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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 2 U 168/03
Rechtsgebiete: InsO, BGB, AGBG


Vorschriften:

InsO § 94
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 388
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 (= BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 168/03

Verkündet am 10. November 2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie die Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Juli 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 4 O 329/02 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.808,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(Anstelle von Tatbestand und der Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Juli 2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D Metallbau GmbH (in folgenden: Schuldnerin). Mit der Klage macht er gegen den Beklagten einen Werklohnanspruch in Höhe eines Betrages von 5.808,89 € nebst Zinsen geltend.

Die Schuldnerin wurde durch den Beklagten, vertreten durch das Staatliche Bauamt E, beauftragt, Umbaumaßnahmen der Polizeiwache C durchzuführen. Die Vertragsparteien vereinbarten unter Ziffer 10.2 der besonderen Vertragsbedingungen Folgendes:

Unter Verzicht auf der Erfordernis der Gegenseitigkeit nach § 387 BGB willigt der Auftragnehmer ein, dass Forderungen der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Nordrhein-Westfalen oder der Bundesanstalt für Arbeit an den Auftragnehmer gegen Forderungen des Auftragsnehmers an eine dieser Körperschaften aufgerechnet werden.

Die Schuldnerin führte die ihr in Auftrag gegebenen Arbeiten durch und erteilte der Beklagten unter dem 28. Juni 2001 eine Schlussrechnung, die mit einem Betrag in Höhe von 12.288,52 DM (6.283,02 €) abschloss. Unter dem 4. März 2002 forderte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bereits zum Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt worden war, den Beklagten zur Zahlung des Rechnungsbetrages bis zum 26. März 2002 auf. Der Beklagte teilte dem Kläger durch Schreiben vom 24. Juni 2002 mit, dass sich die Restforderung der Schuldnerin auf 5.808,89 € belaufe. In dem Schreiben heißt es wörtlich wie folgt:

Eine Auszahlung des Betrages an die Insolvenzmasse kann jedoch nicht erfolgen, da gemäß Mitteilung des Finanzamtes B vom 21.06.2001 gleichzeitig wesentlich höhere Steuerforderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin bestehen, deren Entstehungszeitraum vor der gerichtlichen Anordnung des Insolvenzverfahrens liegt.

Unter Hinweis auf unsere "Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB", Pkt. 10.2 (siehe Anlage), erkläre ich mit den betreffenden Steuerforderungen gegen das vorgenannte Restguthaben die Aufrechnung.

Der Aufrechnungsbetrag von 5.808,89 € wird an das zuständige Finanzamt B überwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe die Klageforderung in dem Schreiben vom 24. Juni 2002 anerkannt. Im übrigen sei die unter Ziffer 10.2 der besonderen Vertragsbedingungen getroffene Vereinbarung als sogenannte Konzernverrechnungsklausel analog § 96 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO wirkungslos.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.808,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 26.03.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der fraglichen Vereinbarung nicht um eine Konzernverrechnungsklausel handele. Sie sei vielmehr als Vereinbarung zur Aufrechnung im Sinne des § 94 InsO zulässig und insolvenzfest.

Das Landgericht hat die Klage durch das angegriffene Urteil abgewiesen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass der Werklohnanspruch des Klägers, den der Beklagte nicht anerkannt habe, aufgrund der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung mit Steuerforderungen erloschen sei. Die Vertragsbedingungen gemäß Ziffer 10.2 seien wirksam.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Konzernverrechnungsklauseln genössen nach den allgemeinen Insolvenzgrundsätzen keinen Insolvenzschutz, weil der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger damit zur Disposition der Parteien des Aufrechnungsverhältnisses gestellt werde und ein Wertungswiderspruch gegenüber der berechtigten Einschränkung insolvenzfester künftiger Aufrechnungslagen entstehe. Die Aufrechnung durch die Beklagte sei auch gemäß den §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Wegen eines beim Bundesgerichtshofs anhängigen Revisionsverfahrens sei im übrigen das Ruhen des Verfahrens aus einem wichtigen Grund geboten.

Der Kläger hat zunächst angekündigt zu beantragen,

1. unter Abänderung des Urteils LG Aachen vom 16.07.2003 - 4 O 329/02 - den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.808,89 € nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatt (richtig Basiszinssatz) seit dem 26.03.2002 zu zahlen.

2. den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revision gegen das Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 22. Januar 2003 - 21 U 7/02 - ruhen zu lassen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 21. Januar 2004 auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Revisionsverfahren angeordnet. Jenes Verfahren ist durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2004 (IX ZR 224/03) zwischenzeitlich entschieden worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2004 hat der Kläger mit Zustimmung des Beklagten die Klage hinsichtlich des Zinsantrages um einen Tag zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des LG Aachen vom 16.07.2003 - 4 O 329/02 - den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.808,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren zum Urteil des OLG Frankfurt habe für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung, da es sich nicht um eine Konzernverrechnungsklausel handele.

Bereits durch Beschluss vom 23. Dezember 2003 hatte der Senat den Beklagten darauf hingewiesen, dass die zur Aufrechnung gestellte(n) Forderung(en) nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden sein dürfte(n). Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Januar 2004 eine Forderungsaufstellung des Finanzamtes A-B vom 21. Juni 2001 - gerichtet an die Schuldnerin - zu den Akten gereicht . Mit einem erstrangigen Teil der in diesem Schreiben dargelegten Forderungen in Höhe von insgesamt 310.698,82 DM habe er die Aufrechnung erklärt, die er vorsorglich nochmals erkläre. Die Aufrechnung erstrecke sich dabei auf die Lohnsteuerforderungen für Dezember 2000 sowie Januar 2001 in Höhe von 6.585,87 DM sowie 19.282,94 DM. Letztere Teilforderung werde teilweise zur Aufrechnung herangezogen.

Von der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Klage rechtsfehlerhaft (§ 513 Abs. 1 ZPO) abgewiesen. Dass zu Gunsten der Schuldnerin, für die der Kläger als Partei kraft Amtes in dem vorliegenden Rechtsstreit auftritt, ein Werklohnanspruch gemäß § 631 Abs. 1 BGB in der Höhe der Klageforderung von 5.808,89 € entstanden ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil ist dieser Anspruch aber auch nicht durch die von dem Beklagten erklärte(n) Aufrechnung(en) gemäß § 389 BGB erloschen. Vielmehr sind die Aufrechnungen des Beklagten sowohl in dem Schreiben vom 24. Juni 2002 als auch in dem Schriftsatz vom 14. Januar 2004 unwirksam.

1. Auf der Grundlage des erstinstanzlichen Sachverhaltes war die Aufrechnung des Beklagten bereits deshalb unwirksam, weil es an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB fehlte. In dem Schreiben vom 24. Juni 2002 wurde lediglich auf "wesentlich höhere Steuerforderungen" verwiesen, die gemäß Mitteilung des Finanzamtes B vom 21. Juni 2001 bestünden. Auch wenn § 388 BGB über den Inhalt der Aufrechnungserklärung keine ausdrückliche Bestimmung enthält, so steht jedoch außer Streit, dass nicht nur die Forderung, gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung), hinreichend konkret bezeichnet werden muss (vgl. hierzu nur Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2000, § 388 Rdn. 12). In gleicher Weise muss auch die Forderung hinreichend konkret bezeichnet werden, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung). Dies folgt zumindest aus der in § 322 Abs. 2 ZPO angeordneten Rechtskraftwirkung. Auch bei einer - wie zunächst hier - bloß vorprozessualen Geltendmachung der Aufrechnung ist eine Entscheidung des Gerichts, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig (vgl. nur Zöller/Vollkommer, 24. Aufl. 2003, § 322 Rdn. 15). Ohne dieses - bereits nach materiellen Recht (§ 388 BGB) bestehende - Bestimmtheitserfordernis könnten auch die Wirkungen der Aufrechnung im Sinne des § 389 BGB nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. Welche Steuerforderungen des Finanzamtes B aber durch die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen sein sollen, lässt sich dem erwähnten Schreiben vom 24. Juni 2002 nicht einmal ansatzweise entnehmen, worauf der Senat den Beklagte durch Beschluss vom 23. Dezember 2003 hingewiesen hat. Die fehlende Bestimmtheit wird auch nicht dadurch geheilt, dass sich die Parteien einig sind, dass der Bundesrepublik Deutschland gegen die Schuldnerin Steuerforderungen in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe zustehen.

2. Auch soweit der Beklagte aufgrund des Hinweises des Senates durch Schriftsatz vom 14. Januar 2004 erneut die Aufrechnung erklärt hat, führt dies nicht zum Erlöschen der Klageforderung.

a) Allerdings kann die erneute Aufrechnungserklärung, mit der der Beklagte nach Auffassung des Senats im Berufungsrechtszug nicht ausgeschossen ist (§§ 533, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), als (noch) hinreichend bestimmt im Sinne des § 388 BGB angesehen werden. Zwar wirft die Formulierung der Aufrechnung mit "einem erstrangigen Teil" der in dem Schreiben des Finanzamtes A-B vom 21.5.2001 dargelegten Gesamtforderung weiterhin Bedenken auf. Die Beklagte hat in dem Schriftsatz jedoch hinreichend deutlich gemacht, welche Steuerforderungen zur Aufrechnung herangezogen werden sollen. Hiernach soll sich die Aufrechnung auf die Lohnsteuerforderungen für Dezember 2000 sowie Januar 2001 in Höhe von 6.585,87 DM sowie teilweise auf die Lohnsteuerforderungen in Höhe von 19.282,94 DM erstrecken. Zumindest ist insoweit eine Bestimmbarkeit gegeben. Die Klageforderung beträgt 5.808,89 € (= 11.361,20 DM). Zieht man die Lohnsteuerforderung für Dezember 2000 in Höhe von 6.585,87 DM hiervon ab, verbleibt noch ein Betrag in Höhe 4.775,33 DM (11.316,20 - 6.585,87). In dieser Höhe wird wiederum die Forderung für Januar 2001 in Höhe von insgesamt 19.282,94 DM zur Aufrechnung gestellt.

b) Die Aufrechnung ist aber gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO in entsprechender Anwendung aus insolvenzrechtlichen Gründen unzulässig. Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2004 (IX ZR 224/03 - veröffentlicht u.a. in NJW 2004, 3185), der der Senat folgt, lässt sich aus § 94 InsO - auf diese Vorschrift beruft sich vorliegend der Beklagte - nicht entnehmen, dass sog. Konzernverrechnungsklauseln, die das Gegenseitigkeitsverhältnis entfallen lassen (Hervorhebung durch den Senat), abweichend von der früheren Rechtslage nach der Konkursordnung (vgl. dazu insbesondere BGHZ 81, 15 [17]; siehe auch OLG Köln - 25. Zivilsenat -, ZIP 1995, 850 ff.) insolvenzfest sind. Vielmehr bezweckt § 94 InsO lediglich, dem Gläubiger eine bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegebene Aufrechnungslage zu erhalten. Eine Aufrechnungslage entsteht jedoch erst in dem Zeitpunkt, in dem zwei Forderungen einander aufrechenbar gegenübertreten. Dies ist bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung nicht der Fall, solange die Aufrechnung nicht erklärt worden ist. Da vorliegend die Aufrechnung erst am 24. Juni 2002 bzw. erneut mit Schriftsatz vom 14. Januar 2004 und damit nach der Insolvenzeröffnung am 1. Juli 2001 erklärt worden ist, kann sie gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO analog keine Wirkungen entfalten. Eine andere Betrachtungsweise hätte eine erhebliche Ausweitung der Aufrechnungsmöglichkeiten zur Folge und widerspräche dem erklärten Ziel der Insolvenzordnung, die Masse im Interesse der Gläubigergleichbehandlung zusammenzuhalten (BGH NJW 2004, 3185 [3186 f.]).

Dass vorliegend keine Klausel in Rede steht, die mit der von dem Bundesgerichtshof überprüften Klausel identisch ist, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Beklagten keine abweichende rechtliche Beurteilung, da die von dem Bundesgerichtshof in der o.g. Entscheidung aufgestellten Grundsätze auch hier gelten. Das Charakteristische an einer sogenannten Konzernverrechnungsklausel ist der Umstand, dass mit einer derartigen Vereinbarung der begünstigten Partei die Befugnis zur Aufrechnung mit Forderungen Dritter eingeräumt wird. Hierdurch wird - da das Erfordernis der Gegenseitigkeit abbedungen wird - eine sogenannte Drittaufrechnung ermöglicht. Entscheidend ist der Verzicht auf das nach dem Gesetz vorgesehene Erfordernis der Gegenseitigkeit, ohne dessen Vorliegen normalerweise eine Aufrechnung nicht möglich ist. Gerade auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit hat die Schuldnerin vorliegend aber - ebenso wie bei einer "normalen" Konzernverrechnungsklausel in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - verzichtet. Die Anwendung der dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht davon abhängig gemacht werden, wer eine derartige Klausel verwendet. So wird auch in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass zwar Konzernverrechnungsklauseln zu meist von großen Unternehmen mit starker Machtstellung durchgesetzt werden, aber auch - wie hier - von der öffentlichen Hand zugunsten von Forderungen anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts vereinbart werden (vgl. Staudinger/Gursky, Neubearbeitung 2000, Vorbemerkung zu § 387 Rdn. 90). Eine Differenzierung nach der Person des Verwenders der Klausel verbietet sich deshalb.

c) Unabhängig von den hiernach bestehenden insolvenzrechtlichen Unzulässigkeit der von dem Beklagten verwendeten Verrechnungsklausel hält diese auch einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz, das nach der Übergangsvorschrift des Art. 229, § 5 Satz 1 EGBGB hier noch anwendbar ist, nicht stand. Hierbei kann dahinstehen, ob die Unwirksamkeit bereits aus § 3 des AGB-Gesetzes (entspricht § 305 c BGB n. F.) folgt. In der Literatur werden Konzernverrechnungsklauseln unter diesem Aspekt als problematisch angesehen. Angesichts der eher geringen Verbreitung derartiger Klauseln lasse sich auch im Verkehr zwischen Unternehmern nicht ausschließen, dass ein Konzernvorbehalt ungewöhnlich und überraschend sei. Die gelte jedenfalls in den Fällen, wenn der Kreis der "Konzern"-Unternehmen unerwartet weit gezogen werde (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl. 2001, § 3 Rdn. 35 m. w. N.). Vorliegend folgt die Unwirksamkeit nämlich zumindest aus der Generalklausel des § 9 Abs. 2 Nr. 1 des AGB-Gesetzes (entspricht § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F.), wobei keiner Entscheidung bedarf, ob Konzernverrechnungsklauseln nach § 9 des AGB-Gesetzes "grundsätzlich unwirksam sind" (so Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl. 1999, § 11 Nr. 3 Rdn. 15). Von dem in § 387 BGB enthaltenen Grundgedanken, dass eine Aufrechnung die Gegenseitigkeit der jeweiligen Forderungen voraussetzt, wird jedenfalls dann zu Lasten des Gegners des Verwenders von allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen abgewichen, wenn sich die möglichen Gegenforderungen überhaupt nicht überblicken lassen. Dies ist aber vorliegend der Fall. Die Klausel in Ziffer 10.2 der besonderen Vertragsbedingungen ermöglicht es der Beklagten, alle (!) Forderungen der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Nordrhein Westfalen sowie der Bundesanstalt für Arbeit, die diesen Körperschaften bzw. der Bundesanstalt gegen die Schuldnerin - aus welchem Rechtsgrund auch immer - zustehen, zur Aufrechnung zu stellen. Für den Gegner der Verwendung einer solchen Vertragsbedingung lässt sich nicht mehr erkennen, ob und wenn ja in welchem Umfang die eigene Forderung überhaupt noch durchgesetzt werden kann. Insoweit besteht auch eine Parallele zu den Fällen, in denen der Kreis der beteiligten Konzernunternehmen von seinem Umfang überhaupt nicht feststeht (vgl. H.P. Westermann in WM-Sonderbeilage Nr. 2, 1986, S. 12). Die unangemessene Benachteiligung liegt zudem darin, dass kleinen und mittelständigen Unternehmen übermäßige Finanzierungsschwierigkeiten erwachsen, da sie wegen des Bestehens der Konzernverrechnungsklauseln vor allen bei einem - wie hier - größeren und unübersichtlichen Verrechnungskreis nicht mit hinreichender Sicherheit damit rechnen können, eine Barbefriedigung oder Befriedigung durch Banküberweisung für ihre Forderungen zu erreichen. Auch kann kleineren und mittelständigen Unternehmen die Abtretung von Kundenforderungen, auf die sie zur Finanzierung von Aufträgen vielfach angewiesen sind, erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht werden. Auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt hat auch bereits der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung hingewiesen (BGHZ 81, 15 [17 f.]; siehe auch Luscher/Renken-/Röhrs, ZInsO 2002, 611, 612; siehe zu den Bedenken auch Palandt/Heinrichs, BGB, 63 Aufl. 2004, § 387 Rdn. 22; Staudinger/Gursky, a. a. O., Vorbemerkung zu § 387 ff. Rdn. 90).). Allerdings hat sich der Bundesgerichtshof bislang nicht abschließend zu der Frage der Wirksamkeit von Konzernverrechnungsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen geäußert. Weder in der zur Konkursordnung ergangenen Entscheidung (BGHZ 81, 15), noch in der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzordnung kam es auf die Frage an, weil der Wirksamkeit bereits konkursrechtliche bzw. insolvenzrechtliche Vorschriften entgegen standen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31. März 1977 (vollständig abgedruckt in WM 1977, 769 f.; nur auszugsweise und verkürzt wiedergegeben in MDR 1977, 740). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nicht etwa die Auffassung vertreten, dass eine Klausel, die mit der hier in Rede stehenden Vertragsklausel identisch bzw. nahezu identisch ist, unbedenklich in allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet werden kann. Der Bundesgerichtshof hat lediglich allgemein festgestellt, dass eine "vertragliche Vereinbarung, wonach für die Aufrechnung mit einer Forderung auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit gemäß § 387 BGB verzichtet werde", zulässig sei. Die spezielle Problematik der Verwendung solcher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird demgegenüber nicht thematisiert. Auch darf die in dem Urteil enthaltene Aussage des Bundesgerichtshofs, es sei für den Bürger von untergeordneter Bedeutung, mit welchem Zweig der "öffentlichen Hand" er es rechtlich zu tun habe, nicht überbewertet werden. Anders als die vorliegend in Rede stehende Klausel enthält die Klausel in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine - nach Auffassung des Senats ganz entscheidende - Einschränkung. Zwar hatte auch hier der Auftragnehmer auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit verzichtet und darin eingewilligt, dass Forderungen der Bundesrepublik Deutschland oder des Landes Rheinland Pfalz oder eines Landkreises des Landes Rheinland Pfalz gegen Forderungen des Auftragnehmers aufgerechnet werden. In der Klausel hieß es wörtlich aber weiter wie folgt:

Die Einwilligung erstreckt sich nur auf Verträge über Straßenbauarbeiten zwischen den vorgenannten Körperschaften und dem Auftragnehmer.

Die zitierte Einschränkung ist in der vorliegenden Klausel gerade nicht enthalten. Vielmehr soll der Beklagte mit sämtlichen Ansprüchen der Bundesrepublik Deutschland, des Landes NRW sowie der Bundesanstalt für Arbeit aufrechnen können.

3. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Wie oben dargelegt, beruht die Unwirksamkeit der Aufrechnung unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2004 (IX ZR 224/03) jedenfalls auch auf einer entsprechenden Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO, so dass ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nach dem Erlass der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht (mehr) gegeben ist. Da diese Ausführungen die Entscheidung selbständig tragen, kann die - höchstrichterlich noch ungeklärte - Frage der Vereinbarkeit der hier in Rede stehenden Klausel mit dem AGB-Gesetz bzw. mit den §§ 305 ff. BGB n.F. eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (siehe auch BGH NJW 2004, 72). Berufungsstreitwert: 5.808,89 €

Ende der Entscheidung

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