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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.03.2000
Aktenzeichen: 19 U 141/99
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 8
ZPO § 539
ZPO § 296 a
ZPO § 295 a
ZPO § 296
ZPO § 156
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 141/99 20 O 137/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 10. März 2000

Verkündet am 10. März 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger und die Richter am Oberlandesgericht Pütz und Gedig

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Juli 1999 - 20 O 137/99 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden gem. § 8 GKG nicht erhoben.

TATBESTAND

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Restkaufpreisforderung in Höhe von 158.266,67 DM aus diversen Warenlieferungen an Niederlassungen der Beklagten in B. und M. in Anspruch. Sie hat behauptet, diese Forderungen seien zwischen den Parteien abgestimmt und anerkannt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 158.266,67 DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 20.4.1998 sowie 16.140,94 DM Inkassokosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen;

widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 255.089,-- DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat behauptet, der mit der Widerklage geltend gemachte Betrag stehe ihr nach Saldierung der wechselseitigen Forderungen als sog. Lagerdifferenzausgleich zu. Sie hat sich dabei auf eine zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvereinbarung nebst Anlagen vom 11.1./22.2.1995 gestützt. In Anlage 1 (Handelsvertrag) zur Rahmenvereinbarung heißt es u.a.:

"Senkt der Vertragslieferant (Klägerin) seine gültigen EK-Preislisten im Bereich EK u. VK, so erhält KE (Beklagte) vom Lieferanten auf den aktuellen Lagerbestand einen Differenzausgleich in Höhe des Differenzwertes."

Dieser Lagerdifferenzausgleich hatte zum Ziel, dass bei vom Lieferanten vorgenommenen Preissenkungen der am Lager des Bestellers vorhandene, noch nicht verkaufte Warenbestand zu dem neuen, gesenkten Preis bewertet und die sich daraus ergebende Differenz mit ausstehenden Forderungen des Lieferanten verrechnet wurde.

Die Beklagte hat behauptet, am 4.12.1996 habe im Hause der Beklagten eine Besprechung zwischen den Parteien stattgefunden. Dabei habe die Klägerin erklärt, sie habe neue Preislisten, die ab 5.12.1996 gelten sollten und habe diese Preislisten überreicht. Nach diesen Listen seien sowohl die EK-Preise als auch die VK-Preise drastisch gesenkt worden. Die Klägerin habe auch erklärt, sie könne sich weitere Geschäftsbeziehungen nur vorstellen, wenn die Beklagte einen sog. "Bose-Partnerschaftsvertrag-Partner-2000" unterzeichne. Hierüber habe trotz zahlreicher Verhandlungen keine Einigkeit erzielt werden können.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, sie habe entsprechend der vereinbarten Differenzklausel sowohl für M. als auch für B. jeweils unter dem 13.12.1996 eine Aufstellung über ihren jeweils bestehenden Ausgleichsanspruch gefertigt. Dabei habe sie aus der EDV den Lagerbestand herausgezogen und den alten Einkaufspreis mit dem neuen Einkaufspreis entsprechend der neuen Händlerpreisliste vergleichen. Bezüglich B. habe sie von den Einkaufspreisen entsprechend den damals zwischen den Parteien geltenden Konditionen 12 % Rechnungsrabatt in Abzug gebracht, ebenso sei in M. verfahren worden, der Zeuge H. habe auf der Grundlage dieser Daten zwei Belastungsanzeigen erstellt, die auch in der von der Klägerin überreichten Aufstellung enthalten seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme des geltend gemachten Inkassobetrages und unter Reduzierung des Zinsanspruchs stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung der Abweisung der Widerklage hat es ausgeführt, die Beklagte habe diese Forderung nicht schlüssig dargetan. Wegen der weiteren Begründung wird auch insoweit auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig begründeten Berufung macht die Beklagte geltend:

Das Verfahren vor dem Landgericht leide an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln, die eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 539 ZPO rechtfertigten. Das Landgericht habe mit der Nichtannahme des Schriftsatzes vom 15.6.1999 und Nichtbeachtung des darin enthaltenen Vorbringens den Anspruch der Beklagten auf das rechtliche Gehör verletzt; das Vorbringen sei nicht verspätet gewesen. Auch im übrigen beruhe die angefochtenen Entscheidung darauf, dass das Landgericht den Akteninhalt unvollständig gewürdigt habe. So habe es gerügt, die Beklagte habe noch nicht einmal die entsprechende Rahmenvereinbarung gerügt, obwohl sie von der Beklagten ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vom 16.6.1999 vorgelegt und zu den Akten genommen worden sei.

Das Landgericht habe die Klageforderung auch zu Unrecht als nach Grund und Höhe unstreitig angesehen, die Beklagte habe bereits in ihrer Klageerwiderung die fehlende Nahvollziehbarkeit der Berechnung der Klägerin beanstandet, auch das behauptete Anerkenntnis sei bis heute nicht belegt.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, ihr stehe aufgrund der in dem Rahmenvertrag zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ein Lagerdifferenzausgleich in Höhe von 314.128,82 DM zu und legt hierzu Berechnungen vor. Die Klägerin habe anlässlich eines am 4. Juni 1996 im Haus der Beklagten geführten Gesprächs erklärt, ab 5. Dezember 1996 gelte eine neue Preisliste. Die Preisliste sei bereits erstinstanzlich vorgelegt worden (AH 10 ff.), hiernach seien sowohl die Einkaufs- als auch die Verkaufspreise drastisch gesenkt worden. Deshalb habe die Beklagte entsprechend der vereinbarten Lagerdifferenz-Ausgleichsklausel für M. und B. jeweils unter dem 13.12.1996 Belastungsanzeigen ausgestellt, wie sie sich aus den Listeneinkaufspreisen abzüglich der zwischen den Parteien vereinbarten Konditionen ergeben hätten.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen und auf die Widerklage hin die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 314.128,82 DM nebst 5 % Zinsen aus 255.089,-- DM seit Zustellung der Widerklage sowie 5 % Zinsen aus weiteren 59.039,82 DM seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen;

ihr zu gestatten, Sicherheiten auch durch Bürgschaften einer deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.

Die Klägerin beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen;

ihr zu gestatten, Sicherheiten auch durch Bürgschaften einer deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe die Klageforderung schon erstinstanzlich nicht qualifiziert bestritten, der Beklagten hätten auch schon vorprozessual sämtliche Unterlagen über die Einzelpositionen vorgelegen. Die Klägerin behauptet, der Saldo der wechselseitigen Forderungen der Parteien aus der Belegnummer 100029 betreffend die K. Electronic GmbH K. habe zum Stichtag 19.8.1998 zugunsten der Beklagten 148.871,69 DM betragen; aus der Belegnummer 100017 betreffend die K. Electronic GmbH B. ergebe sich ein Saldo zugunsten der Klägerin von 101.437,02 DM und aus der Forderungsaufstellung betreffend die K. Electronic GmbH M. ein Saldo von 205.661,34 DM zugunsten der Klägerin.

Zur Widerklage ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte habe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ihre Forderung zum Grund, jedenfalls aber zur Höhe nicht schlüssig begründet, das Vorbringen im Schriftsatz vom 16.6.1996 sei zu Recht unberücksichtigt geblieben. Der Beklagten stehe auch kein Anspruch auf Lagerdifferenzausgleich zu. Zwischen den Parteien habe es keine Veränderung der Ein- und Verkaufspreise gegeben. Die "Partner 2000 Händler Preisliste" könne die Beklagte zum Beleg der seit dem 5.12.1996 reduzierten Einkaufspreise nicht anführen, weil diese nur für die Unternehmen gelte, die diesen Vertrag auch abgeschlossen hätten; Hierauf habe die Klägerin immer wieder hingewiesen. Für die Nicht-Vertragshändler würden die bisher gültigen Preise nach wie vor gelten. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe erklärt, es gelte ab 5.12.1996 generell eine neue Preisliste, sei unzutreffend.

Auch zur Höhe sei die Berechnung der Beklagten nicht nachvollziehbar, die behaupteten Lagerbestände seien auch nicht nachprüfbar.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht gem. § 539 ZPO, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, auf dem die Entscheidung beruht.

Das Landgericht hat verfahrensfehlerhaft den Vortrag der Beklagten zum Lagerdifferenzausgleich als nicht ausreichend (unsubstantiiert) angesehen und ebenfalls zu Unrecht deren Vorbringen im Schriftsatz vom 15.6.1999 gem. § 296 a ZPO nicht berücksichtigt. Hierauf beruht die angefochtene Entscheidung, da die Sache ansonsten nicht entscheidungsreif gewesen wäre, vielmehr Beweis hätte erhoben werden müssen. Es hat desweiteren der Beklagten zu Unrecht vorgehalten, sie habe nicht einmal die entsprechende Rahmenvereinbarung, auf die dieser Anspruch gründet, vorgelegt (S. 7 unten des Urteils); ausweislich des Protokolls vom 16.6.1999 (Bl. 45, 46 d.A.) hat deren Prozessbevollmächtigte die Rahmenvereinbarung in der Sitzung in Photokopie überreicht, sie ist als Anlage zum Protokoll genommen worden (SH II Bl. 82). Darüber hinaus war die Forderung der Klägerin keinesfalls insgesamt unstreitig, wie sich aus ihrer Klageerwiderung ergibt (Bl. 36 d.A. Ziff. II.); das gilt insbesondere hinsichtlich der Klageerhöhung um 41.824,98 DM.

Die Beklagte stützt ihre Widerklageforderung auf Anlage I des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages, der wie folgt lautet:

"Senkt der Vertragslieferant (Klägerin) seine gültigen EK-Preislisten im Bereich EK u. VK, so erhält KE (Beklagte) vom Lieferanten auf den aktuellen Lagerbestand einen Differenzausgleich in Höhe des Differenzwertes."

Hierzu hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung unter Beweisantritt vorgetragen, am 4.6.1996 habe im Hause der Beklagten ein Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden, anlässlich dessen die Klägerin neue, ab 5.12.1996 geltende Preislisten überreicht habe (Bl. 32 d.A.); die Beklagte hat diese als Anlage beigefügt (Anlage B 1). Auf dem Deckblatt derselben (Innenseite) befindet sich der Satz: "Alle bisherigen Preislisten verlieren hiermit ihre Gültigkeit." Die Beklagte hat weiter ausgeführt, nach dieser Liste hätten sich die EK- und VK-Preise drastisch gesenkt, sie habe deshalb entsprechend der Klausel einmal für M. und einmal für B. jeweils unter dem 13.12.1996 eine Aufstellung über ihren Ausgleichsanspruch erstellt. Sie hat desweiteren die jeweiligen Mitarbeiter namentlich als Zeugen benannt, die die Aufstellung gefertigt hätten, die Aufstellungen beigefügt (Anlagen B2 - B4) und geschildert, wie die Zeugen den Differenzausgleich ermittelt hätten, nämlich durch Herausziehung des Lagerbestandes aus der EDV und Vergleich der EK-Preise nach der neuen Händlerpreisliste unter Abzug der jeweils geltenden Rechnungsrabatte. Diese Berechnungen seien am Erstellungstag, dem 13.12.1996 an die Klägerin versandt worden (Bl. 34 d.A.). Desweiteren hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe anlässlich der Überreichung der Preislisten erklärt, dass sie sich weitere Geschäftsbeziehungen nur vorstellen könne, wenn die Beklagte den "Bose-Partnerschaftsvertrag-Partner-2000" unterzeichnen werde; die Verhandlungen hierüber seien im Laufe des Jahres 1997 gescheitert. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne sich nicht darauf zurückziehen, die Partner-2000 Preisliste gelte nur für die Partner, die den neuen Vertrag unterschrieben hätten (Bl. 35 d.A.).

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 1.6.1999, bei Gericht am 2.6. (Bl. 42 d.A.) und bei der Beklagten am 7.6.1999 eingegangen (Bl. 96 d.A.), erwidert und gerügt, die Beklagte habe eine Spezifikation zum Zeitpunkt der Preissenkung bringen und jeden einzelnen im Lager befindlichen Gegenstand einzeln vergleichend aufführen müssen und die Ansicht vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf die neue Preisliste berufen.

In der mündlichen Verhandlung vom 16.6.1999 (früher erster Verhandlungstermin) hat die Kammer die Beklagte darauf hingewiesen, sie halte deren Forderung zumindest zur Höhe nicht für hinreichend substantiiert und es abgelehnt, einen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.6.1999 entgegenzunehmen; zugleich hat sie deren Antrag auf Schriftsatznachlass abgelehnt (Bl. 46 d.A.). Diesen Schriftsatz hat die Beklagte dann an das Gericht gefaxt, dort ist er am 16.6.1999 eingegangen (Bl. 50 d.A.), das Landgericht hat ihn gem. § 295 a ZPO unberücksichtigt gelassen. In ihm hat die Beklagte unter Beweisantritt ausgeführt, dass die Höhe der Belastungsanzeigen zum Lagerdifferenzausgleich zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen sei, die mittels EDV erhobenen Lagerbestände entsprächen denen am Stichtag 5.12.1996; die der Klägerin übersandten Anlagen zu den Belastungsanzeigen hätten die konkreten Artikel, deren Menge, die Einzeldifferenz und die Gesamtdifferenz enthalten; aus den der Klägerin übersandten EDV-Auszügen in Hardcopy-Ausgabe habe sich artikelbezogen und artikelgenau der Bestand pro Markt ergeben (Bl. 51 d.A.). Die Klägerin habe die Richtigkeit der EDV-Bestandslisten zu keinem Zeitpunkt angezweifelt und auch nie auf die Notwendigkeit einer Inventur hingewiesen.

ie obigen Darlegungen belegen hinreichend, dass der Vortrag der Beklagten zu Grund und Höhe hinreichend substantiiert war, das Landgericht ihn nur nicht hinreichend gewürdigt hat. Die Beklagte hatte dargelegt, worauf sie ihre Forderung gründete und wie sie sie berechnete. Mehr bedurfte es zunächst nicht, weil der Klägerin alle Berechnungsunterlagen bereits vorprozessual zugegangen waren und sie auch die Berechnungsschlüssel genau kannte. Wenn der Kammer dies zum Verständnis nicht ausreichte, hätte sie die Beklagte hierauf hinweisen und ihr Gelegenheit geben müssen, näher auszuführen. Das war angesichts der Komplexität der Materie eine Selbstverständlichkeit. Keinesfalls aber hätte die Kammer das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.6.1999 unberücksichtigt lassen dürfen, sondern notfalls die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen (§ 156 ZPO). Deshalb erübrigt sich eine Vertiefung der im Ergebnis wohl zu verneinenden Frage, ob § 296a ZPO überhaupt Anwendung findet, ob es sich also um Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach Schluss der mündlichen Verhandlung handelt, wenn eine Partei als Reaktion auf einen Schriftsatz der Gegenseite in die mündliche Verhandlung einen Schriftsatz mitbringt, dessen Inhalt vorträgt (so Bl. 95 d.A.) und die Kammer es ablehnt, diesen Inhalt zur Kenntnis und des Schriftsatz anzunehmen, so dass die Partei ihn nach Schluss der Verhandlung über die Geschäftsstelle einreichen muss. Die Kammer hätte allenfalls prüfen können, ob das Vorbringen verspätet i.S. des § 296 ZPO war, was zu verneinen war. Denn aus dem Schriftsatz vom 15.6.1999 ergab sich eindeutig, dass vorprozessual die Berechnungen der Beklagten zum Lagerdifferenzanspruch unstreitig waren, der Streit der Parteien nur darum ging, ob die Beklagte ihn auf die Änderung der Preisliste 2000 stützen konnte, was das Landgericht hat dahingestellt sein lassen. Deshalb bedurfte es keiner weitergehenden Substantiierung als in der Klageerwiderung geschehen. Erst als die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 1.6.1999 auch die Berechnungsgrundlagen in Zweifel zog, war die Beklagte gehalten, hierzu näher auszuführen, was sie im Schriftsatz vom 15.6.1999 getan hat. Das hat sie angesichts der Komplexität der Materie auch rechtzeitig getan. Die Nichtbeachtung des Schriftsatz und des Vortrags der Beklagten hierzu in der mündlichen Verhandlung stellte einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler dar, welcher der Kammer auch Veranlassung geben müssen, die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO wieder zu eröffnen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 156 Rn 2) und die Sache aufzuklären. Denn auch das Landgericht hat die Frage, ob die Beklagte ihrer Berechnung die Händlerpreisliste 2000 zugrunde legen kann, nicht verneint (Vertrauensschutzgedanke u. § 242 BGB, Seite 7 UG), und zwar zu Recht. Die Klägerin durfte die Beklagte, solange das alte Vertragsverhältnis bestand, nicht deshalb benachteiligen, weil diese nicht den neuen Vertrag "Partner 2000" abschließen wollte; das wäre aber, sollte die Beklagte von der ab 5.12.1996 geltenden Preissenkung ausgeschlossen bleiben, der Fall gewesen, weil die neuen Preise erheblich unter den alten lagen; teilweise unterschritten die neuen Einkaufspreise sogar die alten Verkaufspreise, wie die vorgelegten Unterlagen und die von der Beklagten aufgestellten Tabellen belegen. Damit wurden die bereits vorhandenen Lagerbestände der Beklagten faktisch entwertet. Das war gerade der Umstand, zu dessen Korrektur die Parteien einen Ausgleichsanspruch vereinbart hatten; ihn durfte die Klägerin mit einer Geltungsbeschränkung der Preisliste auf bestimmte Vertragspartner und dem damit verbundenen Zwang, den "Partner 2000 Vertrag" abzuschließen, nicht umgehen. Angesichts dessen bedarf es auch keiner weiteren Ausführungen zu der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht, die Beklagte habe schon von der äußeren Aufmachung der neuen Preisliste erkennen können, dass diese nur für "Partner 2000" gelten sollte; die von der Beklagten vorgelegte - ab 5.12.1996 gültige - Händler-Preisliste (SH II Bl. 20) gibt hierauf keinen Hinweis und enthält im Inneren (Bl. 21 R) ebenfalls den ausdrücklichen Hinweis, "Alle vorherigen Preislisten verlieren hiermit ihre Gültigkeit".

Soweit das Landgericht ein Problem darin gesehen hat, dass eine Senkung der EK- und VK-Preise erforderlich war, handelt es sich um ein Scheinproblem. Dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Lagerdifferenzausgleich gegeben waren, falls die Beklagte sich auf die Händler-Preisliste "Partner 2000" berufen kann, war und ist unstreitig; die Berufungsbegründung hat hierzu auch Tabellen vorgelegt, die dies belegen.

Das Landgericht wird daher aufzuklären haben, welcher Lagerbestand mit von der Klägerin gelieferten Waren sich am 5.12.1996 bei der Beklagten befand und welche Lagerdifferenz-Ansprüche der Beklagten unter Zugrundlegung der ab 5.12.1996 geltenden Preislisten der Klägerin sich hieraus ergeben. Eine eigene Klärung dieser Frage durch den Senat ist wegen des Umfangs der noch durchzuführenden Ermittlungen nicht sachdienlich (§ 540 ZPO).

Beschwer für beide Parteien und Berufungsstreitwert: 472.355,49 DM

Ende der Entscheidung

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