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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 19 W 18/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 888
ZPO § 887
ZPO § 892
ZPO § 888 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

19 W 18/02

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und die Richterin am Amtsgericht Mundorf

am 3. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldner wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 25.03.2002 - 21 O 22/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag der Vollstreckungsgläubiger auf Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. Zwanghaft gegen die Vollstreckungsschuldner wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Vollstreckungsgläubigern auferlegt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldner hat in der Sache Erfolg. Die beantragte Festsetzung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO ist zurückzuweisen, da den Vollstreckungsschuldnern nach Überzeugung des Senats die Erbringung der aus dem Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Köln vom 13.12.2001 - 21 O 22/01 - geschuldeten Leistung derzeit nicht möglich ist.

1. Die von den Vollstreckungsschuldnern zu erzwingende Handlung, das Freilegen/Freistemmen und anschließende dauerelastische Versiegeln der Randentkupplungsfugen der Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses A. d. W. 2 a ist an sich eine vertretbare Handlung, die nach § 887 ZPO zu vollstrecken wäre. Denn es handelt sich dabei um handwerkliche Tätigkeiten, die von einem Dritten anstelle der Vollstreckungsschuldner vorgenommen werden können, ohne dass es den Vollstreckungsgläubigern darauf ankäme, dass sie gerade von den Vollstreckungsschuldnern selbst vorgenommen werden (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 887 Rn. 2 m. w. N.). Anders ist es hingegen, wenn die Vollstreckungsschuldner, wie im vorliegenden Fall, keine Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten haben, die der von den Vollstreckungsgläubigern beauftragte Dritte zur Ausführung der handwerklichen Leistungen betreten müsste. Gegen den Eigentümer und die Mieter der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnungen richtet sich weder der Leistungstitel der Vollstreckungsgläubiger, noch kann der Gerichtsvollzieher gegen sie nach § 892 ZPO eingesetzt werden. In einem derartigen Fall ist eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO nur dann möglich, wenn der Eigentümer und der Mieter sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt hat, oder wenn die Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Eigentümer und Mieter in den Händen halten (OLG Frankfurt, OLGZ 1983, 97; BayObLG, NJW-RR 1989, 462 m. w. N.). Da im vorliegenden Fall die Eigentümerin der Wohnung im ersten Obergeschoss einer Durchführung der Randentkopplungsmaßnahmen in der an ihren Vater vermieteten Wohnung nicht zugestimmt hat und die Vollstreckungsgläubiger gegen sie auch keinen entsprechenden Duldungstitel in den Händen haben, scheidet eine Vollstreckung nach § 887 ZPO aus (Zöller, a. a. O., § 888 Rn. 2). In derartigen Fällen ist daher die Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO durchzuführen (vgl. die Nachweise bei Schuschke/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., § 888 Rn. 6 ff.).

Entgegen der früher vertretenen Ansicht, wonach eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO immer schon dann ausschied, wenn die Mitwirkungsbereitschaft der Dritten, die mitwirken oder zustimmen müssen, nicht eindeutig gegeben war (OLG Hamm, OLGZ 1966, 443), geht der Senat mit der heute vorherrschenden Meinung davon aus, dass eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO nur dann ausscheidet, wenn feststeht, dass der Dritte, der mitwirken oder zustimmen muss, nicht dazu bereit ist. Voraussetzung für eine derartige Feststellung ist jedoch, dass der Vollstreckungsschuldner alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung oder Zustimmung des Dritten zu erlangen, und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen darlegt (Schuschke/Walker, a. a. O., Rn. 9 m. w. N.; BayObLG, a. a. O., m. w. N.).

Da aufgrund des Titels davon auszugehen ist, dass den Vollstreckungsschuldnern zum Zeitpunkt der Titulierung die Vornahme der Handlung möglich war, müssen sie im Vollstreckungsverfahren die Tatsachen einschließlich der Beweismittel, aus denen sich die Unmöglichkeit der Handlungsvornahme ergibt, in einer für den Gläubiger überprüfbaren und substantiierten Weise darlegen. Je mehr die Behauptung, die Leistung sei unmöglich, der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, um so strenger müssen die Anforderungen an die Darlegung von Einzelheiten und Beweismitteln sein. Bleiben aber unter Berücksichtigung dieses strengen Maßstabes hinsichtlich der Darlegungspflicht des Vollstreckungsschuldners unter Würdigung des Gläubigervorbringens begründete Zweifel, dass der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung im Zeitpunkt der Verhängung von Zwangsmitteln noch erbringen kann, so ist der Vollstreckungsantrag zurückzuweisen. Denn auch unter Berücksichtigung aller Darlegungs- und Beweiserleichterungen verbleibt letztendlich die Beweislast dafür, dass es dem Vollstreckungsschuldner möglich ist, die geschuldete Handlung vorzunehmen, beim Gläubiger (OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1087; Schuschke/Walker a. a. O. Rn. 11 m. w. N.). Hinsichtlich der Unmöglichkeit ist auf den Zeitpunkt der Vollstreckung abzustellen. Dass die Handlung dem Vollstreckungsschuldner früher möglich war, ist unerheblich, da § 888 ZPO nicht der Sanktion von in der Vergangenheit abgeschlossenen Zuwiderhandlungen dient, sondern der Durchsetzung des Titels in der Zukunft.

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze haben die Vollstreckungsgläubiger vorliegend nicht bewiesen, dass es den Vollstreckungsschuldnern derzeit möglich ist, die geschuldeten Randentkopplungsmaßnahmen durchführen zu lassen. Nach den von den Vollstreckungsschuldnern überreichten Unterlagen haben diese ihre tatsächlichen Möglichkeiten, auf die Eigentümerin der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung einzuwirken, die erforderlichen Maßnamen zu dulden, ausgeschöpft. Sowohl gegenüber der Eigentümerin als auch gegenüber den tatsächlichen Bewohnern erscheint es aussichtslos, ihre Zustimmung zu den Maßnahmen notfalls mit Gerichtshilfe zu erzwingen, wozu ansonsten die Vollstreckungsschuldner in einer derartigen Situation durchaus verpflichtet sein können (siehe BayObLG a.a.O.). Denn angesichts des Umfangs der durchzuführenden Maßnahmen und der damit für die Bewohner des ersten Obergeschosses verbundenen massiven Belästigungen, die insbesondere im Hinblick auf den Gesundheitszustand des 90-jährigen Vaters der Eigentümerin unzumutbar sind, sind die Aussichten der Vollstreckungsschuldner, einen Duldungstitel zu erwirken, nach Ansicht des Senats, möglicherweise nicht völlig, jedenfalls aber mit größter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht darauf an, ob die Erkrankung des Vaters der Eigentümerin lebensgefährlich ist oder nicht. Jedenfalls ist nach dem ärztlichen Attest sein Gesundheitszustand derart angegriffen, dass weder ihm noch seiner Mitbewohnerin die mit der Durchführung der Maßnahme für ihre Lebensführung verbundenen erheblichen, Unruhe verursachenden Belastungen zuzumuten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 2.500,00 €

Ende der Entscheidung

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