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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 19 W 19/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 383 Nr. 1
ZPO § 383 Nr. 2
ZPO § 383 Nr. 3
ZPO § 384 Nr. 1
ZPO § 384 Nr. 2
ZPO § 384 Nr. 2 Alt. 2
ZPO § 387 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts Köln vom 07.03.2008 - 16 O 374/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Zeuge ist nicht berechtigt, das Zeugnis im Hinblick auf eine mögliche Strafverfolgung gemäß § 384 Nr. 2 ZPO von vornherein in vollem Umfang und unabhängig von konkret an ihn gerichtete Fragen zum Beweisthema zu verweigern.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Zeuge.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.022.583,76 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma M. & D. T. GmbH den Beklagten im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen, die für die Vergabe des Auftrags zur Errichtung der Müllverbrennungsanlage L. geflossen sein sollen, auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 26.01.2005 u.a. die Vernehmung des von dem Beklagten benannten Zeugen Dr. N. angeordnet. Der Zeuge hat sich zunächst im Termin zur Beweisaufnahme am 13.01.2006 auf ein Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 384 Nr. 1 ZPO berufen. Mit Zwischenurteil vom 24.03.2006 hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln festgestellt, dass dem Zeuge Dr. N. ein Aussageverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO zustehe. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat der Senat - nachdem das Beschwerdeverfahren zwischenzeitlich ausgesetzt war - mit Beschluss vom 29.03.2007 festgestellt, dass der Zeuge nicht berechtigt sei, das Zeugnis im Hinblick auf mögliche Regressforderungen der Insolvenzschuldnerin gemäß § 384 Nr. 1 ZPO zu verweigern.

Zwischenzeitlich hatte sich der Zeuge mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.01.2007 auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO berufen. Zur Begründung hat der Zeuge ausgeführt, dass das Landgericht Köln mit Beschluss vom 20.07.2006 - Geschäftsnummer 107-9/06 - aus dem Komplex des sog. L. er Müllverfahrens eine weitere Anklage gegen ihn zur Hauptverhandlung zugelassen habe wegen des Vorwurfes der Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der Insolvenzschuldnerin und einer Firma J. GmbH. Der Zeuge habe in diesem sog. Anderman-Verfahren stets vorgetragen, dass der Verzicht der Insolvenzschuldnerin auf eine Beteiligung am Wartungsvertrag für die Müllverbrennungsanlage L. im Zusammenhang stehe mit der Übernahme von (Schmiergeld-)Zahlungsverpflichtungen der Insolvenzschuldnerin gegenüber Herrn F. durch den Beklagten. Vor diesem Hintergrund bestehe ein enger Zusammenhang zwischen dem zur Hauptverhandlung zugelassenen "Anderman-Verfahren" und dem vorliegenden Rechtsstreit. Jede Frage bezüglich etwaiger Zahlungen der Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit der Müllverbrennungsanlage L. betreffe auch die weitere Abwicklung und Beendigung solcher Zahlungen im Zusammenhang mit dem Wartungsvertrag. Daher seien alle im Rahmen der Beweisaufnahme denkbaren Fragen von § 384 Nr. 2 ZPO erfasst. Zum Beweisaufnahmetermin am 25.01.2008 ist der Zeuge nicht erschienen.

Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 07.03.2008 festgestellt, dass die erneute Aussageverweigerung des Zeugen Dr. N. rechtmäßig sei. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Zeugen ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO zustehe. Es bestehe die Gefahr, dass er sich bei einer wahrheitsgemäßen Aussage weitergehender Strafverfolgung aussetze. Angesichts der Einlassung des Zeugen in dem Anderman-Strafverfahren sei nicht auszuschließen, dass Bekundungen des Zeugen zur Frage, ob und in welchem Umfang er den Zeugen Dr. U. von der Notwendigkeit und tatsächlichen Durchführung von Schmiergeldzahlungen informiert habe, Auswirkungen auf seine Verteidigung im Strafverfahren haben könne.

Gegen dieses Zwischenurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.03.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde führt der Beklagte aus, ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO könne nicht ex post auf Komplexe zurückbezogen werden, die den Gegenstand eines seit langem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens gegen den Zeugen gebildet hätten. Entscheidende Behauptung, zu der der Zeuge vernommen werden solle, sei der Vortrag des Beklagten, der Zeuge Dr. N. habe seinem damaligen Co-Geschäftsführer, dem Zeugen Dr. U. , bereits im Zusammenhang mit der Vergabe des Auftrags zur Errichtung der MVA L. im Jahre 1994 von der Notwendigkeit umfangreicher Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe unterrichtet. Dieser Komplex - Zahlung von Schmiergelder an diverse Empfänger im Zusammenhang mit der Errichtung der MVA L. - sei strafrechtlich im Verhältnis zu dem Zeugen Dr. N. abschließend in dem Urteil des Landgerichts Köln vom 13.05.2004 - 107-3/04 LG Köln - behandelt und entschieden worden. Der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 02.05.2005 - 5 StR 119/05 - dieses Urteil bestätigt. Mit diesem Urteil des Bundesgerichtshofs sei die Möglichkeit des Zeugen Dr. N. , sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO zu berufen, entfallen, sofern Gegenstand der Vernehmung Fragen bilden, die den Anklagevorwurf des rechtskräftig abgeschlossenen "MVA L. -Verfahrens" gebildet hätten, wie dies vorliegend der Fall sei. Mit dem sog. "Anderman-Scheck-Verfahren" habe die an den Zeugen Dr. N. im vorliegenden Verfahren zu stellende Beweisfrage nichts zu tun. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Zeuge Dr. U. am 09.06.1998 als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin abberufen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die "Anderman-Scheck-Gestaltung" noch nicht erfolgt gewesen. Dass sich der Zeuge in dem "Anderman-Verfahren" dahingehend eingelassen habe, mit der "Anderman-Scheck-Gestaltung" sei eine Schuldübernahme von Verpflichtungen zur Zahlung weiterer Schmiergelder an Herrn F. verfolgt worden, ändere nichts am dem fehlenden Zusammenhang zwischen der Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren und dem "Anderman-Strafverfahren". Eine Schuldübernahme hinsichtlich Schmiergeldzahlungen setze zwingend eine zuvor bereits bestehende Schmiergeldabrede im Zusammenhang mit der MVA L. voraus. Dieser Themenkreis sei aber Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen und daher zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts nicht mehr geeigneten "MVA L. -Strafverfahrens".

Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 29.04.2008 den Ausführungen des Beklagten zum Nichtbestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 384 Nr. 2 ZPO angeschlossen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.05.2008 der Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Parteien seien zu Unrecht der Auffassung, dass das gegen den Zeugen gerichtete "Anderman-Scheck-Verfahren" sachlich mit dem vorliegenden Rechtsstreit nichts zu tun habe. Der Zeuge verteidige sich in dem Strafverfahren u.a. mit der Behauptung, er habe keine Anweisung erteilt, zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin ein Geschäft zu fingieren, mit dem dieser durch eine Firma J. ein erheblicher Geldbetrag illegal und unerkannt habe zugewendet werden können. Er habe nur darauf hingewirkt, dass die Firma J. zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin eine Schuld habe übernehmen sollen, die darin bestanden habe, Herrn F. Schmiergeldzahlungen für den Auftrag zur Errichtung der Müllverbrennungsanlage zukommen zu lassen. Danach bestehe die Gefahr, dass der Zeuge Dr. N. bei wahrheitsgemäßer Aussage zu der Frage, ob und wann dem Zeugen Dr. U. Schmiergeldzahlungen für den Auftrag zur Errichtung der Müllverbrennungsanlage bekannt gewesen seien, in seiner Rechtsverteidigung in dem nunmehr gegen ihn gerichteten Strafverfahren tangiert sei.

Der Zeuge Dr. N. hatte Gelegenheit, zu der sofortigen Beschwerde des Beklagten Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 09.05.2008 hat die Verfahrensbevollmächtigte des Zeugen ausgeführt, dass sie zwar seit jeher die Auffassung vertreten habe, dass der Wiederaufnahme des sog. "Anderman-Scheck-Verfahrens" der Strafklageverbrauch durch das rechtskräftig abgeschlossene "MVA L. -Verfahren" entgegen stehe. Dieser Auffassung habe sich jedoch das Landgericht Köln in seiner Entscheidung über die Eröffnung des "Anderman-Scheck-Verfahren" nicht angeschlossen, weshalb eben gerade nicht "grundlegend andere Vorwürfe" den Gegenstand des Anderman-Verfahrens bildeten. Dass der Zeuge Dr. U. am 09.06.1998 als Geschäftsführer abberufen worden sei, spiele keine Rolle, zumal - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - zu diesem Zeitpunkt die "Anderman-Scheck-Gestaltung" bereits erfolgt gewesen sei, was sich daraus erschließe, dass die an die J. GmbH gerichtete Abdeckrechnung auf Anderman-Geschäftspapier vom 08.05.1998 datiere. Für die Frage des untrennbaren Zusammenhangs komme es hierauf jedoch gar nicht an, da jede Aussage des Zeugen zu der Frage, ob und in welchem Umfang er den Zeugen Dr. U. von der Notwendigkeit und der tatsächlichen Durchführung von Schmiergeldzahlungen informiert habe, Auswirkungen auf seine Verteidigung im Anderman-Verfahren haben könne. Dies zeige sich besonders deutlich daran, dass die von dem Zeugen Dr. N. zu beantwortende Beweisfrage auch zum Gegenstand habe, ob der Zeuge Dr. U. auch über die Abwicklung der Schmiergeldzahlung unterrichtet worden sei. Es bestehe daher ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht.

II.

Die gemäß § 387 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der Zeuge Dr. N. ist nicht berechtigt, unabhängig von konkret zum Beweisthema an ihn gerichtete Fragen in vollem Umfang die Aussage als Zeuge gemäß § 384 Nr. 2 ZPO im vorliegenden Verfahren zu verweigern.

Zwar hat das Landgericht richtig erkannt, dass die wahrheitsgemäße Beantwortung der an den Zeugen zu richtenden Fragen Auswirkungen auf dessen Rechtsverteidigung in dem gegen den Zeugen gerichteten sog. Anderman-Scheck-Strafverfahren haben kann.

Gegenstand der Beweisaufnahme ist gemäß Beweisbeschluss des Landgerichts vom 26.01.2005 die Frage, ob dem Mitgeschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, dem Zeugen Dr. U. , bekannt gewesen sei, ob im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe zum Bau der L. er Müllverbrennungsanlage Schmiergeld von der Insolvenzschuldnerin gezahlt worden sei und - wenn ja - seit wann. Entgegen den Ausführungen des Beklagten zur Begründung der sofortigen Beschwerde geht es damit nicht nur um die Frage, ob der Zeuge Dr. N. seinen Co-Geschäftsführer bereits im Zusammenhang mit der Vergabe des Auftrags zur Errichtung der MVA L. im Jahre 1994 von der Notwendigkeit umfangreicher Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe unterrichtet hat, sondern durch die Beweisaufnahme soll auch geklärt werden, ob der Zeuge Dr. U. überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, d.h. bis zu seiner Abberufung am 09.06.1998, Kenntnis von den Schmiergeldzahlungen erlangt hat.

Hieraus folgt, dass die Beweisfrage auch denjenigen Zeitraum umfasst, in den die sog. Anderman-Scheck-Gestaltung fällt. Ausweislich der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 24.05.2006 - 114 - Js 31/06 - soll die zur Anklage gebrachte Tat im Jahr 1998 begangen worden sein, wobei der sog. Anderman-Scheck im Juni 1998 ausgestellt und im Juli 1998 eingelöst worden sein soll. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, dass im Rahmen der Beweisaufnahme Fragen an den Zeugen gerichtet werden, die sich darauf beziehen, ob der Geschäftsführer Dr. U. möglicherweise in diesem Zusammenhang von den Schmiergeldzahlungen Kenntnis erlangt hat. Derartige Fragen liegen gerade deshalb nahe, weil der Zeuge Dr. N. sich in dem Anderman-Strafverfahren dahingehend eingelassen hat, ein finanzieller Ausgleich zugunsten der Insolvenzschuldnerin für den Verzicht auf eine Einbindung in den Wartungsvertrag habe in Form einer Schuldübernahme im Hinblick auf eine von der Insolvenzschuldnerin an Herrn F. aus der im Zusammenhang mit der Vergabe des Auftrags zur Errichtung der MVA L. getroffenen Schmiergeldabrede noch zu leistenden Zahlung erfolgen sollen. Soweit sich der Zeuge Dr. N. durch die wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Vergabe des Wartungsvertrages und die nachfolgende Anderman-Scheck-Gestaltung stehen, der Gefahr ausgesetzen würde, in seiner Rechtsverteidigung als Angeklagter in dem Anderman-Strafverfahren beeinträchtigt zu werden, steht ihm zweifellos ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO zu und zwar unabhängig von der Frage, ob das Landgericht die Anklage im Anderman-Verfahren zu Recht zur Hauptverhandlung zugelassen hat oder ob die in diesem Verfahren zur Anklage gebrachten Vorwürfe nach dem Grundsatz "ne bis in idem" bereits durch das rechtskräftig abgeschlossene "MVA L. -Strafverfahren" verbraucht sind. Angesichts des Umstands, dass die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des "Anderman-Komplexes" gesondert Anklage erhoben und das Landgericht diese Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen hat, ist der Zeuge insoweit der Strafverfolgung ausgesetzt und darf durch eine Vernehmung als Zeuge im vorliegenden Verfahren nicht in seiner Rechtsverteidigung als Angeklagter beeinträchtigt werden.

Aus dieser engen Verbindung zwischen dem Beweisthema und dem Anderman-Strafverfahren folgt jedoch nach Auffassung des Senats nicht, dass dem Zeugen Dr. N. von vornherein ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Soweit beispielsweise im Rahmen der Beweisaufnahme Fragen an den Zeugen gerichtet werden sollten, die den Zeitraum vor dem Beginn der Verhandlungen über die Vergabe des Wartungsvertrages betreffen, ist nämlich nicht ersichtlich, dass der Zeuge hierdurch der Gefahr einer weitergehenden Strafverfolgung ausgesetzt sein könnte. Wie der Beklagte zutreffend dargelegt hat, ist das Strafverfahren gegen den Zeugen hinsichtlich der Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der Vergabe des Auftrags für die Errichtung der Müllverbrennungsanlage L. rechtskräftig abgeschlossen. Insoweit hat der Zeuge deshalb keine weitere Strafverfolgung zu befürchten. Abgesehen von dem Anderman-Strafverfahren ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vernehmung im vorliegenden Verfahren den Zeugen Dr. N. der Gefahr einer anderweitigen Strafverfolgung aussetzen könnte.

Gemäß § 384 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Zeugnis verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung den Zeugen oder einen seiner in § 383 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen in Gefahr brächte, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Die Vorschrift gibt damit grundsätzlich kein Recht, das Zeugnis insgesamt zu verweigern, sondern sie gestattet dem Zeugen nur, solche Fragen nicht zu beantworten, die ihn in die beschriebene Konfliktlage bringen (Zöller-Greger, § 384 Rz. 1). Dies kann zwar im Einzelfall dazu führen, dass der Zeuge überhaupt nicht auszusagen braucht. Dies setzt aber voraus, dass seine Aussage mit seinem etwaigen strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang steht, dass eine Trennung nicht möglich, d.h. keine Frage vorstellbar ist, die der Zeuge nicht doch beantworten könnte, ohne sich - ggf. im Zusammenhang mit sonstigen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden - der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen (BGH, Urteil vom 18.10.1993 - II ZR 255/92 - zu § 384 Nr. 2 ZPO; Beschluss vom 07.08.2008, StB 9 bis 11/08 und Urteil vom 27.06.2002 - 4 StR 28/02 - zum bedeutungsgleichen § 55 StPO).

Wie vorstehend ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass hinsichtlich des gesamten Beweisthemas ein so enger und untrennbarer Zusammenhang mit dem im Rahmen des Anderman-Verfahrens gegen den Zeugen Dr. N. erhobenen Vorwürfe besteht, dass dem Zeugen von vornherein ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich aller im Rahmen einer Zeugenvernehmung denkbarerweise zu stellenden Fragen besteht. Das Zwischenurteil vom 07.03.2008 ist deshalb dahingehend abzuändern, dass dem Zeugen kein von konkreten Fragen unabhängiges, vollumfängliches Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Ob der Zeuge sich gegenüber einzelnen Fragen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO berufen kann, wird im Rahmen der nunmehr durchzuführenden Beweisaufnahme zu entscheiden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (Zöller-Greger, § 387 Rz. 5).

Der Gegenstandswert des Zwischenstreits und damit auch des Beschwerdeverfahrens über das Zeugnisverweigerungsrecht entspricht dem Streitwert der Hauptsache, da sich die Beweisfrage auf die gesamte Hauptsache, nämlich die Frage der Verjährung der Klageforderung bezieht (vgl. MK-Damrau, § 387 Rz. 19; Zöller-Greger, § 387 Rz. 5).

Ende der Entscheidung

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