen auch auf solche Umstände abzustellen, deren Berücksichtigung im Rahmen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB die Vertragsparteien vereinbart haben. Der Senat schließt sich dem an. Die gegen diese Rechtssprechung von Küstner (BB 94, 1590, 1591 f.; derselbe in: Handbuch des gesamten Außendienstrechtes, Band 2, 6. Auflage 1995, Rnr. 895) erhobene Kritik überzeugt den Senat nicht. Wenn auch die Vertragsparteien nach § 89 a Abs. 4 Satz 1 HGB keine vertragliche Vereinbarung über den Ausschluß oder die Einschränkung des Ausgleichsanspruches treffen können, so ist es ihnen doch unbenommen, durch ihr Einverständnis zum Ausdruck zu bringen, was sie für der Billigkeit entsprechend erachten. Ein solcher übereinstimmender Wille zwingt das Gericht, anders als eine vertraglich bindende Erklärung, nicht, diese Einigung der Parteien ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Andererseits kann es dem Gericht aber nicht verwehrt sein, bei der von ihm zu treffenden Billigkeitsabwägung die Vorstellungen der Vertragsparteien angemessen zu berücksichtigen.

b)

Eine Willensübereinstimmung der Parteien im vorstehenden Sinne ergibt sich weder aus dem Agenturvertrag vom 2. 7. 1979, noch aus den Anlagen zum Schreiben der Beklagten vom 28. 5. 1979.

aa)

In § 10 des Vertrages (Bl. 13 GA) heißt es, der Kläger könne nach ununterbrochener Tätigkeit von einem Kalenderjahr an der Zukunftssicherung der Beklagten "entsprechend den geltenden Grundsätzen" teilnehmen. Das ist für sich gesehen eine inhaltsleere Verweisung, da nicht hinreichend deutlich wird, welche "Grundsätze" hier in Bezug genommen werden.

Nach § 12 Nr. 1 des Vertrages (Bl. 14 GA) besteht zwischen den Vertragsparteien Übereinstimmung, daß die Berechnung etwaiger Ansprüche aus § 89 b HGB nach den "Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches..." erfolgen soll. Damit wird ersichtlich auf das als Anlage K 9 zur Klageschrift (Bl. 35 f.) vorgelegte Regelungswerk Bezug genommen, in dessen Abschnitt V sich eine Klausel über die Berücksichtigung von Anwartschaften aus einer durch Beiträge der Beklagten aufgebauten Alters- und Hinterbliebenenversorgung findet. Bei diesem Regelungswerk handelt es sich, wie auch die Beklagten nicht Abrede stellen um allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie sind nicht Bestandteil des Vertrages geworden.

(1)

Wie der Kläger unwidersprochen geltend macht, haben ihm die vorerwähnten "Grundsätze" bei Abschluß des Vertrages nicht vorgelegen. Damit haben die Beklagten dem Kläger entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz nicht die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Denn dazu wäre jedenfalls bei einem komplizierten Regelwerk wie hier die Überlassung einer Abschrift vor Abschluß des Vertrages erforderlich gewesen.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus § 24 AGB-Gesetz. Nach dieser Vorschrift findet u. a. § 2 AGB-Gesetz auf Verträge unter den Kaufleuten keine Anwendung. Der Kläger ist aber bis zum Abschluß des Vertrages vom 2. 7. 1979 nicht Kaufmann, sondern Arbeitnehmer gewesen. Erst mit Abschluß des Vertrages ist er Kaufmann, nämlich Handelsvertreter geworden. Auf einen solchen Fall ist § 24 AGB-Gesetz nicht anwendbar (vgl. Münchner Kommentar - Basedow, 3. Auflage, § 24 AGB-Gesetz, Rnr. 3; Palandt-Heinrichs, 24 AGB-Gesetz, Rnr.11). Denn die Vorschrift will ersichtlich nur denjenigen aus dem Schutzbereich des AGB-Gesetzes teilweise ausnehmen, der bereits bei Abschluß des jeweiligen Vertrages Kaufmann ist. Wer erst mit Abschluß eines Vertrages zum Kaufmann wird, ist bis zum Abschluß des Vertrages ebenso schutzwürdig wie jeder sonstige nichtkaufmännische Vertragspartner. Im übrigen ergibt sich für den vorliegenden Fall gleiches schon daraus, daß die hier in Rede stehende Verpflichtung, eine Abschrift der Geschäftsbedingungen dem Kläger auszuhändigen, vor Abschluß des Vertrages zu erfüllen gewesen wäre, also zu einem Zeitpunkt, als der Kläger noch nicht Kaufmann war. Der Senat kann offen lassen, ob es sich etwas anderes ergeben würde, wenn zu Lasten des Klägers feststünde, daß ihm die Regelung der "Grundsätze", soweit es hier auf diese ankommt, bei Abschluß des Vertrages bekannt gewesen ist. Das behaupten die Beklagten zwar. Ihr Vorbringen ist aber nicht hinreichend substantiiert und gibt zur Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht keine Veranlassung. Die Beklagten machen auf den Seiten 8 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 190 ff. GA) lediglich in allgemeiner Form geltend, zu den Aufgaben des Klägers während seiner Angestelltentätigkeit habe es auch gehört, die von ihm betreuten Versicherungsvertreter über ihren Status und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu informieren. Zu den Aufgaben des Klägers habe deshalb auch die Lektüre der vorerwähnten "Grundsätze" gehört. Die Beklagten zeigen aber keinen konkreten Fall auf, in dem es während der Berufstätigkeit des Beklagten vor Abschluß des Vertrages vom 2. 7. 1979 tatsächlich zur Erörterung jener "Grundsätze", etwa aus Anlaß irgendeines Streitfalles gekommen ist; insbesondere zeigen sie keinen Fall auf, in dem es um die hier interessierende Klausel über die Berücksichtigung der Altersvorsorge gegangen ist. Dazu hätte schon allein deshalb Veranlassung bestanden, weil der Kläger seinerseits geltend macht, bei der ihm obliegenden Betreuung von Handelsvertretern hätten die "Grundsätze" nicht die geringste Bedeutung gehabt; mit Fragen, die sich bei der Beendigung von Handelsvertreterverträgen gestellt hätten, habe er nichts zu tun gehabt. Seine Aufgabe sei vielmehr die Erörterung praktischer Fragen gewesen, (Seite 11 der Berufungserwiderung, Bl. 216 GA).

Auf diesen Punkt hat der Senat die Beklagten in der Verhandlung hingewiesen.

bb)

Dem Schreiben der Beklagten vom 28. 5. 1979 (Anlage K 7, Bl. 22 GA) haben beigelegen der Ausdruck eines Formschreibens vom 15. 3. 1979; die gedruckte Broschüre "Zukunftssicherung..." (Bl. 25 ff. GA) und ein weiteres Blatt "Versicherung der hauptberuflichen Mitarbeiter" (Bl. 34 GA).

(1)

Aus dem erstgenannten Schriftstück ergibt sich lediglich, daß der Kläger die Möglichkeit haben sollte, zwischen der früheren "Versorgungseinrichtung" und der neuen "Zukunftssicherung" zu wählen. Das besagt für sich gesehen nichts.

(2)

Die Broschüre verhält sich über die Wechselwirkung zwischen Rentenanwartschaft und Ausgleichsanspruch in ihren Abschnitten VII 1 und IX 1 b. Für den hier interessierenden Fall des Ausscheidens vor Eintritt des Versicherungsfalles ist die letztgenannte Stelle maßgeblich. Auf dieses Regelwerk ist aber nicht im Vertrag vom 2. 7. 1979 Bezug genommen worden. Ohnehin regelt die Stelle, worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, etwas anderes als die vorerwähnten "Grundsätze". Darüber hinaus wird das Verhältnis der Abschnitte VII und IX zueinander nicht hinreichend deutlich. Im letzten Satz des Abschnitts VII 1 ist von Anrechnung die Rede, während nach Abschnitt IX 1 b die Versicherung als gekündigt gelten soll, soweit das Deckungskapital dem Ausgleichsanspruch entspricht. Dererlei versteht ein juristischer Laie ohne Erläuterung nicht, auch ein Versicherungsangestellter nicht.

In dem letztgenannten Schreiben findet sich zwar in der letzten Zeile ein Hinweis auf die Verrechnung des Deckungskapitals der Direktversicherung. Aber zum einen ist auch dieses Schreiben im Vertrag nicht in Bezug genommen. Zum anderen paßt dieser Hinweis nicht mit der vorerwähnten Regelung in Abschnitt IX 1 b der Broschüre zusammen, so daß die Beklagten aus ihm nichts herleiten können.

c)

Es verbleibt deshalb dabei, daß eine Berücksichtigung der Rentenanwartschaft bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruches nicht stattfindet.

Die Berufung hat deshalb keinen Erfolg haben können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 109.739,50 DM.

Beschwer der Beklagten: über 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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