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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: 19 U 38/02
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2
BGB § 626
HGB § 89 a
ZPO § 91
ZPO § 97
ZPO § 100
ZPO § 108
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 38/02

Anlage zum Protokoll vom 04.11.2002

Verkündet am 04.11.2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und die Richterin am Amtsgericht Mundorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.01.2001 verkündete Teilurteil des Landgerichts Bonn - 12 O 106/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von gegenüber dem Kläger ausgesprochenen fristlosen Kündigungen, die Abberufung des Klägers als Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1. sowie über sich hieraus jeweils ergebene Folgeansprüche (Entgelt- und Schadensersatzansprüche).

Die Beklagte zu 1. ist am 31.07.2000 gegründet und am 30.10.2000 in das Handelsregister eingetragen worden. Sie beschäftigt sich insbesondere mit dem Vertrieb von Markenprodukten gegenüber sog. geschlossenen Nutzerkreisen wie Mitarbeitern der D.P. AG und der D.B. AG. Die Beklagte zu 2. und die Beklagte zu 3. sind Schwestergesellschaften der Beklagten zu 1. Der Kläger hatte zunächst mit der Beklagten zu 3. einen Handelsvertretervertrag mit Vertragsbeginn 01.04.2000 geschlossen. Ausweislich des § 9 dieses Vertrages (Bl. 420 d. A.) stand dem Kläger ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung, das er auch privat nutzen durfte, wobei die Kosten des Geschäftsfahrzeugs von der Beklagten zu 3. zu tragen waren, soweit sie dienstlich veranlasst waren, während der Kläger "anhand geeigneter Unterlagen, z.B. Fahrtenbuch" den Anteil der geschäftlichen Fahrten nachzuweisen hatte. Hinsichtlich der Einzelheiten der Fahrtkostenregelung wird auf § 9 des Vertrages, hinsichtlich der weiteren Regelungen im Vertrag auf Bl. 416 - 425 d. A. verwiesen. Dieser Vertrag ist am 19.10.2000 entsprechend den Regelungen Bl. 426 - 435 d. A. verlängert worden mit einer Laufzeit gemäß § 15 Ziff. 2 bis zum 31.12.2001, d. h. zu diesem Zeitpunkt konnte dieser Vertrag erstmals ordentlich gekündigt werden. Mit der Beklagten zu 2. ist ebenfalls mit Datum 14.04.2000 ein Vertrag über eine freie Mitarbeit des Klägers zustandegekommen auf dessen nähere Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 239 - 245 d. A.). Auch hier ist es zu einer Verlängerung gemäß Bl. 242 - 252 d. A. gekommen, wobei auch hinsichtlich dieses Vertrages eine ordentliche Kündbarkeit erstmals zum 31.12.2001 bestand. Am 03.08.2000 (Bl. 7 - 10 d. A.) schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1. einen "Vorstandsvertrag" mit Wirkung ab 01.10.2000, der zunächst eine Laufzeit bis zum 31.03.2001 hatte und am 29.03.2001 bis zum 30.06.2001 verlängert wurde (Bl. 11 d. A.).

Mit Schreiben vom 18.05.2001 hat die Beklagte zu 1. den Kläger als Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung abberufen (Bl. 12 d. A.) und zugleich den Vorstandsvertrag fristlos gekündigt. Drei Tage später, am 21.05.2001, sprachen auch die Beklagten zu 2. und 3. gegenüber dem Kläger jeweils fristlose Kündigungen aus. Die Beklagten hatten ihre fristlosen Kündigungen zunächst nicht schriftlich begründet. Während des Rechtsstreits haben sie eine Vielzahl von Vorwürfen gegenüber dem Kläger erhoben, zum Teil betrafen diese ihrer Ansicht nach gegebene kaufmännische Fehlleistungen des Klägers sowie eine behauptete Falschinformation gegenüber ihrem anwaltlichen Vertreter; darüber hinaus habe sie die Ansicht vertreten, der Kläger habe zum einen einen Abrechnungsbetrug dadurch begangen, dass er seine Privatfahrten nicht korrekt (nämlich nicht monatlich) abgerechnet habe, und zudem an drei Tagen dienstliche Fahrten abgerechnet habe, obwohl er an diesen Tagen das Fahrzeug für Privatfahrten im Rahmen seiner (gestatteten) Nebentätigkeit genutzt habe.

Der Kläger hat alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Teilurteil vom 17.01.2002, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage, soweit sie gegen den Widerruf der Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1. sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Entziehung des Dienst-Pkws gerichtet war, abgewiesen. Im übrigen hat es die fristlosen Kündigungen für unbegründet erachtet und die Beklagte zu 3. antragsgemäß verurteilt, dem Kläger eine Provisionsabrechnung und einen Buchauszug zu erteilen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigungsgründe wegen kaufmännischen Fehlverhaltens bzw. Fehlinformation des anwaltlichen Vertreters keine fristlosen Kündigungen rechtfertigten und im übrigen zum Teil im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB unbeachtlich seien. Ein Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstfahrzeugs hat es zwar bejaht, die hierauf gestützte fristlose Kündigung jedoch für unbegründet erachtet, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass das Abrechnungsverhalten des Klägers seit Januar 2001 bekannt gewesen sei und deshalb hierauf im Mai 2001 keine fristlose Kündigung mehr habe gestützt werden können. Ebenso hat es die Kündigungen, soweit die Beklagten sie auf sog. Doppelabrechnungen für drei Tage (24.05., 13. und 19.07.2000) gestützt haben, für verfristet gehalten, da die Beklagten hiervon seit Anfang Juli 2001 Kenntnis gehabt, aber erst im September 2001 hierauf die Kündigung gestützt hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie vorrangig die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage der Kenntniserlangung von dem Abrechnungsbetrug sowie die Annahme der Verfristung im Zusammenhang mit den Doppelabrechnungen angreifen. Auf die übrigen erstinstanzlich geltend gemachten Kündigungsgründe stützen sie sich nur noch hilfsweise.

Der Kläger hat die teilweise Klageabweisung nicht angegriffen, wendet sich aber gegen die Annahme des Landgerichts, er habe sich einen Abrechnungsbetrug zu schulden kommen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis - wenn auch nach Ansicht des Senats zum Teil nicht mit der hierzu erfolgten Begründung - zutreffend hat das Landgericht die fristlosen Kündigungen der drei Vertragsverhältnisse für unbegründet gehalten und die Beklagte zu 3. im Rahmen des ihr gegenüber bestehenden Handelsvertretervertrages zur Erteilung einer Provisionsabrechnung und eines Buchauszugs verurteilt.

Nach Überzeugung des Senats sind die gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen bereits aufgrund des zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten unbegründet, ohne dass es auf die Einzelheiten der Kündigungsgründe ankäme. Darüber hinaus rechtfertigt aber auch keiner der vorgetragenen Kündigungsgründe die fristlosen Kündigungen.

1. Mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit haben die Beklagten in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass sie (teilweise mit geradezu detektivischen Mitteln) versucht haben, dem Kläger einen Abrechnungsbetrug nachzuweisen, weil sie sich unter allen Umständen fristlos von ihm trennen wollten (Bl. 732 d. A.). Allein dies rechtfertigt es, die fristlosen Kündigungen im Rahmen der gemäß § 626 bzw. § 89 a HGB vorzunehmenden Interessenabwägung als unverhältnismäßig und daher unwirksam anzusehen.

Die Beklagten führen in der Berufungsinstanz aus, dass der die Geschäftsausübung aller drei Beklagten maßgeblich steuernde Herr L. aufgrund der - aus Sicht des Herrn L. - geschäftlichen Fehlleistungen des Klägers mit diesem nicht mehr weiter zusammenarbeiten wollte. Den Beklagten sei dann in dieser Phase, in der Herr L. die Zusammenarbeit mit dem Kläger unter allen Umständen sofort beenden wollte, von den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten geraten worden, sich die Reisekostenabrechnungen des Klägers kritisch anzusehen "da es regelmäßig aussichtsreicher sei, einen treu- und pflichtwidrig handelnden Mitarbeiter mit seinen Reisekostenabrechnungen zu konfrontieren, als mit seinen kaufmännischen Fehlleistungen". Hieraus folgt, dass dann, wenn Herr L. aus seiner Sicht geschäftlich erfolgreich mit dem Kläger zusammengearbeitet hätte, er sich entweder überhaupt nicht um die Abrechnungsweise des Klägers gekümmert hätte, oder allenfalls mit ihm ein Gespräch über die Art, wie aus seiner Sicht abzurechnen war, geführt hätte. Zu einem Bruch des Vertrauensverhältnisses hätte das Abrechnungsverhalten im hier konkret zu entscheidenden Fall also nicht geführt. Lediglich aus seiner persönlichen Unzufriedenheit mit dem Kläger heraus hat Herr L. einen Grund "gesucht", um ihn "loszuwerden". Daraus folgt, dass das für die Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensverhältnis durch das Abrechnungsverhalten des Klägers nicht nur nicht zerstört worden ist, sondern gar nicht hätte zerstört werden können. Es war vielmehr bereits aus Sicht des Herrn L., auf dessen Person wegen der Maßgeblichkeit für alle drei Beklagten abzustellen ist, aufgrund von Vorfällen zerstört, die jedoch, wie das Landgericht insoweit zutreffend festgestellt hat, eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt hätten (siehe auch unten II. 2.). Unter diesen Umständen kann auf das Abrechnungsverhalten keine fristlose Kündigung gestützt werden.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass grundsätzlich auf das objektive Vorhandensein eines wichtigen Grundes für die Kündigung abzustellen ist, und dass ein - unterstellter - Abrechnungsbetrug unbestreitbar einen solchen objektiven Grund darstellt. Im Bereich der §§ 626 BGB bzw. 89 a HGB gibt es jedoch keine absoluten Kündigungsgründe. Jede außerordentliche Kündigung setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus, bei der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dementsprechend hat die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes in zwei Stufen zu erfolgen: Ist ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet, einen wichtigen Grund abzugeben, und rechtfertigt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Abwägung der konkret berührten Interessen die Kündigung mit der Folge, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentliche Kündigungsfrist unzumutbar ist?

Die konkreten Umstände des Einzelfalles, d. h. die Tatsache, dass Herrn L. und damit alle drei Beklagten das Abrechnungsverhalten des Klägers nicht gestört hätte, wenn Herr L. im geschäftlichen Bereich mit ihm - weiterhin - zufrieden gewesen wäre, lassen das Interesse der Beklagten, sich unter allen Umständen sofort und nicht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist von dem Kläger zu trennen, nicht schutzwürdig erscheinen im Verhältnis zum Interesse des Klägers an der Fortsetzung der Verträge bis zur ordentlichen Kündigung. Den Beklagten war daher die Fortsetzung bis zu diesem Zeitpunkt nicht unzumutbar. Dies gilt ganz besonders im Verhältnis der Beklagten zu 1. zum Kläger, deren Vertragsverhältnis ohnehin bereits ca. sechs Wochen nach Ausspruch der Kündigung unwiderruflich geendet hätte.

2. Aber selbst wenn man die Frage der Zumutbarkeit anders beurteilen wollte, wären die fristlosen Kündigungen unwirksam, da die Beklagten das Vorhandensein eines wichtigen Grundes im Sinne der § 626 BGB bzw. 89 a HGB zur Überzeugung des Senats nicht dargetan haben. Da sie sowohl im Zusammenhang mit dem generellen Abrechnungsverhalten des Klägers als auch im Zusammenhang mit den sog. Doppelabrechnungen die Kündigungen jeweils auf eine vollendete strafbare Handlung und nicht nur auf den Verdacht der Begehung einer solchen Tat stützen, sind sie für die Tatbegehung im vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Denn anders als bei der Verdachtskündigung rechtfertigt nur eine unstreitige oder bewiesene strafbare Handlung eine Tatkündigung aus wichtigem Grund.

Voranzuschicken ist, dass sich nach Ansicht des Senats grundsätzlich alle drei Beklagten auf einen Abrechnungsbetrug berufen könnten, obwohl dieser letztlich nur im Vertragsverhältnis gegenüber der Beklagten zu 3. vorliegen würde, sich mithin dieses Verhalten im Verhältnis zur Beklagten zu 1. und 2. als sog. außerdienstliches Verhalten des Klägers darstellen würde. Angesichts der engen Verflechtung aller drei Beklagten wäre, läge ein Abrechnungsbetrug vor, der für alle drei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar machen könnte.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist ein Abrechnungsbetrug in dem Verhalten des Klägers, d. h. darin, dass er bei seinen monatlichen Abrechnungen die Privatnutzung des Pkws nicht herausgerechnet hat, nicht zu sehen. Darüber hinaus sind die hierauf gestützten Kündigungen aber auch gemäß § 626 Abs. 2 BGB bzw. gemäß § 89 a HGB verfristet, wobei zwar bei § 89 a HGB grundsätzlich nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gilt, sie sie sich hier jedoch aus der ausdrücklichen vertraglichen Regelung in den Verträgen mit den Beklagten zu 2. und 3. ergibt (dort jeweils § 14 bzw. § 15).

In den den Dienstwagen betreffenden vertraglichen Regelungen, hier also in § 9 des Vertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3., findet sich außer der Bestimmung, dass die Beklagte zu 3. nur die dienstlich veranlassten Kosten des Geschäftsfahrzeugs zu tragen habe und der Kläger anhand geeigneter Unterlagen (z. B. Fahrtenbuch) den Anteil der geschäftlichen Fahrten nachzuweisen habe, nichts dazu, wie die Abrechnung von dienstlich und privat veranlassten Kosten des Geschäftsfahrzeugs konkret zu erfolgen hat. Andererseits steht aufgrund der Aussage der Zeugin S., der Steuerberaterin der Beklagten zu 3., die u. a. die Regelung des § 9 ebenfalls mitverfasst hat, in Verbindung mit der zwischen dem Kläger und der Zeugin S. am 09.05.2001 (Bl. 114 d. A.) getroffenen Vereinbarung fest, dass die Abrechnung der privat gefahrenen Kilometer des Klägers auf der Basis der tatsächlich für das Dienstfahrzeug aufgewandten Gesamtkosten erfolgen sollte. Um diese Gesamtabrechnung vornehmen zu können, hatte der Kläger auf Veranlassung der Zeugin S. auch noch die Benzinrechnungen für seine Urlaubsfahrt zur Jahreswende 2000/2001 einzureichen. Im Zusammenhang mit dem zusätzlich vorzulegenden Fahrtennachweis sollte dann die Abrechnung erfolgen. Eine derartige Abrechnungsweise macht vorliegend auch Sinn. Denn der Kläger sollte ja nicht nur die durch seine Privatfahrten verursachten Benzinkosten, sondern eben auch den auf die privat gefahrenen Kilometer entfallenden Anteil an den festen Kosten des Geschäftsfahrzeugs tragen. Eine monatliche - präzise - Abrechnung der privat gefahrenen Kilometer war dem Kläger angesichts dieser Vereinbarung einer quotalen Beteiligung an den Gesamtkosten somit gar nicht möglich. Natürlich hätte die Möglichkeit bestanden, monatlich einen Pauschalbetrag von den Bezinkosten abzuziehen. Auch dies hätte aber eine Abrechnung zum Ende eines jeden Nutzungsjahres nicht entbehrlich gemacht. Jedenfalls wäre es aber nach Ansicht des Senats Sache der Beklagten zu 3. gewesen, am Anfang des Vertragsverhältnisses ausdrücklich klarzustellen, wie nach ihrer Vorstellung die Abrechnung des Kostenanteils des Klägers an den Gesamtkosten des Dienstfahrzeugs zu erfolgen hatte, ob eben durch einen pauschalen Abzug pro Monat oder durch eine Gesamtabrechnung zum Ende eines jeden Nutzungsjahres. Letzteres war hier aber eben der 31.03.2001 und auch die Zeugin S. hat ausgesagt, dass sich vor Mai 2001 für sie die Frage der Abrechnung gar nicht gestellt habe, zu diesem Zeitpunkt sei dann eine Situation gegeben gewesen, die sich so oder so irgendwann stellen würde, nämlich im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses.

Ohne eine ausdrückliche Anweisung der Beklagten zu 3. hinsichtlich der Art der konkreten Abrechnung fehlt es angesichts dessen bei der Hereinreichung der monatlichen Abrechnungen daher bereits an einer Täuschungshandlung seitens des Klägers.

Ebenfalls hätte aber, da es - wie ausgeführt - an einer ausdrücklichen Anweisung dazu, wie die privaten Fahrten abzurechnen waren, fehlte, und im Hinblick darauf, dass der Kläger mit der Steuerberaterin der Beklagten zu 3. bereits am 09.05.2001 eine Verrechnungsvereinbarung getroffen hatte, eine außerordentliche Kündigung wegen dieses Komplexes nicht ohne vorherige Abmahnung erfolgen dürfen. Hinzu kommt noch, dass gegen das Vorliegen einer betrügerischen Absicht des Klägers spricht, dass er von sich aus die Frage der Abrechnung der privaten Kilometer gegenüber der Beklagten zu 3. bzw. deren Steuerberaterin am 03.05.2001 aufgegriffen hat. Die Darstellung der Beklagten, er habe dies aus taktischen Gründen getan, ist eine reine Vermutung und entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Vielmehr hat - wie ausgeführt - die Zeugin S. ausgeführt, dass sich auch für sie die Frage der konkreten Abrechnung erstmals zu diesem Zeitpunkt gestellt hätte.

Auch die Tatsache, dass der Kläger in seinen Abrechnungen die Fahrten von M. nach C. nicht als private sondern als dienstliche Fahrten angesetzt hat, reicht keinesfalls zur Annahme eines Betrugsvorwurfs aus. Vorauszuschicken ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Beklagte zu 3. keinesfalls darauf berufen kann, dass in den Fällen, in denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1. oder als freier Mitarbeiter der Beklagten zu 2. von M. nach C. gefahren ist, dies im Verhältnis zu ihr eine private Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger gewesen sei. Vielmehr steht für den Senat aufgrund der engen Verflechtung der drei Beklagten außer Frage, dass das Fahrzeug dem Kläger im Verhältnis zu allen drei Beklagten als Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt worden war. Auch spricht nach Ansicht des Senats alles dafür, dass als nicht dienstlich veranlasste Fahrten im Sinne von § 9 des Vertrages lediglich solche Fahrten anzusehen sind, die der Kläger nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Beklagten getätigt hat, mithin reine Privatfahrten, nicht jedoch die Fahrten von seinem Wohnsitz nach C.. Jedenfalls wäre es aber auch insoweit Sache der Beklagten zu 3. gewesen, vertraglich präzise zu regeln, welche Fahrten des Klägers aus ihrer Sicht als dienstlich und welche als private Nutzung abzurechnen seien. Angesichts der fehlenden Regelung hätte es im Streit über diese Frage zunächst einer Klärung nach Vorlage der Abrechnung bedurft und - selbst wenn man die Ansicht der Beklagten als richtig unterstellen wollte - vor Ausspruch einer Kündigung auch insoweit einer Abmahnung.

Aber selbst wenn man dies alles anders beurteilen wollte, so sind jedenfalls die außerordentlichen Kündigungen wegen dieses Abrechnungsverhaltens des Klägers ausgeschlossen, weil sie, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, verfristet sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich der Senat insoweit zunächst voll umfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, dort vor allem auf die ausführliche und zutreffende Würdigung der Aussage des Zeugen G.. Auf Bl. 617 d. A. hat der Zeuge ausdrücklich bekundet, dass er ab Dezember 2000 gewusst habe, dass die jeweiligen Abrechnungen des Klägers auch privat veranlasste Fahrtkosten mit umfassten, und dass dies nicht nur sein Kenntnisstand, sondern auch der Kenntnisstand von Herrn L. gewesen sei. Aufgrund der ausdrücklichen Nachfrage des Herrn L. hat der Zeuge G. diesen zusätzlich darüber informiert, dass der Kläger bislang kein Fahrtenbuch vorgelegt hatte. Das nunmehr von den Beklagten als Betrug bewertete Abrechnungsverhalten des Klägers war ihnen daher ab Januar 2001 bekannt, ohne dass sie sich veranlasst gesehen hätten, den Kläger hierauf anzusprechen. Vielmehr hat sogar die Beklagte zu 1. in Kenntnis dieses Umstandes Ende März den Vorstandsvertrag des Klägers noch verlängert.

Dann ist aber die hierauf im Mai 2001 gestützte Kündigung unzweifelhaft verfristet.

Soweit sich die Beklagten in der Berufungsinstanz darauf berufen, jedenfalls dem zuständigen Vertretungsorgan der Beklagten zu 1. sei das Abrechnungsverhalten des Klägers erst nach dem 10.05.2001 bekannt geworden, und es hinsichtlich der Kündigung des Vorstandsvertrages im Verhältnis zur Beklagten zu 1. auf die Kenntnis des Aufsichtsrats und nicht des Herrn L. ankomme, kann sie hiermit nicht gehört werden. Abgesehen davon, ob nicht angesichts des Einflusses von Herrn L. - auch - bei der Beklagten zu 1. ein Berufen auf den - formal zutreffenden - Umstand der Kenntniserlangung durch den Aufsichtrat bereits rechtsmissbräuchlich ist, scheitert der hierauf gestützte Einwand jedenfalls daran, dass die Beklagte zu 1. sich so behandeln lassen muss, als habe ihr Aufsichtsrat zeitnah zu der Kenntniserlangung seitens des Herrn L. seinerzeit Kenntnis erlangt (siehe hierzu BGH GmbHR 1998, 827).

b) Der von den Beklagten erhobene Betrugsvorwurf im Zusammenhang mit den sog. Doppelabrechnungen berechtigte sie ebenfalls nicht zur fristlosen Kündigung. Die Berechtigung zu einer hierauf gestützten Kündigung scheitert allerdings entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht an deren Verfristung. Bei diesem Kündigungsgrund handelt es sich um einen nachgeschobenen Grund, von dessen Existenz die Beklagten - unstreitig - erst nach Ausspruch der Kündigungen Kenntnis erlangt haben bzw. präzise ausgedrückt, sich mit zum Teil fragwürdigen Methoden Kenntnis verschafft haben. Nach völlig herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung findet auf derartige nachträglich bekannt gewordene Kündigungsgründe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ebenso wenig Anwendung wie die im Rahmen des § 89 a HGB geforderte angemessene Frist, innerhalb derer die Kündigung zu erfolgen hat (BAG NJW 1980, 2489; BGH VersR 1963, 777; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl. Rn. 1769 ff., 1777 f.; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 626 Rn. 32). Die Beklagten haben aber nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger am 24.05., 13. und 19.07.2000 das Dienstfahrzeug entgegen seinen Angaben in der Abrechnung für private Zwecke genutzt hat. Alles was die Beklagte in diesem Zusammenhang äußern, sind letztlich Vermutungen, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sind.

Soweit sie etwa für den 24.05.2000 "annehmen", der Kläger habe das Fahrzeug an diesem Tag zur Hin- und Rückfahrt nach D. genutzt, da er an diesem Tag acht Arbeitsstunden gegenüber der Firma B. Vital abgerechnet habe, ist das allein deshalb nicht überzeugend, da der Kläger für diesen Tag nur 127 dienstlich veranlasste Kilometer angegeben hat, die Strecke M. - D. und zurück gerichtsbekannt aber über 180 km beträgt. Der Kläger kann diese Fahrt demnach nicht mit dem Dienstfahrzeug unternommen haben.

Hinsichtlich der Abrechnung vom 13.07.2000 bestreiten die Beklagten nicht mehr, dass der Kläger an diesem Tag tatsächlich dienstlich nach T. gefahren ist. Er durfte somit an diesem Tag die Strecke M./T. als dienstlich gefahrene Kilometer abrechnen.

Auch hinsichtlich des 19.07.2000 "nehmen" die Beklagten lediglich "an", dass der Kläger die an diesem Tag abgerechneten dienstlichen Kilometer "erfunden" hat. Derartige "Annahmen" ersetzen keinen schlüssigen Vortrag für einen Abrechnungsbetrug.

Die bloßen Vermutungen der Beklagten gewinnen auch nicht deshalb an Gewicht, weil der Zielschreiber des Dienstfahrzeugs des Klägers als vorletzte Eintragung die Anschrift der Firma B. Vital enthält. Die Beklagten gehen selbst davon aus, dass der Kläger das Fahrzeug im Juni 2001 für diese Fahrt genutzt hat, mithin nach Ausspruch der Kündigung und zu einem Zeitpunkt, für den er ohnehin keine Abrechnung mehr vorgelegt hat. Was aus diesem Umstand für eine vermutete private Nutzung im Mai bzw. Juli 2000 folgen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Auch wenn sich der Kläger dadurch, dass er diese Fahrt im Juni 2001 bestätigt hat, in einen gewissen Widerspruch zu seinem Vortrag setzt, er habe den auffälligen Dienstwagen nicht für Fahrten zur Firma B. nutzen wollen, reicht dieser Umstand allein nicht aus, um die "Vermutungen" der Beklagten derart zu untermauern, dass sie einer Beweisaufnahme zugänglich wären.

c) Hinsichtlich der in zweiter Instanz nur noch hilfsweise geltend gemachten Kündigungsgründe ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass die Beklagten zu 2. und 3. berechtigt gewesen wären, wegen - angeblich - kaufmännischer Fehlleistungen des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte zu 1. ihrerseits die jeweiligen Anstellungsverträge mit dem Kläger zu kündigen. Für die Beklagten zu 2. und 3. handelt es sich insoweit um außerdienstliches Verhalten des Klägers, hinsichtlich dessen weder ersichtlich noch sonst dargetan ist, selbst angesichts der Verflechtung der Beklagten, dass dadurch das Vertrauensverhältnis objektiv nachhaltig hätte erschüttert werden können.

Darüber hinaus hat aber bereits die Beklagte zu 1. im Hinblick auf die angeführten Gründe keine wirksamen fristlosen Kündigungen ausgesprochen, da die Kündigungsgründe entweder verfristet oder schon nicht schlüssig dargetan sind.

aa) Die Kündigung wegen des Vertrages mit der Firma U. ist unabhängig von der Frage des Gewichts dieses Grundes und der sicherlich insoweit erforderlich gewesenen Abmahnung verfristet, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagte zu 1. hat bereits im Prospekt in der Dezemberbeilage 2000 die bei der Firma U. erstandenen CDs beworben, sodass sie bereits zu diesem Zeitpunkt unzweifelhaft wusste, dass, wenn überhaupt, der Kläger seine Vertretungsbefugnis überschritten hatte. Dass dies kein Grund für sie zur fristlosen Kündigung war, zeigt darüber hinaus allein der Umstand, dass sie noch am 29.03.2001 den Vorstandsvertrag mit dem Kläger verlängert hat.

bb) Der Vortrag der Beklagten zu 1. zu den Fehlern des Klägers bei der Erstellung des Warenkataloges ist zum einen unzutreffend, im übrigen aber auch unschlüssig. Unzutreffend ist er insofern, als die Beklagte zu 1. zunächst vorgetragen hatte, es habe sich hierbei um den maßgeblichen Katalog gehandelt, mit dem ihr Marktauftritt erstmals habe erfolgen sollen. Durch den Dezemberprospekt ist jedoch belegt, dass es bereits vorher zumindest einen Katalog gab. Der Unterschied zu dem Aprilkatalog besteht lediglich darin, dass dort zusätzlich auf die Möglichkeit des Online Shoppings hingewiesen wird. Im übrigen unterscheidet sich der Katalog von April kaum von dem im Dezember, sodass die Darstellung zum Marktauftritt nicht zutrifft. Im übrigen hat die Beklagte zu 1. nach ihrem eigenen Vortrag diesen Katalog verteilt, unstreitig ist er insbesondere an den geschlossenen Nutzerkreis D.P. AG verteilt worden. Hieraus folgt, dass die Beklagte zu 1. entgegen ihrem Vortrag im Prozess diesen Katalog nicht für so misslungen gehalten hat, wie sie dies nunmehr darstellt.

cc) Selbst wenn der Kläger, wie die Beklagte zu 1. behauptet, einen Preis falsch kalkuliert haben sollte, weil er DM mit € verwechselt hat, bzw. sich bei dem von der Beklagten zu 1. subventionierten Finanzierungskauf verkalkuliert haben sollte, sind auch diese Gründe, selbst in ihrer Summierung, nicht geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt unabhängig von allem weiteren gerade im Zusammenhang mit der Abwägung, dass der Vorstandsvertrag des Klägers ohnehin ca. sechs Wochen später geendet hätte, was bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.

dd) Die Angaben zum Fehlverhalten des Klägers bei der Erstellung des Konzepts zum Onlineshop sowie bei der Lagerbestückung sind ebenfalls nicht substantiiert. Darüber hinaus fehlt jede Angabe der Beklagten zu 1. dazu, wann sie von diesen Umständen, d. h. diesen Pflichtverletzungen, Kenntnis erlangt hat. Alleine von daher rechtfertigen diese Gründe nicht den Ausspruch der fristlosen Kündigung.

ee) Der Komplex "Rechtsanwalt Q.", auf den sich ohnehin zur Berechtigung einer Kündigung nur die Beklagte zu 2., nicht jedoch die Beklagten zu 1. und 3. berufen könnten, rechtfertigt auch für die Beklagte zu 2. keine fristlose Kündigung. Eine schwere Verletzung seiner ihm im Verhältnis zur Beklagten zu 2. obliegenden Pflichten, die objektiv zur Zerstörung des nötigen Vertrauensverhältnisses für die Zusammenarbeit geeignet wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Betrachtet man die mehr als engen Verflechtungen der drei Beklagten, die so weit gehen, dass die Beklagten zu 2. und 3. nicht nur ebenso wie die Beklagte zu 1. den selben Geschäftssitz, sondern sogar die selbe Telefon- und Faxnummer haben (letztere benutzt auch die Beklagte zu 1.!), und sieht man die Verquickung der geschäftlichen Betätigungen der drei juristisch selbstständigen Unternehmen an, in die der Kläger wiederum mit unterschiedlichen Aufgabenbeschreibungen eingebunden war, so mutet die "Entrüstung" der Beklagten zu 2., sie könne doch nicht durch eine Fehlinformation des Klägers für einen Schaden haftbar gemacht werden, für den die Beklagte zu 1. haften müsste, eher seltsam an. Sie erfüllt jedenfalls nicht die Voraussetzungen an eine fristlose Kündigung.

3. Da die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte zu 3. unwirksam ist, steht dem Kläger, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Provisionsabrechnung sowie Erteilung eines Buchauszugs zu.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97, 100, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und sogleich Wert der Beschwer für die Beklagten: 49.500,00 €.

Ende der Entscheidung

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