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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.05.2004
Aktenzeichen: 19 W 18/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 44
ZPO § 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

19 W 18/04

In der Beschwerdesache

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und den Richter am Oberlandesgericht Conzen

am 24. Mai 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 15. März 2004 (2 O 82/03) in Form der Nichtabhilfeentscheidung vom 4. April 2004 dahingehend abgeändert, dass das gegen Vorsitzende Richterin am Landgericht E gerichtete Befangenheitsgesuch für begründet erklärt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäss § 46 Abs. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg, soweit sich die Ablehnungsanträge der Beklagten gegen Vorsitzende Richterin am Landgericht E richten. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1.

Die gegen die Kammervorsitzende gerichteten Ablehnungsgesuche sind begründet. Für die erfolgreiche Ablehnung eines Richters ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es genügt insoweit die begründete Besorgnis der Unvoreingenommenheit. Diese Besorgnis ist dann anzunehmen, wenn objektive Gründe vorhanden sind, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unparteiisch gegenüber.

Nach diesen Grundsätzen ist die Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Zwar vermögen einfache oder einmalige (vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1091) Verstöße gegen Verfahrensvorschriften oder die Kundgabe unzutreffender Rechtsansichten durch den abgelehnten Richter nach allgemeiner Ansicht (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, § 44 Rdnr. 24, 28, 33 m.w.N.) noch nicht die Ablehnung zu begründen. Bei einer Gesamtwürdigung der verfahrensmäßigen Vorgehensweise der Kammervorsitzenden vom Eingang des Terminsverlegungsantrags der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz vom 4. Oktober 2003 bis hin zum Erlass des Versäumnisurteils vom 15. Oktober 2003 können aus der Sicht eines objektiven Betrachters aber Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterin nicht verneint werden. Die angefochtene Entscheidung, welche sich nur mit den Einzelaspekten der von der Beklagten beanstandeten Vorgehensweise befasst, die gebotene Gesamtbetrachtung der Ablehnungsgründe (vgl. Zöller-Vollkommer a.a.O., § 44 Rdnr. 9) dagegen außer Acht lässt, kann daher keinen Bestand haben.

Die Besorgnis der fehlenden Unvoreingenommenheit wird maßgebend dadurch begründet, dass die Vorsitzende der Kammer, nachdem zu diesem Zeitpunkt drei - nicht offensichtlich verfahrensfremden Zwecken dienende - Ablehnungsgesuche und die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer vom 14. Oktober 2003 vorlagen, die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2003 geleitet und an einer Entscheidung in der Sache mitgewirkt hat. Damit hat die abgelehnte Richterin, obgleich sie auf diesen Aspekt hingewiesen worden war, gegen das aus § 47 ZPO folgende Wartegebot verstoßen, wonach ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen darf, die keinen Aufschub gestatten. Diese Vorschrift meint nach einhelliger und vom Senat geteilter Auffassung (vgl. BayObLG MDR 1988, 500; OLG Hamburg NJW 1992, 1462, 1463; OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1350; OLG Köln NJW-RR 2000, 591; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1091) mit Erledigung eine rechtskräftige Entscheidung über das Ablehnungsgesuch. Abzuwarten ist danach der Ausgang eines Beschwerdeverfahrens. Dies ist nicht geschehen. Stattdessen sind sämtliche Ablehnungsgesuche als unzulässig zurückgewiesen und die mündliche Verhandlung ist durchgeführt worden. Diese Vorgehensweise kann aus der Sicht der Beklagten den Eindruck erwecken, als sei es nicht um die inhaltliche Überprüfung eines Befangenheitsgesuchs in dem dafür bestimmten Verfahren gegangen, sondern allein um die schnelle Erledigung des Prozesses (OLG Köln a.a.O., S. 592).

Die abgelehnte Richterin war an das Wartegebot gebunden. Die Pflicht entfällt nur bei offensichtlich missbräuchlichen Ablehnungsersuchen. Um solche handelte es sich bei den Anträgen vom 9., 13. und 14. Oktober 2003 indes nicht. Die Beklagte hatte ihr erstes Befangenheitsgesuch vom 9. Oktober 2003, welches von der Kammer verfahrenswidrig behandelt und beschieden worden ist (insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 9. Februar 2004), u.a. auf die verwehrte Akteneinsicht gestützt. Dabei handelte es sich um eine sachliche und zulässige Begründung, denn die Versagung jeglicher Akteneinsicht in der Verfügung der Vorsitzenden vom 8. Oktober 2003 verstieß auch bei Berücksichtigung des eine Woche später anstehenden Verhandlungstermins gegen die Parteirechte der Beklagten gemäß § 299 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Köln MDR 2001, 891). Die Beklagte hatte daher mit der Ablehnung nur in zulässiger Weise die Konsequenz aus einem vorangegangenen prozessrechtswidrigen Verhalten gezogen (vgl. OLG Hamburg a.a.O., S. 1463). Über das Gesuch hätte in der Sache entschieden werden müssen. Die Kammer hat sodann unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin das (zweite) Befangenheitsgesuch vom 13. Oktober 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dieses diene "ersichtlich" der Prozessverschleppung, da es der Beklagten ausschließlich darum gehe, die Vorsitzende zur Verlegung des seit längerem anberaumten Verhandlungstermins vom 15. Oktober 2003 zu veranlassen. Das gelte auch für das Akteneinsichtsgesuch. Ungeachtet dessen, dass die abgelehnte Richterin wegen § 47 ZPO bereits an dieser Entscheidung nicht mehr mitwirken durfte, war die Begründung in dieser Form nicht vertretbar. Die Auffassung der Kammer hinsichtlich der beabsichtigten Verzögerung, welche bereits in der Verfügung der Vorsitzenden vom 8. Oktober 2003 angeklungen war, stützte sich allein auf den zeitlichen Ablauf. Der Schluss von der - objektiv späten - Beauftragung der neuen Prozessbevollmächtigten auf die Absicht der Prozessverzögerung war nicht zwingend. Die Gründe für die späte Beauftragung des Prozessbevollmächtigen durch die Beklagte sind nicht nachgefragt worden. Ein missbräuchliches Vorgehen der Beklagten stand jedenfalls nicht mit der für die Annahme von Verschleppungsabsicht erforderlichen Sicherheit fest.

Die Verletzung des Wartegebots lässt jedenfalls in Verbindung mit den genannten Umständen die Zweifel der Beklagten an der Unvoreingenommenheit der Richterin nachvollziehbar erscheinen (vgl. auch OLG Köln a.a.O., S. 591f.). Entgegen der Auffassung in der angefochtenen Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob gegen § 47 ZPO mehrfach verstoßen worden ist, was auch in den vom Landgericht zitierten Entscheidungen (OLG Hamburg NJW 1992, 1462; OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1350) so nicht vertreten wird, sondern auf die Gesamtbetrachtung der Verfahrensweise des abgelehnten Richters.

2.

Unbegründet ist das Rechtsmittel hinsichtlich der Ablehnungsgesuche gegen die beisitzenden Richter B und N. Ein Richter kann nur für künftige richterliche Tätigkeit wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Beide Richter sind bereits vor Erlass der angefochtenen Entscheidung endgültig aus der Spruchkammer ausgeschieden. Damit war das Rechtsschutzinteresse für die Ablehnungsgesuche bereits vor der sachlichen Bescheidung der Anträge entfallen. Diese hätten für erledigt erklärt werden müssen (vgl. Pfälz. OLG Zweibrücken, OLGR 2002, 417; OLG Karlsruhe, OLGR 2002, 280; Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 46 Rdnr. 18).

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Senat vertritt die Auffassung (vgl. zum Meinungsstand: Norbert Schneider MDR 2001, 130, 133f.), dass es sich insoweit grundsätzlich um erstattungsfähige Kosten handelt, jedoch sind dies solche des gesamten Verfahrens und daher aufgrund der Kostenentscheidung der Hauptsache nach den §§ 91 ff. ZPO zu verteilen (vgl. OLG Frankfurt JurBüro 1986, 761).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Interesse in der Hauptsache: 31.206,26 €.

Ende der Entscheidung

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