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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.03.2003
Aktenzeichen: 2 Ausl 1415/01
Rechtsgebiete: IRG, StGB


Vorschriften:

IRG § 3
IRG § 4
IRG § 5
IRG § 6
IRG § 7
IRG § 8
IRG § 9
IRG § 10
IRG § 29 Abs. 2
StGB § 22
StGB § 23
StGB § 249 Abs. 1
StGB § 250 Abs. 2
StGB § 251
Die Todesstrafe wird in Bosnien-Herzegowina nicht mehr angewendet.
Tenor:

Die Auslieferung des bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigen S zur Verfolgung der ihm in der Anklageschrift der Republik Srpska vom 26. Januar 1998 - Nr. 98/97 - in Verbindung mit dem Beschluss des Bezirksgerichts Bijeljina vom 14. Mai 1999 aufgeführten Straftat des Raubes mit Todesfolge ist zulässig.

Gründe:

I.

Die bosnisch-herzegowinischen Behörden ersuchen um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung:

Der Verfolgte ist durch Urteil des Bezirksgerichts Bijeljina - Gz.: K - 6/98 - vom 14. April 1998 in Abwesenheit wegen Raubes mit Todesfolge gemäß Art. 151 in Verbindung mit Art. 22 des Strafgesetzbuches der Republik Srpska zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Er hat durch seinen Verteidiger einen Antrag auf Wiederholung des Strafverfahrens gestellt. Diesem Antrag hat das Bezirksgericht in Bijeljina mit Beschluss vom 16. April 1999 - Kv-32/99 - stattgegeben. Der (erneuten) Durchführung des Strafverfahrens hat sich der Verfolgte am 13. Mai 1999 durch Flucht aus der Untersuchungshaft entzogen.

Auf das durch die Botschaft von Bosnien und Herzegowina übermittelte Auslieferungsersuchen vom 5. September 2001 hat der Senat gegen ihn mit Beschluss vom 19. Dezember 2001 zunächst die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet, den ersuchenden Staat jedoch im Hinblick auf die zweifelsfreie Fassung des Ersuchens um Klarstellung gebeten, ob die Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung oder der Strafverfolgung begehrt werde. Die erbetene Klarstellung ist durch das Justizministerium der Republik Srpska mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 erfolgt. Darin wird zugleich klargestellt, "dass die Todesstrafe gegen den Beschuldigten weder ausgesprochen noch vollstreckt werden kann".

Bei seiner richterlichen Anhörung am 30. Januar 2002 hat sich der Verfolgte mit seiner Auslieferung nach Bosnien und Herzegowina im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt. Zwar hat er zwischenzeitlich mit eigenem Schreiben vom 5. März 2003 und mit Schreiben seines Beistands vom 20. März 2003 seine Bereitschaft in Aussicht gestellt, einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren zuzustimmen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt jedoch unabhängig hiervon gemäß § 29 Abs.2 IRG, die Auslieferung für zulässig zu erklären. Der Verfolgte hat rechtliches Gehör erhalten.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Die Auslieferung des Verfolgten ist unabhängig von dessen möglicher Einverständniserklärung zulässig.

Das dem Verfolgten zum Vorwurf gemachte Tatgeschehen, das nach Art. 150, 151 des Strafgesetzbuches der Republik Srpska mit Strafe bedroht ist, erfüllt nach deutschem Recht die Straftatbestände der §§ 249 Abs.1, 250 Abs.2 , 251, 22, 23 StGB.

Die Auslieferungsfähigkeit die Taten folgt aus Artikel 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Jugoslawien, der im Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina weiterhin Anwendung findet. Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina, der um die Auslieferung ersucht, ist nach der gegenwärtig dort geltenden Verfassung für die Wahrnehmung der Aufgaben der internationalen Strafverfolgung der (Teil-)Entität Srpska (Republik Srpska) zuständig.

Gründe, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach den §§ 3 bis 7, 9 und 10 IRG entgegenstehen könnten, sind weder ersichtlich noch von dem Verfolgten vorgetragen worden.

Auch Art. 8 IRG steht der Auslieferung nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung, auf die sich der Verfolgte in seiner richterlichen Anhörung dem Sinne nach berufen hat, ist die Auslieferung, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedroht ist, nur zulässig, wenn der ersuchende Staat zusichert, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt werden wird. Eine entsprechende Regelung enthält Art. 13 des deutsch-jugoslawischen Auslieferungsvertrages.

Jedoch bedarf es einer Anwendung des § 8 IRG nicht (mehr):

Zwar ist nach dem dem Senat übermittelten Wortlaut des Art. 151 Abs.2 des Strafgesetzbuches der Republik Srpska für den Fall der "schweren Räuberei" neben Gefängnisstrafe alternativ die Todesstrafe angedroht. Das Justizministerium der Republik Srpska hat jedoch klargestellt, dass durch die Unterzeichnung des Rahmenfriedensabkommens in Bosnien und Herzegowina die Verpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten übernommen worden ist, welche durch die Europäische Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) und durch ihre Protokolle gewährleistet werden. Die Konvention ist Teil des Rechtssystems von Bosnien und Herzegowina geworden, sie wird unmittelbar angewendet und hat Vorrang vor allen anderen Gesetzen. Zu den übernommenen Verpflichtungen gehört auch die Beachtung des Protokolls Nr.6 zur Europäischen Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe gemäß Art. 1 des Protokolls Nr. 6. Aufgrund dieser Verpflichtung hat die Republik Srpska das am 1. Oktober 2000 in Kraft getretene Strafgesetzbuch erlassen, in dessen Art. 32 die Strafen bezeichnet sind, die gegen einen Straftäter ausgesprochen werden können. Es sind dies lebenslange Haft, Haft und Geldstrafe. Damit ist im Sanktionensystem der Republik Srpska keine Todesstrafe (mehr) vorgesehen. Demzufolge kann eine solche Strafe auch nicht gegen den Verfolgten S verhängt werden.

III.

Eine Entscheidung über die Fortdauer der Auslieferungshaft ist im Hinblick darauf nicht veranlasst, dass diese seit ihrer Anordnung lediglich als Überhaft notiert ist.

Ende der Entscheidung

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