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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 18 U 163/00
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 31
GmbHG § 32 a
GmbHG § 30
GmbHG § 64
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 163/00 42 O 143/99 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 14.12.2000

Verkündet am 14.12.2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Reppel, den Richter am Oberlandesgericht Bodens sowie den Richter am Landgericht Schmitz-Justen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das am 19.05.2000 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen (42 O 143/99) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 192.000,00 DM abwenden, sofern nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe erbringen.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenes Kreditinstitut erbracht werden

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1) ist die Ehefrau des am 13.01.1999 verstorbenen Herrn K.-D. T., dessen Erbinnen die Klägerinnen zu je 1/2 geworden sind.

Herr T. war Gesellschafter der 1997 gegründeten Beklagten zu 1). An dem Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM war Herr T. mit 30.000,00 DM, der Beklagte zu 2) mit 20.000,00 DM beteiligt.

Um der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt ihrer Gründung Liquidität zur Anschaffung von Maschinen zur Verfügung zu stellen, nahm Herr T. sogenannte Existenzgründungsdarlehen in Höhe von insgesamt 172.600,51 DM auf, die er der Beklagten zu 1) als zinsloses Darlehen zur Verfügung stellte. Die von der Beklagten zu 1) geschuldeten monatlichen Raten wurden bis zum Tod von Herrn T. gezahlt.

Das Unternehmen der Beklagten zu 1) arbeitete im Jahre 1998 erfolgreich, was zu Gewinnausschüttungen an die Klägerinnen noch im Jahre 1999 führte. Seit dem Tod von Herrn T. blieben die Aufträge des bis dahin entscheidenden Auftraggebers, der W. GmbH aus, deren beherrschender Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist. In der Folgezeit kam es zu letztlich ergebnislos gebliebenen Verhandlungen zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten zu 2) über das weitere Schicksal der Beklagten zu 1). Die Klägerinnen kündigten mit Anwaltsschreiben vom 10.06.1999 die Darlehen, die zum damaligen Zeitpunkt noch in Höhe von insgesamt 179.000,00 DM valutiert waren.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an sie zu zahlen

a) 172.600,51 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.09.1999,

b) festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen jeden Schaden zu ersetzen, der durch die nicht fristgerechte Rückzahlung des in dem Klageantrag a) benannten Betrag entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben sich darauf berufen, die Beklagte zu 1) sei nicht in der Lage, die Darlehen zurückzahlen, weil das Stammkapital aufgezehrt sei. Sie haben die Auffassung vertreten, der von den Klägerinnen begehrte Rückzahlung stehe das Auszahlungsverbot der §§ 30, 31 GmbHG entgegen; nach dem - von den Klägerinnen hinsichtlich seiner Richtigkeit bestrittenen - Vermögensstatus per 31.12.1999 ergebe sich eine Überschuldung. Darüber hinaus seien die Darlehen aber auch als Kapital ersetzende Darlehen im Sinne von § 32 a GmbHG zu bewerten.

Das Landgericht hat mit am 19.05.2000 verkündeten Urteil, auf das wegen seines Inhalts Bezug genommen wird, der Klage gegen die Beklagte zu 1) in vollem Umfang stattgegeben und die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 26.05.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) mit bei Gericht am 26.06.2000 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet.

Die Beklagte zu 1) wendet sich insbesondere dagegen, dass das Landgericht die Klageforderung nicht aufgrund des Auszahlungsverbotes des § 30 GmbHG abgewiesen hat; das Gericht habe verkannt, dass es für die Beurteilung der Unterbilanz nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung, sondern den der "Entnahme" ankomme.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und auch die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht der Klage gegen die Beklagte zu 1) stattgegeben. Die Beklagte zu 1) schuldet die Rückzahlung der aufgrund der Kündigung fälligen Darlehen und ist zugleich verpflichtet Schadensersatz zu leisten, soweit durch die bislang nicht erfolgte Zahlung den Klägerinnen ein Schaden entstanden ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) lassen sich die Grundsätze über ein Kapital ersetzendes Darlehen (§ 32 a/b GmbHG) vorliegend nicht anwenden. Ungeachtet der Vermögenssituation der Beklagten zu 1) kann von einem "Stehen lassen" der Darlehen nicht gesprochen werden, weil Voraussetzung dafür wäre, dass die Klägerinnen die Krise der Gesellschaft hätten erkennen können und gleichwohl die Darlehen nicht zurückgefordert haben. Dies lässt sich jedoch nicht annehmen. Im Zeitpunkt des Erbfalles ging es der Gesellschaft wirtschaftlich gut, was auch von der Beklagtenseite nicht in Abrede gestellt wird. Vielmehr soll die Krise erst durch den Tod des Gesellschafters T. ausgelöst worden sein. Indem die Klägerinnen das Darlehen am 10.06.1999 gekündigt haben, haben sie rechtzeitig zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit waren, die Darlehen in der Krise weiterhin dem Vermögen der Beklagten zu 1) zu belassen. Vor diesem Kündigungszeitpunkt konnten sie unter Einbezug einer zuzugestehenden Überlegungsfrist, die im Hinblick darauf, dass sie erst neu und vermutlich entsprechend unerfahren in die Gesellschaft gekommen sind, aber nicht die (möglicherweise bestehende) prekäre Situation der Beklagten zu 1) erkennen, so dass auch nicht der Eindruck von einem bewussten "Stehen lassen" des Darlehens entstehen konnte. Die Bilanz für 1998, die noch zu einer Gewinnausschüttung führte, stammt vom 24.03.1999, kann den Klägerinnen zuvor also nicht bekannt gewesen sein. Dass sich demgegenüber die Situation in der Folgezeit relevant verschlechterte, war für die Klägerinnen nicht ohne weiteres erkennbar. Der ungünstigere Vermögensstatus zum 30.04.1999, dessen Richtigkeit bestritten ist, stammt vom 28.05.1999. Indem die Klägerinnen danach am 10.06.1999 die Kündigung ausgesprochen haben, haben sie dies noch innerhalb einer in diesem Zusammenhang für angemessenen Frist von 3 Wochen in Anlehnung an § 64 GmbHG "rechtzeitig" zum Ausdruck gebracht, dass sie das Darlehen eben nicht in der Krise der Beklagten zu 1) Stehen lassen wollten.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagte zu 1): 182.600,51 DM.

Ende der Entscheidung

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