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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 18 U 75/07
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 264 Ziff. 2
ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO §§ 883ff.
ZPO § 929 Abs. 2
ZPO § 936
ZPO § 940
ZPO § 945
GmbHG § 51b
GmbHG § 61 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 10.04.2007 verkündete und durch Beschluss vom 23.04.2007 berichtigte Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 87 O 26/07 - abgeändert.

Der auf Feststellung der Erledigung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz werden den Antragstellern auferlegt

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 313a Abs.1 Satz 1, 540 Abs.2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.

Nachdem sich die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung der Antragsteller nicht angeschlossen hat, war diese Erklärung als in entsprechender Anwendung der §§ 264 Ziffer 2., 533 ZPO zulässiges Begehren auf Feststellung der Erledigung auszulegen (vgl. BGH NJW 2002, 442f. m.w.N.). Indes kann diesem Begehren nicht entsprochen werden, da die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass und die Bestätigung der einstweiligen Verfügung nicht vorliegen.

1. Die Antragsteller haben die Vollziehungsfrist der §§ 929 Abs.2, 936 ZPO nicht gewahrt, so dass die angefochtene Entscheidung schon aus diesem Grunde unter kostenpflichtiger Zurückweisung des Antrages aufzuheben war (vgl. BGH NJW 1993, 1076, 1079 = BGHZ 120, 79ff.; MüKo/Drescher, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 929 Rd.13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 929 Rd.21).

Die Wahrung der Frist des § 929 Abs.2 ZPO setzt voraus, dass die im Urteilswege erlassene einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats nach ihrer Verkündung vollzogen wird (vgl. MüKo/Drescher, aaO., § 938 Rd.49). Hierfür ist erforderlich, dass der Titelgläubiger von der einstweiligen Verfügung zweifelsfrei Gebrauch macht, mithin in unmissverständlicher und leicht feststellbarer Form seinen Vollziehungswillen gegenüber dem Schuldner verbindlich betätigt (vgl. BGH, aaO.; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 929 Rd.6; Zöller/Vollkommer, aaO., § 929 Rd.12). Dabei wird für die Wahrung der Vollziehungsfrist bei einer im Urteilswege erlassenen einstweiligen Verfügung ganz überwiegend die Parteizustellung des Titels für ausreichend erachtet (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO., § 929 Rd.12 und Rd.16 m.w.N. zum Streitstand). Darüber hinaus wird in Fällen, in denen nicht nur ein an den Schuldner gerichtetes Gebot oder Verbot ausgesprochen, sondern eine reale Maßnahme angeordnet worden ist, zur Wahrung der Frist von § 929 Abs.2 ZPO ein rechtzeitiger Antrag an das zuständige Vollstreckungsorgan auf Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme gefordert (vgl. jeweils für die Sequestration i.e.S.: MüKo/Drescher, aaO., § 938 Rd.54; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 938 Rd.32; Gleußner DGVZ 1996, 33, 36 unter III.3.).

Im vorliegenden Fall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

Eine Parteizustellung der Entscheidung des Landgerichts ist unstreitig nicht erfolgt. Die am 16.04.2007 erfolgte Amtszustellung allein dokumentiert im Anschluss an die vorstehenden Erwägungen den Vollziehungswillen der Antragsteller nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit (vgl. BGH NJW 1993, 1076, 1077f.; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO., § 936 Rd.7; Grunsky, aaO., § 938 Rd.30; MüKo/ Drescher, aaO., § 938 Rd.51; Zöller/Vollkommer, aaO., § 929 Rd.16 jeweils m.w.N. zur Gegenansicht). Denn der Amtszustellung kommt, wie sich aus der gesetzlichen Entstehungsgeschichte ergibt, nicht die Aufgabe zu, die Vollstreckung aus dem zuzustellenden Titel einzuleiten und dem Gläubiger insofern die Herrschaft über das Vollstreckungsverfahren aus der Hand zu nehmen, sondern dem Gericht die Kontrolle über die Rechtsmittelfristen und den Zeitpunkt der Rechtskraft zu erleichtern (BGH NJW 1993, 1076, 1078 m.w.N.). Auch der Gedanke der mit der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung einsetzenden Gefahr einer Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO (vgl. BGH, aaO., 1078f.; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO., § 945 Rd.15) spricht dafür, an dem Vollziehungserfordernis einer Zustellung im Parteibetrieb festzuhalten und es der Entscheidung des Gläubigers zu überlassen, ob er von der Anordnung Gebrauch macht (BGH NJW 2007, 1605, 1606).

Eine Beauftragung des Sequesters mit der Vollstreckung durch die Antragsteller (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO. § 938 Rd.23; Zöller/Vollkommer, aaO., § 938 Rd.9; Gleußner DGVZ 1996, 35f. unter III.3.) ist nicht ersichtlich. Im übrigen deutet die von dem Sequester angegebene Begründung für seine Amtsniederlegung, ausweislich derer ihm ohne Zwangsbefugnisse keine sachdienliche Wahrnehmung seiner Aufgaben möglich sei, auf die Notwendigkeit von (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen entsprechend den §§ 883ff. ZPO hin.

2. Schließlich ist auch der für die erlassene Regelungsanordnung erforderliche Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO von den Antragstellern weder in erster noch in zweiter Instanz schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht worden.

Allein auf die Umstände, die für die Begründetheit der Klage auf Auflösung der Verfügungsgegnerin sprechen, kann ein Verfügungsgrund nicht gestützt werden, da andernfalls schon die Erhebung einer Auflösungsklage automatisch den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen, § 940 ZPO mithin in diesen Fällen regelmäßig leer laufen würde. Dies betrifft die den Tatbestand des § 61 Abs.1 GmbHG ausfüllenden Aspekte der Unmöglichkeit der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks und der Spaltung der Gesellschafter in ein die Liquidation der Antragsgegnerin befürwortendes und ein diese Maßnahme ablehnendes "Lager".

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ohne die angeordnete Sequestration hinreichend zu besorgen wäre, dass die Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Auflösungsklage in Verfolgung geschäftsfremder Zwecke allein nach Gutdünken ihres letzten Geschäftsführers über ihr Vermögen verfügen und hierdurch Ansprüche der Antragsteller für den Fall der Liquidation schmälern würde, liegen nicht vor.

Die in diesem Zusammenhang angeführte Missachtung der Informationsrechte der Gesellschafter durch den damaligen Geschäftsführer der Antragsgegnerin bezieht sich auf die Geschehnisse um die Bilanz für das Geschäftsjahr 2004. Indes fallen die von dieser Auseinandersetzung betroffenen Geschäftsjahre 2004 und teilweise 2005 nicht nur in die Verantwortung des letzten Geschäftsführers sondern auch der weiteren Geschäftsführer G. T. und des Antragstellers zu 2., denen in der Gesellschafterversammlung vom 13.09.2006 ebenfalls keine Entlastung erteilt worden ist. Etwaige Hinweise auf Ungereimtheiten im Jahresabschluss 2004 vermögen daher keine konkreten Zweifel an der sachgerechten Amtsausübung durch den letzten Geschäftsführer zu begründen, zumal die Antragsteller ihre Vorwürfe insoweit auch nicht näher substantiiert haben. Zudem ist dieser Fragenkreis ausweislich des Protokolls in der Gesellschafterversammlung vom 24.04.2007 ausführlich diskutiert und die Argumentation des damaligen Geschäftsführers dort offensichtlich von den Gesellschaftern D von M, V von M und H von M-C, die für die Feststellung der Bilanz 2004 gestimmt haben, geteilt worden.

Gleiches gilt für den Vorwurf der Verweigerung von Auskünften durch den Geschäftsführer insgesamt. Der Umstand, dass diese Fragen regelmäßig in den Gesellschafterversammlungen erörtert worden sind und dass nach Abschluss des eingangs beschriebenen Registerverfahrens - der Antrag der Antragsteller nach § 51b GmbHG datiert vom 07.11.2006 - bis zur Einreichung der streitgegenständlichen Antragsschrift mehr als drei Monate vergangen sind, spricht gegen die Dringlichkeit und Erforderlichkeit einer hierauf gestützten einstweiligen Anordnung. Hinzu kommt, dass die Auskunftsverweigerung des damaligen Geschäftsführers ausweislich der Diskussion vom 24.04.2007 auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer konkurrierenden beruflichen Tätigkeit der Antragsteller im Bereich der Zahntechnik ausgesprochen worden ist.

Die ferner angeführte Geschäftsführervergütung beruht auf dem fortbestehenden Geschäftsführervertrag. Dass eine wirksame Kündigung dieses Vertrages auf der Gesellschafterversammlung vom 18.12.2006 beschlossen worden wäre, haben die Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt. Denn ausweislich § 6 Ziffer 4. des Gesellschaftsvertrages bedarf es hierzu der Mehrheit aller Stimmen der Gesellschafter. Diese wurde ausweislich des Protokolls nicht erreicht. Darüber hinaus würde die insoweit bestehende Kostenbelastung die Gesellschaft durch die zusätzliche Einsetzung eines Sequesters, der nach den Grundsätzen der InsVV zu vergüten war, noch erhöht, mithin der zu erwartende Liquidationserlös der Antragsteller erst recht geschmälert.

Die in der Strafanzeige der Antragsteller erwähnte Veräußerung eines Teils der Praxiseinrichtung nebst Sitzverlegung ist in Anbetracht der von ihnen selbst dargelegten Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft seit 2005 nicht geeignet, ein pflichtwidriges gesellschaftsschädigendes Verhalten des Geschäftsführers zu begründen. Vielmehr handelt es sich um Maßnahmen, die in Anbetracht der erforderlichen Verkleinerung des Geschäftsbetriebes wirtschaftlich plausibel erscheinen, wie sich dies auch aus den Schilderungen der Zeugen in der Beweisaufnahme vom 18.08.2006 vor dem Landgericht Köln in der Sache 87 O 193/05 ergibt.

Die Schmälerung des Guthabens bei der E Bank GmbH wurde den Antragstellern bereits durch die Drittschuldnererklärung der E Bank GmbH vom 19.10.1996 bekannt. Der Umstand, dass diese hieraus erstmals unter dem 13.02.2007 zivilprozessuale Konsequenzen gezogen haben, widerlegt die behauptete Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Im übrigen waren die erstinstanzlichen Ausführungen der Antragsteller insoweit unzutreffend, als die Drittschuldnererklärung vom 19.10.1996 korrigiert wurde, was die E Bank GmbH unter dem 27.03.2007 noch einmal bestätigt hat.

Die darüber hinaus in der Strafanzeige vom 14.11.2006 erwähnten Punkte legen in dieser Allgemeinheit keinen Verfügungsgrund schlüssig dar. Insbesondere ein das Gesellschaftsvermögen pflichtwidrig reduzierendes Verhalten des damaligen Geschäftsführers erschließt sich aus diesen pauschalen Vorwürfen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1 ZPO.

Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil mit seiner Verkündung rechtskräftig wird (§§ 542 Abs.2, 705 ZPO).

Auch bedurfte es insoweit keiner Entscheidung über die Zulassung der Revision (vgl. BGH NJW 2003, 1531f.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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