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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.04.2004
Aktenzeichen: 2 U 187/03
Rechtsgebiete: HGB, InsO


Vorschriften:

HGB § 355
InsO § 27
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluß

2 U 187/03

in dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn und die Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 19. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 4. Dezember 2003 gegen das am 4. November 2003 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 22 O 118/03 - durch einstimmigen Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 12. Mai 2004 Stellung zu nehmen.

Gründe:

1.

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2002 Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma O. GmbH (früher: C. D. Center GmbH, nachfolgend als Schuldnerin bezeichnet). Diese belieferte im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen die jeweils in eigener Rechtspersönlichkeit betriebenen Märkte der N. Markt- und T. Gruppe, zu der auch die Beklagte gehört, mit Computern und Zubehör. Grundlage der Geschäftsbeziehungen waren der mit der N. Markt und T. I. GmbH, die Konzernmutter der einzelnen Märkte (nachfolgend I. GmbH), stellvertretend für alle Gesellschaften, an denen die N.-T.gruppe beteiligt ist, abgeschlossene Rahmenvertrag vom 27. Juni 2001, die "Kauf-, Zahlungs- und Lieferbedingungen der N.-T.-I. GmbH und deren Beteiligungsgesellschaften (N. Märkte und T. Märke in der Rechtsform der GmbH sowie G. GmbH und deren Filialen)" vom 1. Januar 2000 sowie der zwischen der Schuldnerin und der N. Markt und T. Verwaltungs GmbH (nachfolgend Verwaltungs GmbH) vereinbarte Kundendienstvertrag vom 8. Februar/27. März 2000. In Ziffer 7. der Kauf-, Zahlungs- und Lieferbedingungen ist folgende Konzernverrechnungsklausel aufgenommen:

"Wir sind berechtigt, mit allen Forderungen, gleichgültig welcher Art, gegenüber sämtlichen Forderungen von Lieferanten, die diesem gegen den Auftraggeber sowie der N.-T.-I. GmbH und deren in- und ausländischen Beteiligungsgesellschaften ("N. Markt", "T.", "G.") zustehen, auch bei verschiedenen Fälligkeiten der Forderungen aufzurechnen. Dies gilt auch bei unterschiedlichen Fälligkeiten der sich gegenüberstehenden Forderungen."

Zudem hatte die Schuldnerin mit der I. GmbH sowie der Verwaltungs GmbH am 15./18. November 1999 eine "Rahmenvereinbarung Delkredere und Zentralregulierung" abgeschlossen, in der es unter anderem heißt,

"Sollten Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber mehreren Beteiligungsgesellschaften gleichzeitig bestehen, sind diese ebenso wie die MSH [= die I. GmbH] und MSV [= die Verwaltungs GmbH] berechtigt, gegeneinander bei Fälligkeit aufzurechnen.

Die MSV übernimmt für alle Lieferungen an die in Anlage 1 aufgeführten Beteiligungsgesellschaften die Zentralregulierung gemäß den vereinbarten Zahlungsbedingungen unter Aufrechnung gegenseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten bei Fälligkeit.

.....

3. Die MSV stellt dem Lieferanten zum Zahlungszeitpunkt Informationen über die ausgeglichenen Posten zur Verfügung."

Diesem Vertrag war eine Liste der zu der Gruppe gehörenden Märkte beigefügt, in der auch die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits aufgeführt war.

Die Bezahlung der einzelnen Lieferungen der Schuldnerin erfolgte für alle Märkte zentral durch die Verwaltungs GmbH in J., die nunmehr unter dem Namen "N.-T. Systemzentrale GmbH" firmiert. Die Schuldnerin erhielt periodisch eine Abrechnung, in denen ihre Forderungen aus den Lieferungen und Leistungen an die einzelnen Märkte zusammengefaßt waren. Gleichzeitig wurden bei den Märkten entsprechende Belastungsanzeigen abgezogen. Hierbei handelte es sich um Ersatzansprüche der einzelnen Märkte aus Gewährleistungen. Waren im Rahmen der Abrechnung die Ersatzansprüche eines Marktes höher als deren eingestellte Forderungen aus den laufenden Geschäftsbeziehungen mit der Schuldnerin, so wurden die Belastungsanzeigen bei einem anderen Markt als Verrechnungsposten eingestellt. Der saldierte Betrag aller Märkte wurde am Ende der Gesamtabrechnung als Zahlungsbetrag ausgewiesen und an die Schuldnerin überwiesen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Verwaltungs GmbH für die gesamte Firmengruppe Forderungen in Höhe von 6.164,239,33 € zur Tabelle an.

Der Kläger hat gegen die einzelnen Märkte der N.-T.-Gruppe bundesweit mindestens 169 Rechtsstreitigkeiten angestrengt und die Bezahlung von einzelnen Lieferungen sowie die unzutreffende Berücksichtigung von Belastungsanzeigen geltend gemacht. Die jeweils verklagten Märkte haben insoweit mit streitigen Forderungen der Verwaltungs GmbH über insgesamt 1.579.145,88 € die Aufrechnung erklärt. In dem vorliegenden Verfahren hat der Kläger den Ausgleich von 2 Rechnungen vom 30. Juni 2001 (Nr. xxxx) über 2.345,30 € und vom 4. Oktober 2001 (Nr. xxxxx) über 49,81 € begehrt. Weiterhin hat er sich darauf berufen, die Verwaltungs GmbH habe in der Zeit vom 3. Mai 2000 bis zum 30. September 2001 zu Unrecht bei den periodischen Abrechnungen Abzüge in Form von 34 Belastungsanzeigen in Höhe von 65.669,89 € vorgenommen. Aus den Zahlungsanweisungen ergeben sich, daß diese Belastungsanzeigen der "Beklagten zugeordnet" worden seien. Insoweit hat der Kläger entsprechende Abrechnungen vom 10. August 2000, 30. Oktober 2000, 30. Dezember 2000, 30. März 2001, 30. April 2001, 30. Juni 2001 und 30. Oktober 2001 auszugsweise vorgelegt und vorgetragen, er könne nicht mehr feststellen, von welchen konkreten Rechnungen die Belastungsanzeigen abgezogen worden seien. Hilfsweise hat er geltend gemacht, die den Belastungsanzeigen zugrundeliegenden Rechnungen "seien nicht erloschen."

Die Beklagte hat sich auf das Bestehen einer Kontokorrentabrede berufen. Die Schuldnerin habe durch widerspruchslose Hinnahme der periodischen Zahlungsavisen den jeweils ausgewiesenen Saldostand anerkannt. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit weiteren Gewährleistungsansprüchen in Höhe von 10.058,57 € erklärt. Weiterhin hat die Beklagte behauptet, die Vewaltungs GmbH habe der Schuldnerin am 26. Juli 2001 eine Akontozahlung in Höhe von 1.579.145,88 € überwiesen, um deren weitere Lieferfähigkeit trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu sichern. Insoweit hat die Beklagte sich auf die vereinbarte Konzernverrechnungsklausel berufen und hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Schuldnerin stehe aus Warenlieferung ein Anspruch in Höhe von 49,81 € zu. Dieser sei aufgrund der von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung mit der Akontozahlung in Höhe von 1.579.145,88 € erloschen. Die vereinbarte Konzernverrechnungsklausel sei im kaufmännischen Rechtsverkehr nicht überraschend. Zudem stehe einer Aufrechnungserklärung nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen, da § 94 InsO keine Anwendung finde. Der Kläger könne nicht die Bezahlung der Rechnung mit der Nummer xxxxx beanspruchen, da er die Voraussetzungen einer entsprechenden Warenlieferung nicht substantiiert aufgezeigt habe. Ein Anspruch auf Zahlung von 65.669,89 € scheitere daran, daß die dem Anspruch zugrunde liegenden Lieferungen nicht detailliert aufgezeigt worden seien. Daher könne es offen bleiben, ob die Schuldnerin mit der N. Markt und T. Gruppe eine Kontokorrentabrede getroffen habe; die widerspruchslose Hinnahme der Zahlungsanweisungen führe zumindest zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung.

2.

Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die von dem Kläger gegen die Klageabweisung mit der Berufung erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Beurteilung:

a)

Ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 68.065.00 € besteht nicht. Der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin kann etwaige Ansprüche der Schuldnerin aus Lieferungen sowie zu Unrecht berücksichtigter Belastungsanzeigen weder aus § 433 Abs. 2 BGB noch aus § 812 Abs. 1 BGB von der Beklagten einfordern.

aa)

Auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens der Parteien, des Tatsachenvortrages des Klägers sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen ist davon auszugehen, daß die Schuldnerin und die Beklagten ihre laufenden Geschäftsbeziehungen auf der Grundlage einer Kontokorrentabrede abgewickelt haben, so daß die einzelnen Forderungen nicht mehr selbständig gegenüber dem Empfänger der Warenlieferungen eingefordert werden können. Ein Kontokorrent im Sinne des § 355 Abs. 1 HGB wird durch eine Abrede zwischen den Vertragsparteien begründet, wonach die wechselseitigen Forderungen aus einer bestimmten Geschäftsverbindung nicht mehr selbständig geltend gemacht werden dürfen, sondern in ein spezielles Schuldverhältnis eingestellt und periodisch oder bei Beendigung des Kontokorrents saldiert, das heißt miteinander verrechnet werden. Der wirtschaftliche Zweck des Kontokorrents dieser Abrede geht dahin, den Zahlungs- und Abrechnungsverkehr zu vereinfachen. Es ist unpraktisch und für die Entwicklung geschäftlicher Beziehungen nachteilig, wenn jedes Geschäft für sich allein abgewickelt und demnach die Vielfalt der entstehenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nicht durch einen Gesamtakt, sondern durch eine entsprechende Zahl von Erfüllungshandlungen einzeln getilgt und abgerechnet wird. Das Ziel der Vereinfachung der Forderungsabwicklung wird dadurch erreicht, daß die aus den einzelnen Geschäften entstandenen Ansprüche und Leistungen zunächst nur als Posten gebucht und erst in bestimmten Zeitabschnitten verrechnet und durch Feststellung des sich für den einen oder den anderen Teil ergebenden Überschusses (Saldos) ausgeglichen wird. Mit dem Anerkenntnis des Saldos seitens beider Parteien erfolgt die Begründung einer selbständigen, von den einzelnen in das Kontokorrent aufgenommenen Ansprüchen und Leistungen unabhängigen Saldoforderung (vgl. hierzu eingehend MünchKomm/Hefermehl, HGB, 2001, § 355 Rn 2 ff., 17; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 2. Auflage 2001, § 355 Rn 4 ff.).

Die zwischen der Schuldnerin und der Beklagten unter Einschaltung der Verwaltungs GmbH tatsächlich erfolgte Abrechnung der laufenden Geschäftsvorfälle belegt, daß diese kontokorrentmäßig im Sinne der vorstehenden Ausführungen erfolgte. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand Einvernehmen darüber, daß die Ansprüche aufgrund von Lieferungen und Leistungen sowie die Gegenforderungen aus Gewährleistungsfällen nicht jeweils gesondert in Rechnung gestellt und ausgeglichen werden sollten. Entsprechend erfolgte die Bezahlung dergestalt, daß der jeweilige N.- oder T.markt, auch die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits, zwar von der Schuldnerin der Warenrechnung erhielt und diese hinsichtlich des Wareneinganges prüfte; anschließend wurden die Belege jedoch an die Verwaltungs GmbH übersandt, die für alle Märkte die gegenüber der Schuldnerin bestehenden Verbindlichkeiten zu erfüllen hatte. Dies geschah dadurch, daß die Verwaltungs GmbH die erteilten Rechnungen in das Finanzbuchhaltungssystem einstellte. Hiermit brachte die Verwaltungs GmbH - wie von dem Kläger in dem Schriftsatz vom 24. September 2003 aufgezeigt wird - zum Ausdruck, welche Rechnungen durch die Zahlungen reguliert werden sollten. Gleichzeitig stellte sie die Forderungen aus Gewährleistungen ein, die die einzelnen Märkte gegen die Lieferantin erhoben. Hierbei wurden die Belastungsanzeigen nicht von einer bestimmten Rechnung abgezogen. Vielmehr erfolgte eine Saldierung bei dem jeweiligen Markt und, soweit diese mangels entsprechender Forderung seitens der Lieferantin nicht möglich war, mit dem Saldo eines beliebigen Marktes, der ein positives Ergebnis auswies. Auf der Grundlage der so ermittelten und der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Gesamtabrechnung erfolgte die Bezahlung der Warenlieferung, wobei für die Märkte, deren Rechnungen in der Gesamtaufstellung berücksichtigt wurden, diese Rechnungen als bezahlt galten.

bb)

Gegen das Zustandekommen einer entsprechenden Kontokorrentabsprache kann nicht eingewendet werden, die Schuldnerin habe mit der Beklagten bzw. der Verwaltungs GmbH oder der I. GmbH keine entsprechende schriftliche Abrede getroffen. Die Schuldnerin und die Verwaltungs GmbH hatten schriftlich unter dem 15./18. November 1999 eine "Rahmenvereinbarung Delkredere und Zentralregulierung" abgeschlossen und hierin Regelungen über die Abwicklung des Zahlungsverkehrs vereinbart. Danach übernahm die Verwaltungs GmbH die Zentralregulierung unter Aufrechnung gegenseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten bei Fälligkeit. Ob bereits eine Auslegung dieser Absprache nach Sinn und Zweck die Annahme der Vereinbarung einer Kontokorrentabsprache rechtfertigt, bedarf hier indes keiner abschließenden Entscheidung.

Eine Kontokorrentvereinbarung kann formfrei getroffen und damit auch konkludent zustande kommen (BGH, NJW-RR 1986, 1495 [1496]; BGH, NJW-RR 1991, 995 [996]; BGH, NJW-RR 1991, 1251; Hopt in Baumbach/Hopt, a.a.O., § 355 Rn 5), wobei der Wille der Beteiligten, eine Geschäftsbeziehung kontokorrentmäßig abzuwickeln, insbesondere auch durch die tatsächliche Handhabung der Parteien zum Ausdruck kommen kann (BGH, WM 1970, 184 [185]; OLG Saarbrücken, OLGR 2003, 262 [263]; Hopt in Baumbach/Hopt, a.a.O., § 355 Rn 5).

Zumindest von einem entsprechend schlüssig erklärten Willen der Vertragspartner, die gegenseitigen Ansprüche und Leistungen in regelmäßigen Abständen zu verrechnen und durch Saldofeststellung auf eine neue, vom bisherigen Schuldgrund losgelöste Grundlage zu stellen, ist hier auszugehen, da sie die geschäftlichen Beziehungen entsprechend gestaltet haben. Zwischen den Vertragsparteien bzw. zwischen der Schuldnerin und der I. GmbH sowie der Verwaltungs GmbH bestand, wie vorstehend schon aufgezeigt und wie auch von der Berufung ausdrücklich hervorgehoben wird, darüber Einigkeit, daß die aus der Geschäftsverbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen in regelmäßigen Abständen durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder den anderen Teil sich ergebenden Überschusses, des Saldos, ausgeglichen werden sollten.

In der regelmäßigen Übersendung der Rechnungsabschlüsse ist ein Angebot zum Abschluß einer entsprechenden Kontokorrentvereinbarung zu sehen (vgl. allgemein BGH, NJW-RR 1991, 1251). Insoweit hat die Schuldnerin weder hinsichtlich des Verfahrens der Abrechnung unter Einbindung der Verwaltungs GmbH noch hinsichtlich der intern vorgenommenen Verrechnungen zwischen den einzelnen Märkten Einwendungen erhoben und sich mithin mit dem über mehrere Jahre praktizierten kontokorrentmäßigen Abrechnung einverstanden erklärt. Zudem liegt in dem Schweigen auf die während eines längeren Zeitraums übersandten periodischen Rechnungsabschlüsse und in der Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen auf der Basis dieser Abrechnungen eine Anerkennung der jeweiligen Salden (vgl. allgemein BGH, NJW-RR 1991, 1251 m.w.N.; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 46; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 39).

Schließlich belegt das weitere Verhalten des Klägers, der Beklagten sowie der Verwaltungs GmbH, daß die Abwicklung der früheren Geschäftsbeziehungen einvernehmlich auf der Grundlage einer Kontokorrentabrede erfolgte. So sind nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder von der Beklagten noch von anderen Märkten Forderungen zur Tabelle angemeldet worden. Vielmehr hat die Verwaltungs GmbH für die gesamte Unternehmensgruppe Ansprüche in Höhe von insgesamt 6.164.239,33 € einschließlich eines Saldos der offenen Posten aus Lieferungen und Retouren geltend gemacht. Daß der Kläger als Insolvenzverwalter die Berechtigung zur Anmeldung dieser Beträge angezweifelt hat, ist nicht ersichtlich. Zudem zeigt die Rechtsverfolgung in dem vorliegenden Klageverfahren, daß der Kläger von einer Kontokorrentabrede ausgeht. Dieser bezweifelt vornehmlich die Richtigkeit der vorgenommenen Kontokorrentabrechnungen, indem er sich darauf beruft, es seien zu Unrecht Belastungsanzeigen in die Saldierung eingestellt worden.

cc)

Die Wirkung der konkludent getroffenen Kontokorrentabrede besteht darin, daß bereits während der laufenden Rechnungsperiode die kontokorrentfähigen und kontokorrentgebundenen Ansprüche und Leistungen ausschließlich zur Verrechnung stehen. Eine selbständige Geltendmachung der gebundenen Einzelansprüche durch die Schuldnerin ist ausgeschlossen (vgl. allgemein z.B. BGHZ 73, 259 [263]; BGH, NJW 1970, 560; OLG Saarbrücken, OLGR 2003, 262 [263]; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage 2003, § 355 Rn 7; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 31; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, a.a.O., § 355 Rn 28). Diese Wirkung ergibt sich unmittelbar aus der Kontokorrentabrede, wobei unerheblich ist, ob die Forderung bereits eingebucht ist oder nicht (Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 28).

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin hat hier zur automatischen Beendigung des Kontokorrentverhältnisses geführt (vgl. allgemein BGH, NJW 1979, 1658; OLG Köln [19. Senat], ZIP 1995, 138 [139]; OLG Celle, NZI 2000, 181, jeweils für die Eröffnung des Konkursverfahrens; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Auflage 2001, §§ 115, 116 Rn 27; HK/Marotzke, InsO, 3. Auflage 2003, § 116 Rn 5; MünchKomm/Ott, InsO, 2002, § 116 Rn 39; Tintelnot in Kübler/Prütting, InsO, Stand Oktober 2003, §§ 115, 116, Rn 22), da der Zweck des jeweiligen Verfahrens, nämlich eine gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger bzw. eine gleichmäßige Verteilung der Vermögensmasse unter die Gläubiger durch den Fortbestand des Kontokorrents vereitelt werden würde (Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 53). Die noch nicht anerkannten Forderungen werden sofort und ohne Anerkenntnis fällig, und es ist ein außerordentlicher Saldenabschluß vorzunehmen (BGH, NJW 1978, 538 [539]; BGH, NJW 1991, 1286 [1287]; Hess in Hess/Weis/Wienberg, a.a.O., §§ 115, 116 Rn 27; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage 2003, §§ 115, 116 Rn 18; Herget in Ensthaler, HGB, 6. Auflage 1999, § 355 Rn 61).

Mit dem Abschluß der Rechnungsperiode und der Verrechnung der Aktiv- und Passivposten wird eine einheitliche Saldoforderung begründet, deren Schuldgrund die verrechneten Ansprüche und Leistungen sind. Rechtlich stellt die Anerkennung des Saldos ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne der §§ 781, 782 BGB dar (BGHZ 80, 172 [176]; BGHZ 93, 307 [313]; BGH, WM 1991, 1630; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage 2003, § 355 Rn 7; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 43; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 36). Hierbei ist auch ohne ausdrückliche Abrede im Hinblick auf eine größtmögliche Vereinfachung davon auszugehen, daß alle Ansprüche aus der gewöhnlichen Geschäftsverbindung dem Kontokorrent zugehörig sind (BGH, NJW 1982, 1150 [1151]; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 25). Der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens errechnete Sollsaldo des Insolvenzschuldners ist Insolvenzforderung (§ 38 InsO); bei einem Habensaldo gehört die Saldoforderung zur Masse (MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 109; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, a.a.O., § 355 Rn 54).

Die Beklagte kann sich auf das Anerkenntnis selbst dann berufen, wenn - wie hier - die Schuldnerin einzelne Posten des Kontokorrents beanstandet, sei es, daß Habenposten bestritten werden, sei es, daß die fehlende Aufnahme von Verrechnungsposten gerügt wird. Mit dem positiven Anerkenntnis des Saldos und der ihm zugrundeliegenden Rechnungsposten ist zugleich das negative Anerkenntnis verbunden, daß weitere kontokorrentgebundene Ansprüche und Leistungen nicht bestehen. Es soll gerade verhindert werden, daß nach Abgabe des Anerkenntnisses wieder in einen Streit um die oft umfangreichen Einzelposten eingetreten wird (BGHZ 51, 346 [348]; BGH, WM 1958, 1157 [1158]; BGH, WM 1985, 936 [937]; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 49).

Diese Reduzierung der einzelnen wechselseitigen Ansprüche aus den laufenden Geschäftsbeziehungen auf eine neu geschaffene Schuld wird auch von der Berufung gesehen. Sie macht geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 24. September 2003 nicht berücksichtigt, "die Zahlungsansprüche aufgrund der zu Unrecht erfolgten Belastungsanzeigen seien in erster Linie selbständig vertraglich begründet, ohne dass es einer näheren Substantiierung noch unbezahlter Warenlieferungen bedürfte." Die selbständige Begründung dieser Ansprüche liegt gerade in dem kontokorrentmäßigen Saldoabschluß.

dd)

Als Folge der Abstraktion kann der Kläger als Insolvenzverwalter das abgegebene Anerkenntnis allenfalls mit der Leistungskondiktion zurückfordern. Auf diese Weise können die einzelnen Posten des Kontokorrents, auf denen die Saldofeststellung beruht, noch nachträglich beanstandet werden (vgl. allgemein BGHZ 51, 346 [348]; BGH, WM 1975, 556 [557]; BGH, WM 1991, 1630 [1631]; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 355 Rn 65 mit weiteren umfangreichen Nachweisen, Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O., § 355 Rn 41). Die Selbständigkeit des Saldos führt zudem zu einem einheitlichen, von den Einzelforderungen unabhängigen Gerichtsstand und Erfüllungsort, §§ 269 BGB, 12 ZPO (Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, a.a.O. § 355 Rn 34) und zu einer Verlagerung der Passivlegitimation. Der Anspruch kann nicht isoliert gegen den einzelnen Markt, der die Belastungsanzeige zu Unrecht aufgestellt hat, verfolgt werden. Vielmehr muß die Zentrale, die die Verrechnungen vorgenommen hat, in Anspruch genommen werden. Diese hat - die Richtigkeit des Vortrages des Klägers unterstellt - im Falle einer zu Unrecht erfolgten Buchung einer Belastungsanzeige durch das abgegebene Schuldanerkenntnis den entsprechenden Betrag erlangt. In diesem Verhältnis besteht das bereicherungsrechtliche Abwicklungsverhältnis. Daher sind, statt auf Kosten der Masse 169 verschiedene Rechtsstreitigkeiten zu führen, fehlerhafte Abrechnungen in einem einheitlichen Prozeß gegen die Verwaltungs GmbH geltend zu machen. In diesem ist dann auch zu klären, in welchem Umfange eine Aufrechnung mit Gegenforderungen möglich ist.

b)

Soweit der Zahlungsanspruch gegen die Beklagte auf den Gesichtspunkt einer Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gestützt wird, hat die Berufung ebensowenig Erfolg. Selbst wenn, wie der Kläger geltend macht, die Beklagte tatsächlich "mehr Belastungen zur Verrechnung gegeben hat, als diesen eigene Verbindlichkeiten gegenüber standen", so begründet dieser Umstand keine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten. Es wird bereits keine (Neben-)Pflicht der Beklagten aufgezeigt, im Rahmen der Erstellung der sogenannten Belastungsanzeigen die (Vermögens-)Interessen der Schuldnerin zu wahren. Diese muß sich vielmehr im Rahmen der Kontokorrentabrechnung gegen unzutreffende Belastungsanzeigen zu Wehr setzen.

c)

Da mithin bereits kein eigenständiger Zahlungsanspruch gegen die hiesige Beklagte besteht, kann es dahinstehen, inwieweit der Kläger die mit der vorliegenden Klage verfolgten Zahlungsansprüche substantiiert aufgezeigt hat. Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Beklagte mit einer hinreichend bestimmten Gegenforderung in Höhe von insgesamt 1.579.145,88 € die Aufrechnung erklärt hat. Schließlich bedarf es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits weder einer abschließende Klärung der Frage der Insolvenzbeständigkeit der in Ziffer 7. der Kauf-, Zahlungs- und Lieferbedingungen enthaltenen Konzernverrechnungsklausel (vgl. hierzu allgemein OLG Frankfurt, NJW-RR 2004, 54 mit Anm. Rendels/Tetzlaff, EWiR 2003, 773; Adam, WM 1998, 801 [803 f.]; Hamacher, BauR 2003, 21), noch der Klärung der Problematik, wie sich die Anmeldung einer Forderung zur Tabelle auf die Möglichkeit einer späteren Aufrechnung auswirkt.

3.

Die Annahme der Berufung des Klägers ist trotz fehlender Erfolgsaussicht auch nicht aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist ebensowenig zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen zur Kontokorrentabrechnung sind, wie vorstehend aufgezeigt, in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Kläger Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels innerhalb der in der Beschlußformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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