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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 02.11.2001
Aktenzeichen: 19 U 77/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 669
BGB § 635
BGB § 633
BGB § 633 Abs. 3
BGB § 634 Abs. 1
BGB § 634 Abs. 1 Halbsatz 2
ZPO § 308
ZPO § 295
ZPO § 540
ZPO § 539
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 308 Abs. 1 Satz 1
GKG § 8
GKG § 33
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 77/01

Anlage zum Protokoll vom 2.11.2001

Verkündet am 2.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und den Richter am Amtsgericht Berghaus

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.02.2001 - 20 0 393/00 - und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden gemäß § 8 GKG niedergeschlagen.

Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem erstinstanzlichem Schlussurteil vorbehalten.

- Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO. -

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten führt in der Sache zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges.

Das angefochtene Urteil leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 539 ZPO. Das Landgericht hat gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen, in dem es statt des von der Klägerin geltend gemachten Anspruches auf Schadensersatz in Höhe von 15.000,00 DM einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 15.000,00 DM zugesprochen hat. Gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Insbesondere darf das Gericht deshalb nicht qualitativ etwas anderes zusprechen als begehrt (Zöller/Vollkommer, 22. Auflage, § 308 ZPO Rnr. 2; Thomas in Thomas/Putzo, 22. Auflage, § 308 ZPO Rnr. 2).

Zwar hatte die Klägerin mit dem vorprozessualen Schreiben ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 7.06.2000 (Blatt 7 bis 8/AB) unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen B. vom 27.04.2000 im selbständigen Beweisverfahren 121 H 1/00 AG Köln Zahlung des vom Sachverständigen für die Mängelbeseitigung angegebenen Betrages von 15.000,00 DM als Vorschuss geltend gemacht. In der Klageschrift vom 10.07.2000 (Bl. 8 d.A.) hat die Klägerin jedoch ausdrücklich von der Geltendmachung eines Kostenvorschusses Abstand genommen und "nunmehr" Schadensersatz beansprucht. Auch an weiteren Stellen in der Klageschrift hat die Klägerin ausdrücklich von Schadensersatz gesprochen. Es ist weder vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich, dass die Klägerin im nachfolgenden Verfahren ihren Antrag qualitativ (wieder) geändert hätte.

Zwischen den Ansprüchen auf Kostenvorschuss und auf Schadensersatz bestehen auch gravierende Unterschiede. Der Anspruch auf Zahlung von Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ist von der Rechtsprechung aus dem Kostenerstattungsanspruch der §§ 633 Abs. 3 BGB, 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B aus Billigkeitsgründen nach § 242 BGB in Anlehnung an § 669 BGB entwickelt worden (BGH, Urteil vom 5.05.1997 - VII ZR 36/76 -, BGHZ 68, 372 = Deutsche Rechtsprechungsrom DRsp-ROM Nr. 196/14708; Palandt/Sprau 60. Auflage, § 633 BGB Rnr. 9; Werner/Pastor: Der Bauprozess, 9. Auflage, Rnr. 1587). Es handelt sich also um einen Mängelbeseitigungsanspruch. Zwischen einem derartigen Anspruch und Ansprüchen auf Gewährleistung insbesondere auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 635 BGB besteht kein Wahlrecht des Bauherrn (Werner/Pastor, Rnr. 1652; Sprau, a. a. O. Rnr. 4 a) vor § 633 BGB); beide Ansprüche schließen sich gegenseitig aus und können deshalb nicht gleichzeitig oder gleichrangig geltend gemacht werden (Werner/Pastor, a. a. O.). Geht der Bauherr nach § 634 Abs. 1 BGB vor, setzt er also dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels mit der Erklärung, dass er nach deren Ablauf die Beseitigung des Mangels ablehne, so erlischt der Nachbesserungsanspruch mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist (§ 634 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Der Bauherr kann dann zum Schadensersatzanspruch übergehen (Werner/Pastor, a. a. O.). Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses bewirkt, dass der Erfüllungsanspruch des Bestellers sowie die Vorleistungspflicht des Unternehmers und dessen Nachbesserungsrecht entfällt (BGH, Urteil vom 16.09.99 - VII ZR 456/98 - , Deutsche Rechtsprechungsrom 1999/10546 = MDR 99, 1500).

Insbesondere darf der Vorschuss auf voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten nur zur Nachbesserung verwendet werden und muss deshalb abgerechnet werden. Demgegenüber kann im Wege des Schadensersatzes der für die Mängelbeseitigung erforderliche Geldbetrag zwar auch bereits vor Behebung des Mangels verlangt werden; er braucht aber nicht wirklich zur Beseitigung des Mangels verwendet zu werden (BGH, Urteil vom 10.05.1999 - VII ZR 30/78 - BGHZ 74, 258 ff. = BauR 1979, 420, 422/423).

Ein Verstoß gegen § 308 ZPO führt zur Aufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht (Zöller/Vollkommer, § 308 Rnr. 6; Zöller/Gummer, § 539 Rnr. 8). Der Verstoß gegen § 308 ZPO ist auch nicht gemäß § 295 ZPO dadurch geheilt worden, dass die Klägerin in der Berufung neben dem Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB hilfsweise den Anspruch auf Kostenvorschuss geltend macht. Diese Ausführungen sind ersichtlich nur für den Fall von Bedeutung, dass der Senat der falschen Sachbehandlung durch das Landgericht folgen sollte. Hauptsächlich und in erster Linie verlangt die Klägerin aber - nach wie vor - Schadensersatz gemäß § 635 BGB.

Der Senat hat schließlich von der ihm in § 540 ZPO eingeräumten Befugnis, von der Zurückverweisung abzusehen und selbst in der Sache zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht. Dies wäre nämlich nicht sachdienlich gewesen.

Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Entscheidung reif. Jedenfalls aufgrund der Vorlage neuer Beweismittel, nämlich der Berichtshefte des Zeugen H. hätte der Senat die vom Landgericht vorgenommene Beweisaufnahme in vollem Umfange wiederholen müssen. Der Beklagte hat von Anfang an vorgetragen, dass er am 18.08., 19. und 26.11.1999 die Klägerin persönlich auf die Unebenheiten des Estrichs hingewiesen habe. Aus dem Berichtsheft ergeben sich Hinweise am 18.08., 26.11 und 9.12.99. Dass die Zeugen M. und P. von derartigen Hinweisen nicht wissen wollen, weil sie - obwohl offensichtlich keine Fachleute - die vorhandenen Unebenheiten angeblich beseitigt haben sollen, erscheint nicht weiter verwunderlich. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen allein schon deshalb erhebliche Bedenken bestehen, weil sie die Feststellungen des Sachverständigen B. als "Unsinn" abtun. Neben den fünf bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen hat die Klägerin nunmehr weitere fünf Zeugen benannt. Außerdem ist auch eine weitere Aufklärung der tatsächlich vom Sachverständigen festgestellten Mängel zumindest durch Anhörung des Sachverständigen erforderlich. Aus dem Gutachten selbst ist nämlich nicht genau und exakt zu entnehmen, in welchen Räumen jeweils Unebenheiten oder bzw. und andere Mängel vorhanden sind, die beseitigt werden müssen. Auch hat der Beklagte konkret die Höhe der vom Sachverständigen ermittelten Mangelbeseitigungskosten bestritten. Auch insoweit dürfte deshalb eine (weitere) Beweisaufnahme erforderlich werden.

Eine derart umfangreiche Beweisaufnahme (überwiegend) erstmals im zweiten Rechtszug zu unternehmen, entspricht nicht der Funktion eines Berufungsgerichts und dem Wesen des Instanzzuges, sondern ist eine dem Gericht des ersten Rechtszuges obliegende Aufgabe.

Gemäß § 539 ZPO war das Verfahren ab Erlass des Beweisbeschlusses vom 26.10.2000 aufzuheben. Die aufgrund dieses Beweisbeschlusses getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen können nach dem jetzigen Sach- und Streitstand nicht mehr Entscheidungsgrundlage sein.

Die im Berufungsrechtszug entstandenen Gerichtskosten waren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niederzuschlagen. Zwar hat sich aufgrund des Verhaltens beider Parteien im Berufungsverfahren gezeigt, dass diese auch bei richtiger Sachbehandlung durch das Landgericht das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und eine Entscheidung durch Urteil erstrebt hätten. Im Unterschied zu den Urteilsgebühren erster Instanz, für die § 33 GKG gilt, werden die Gerichtskosten der zweiten Instanz nicht "angerechnet". Da es sich um einen offensichtlichen schweren Fehler handelt, liegen die Voraussetzungen von § 8 GKG vor. Ob und gegebenenfalls in wieweit eine Nichterhebung von Gerichtskosten der ersten Instanz in Betracht kommt, hat das Landgericht selbst und eigenständig bei der von ihm zu treffenden Kostenentscheidung, die auch die außergerichtlichen Kosten dieses Berufungsverfahrens umfassen, zu prüfen.

Beschwer für beide Parteien unter 60.000,00 DM

Ende der Entscheidung

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