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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.01.2004
Aktenzeichen: 19 U 74/03
Rechtsgebiete: BGB, PflVG, StVO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 831
BGB § 847 a.F.
PflVG § 3 Nr. 1
StVO § 37 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES GRUND- UND ENDURTEIL

19 U 74/03

Anlage zum Protokoll vom 30.01.2004

Verkündet am 30. Januar 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Conzen und die Richterin am Landgericht Dr. Grobecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 19.03.2003 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 0 447/00 abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.745,92 € nebst 4 % Zinsen seit dem 08.08.2000 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) dem Grunde verpflichtet sind, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote des Klägers von 30%. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Vorfall vom 11.05.1999 gegen 6.47 Uhr bei B auf der Kreuzung B XX/L XX zu 70 % zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 11.05.1999 gegen 6.47 Uhr bei B auf der Kreuzung B xx/L xx unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote des Klägers von 30% zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversiche- rungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreites über die Höhe des Schmerzensgeldes und über die Kosten beider Instanzen wird die Sache an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit von 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 11.05.1999 gegen 6.47 Uhr bei B auf der Kreuzung B XX/L XX ereignete und an dem außer ihm der Beklagte zu 1) als Fahrer eines dem Beklagten zu 3) gehörenden und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten LKW mit Anhänger beteiligt war.

Der Kläger fuhr zum Unfallzeitpunkt aus Richtung B kommend auf die Kreuzung B xx zu. Der ihm aus Richtung H entgegenkommende Beklagte zu 1) hatte sich mit dem von ihm gesteuerten LKW hinter einem anderen LKW auf der Linksabbiegerspur eingeordnet. Für die Linksabbieger, die aus der Richtung H kommend die Kreuzung passieren, gilt zunächst dieselbe Ampelschaltung wie für den Geradeaus- und Rechtsabbiegerverkehr. Jenseits der Kreuzung befindet sich eine weitere Ampelanlage für Linksabbieger, die gelb blinkt, solange für den Gegenverkehr Grünlicht angezeigt wird und erst nach 15 Sekunden auf Grün umschaltet, wenn für den Gegenverkehr aus Richtung B die Ampel rot zeigt.

Als die für sämtliche Fahrtspuren aus Richtung H geltende Ampel auf Grün umschaltete, bog der vor dem Beklagten zu 1) stehende LKW links ab. Anschließend kam es im Rahmen des Linksabbiegevorganges des Beklagten zu 1) unter zwischen den Parteien streitigen Umständen zu der Kollision zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem LKW des Beklagten zu 3). Der Kläger erlitt bei dem Unfall erhebliche Verletzungen, unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, multiple Gesichtsverletzungen, Verletzungen des linken Ohres und Auges, Verletzungen des Unterkiefers, Zahnschäden und Narben. Er befand sich für geraume Zeit in stationärer Behandlung und hat inzwischen sein Studium des Bauingenieurwesens aufgegeben.

Mit der Behauptung, er habe sich der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h genähert und sei bei Grün in diese eingefahren, während der Beklagte zu 1) im Rahmen seines Linksabbiegevorganges seine Vorfahrt missachtet habe, hat der Kläger Ersatz der ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schäden begehrt. Dabei hat er den ihm aufgrund der erlittenen Schäden entstandenen Schmerzensgeldanspruch mit mindestens 150.000,00 DM angegeben.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn DM 21.159,34 nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 8.8.2000 zu zahlen;

2.

die Beklagten zu 1) -3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu zahlen;

3.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 11.5.1999 gegen 6.47 bei B auf der Kreuzung B xx/L xx zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Der Beklagte haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben ein Verschulden des Beklagten zu 1) in Abrede gestellt und behauptet, der Kläger sei mit hohem Tempo, insbesondere schneller als mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h, bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren, während der Linksabbiegepfeil für den Beklagten zu 1) bereits Grün gezeigt habe. Der Beklagte zu 1) habe, nachdem der vor ihm fahrende LKW ungehindert die Kreuzung bei gelbem Blinklicht der Linksabbiegerampel durchfahren konnte, kurz anhalten müssen, um bevorrechtigten Gegenverkehr passieren zu lassen. Er sei erst wieder angefahren, nachdem der Linksabbiegerpfeil auf Grün geschaltet habe. Als der Beklagte zu 1) den sich mit hohem Tempo nähernden Kläger bemerkt habe, habe er eine Vollbremsung vorgenommen. Dennoch sei der Kläger ungebremst in den vom Beklagten zu 1) gesteuerten LKW hineingefahren.

Das Landgericht hat die Klage in Bezug auf den vom Kläger begehrten Ersatz seines immateriellen Schadens nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. N mangels nachweisbaren Verschuldens des Beklagten zu 1) abgewiesen. In Bezug auf den vom Kläger geltend gemachten materiellen Schaden hat das Landgericht der Klage stattgegeben, jedoch einen 50 %igen (Mit-) Verursachungsbeitrag in Ansatz gebracht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Verurteilung der Beklagten gemäß den in 1. Instanz gestellten Schlussanträgen weiter verfolgt und hilfsweise beantragt, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Er macht geltend, dass jedenfalls die Beklagten zu 2) und 3) auch für die von ihm geltend gemachten immateriellen Schäden haften, da der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt des Unfalls bei dem Beklagten zu 3) angestellt gewesen sei. Weiterhin sei die Betriebsgefahr des PKW des Klägers mit maximal 25% anzusetzen. Das Landgericht habe insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass von einem links abbiegenden Fahrzeug stets eine höhere Betriebsgefahr ausgehe, als von einem Fahrzeug, das sich auf der Gegenfahrbahn in Geradeausfahrt nähert. Zudem habe es sich bei dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeug um einen LKW gehandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen sowie (§ 540 Abs. 1 ZPO) auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in Bezug auf den von ihm geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch, soweit über diesen dem Grunde nach entschieden werden konnte, gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. In Bezug auf die mit der Berufung begehrte Feststellung der Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden ist die Berufung ebenfalls lediglich betreffend die Beklagten zu 2) und 3) überwiegend begründet und im übrigen unbegründet. Hinsichtlich des materiellen Schadensersatzanspruches hat die Berufung insoweit Erfolg, als der Kläger sich lediglich einen Mitverursachungsbeitrag in Höhe von 30 % anrechnen lassen muss.

Für den Schmerzensgeldanspruch gilt folgendes:

1.

Eine Haftung des Beklagten zu 1) gemäß den §§ 823, 847 a.F. BGB kommt nicht in Betracht, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Verschulden des Beklagten zu 1) nicht sicher feststellbar ist. Der Senat folgt insoweit der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils, wonach der Kläger letztlich nicht hat beweisen können, dass der Beklagte zu 1) seinen Abbiegevorgang bei gelbem Blinklicht der Lichtzeichenanlage für Linksabbieger vorgenommen hat. So konnte keiner der vom Landgericht vernommenen Zeugen Angaben dazu machen, ob der für den Beklagten zu 1) geltende Linksabbiegerpfeil beim Einfahren des Beklagten in die Kreuzung gelb blinkte oder bereits Grün anzeigte. Auch das eingeholte Sachverständigengutachten hat zu keiner weitergehenden Klärung geführt. Vielmehr ist der Sachverständige Dr. N in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass eine zeitlich exakte Verknüpfung zwischen dem Unfallereignis und den Umlaufzeiten der Lichtzeichenanlage nicht möglich ist. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass vieles dafür spreche, dass sich der Unfall im Grenzbereich zwischen dem Ende der Gelbblinkphase des Linksabbiegerpfeils und dem Beginn der Rotphase für den Verkehr in Fahrtrichtung des Klägers ereignet habe. Der Sachverständige hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, dass aus technischer Sicht eine genaue Klärung des Unfallherganges nicht herbeigeführt werden könne, da er mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen lediglich Standardwerte zur Grundlage seiner Berechnungen habe machen können. Da sich auf der Linksabbiegerspur des Beklagten zu 1) vor diesem ein weiterer LKW befunden habe, der ebenfalls links abbog, ließen sich - selbst unter Auswertung der Diagrammscheibe des LKW - keine exakten Angaben mehr dazu machen, wie viele Sekunden seit dem Umschalten der Lichtzeichenanlage für sämtliche Fahrspuren aus Richtung H auf Grün vergangen waren, bis der Beklagte zu 1) seinen Linksabbiegevorgang vornahm. Da die Lichtzeichenanlage für Linksabbieger nach Umschalten der Ampelanlage für sämtliche Fahrspuren für lediglich 15 Sekunden ein gelbes Blinklicht anzeige, lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich auch der Senat in vollem Umfang anschließt, nicht mit der erforderlichen Sicherheit rekonstruieren, ob der Beklagte zu 1) bei gelbem Blinklicht in die Kreuzung eingefahren ist. Bei dieser Sachlage lässt sich ein schuldhafter Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 9 Abs. 1, 4 StVO nicht feststellen.

2.

Die Berufung des Klägers hat jedoch hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) Erfolg. Die Beklagte zu 2) haftet in ihrer Eigenschaft als Versicherer des Halters gemäß §§ 823, 831, 847 a.F. BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG, der Beklagte zu 3) haftet auch bei Unaufklärbarkeit des genauen Unfallgeschehens gemäß §§ 831, 847 a.F. BGB als Halter des vom Beklagten zu 1) geführten LKW.

Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens war der Beklagte zu 1) bei dem Beklagten zu 3) als Kraftfahrer angestellt. In Ausführung einer Fahrt für seinen Geschäftsherrn hat der Beklagte zu 1) den Unfall und damit erhebliche Verletzungen des Klägers verursacht. Ein Verschulden des Beklagten zu 1) ist im Rahmen des § 831 BGB nicht erforderlich; ausreichend ist eine in Ausführung einer Verrichtung für den Geschäftsherrn begangene Verletzungshandlung.

Der Beklagte zu 1) handelte auch widerrechtlich im Sinne des § 831 BGB. Grundsätzlich muss der Geschädigte bei einem Unfall im Straßenverkehr im Rahmen des § 831 BGB nämlich lediglich beweisen, dass der Verrichtungsgehilfe eines der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter verletzt hat. Dem Geschäftsherrn obliegt dagegen der Beweis, dass das Verhalten des Verrichtungsgehilfen rechtmäßig war und der gesetzlichen Ordnung des Straßenverkehrs entsprach (BGHZ 24, 21, 29; OLG Köln, NZV 1992, 279 (280); Hentschel, StVR, 36. Aufl., § 16 StVG, Rdnr. 12). Dieser Beweis kann nach den vorstehenden Ausführungen von den Beklagten nicht geführt werden, da gerade nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte zu 1) seinen Abbiegevorgang bei begonnenem dauerhaften Aufleuchten des grünen Pfeils durchgeführt und die Vorfahrt des Klägers nicht verletzt hat.

Der Entlastungsbeweis gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB ist von den Beklagten nicht geführt worden. An dem Beweis einer ausreichenden Auswahl und Überwachung eines angestellten Kraftfahrers sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1997, 2756, (2757); OLG Hamm, MDR 1998, 1222 (1223). Der Beklagte zu 1) war vor dem Unfallgeschehen bei dem Beklagten zu 3) erst vier Monate angestellt. Nach dem Unfallgeschehen war der Beklagte zu 1) bei dem Beklagten zu 3) lediglich noch einen weiteren Monat, nämlich bis zum 03. Juni 1999, als Kraftfahrer beschäftigt. Der Beklagte zu 1) ist daher bereits während der Probezeit bei dem Beklagten zu 3) ausgeschieden. Darüber hinaus war der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt seiner Einstellung bei dem Beklagten zu 3) erst drei Jahre im Besitz der Führerscheinklasse 2. Er konnte daher maximal über eine dreijährige Fahrpraxis verfügen. Ob der Beklagte zu 1) in dem Zeitraum nach dem Erwerb seines LKW-Führerscheins überhaupt, und wenn ja, in welchem Umfang, Fahrten mit einem LKW vorgenommen hat und ob der Beklagte zu 1) bereits vor seinem Eintritt bei der dem Beklagten zu 3) als angestellter LKW-Kraftfahrer tätig war, wird nicht dargelegt. Auch hat der Beklagte zu 3) lediglich vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) der geeigneteste unter mehreren Bewerbern gewesen sei. Dies reicht nicht aus, um den strengen Anforderungen an eine sorgfältige Auswahl im Sinne des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB gerecht zu werden. Da offen bleibt, über welche Qualifikationen die anderen Bewerber verfügten, besagt der Vortrag des Beklagten zu 3), der Beklagte zu 1) sei der geeigneteste unter mehreren Bewerbern gewesen, nichts. Der Vortrag des Beklagten zu 3) reicht zur Entlastung insbesondere nicht aus, weil keine näheren Darlegungen zur Qualifikation und Erfahrung des Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt seiner Einstellung erfolgt sind. Auch der Nachweis einer sorgfältigen Überwachung ist nicht geführt. Konkrete Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen (vgl. dazu OLG Hamm, MDR 1998, 1222 (1223), die insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 1) erst sehr kurze Zeit bei dem Beklagten zu 3) beschäftigt war und zudem über keine langjährige Fahrpraxis verfügen konnte, erforderlich gewesen wären, werden nicht genannt. Dass in dem Zeitraum bis zum Unfallgeschehen keine Verkehrsverstöße des Beklagten zu 1) vorgekommen sind, ist insoweit nicht aussagekräftig, da es sich lediglich um einen Zeitraum von vier Monaten handelt.

Da nicht auszuschließen ist, dass der Unfall bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt durch den Beklagten zu 3) vermieden worden wäre, entfällt seine Haftung auch nicht gem. § 831 Abs. 1 S.2 BGB letzte Alternative.

Die Höhe des Schmerzensgeldanspruches ist jedoch auf Grund der erheblichen und multiplen Verletzungen des Klägers und möglicher Folgeschäden noch aufklärungsbedürftig. Insoweit war der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif und auf Antrag des Klägers an das Landgericht zurückzuverweisen ( § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

3.

Allerdings muss sich der Kläger anspruchsmindernd die von seinem PKW ausgehende Betriebsgefahr anrechnen lassen. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass sich der Geschädigte eine von ihm zu vertretende Sach- oder Betriebsgefahr auch bei einer Haftung des Schädigers wegen Verschuldens anrechnen lassen muss. Die mitwirkende Betriebsgefahr führt auch zu einer Kürzung des Schmerzensgeldanspruches (BGHZ 20, 259 (262); BGHZ 26, 69 (75), Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rdnr. 329; Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl. § 831 Rdnr.5).

Entgegen der Annahme des Landgerichts ist vorliegend nicht von einer gleichwertigen Betriebsgefahr des PKW des Klägers und des vom Beklagten zu 1) geführten LKW auszugehen. Zwar darf ein Linksabbieger grundsätzlich auf einer durch eine Ampel geregelte Kreuzung, auf welcher sowohl ein grüner Pfeil für Linksabbieger vorgesehen ist, als auch für den Geradeausfahrer eine Ampelschaltung besteht, auf den grünen Pfeil in gleicher Weise wie der Geradeausfahrer auf die grüne Ampelschaltung vertrauen (BGH VersR 1996, 513, 515). Den dem grünen Pfeil folgenden Verkehrsteilnehmer treffen nämlich nicht die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Gegenverkehr, die § 9 Abs. 3 StVO dem Linksabbieger im Allgemeinen aufbürdet. Leuchtet der grüne Pfeil auf, dann wird die den Vorrang des Gegenverkehrs betreffende Regelung des § 9 Abs. 3 durch § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verdrängt, wonach der Linksabbieger die Kreuzung in Richtung des grünen Pfeils ungehindert befahren und räumen darf. Bleibt ungeklärt, ob der grüne Pfeil das Linksabbiegen frei gab, so kann der geradeaus Fahrende von dem Unfallgegner bei gleicher Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge grundsätzlich die Hälfte des Schadens ersetzt verlangen (BGH, VersR 1996, 513, 514).

Die von den am Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr war vorliegend jedoch nicht gleichwertig. Bei dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeug handelte es sich nämlich um einen dreiachsigen LKW mit Anhänger. Dieser weist aufgrund seiner Schwere, seines größeren Hubraumes, seiner geringeren Wendigkeit und seines größeren Umfanges eine erheblich höhere Betriebsgefahr als der PKW des Klägers auf. Auch wenn der vom Beklagten zu 1) geführte LKW im Rahmen seines Abbiegevorganges nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich mit einer Geschwindigkeit von 15-20 km/h fuhr, während sich der PKW des Klägers mit einer - am Unfallort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen - Geschwindigkeit von 54 bis 57 km/h bewegte, ist aufgrund der Größe und Masse des LKW, die sich gerade auch auf die Schwere der Verletzungen des Klägers ausgewirkt hat, von einer höheren Betriebsgefahr des LKW auszugehen, die mit 70 % anzusetzen ist. Der Kläger kann daher von den Beklagten zu 2) und 3) ein Schmerzensgeld nur unter Berücksichtigung seiner eigenen Mithaftungsquote von 30 % verlangen.

Ein Mitverschulden an dem Unfallgeschehen braucht sich der Kläger demgegenüber nicht anspruchsmindernd zurechnen zu lassen. Die Unaufklärbarkeit des tatsächlichen Unfallgeschehens führt dazu, dass auch den Beklagten der ihnen insoweit obliegende Beweis für ein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers nicht gelungen ist.

4.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass dem Kläger weiter gegen die Beklagten zu 2) und 3) ein Anspruch auf Ersatz der ihm aus dem Unfallgeschehen entstandenen zukünftigen immateriellen Schäden unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 30% zusteht, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

In Bezug auf den Beklagten zu 1) steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden nicht zu, weil ihm der insoweit erforderliche Nachweis des Verschuldens nicht gelungen ist.

Für den materiellen Schaden gilt:

Die Beklagten zu 1), 2) und 3) sind als Gesamtschuldner verpflichtet, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfallgeschehen zu 70 % zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

5.

In Bezug auf die Verurteilung zum Ersatz bereits entstandener materieller Schäden wird mit der Berufung lediglich die Höhe der angesetzten Betriebsgefahr angefochten. Sowohl die vom Landgericht angesetzten Beträge als auch die tatsächlichen Feststellungen zu den bereits entstandenen Schäden werden nicht angegriffen.

Für den vom Kläger geltend gemachten Haushaltsführungsschaden war daher von einem Betrag von 3.904,26 € auszugehen. Von diesem ist der 30%ige Mitverursachungsbeitrag des Klägers in Abzug zu bringen, so dass dem Kläger hinsichtlich des Haushaltsführungsaufwandes ein Anspruch in Höhe von 2.732 ,80 € zusteht. In Bezug auf den Sachschaden am PKW in Höhe von 4.304,46 € steht dem Kläger ebenfalls gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 70 % des eingetretenen Schadens zu. Dies ergibt einen Betrag von 3.013,12 €. Insgesamt steht dem Kläger damit ein Anspruch auf Ersatz seines materiellen Schadens in Höhe von 5.745,92 € zu.

6.

Die Entscheidung über die Kosten - auch des Berufungsverfahrens war dem Landgericht vorzubehalten.

7.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 92.355,63 € (Antrag zu 1: 6.714,24 €, Antrag zu 2: 76.693,78 €, Antrag zu 3: 8.947,61 €).

Ende der Entscheidung

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