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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 2 U 4/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
BGB § 247
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 291 S. 1
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 4
BGB § 819 Abs. 1
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1 S. 1
InsO § 143 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. Dezember 2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 O 292/06 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.078,22 € zu zahlen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)

I.

Der Kläger macht gegen das beklagte Land Zahlungsansprüche im Wege der Insolvenzanfechtung geltend.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma J (im folgenden: Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren ist am 6. Juni 2006 eröffnet worden. Die Schuldnerin hatte an das beklagte Land am 17. März 2005 25.000,00 €, am 5. April 2005 15.000,00 € und am 15. April 2005 10.354,64 € gezahlt. Den Gesamtbetrag in Höhe von 50.354,64 € verlangte der Kläger von dem beklagten Land durch vorprozessuales Schreiben vom 13. Juni 2006 unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung heraus. Die Zahlung vom 5. April 2005 in Höhe von 15.000,00 € machte der Kläger mit der ursprünglichen Klage gegenüber dem beklagten Land geltend. Nachdem das beklagte Land am 28. September 2006 den Gesamtbetrag in Höhe von 50.354,64 € an den Kläger gezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf diese Zahlung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat im Übrigen lediglich noch die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 50.354,64 € für den Zeitraum vom 6. Juni 2006 (Tag der Insolvenzeröffnung) bis zum 28. September 2006 (Zahlungseingang) verlangt. Diese Zinsen hat der Kläger mit einem Betrag in Höhe von 1.067,80 € beziffert.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.067,80 € zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angegriffene Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht das beklagte Land unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 86,29 € zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 80 % dem beklagten Land und in Höhe von 20 % dem Kläger auferlegt. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, seien gemäß § 91 a ZPO dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Hinsichtlich der begehrten Zinsen könne der Kläger lediglich einen Betrag in Höhe von 86,29 € beanspruchen. Hierbei handele es sich um Prozesszinsen betreffend der am 19. September 2006 zugestellten Klage, die bis zum Zeitraum der Zahlung am 28. September 2006 von dem beklagten Land geschuldet würden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den vom Landgericht nicht zuerkannten Zinsanspruch weiter.

Er beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Dezember 2006 dahin abzuändern, dass das beklagte Land verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus einem Betrag von 50.354,64 € für die Zeit vom 6. Juni 2006 bis zum 28. September 2006 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land hält den Zinsanspruch des Klägers für nicht begründet.

Der Senat hat die Parteien durch Berichterstatterschreiben vom 29. März 2007 auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2007 (ZIP 2007, 488) und die hierin dargelegten Grundsätze zur Verzinsung des Anfechtungsanspruches hingewiesen. Hierzu hat das beklagte Land durch Schriftsatz vom 16. April 2007 Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass der Insolvenzverwalter gegen den Fiskus keinen Anspruch auf Verzinsung des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruches habe.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB Anspruch auf Verzinsung des von dem beklagten Land anfechtbar erworbenen Gesamtbetrages in Höhe von 50.354,64 € ab Insolvenzeröffnung bis zum Zahlungszeitpunkt.

1. Dem Kläger stand gegenüber dem beklagten Land hinsichtlich der in der Zeit vom 17. März 2005 bis zum 15. April 2005 von der Schuldnerin gezahlten Beträge in der Hauptsache ein Rückgewähranspruch gemäß §§ 143 Abs. 1 S. 1, 133 Abs. 1 InsO zu. Dies wird auch von dem beklagten Land nicht in Abrede gestellt.

2. Dass ein Anfechtungsgegner bei - wie hier - anfechtbarem Erwerb von Geld jedenfalls Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat, folgt aus den o. g. Vorschriften und ist durch das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2007 (veröffentlicht u. a. im ZIP 2007, 488 sowie in BGH Report 2007, 415 mit - jedenfalls im Hinblick auf die Verzinsung ab Insolvenzeröffnung - zustimmender Anmerkung von Runkel und Schmidt) nunmehr auch höchstrichterlich geklärt. Der Kläger hat deshalb gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 50.354,64 € für die Zeit vom 6. Juni bis zum 28. September 2006. Dies ergibt ausgerechnet einen Zinsbetrag in Höhe von 1.078,22 €, den der Kläger von dem beklagten Land insgesamt beanspruchen kann.

3. Soweit das beklagte Land geltend macht, die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs finde auf einen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch gegen den Fiskus keine Anwendung, vermag dies nicht zu überzeugen.

a) Das beklagte Land verkennt, dass sich die von ihm zur Stützung seiner Ansicht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2004 (XI ZR 125/03 - veröffentlicht u. a. in BGHZ 158, 1 ff.) sowie vom 30. März 2004 (XI ZR 145/03 - veröffentlicht u. a. in JURIS) ausdrücklich nur auf die Problematik der Verzinsung zivilrechtlicher Bereicherungsansprüche gegen den Fiskus gemäß § 818 Abs. 1 BGB beziehen. In den Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen, wonach bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen eine Behörde eine Verzinsung wegen tatsächlich gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht in Betracht kommt, weil der Staat öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen in der Regel nicht gewinnbringend anlege, sondern über die ihm zur Verfügung stehende Mittel im Interesse der Allgemeinheit verfüge. Dies gelte für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gegen den Steuerfiskus entsprechend.

b) In den Entscheidungen wird jedoch gleichzeitig ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch der Fiskus gemäß § 819 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden kann. Nur darum geht es aber vorliegend. Aus der in § 143 Abs. 1 S. 2 InsO enthaltenen Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB folgt, dass der Anfechtungsgegner unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist. Er wird damit einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichgestellt. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2007 heißt es in diesem Zusammenhang wörtlich u. a. wie folgt:

"Mit dieser Anknüpfung ist der Herausgabeanspruch als rechtshängiger Anspruch zu behandeln, was, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, auch zur Anwendung der Regeln über die Zahlung von Prozesszinsen führt. Danach ist bei einer fälligen Geldschuld gemäß § 291 S. 1 BGB die Vorschrift des § 288 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend anzuwenden."

Aus diesen - nach Einschätzung des Senats eindeutigen - Ausführungen des Bundesgerichtshofs folgt, dass auch der Fiskus bei anfechtbarem Erwerb von Geld Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat. Insoweit besteht rechtlich kein Unterschied zu der Verzinsung einer Geldschuld durch den Fiskus ab Rechtshängigkeit im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 291 S. 1 BGB. Auch insoweit wird - soweit ersichtlich - von keiner Seite vertreten, dass der Fiskus von einer in dieser Vorschrift angeordneten Verzinsung ausgenommen wäre.

4. a) Die Kosten des gesamten Rechtsstreits beider Rechtszüge hat gemäß den §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO das beklagte Land zu tragen. Soweit die Parteien in der ersten Instanz den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenbelastung des beklagten Landes aus der auch für den Senat bindenden, von dem beklagten Land nicht angegriffenen Kostenentscheidung des Landgerichts gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des noch dem Streit befindlichen Zinsbetrages beruht die Kostenbelastung des beklagten Landes für die erste und die zweite Instanz darauf, dass der Kläger vollständig obsiegt.

b) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

c) Die Voraussetzung der Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) sind nicht erfüllt. Wie oben dargelegt worden ist, bestehen keine, jedenfalls keine vernünftigen Zweifel daran, dass bei anfechtbarem Erwerb von Geld nach der von Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der Fiskus als Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat. Die Sache hat deshalb weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Berufungsstreitwert: 991,93 € (Geltend gemachter Gesamtzinsanspruch des Klägers in Höhe von 1.078,22 € abzüglich vom Landgericht zuerkannter 86,29 €).

Ende der Entscheidung

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