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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 2 U 137/06
Rechtsgebiete: InsO, BGB, KO, ZVG


Vorschriften:

InsO § 39
InsO § 39 Abs. 1
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 49
InsO § 50
InsO § 50 Abs. 1
InsO § 51
InsO § 170 Abs. 1
InsO § 170 Abs. 1 Satz 2
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1
KO § 4 Abs. 2
KO § 63 Nr. 1
ZVG § 10 ff.
ZVG § 109 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Oktober 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 400/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Die Klägerin - eine Sparkasse - begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter gestützt auf ein Absonderungsrecht Auskehrung eines restlichen Verwertungserlöses in Höhe von 217.203,08 €.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Q D Spedition oHG (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin stand in Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin und hat in diesem Zusammenhang durch Vertrag vom 7. Februar 2002 zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen aus der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin dieser die ihr zustehenden Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen alle Kunden mit den Anfangsbuchstaben A bis Z abgetreten. Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse zog der Beklagte Forderungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 370.552,83 € ein, die von der zu Gunsten der Klägerin erklärten Globalzession erfasst wurden (vgl. Abrechnungsschreiben des Beklagten vom 26. September 2005, Bl. 46 ff. d. A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr von dem genannten Forderungserlös ein Betrag in Höhe von 217.203,08 € zustehe. Dieser Betrag ergebe sich, wenn man von dem Gesamterlös in Höhe von 370.552,83 € die Verwertungs- und Feststellungspauschale in Höhe von 9 % (33.349,75 €) sowie den von dem Beklagten unstreitig gezahlten Betrag in Höhe von 120.000,00 € abziehe. Sie sei auch im Hinblick auf den streitigen Betrag absonderungsberechtigt, weil sie gegen die Schuldnerin noch einen darüber hinausgehenden Zahlungsanspruch habe, der ebenfalls von der Globalzession erfasst sei und deshalb dem Absonderungsrecht unterliege. Insoweit ist zwischen den Parteien jedenfalls im Berufungsverfahren unstreitig, dass sich rechnerisch eine Restforderung der Klägerin gegen die Schuldnerin in Höhe eines Betrages von 239.702,35 € ergibt (vgl. Bl. 98 f. d. A.). Grundlage der Forderungen sind im Wesentlichen Zinsen sowie Kosten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (10. Juni 2003) entstanden sind. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass auch solche nachinsolvenzlichen Zinsen und Kosten Gegenstand des Absonderungsrechts seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 217.203,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die in § 50 Abs. 1 InsO geregelte Befriedigungsreihenfolge dazu führe, dass der Absonderungsberechtigte - hier die Klägerin - nicht mehr wegen Zinsen und Kosten privilegiert sei. Zudem bestimme § 39 InsO, dass es sich bei nach Insolvenzeröffnung entstandenen Zinsen und Kosten um nachrangige Forderungen handele.

Durch das mit der vorliegenden Berufung angefochtene, hiermit wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug im Bezug genommene Urteil vom 26. Oktober 2006 hat das Landgericht der Klage bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Die Klägerin könne die Klageforderung gemäß § 170 Abs. 1 InsO verlangen. Der Bundesgerichtshof habe unter der Geltung der Konkursordnung entschieden, dass sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die Zinsansprüche erstrecke, die nach Konkurseröffnung bis zur Verwertung entstanden seien (Bezugnahme auf BGH ZIP 1997, 120). Die Insolvenzordnung regele die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage nicht direkt. Da jedoch die nach Insolvenzeröffnung anfallenden Zinsen im Verfahren zu berücksichtigen und damit aufgewertet worden seien, könne es nicht angehen, wenn man sie im Rahmen der Absonderung wieder schlechter behandele. Entsprechendes gelte für die nach Insolvenzeröffnung entstandenen Kosten.

Gegen das ihr am 27. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27. November 2006 Berufung eingelegt und diese mit einem am 29. Januar 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 29. Januar 2007 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war. Der Beklagte verfolgt seinen Klageabweisungsantrag mit der Berufung weiter. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien nachinsolvenzliche Zinsen nicht Gegenstand des Absonderungsrechts, sondern könnten nur nachrangig Berücksichtigung finden. Dies folge aus dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 39 Abs. 1 InsO. Es gehe nicht an, dass Forderungen vorrangig getilgt würden, denen der Gesetzgeber in § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO ausdrücklich nur den Nachrang eingeräumt habe. Dem stehe die noch unter der Geltung der Konkursordnung ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1996 (ZIP 1997, 120) nicht entgegen. Anders als nach der Konkursordnung (§ 4 Abs. 2 KO) sei nunmehr die Durchführung der Absonderungsrechte in das Verfahren integriert (§§ 50 ff., 166 ff. InsO).

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die Insolvenzordnung habe an dem Grundsatz, dass sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die nach der Verfahrenseröffnung entstandenen Zinsansprüche erstrecke, nichts geändert. Wenn der Gesetzgeber in § 39 InsO die Position der Gläubiger hinsichtlich der nachinsolvenzlichen Zinsen verbessert habe, könne er nicht gleichzeitig eine Verschlechterung der Position des Gläubigers gewollt haben.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen zu diesen Schriftsätzen Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zutreffend (§ 513 Abs. 1 ZPO) stattgegeben. Der Kläger hat gegen den Beklagten in der Hauptsache gem. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 217.203,08 €. Der zuerkannte Zinsanspruch ist gem. den §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB begründet.

a) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in der Hauptsache alleine von der Rechtsfrage ab, ob sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die Zinsansprüche/Kostenansprüche erstreckt, die nach Insolvenzeröffnung bis zur Verwertung entstanden sind. Ist diese Frage zu bejahen, kann die Klägerin Zahlung der Klageforderung gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO verlangen. Anderenfalls ist die Klage unbegründet und das Urteil auf die Berufung des Beklagten entsprechend abzuändern. In tatsächlicher Hinsicht ist jedenfalls im Berufungsverfahren zwischen den Parteien unstreitig, dass der Klägerin noch Zahlungsansprüche wegen Zinsen und Kosten in einer den restlichen Verwertungserlös übersteigenden Höhe zustehen.

b) Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass sowohl nachinsolvenzliche Zinsen als auch nachinsolvenzliche Kosten Gegenstand des Absonderungsrechtes sind.

aa) Unter der Geltung der Konkursordnung war die Rechtsfrage durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1996 eindeutig geklärt. Da die abgesonderte Befriedigung nach § 4 Abs. 2 KO unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte, so der Bundesgerichtshof, beziehe sich die Norm des § 63 Nr. 1 KO, wonach die seit der Eröffnung laufenden Zinsen im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden können, nicht auf Absonderungsrechte (vgl. BGHZ 134, 195 = ZIP 1997, 120).

bb) Hieran hat sich im Ergebnis auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts geändert. Durch die Neufassung der Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO sollte die Rechtsposition des Absonderungsgläubigers gegenüber der Situation nach der Konkursordnung nicht verschlechtert werden. Soweit demgegenüber in der Literatur Uhlenbruck (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 50 Rdn. 49 sowie § 52 Rdn. 8) die Auffassung vertritt, der Gesetzgeber habe es gerade verhindern wollen, dass der Schuldner auch nach Verfahrenseröffnung entstehende Zinsansprüche und Verfahrenskosten in die dingliche Primärhaftung einbringe, vermag dies nicht zu überzeugen. Im Vergleich zu § 63 Nr. 1 KO, wonach Zinsen, die nach Konkurseröffnung entstanden, überhaupt nicht zu berücksichtigen waren, hat § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO derartige Zinsansprüche gerade aufgewertet. Damit verträgt es sich jedoch nicht, wenn man sie im Rahmen der Absonderung wieder schlechter behandelte (so auch Münchner Kommentar/Ganter, 2001, vor §§ 49 bis 52, Rdn. 60 m. w. N.; in diesem Sinne auch Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Joneleit/Imberger, 4. Aufl. 2006, § 52 Rdn. 3; HK/Eickmann, 4. Aufl. 2006, § 52 Rdn. 11). Im Übrigen sind Absonderungsrechte für Schulden Dritter in voller Höhe zu berücksichtigen, obwohl hier überhaupt keine Insolvenzforderung besteht. Dann kann das Absonderungsrecht keinen geringeren Umfang haben, wenn es mit einer nachrangigen Insolvenzforderung verknüpft ist (vgl. Ganter, a. a. O.). Dass nach der Insolvenzordnung durch die neu eingeführten §§ 166 bis 173 die Verwertung grundsätzlich dem Insolvenzverwalter obliegt, besagt als solches noch nichts zur Berechtigung des Absonderungsberechtigten, auch im Hinblick auf nach Insolvenzeröffnung entstandener Zinsen oder Kosten an dem Verwertungserlös zu partizipieren.

cc) Schließlich wird nur durch die hier vertretene Auffassung ein Wertungswiderspruch zwischen Absonderungsrechten betreffend unbeweglicher Sachen nach § 49 InsO und den sonstigen Absonderungsberechtigten nach §§ 50, 51 Inso vermieden (vgl. hierzu auch Braun/Bäuerle, InsO, 2. Aufl. 2004, § 39 Rdn. 6). Gemäß § 49 InsO sind absonderungsberechtigte Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen, nach Maßgabe des ZVG zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, so dass nach § 109 Abs. 1 ZVG zunächst die Kosten des Zwangsverwaltungs- oder Versteigerungsverfahrens aus dem Verwertungserlös beglichen werden und die Befriedigung in der Rangfolge der § 10 ff. ZVG erfolgt. Für Absonderungsrechte an unbeweglichen Gegenständen ergibt sich daher auch nach der Insolvenzordnung keine Abweichung zur bisherigen Rechtslage. Es ließe sich jedoch nicht rechtfertigen, dass bei sonstigen Absonderungsrechten Zinsen bzw. Kosten nicht mehr von dem Absonderungsrecht erfasst würden.

c) Der vom Landgericht der Klägerin zuerkannte Zinsanspruch ist gem. den §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB begründet. Gegen die in dem Urteil hierfür gegebene Begründung, die der Senat teilt, werden auch von dem Beklagten keine Einwendungen erhoben.

2. a) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 (Kostenentscheidung), 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

b) Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zu, weil dem vorliegenden Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie oben dargelegt worden ist, wird die Frage, ob sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die Zinsansprüche/Kostenansprüche erstreckt, die erst nach Insolvenzeröffnung bis zur Verwertung entstanden sind, in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Rechtsprechung, insbesondere höchstrichterliche Rechtsprechung liegt - soweit ersichtlich - nicht vor. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1996 (vgl. BGHZ 134, 195) ist noch unter der Geltung der Konkursordnung ergangen und deshalb für die Beurteilung nach der Insolvenzordnung nur bedingt aussagekräftig.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 217.203,08 €

Ende der Entscheidung

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