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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 2 U 46/07 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2
InsO §§ 129 ff.
InsO § 133
InsO § 133 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers vom 5. April 2007 gegen das am 2. März 2007 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 7 O 345/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

1.

Der Senat weist die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück.

Dass und warum die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), ist durch den Senat bereits im Einzelnen in dem den Parteien bekannten Beschluss vom 28. August 2007 dargelegt worden. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Der Senat hat die Sache nochmals umfassend und eingehend - auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers vom 26. September 2007 - beraten und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Veranlassung besteht, von den Ausführungen in dem Hinweisbeschluss abzuweichen.

a)

Zwar nimmt der Kläger ohne Rechtsfehler auf die von der Rechtsprechung und Literatur aufgestellten Grundsätze zu den Wirkungen eines Kontokorrents sowie zu den Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO Bezug. So wird beispielsweise zutreffend auf die Kontokorrentgebundenheit der Einzelforderungen und den damit verbundenen Verlust der rechtlichen Selbstständigkeit hingewiesen. Indes werden diese Grundsätze fehlerhaft auf den vorliegenden Streitgegenstand angewendet.

Angefochten wird, worauf der Kläger nochmals in seiner jetzigen Stellungnahme hinweist, die in das Kontokorrent zugunsten der Beklagten zu 1) eingestellten Einzelforderungen. Insoweit verkennt der Kläger die Möglichkeiten einer Anfechtung der kontokorrentgebundenen Forderungen, die von vornherein weder abtretbar oder verpfändbar sind, noch den Gläubigern im Wege der Zwangsvollstreckung zur Verfügung standen.

Werden wechselseitige Ansprüche aus einer laufenden Geschäftsbeziehung in einem Kontokorrentverhältnis abgewickelt, so unterliegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht die "gesamte langjährige Geschäftsverbindung" und die vereinbarte "gemeinschaftlichen Durchführung des Kontokorrents" als einheitlicher Vorgang der Anfechtung. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist grundsätzlich jede Rechtshandlung gesondert auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, IX ZR 105/05; BGH, WM 2007, 508 [509]; MünchKomm/Kirchhof, InsO, 2002, § 129 Rdnr. 55 ff. m.w.N.). Soweit ausnahmsweise die Möglichkeit der Anfechtung eines Gesamtvorgangs anerkannt wird, liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Rechtlich getrennte Geschäfte können nach der für die Anfechtung maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtung nur dann ausnahmsweise als eine einheitliche Rechtshandlung gewertet werden, wenn der Willen des Schuldners von Anfang an darauf gerichtet ist, aus dem Vermögen den Leistungsgegenstand auf dem Umweg mehrerer Rechtsakte im Endergebnis dem Anfechtungsgegner zuzuwenden. Maßgeblich ist dann das wirtschaftlich Gewollte, das durch die Aufspaltung in verschiedene Rechtsgeschäfte verdeckt werden soll (vgl. BGH NJW 1992, 834 [835] m.w.N.; MünchKommKirchhof, aaO, § 129 Rdnr. 65). Klammer ist der zielgerichtete Wille des Schuldners (MünchKommKirchhof, aaO, § 129 Rdnr. 65). Dass die Insolvenzschuldnerin hier die die Kontokorrentverrechnung ermöglichenden Vereinbarungen und Absprachen gerade mit dem vorgefassten Plan abgeschlossen hat, um hierdurch die Insolenzgläubiger zu benachteiligen, wird auch von klagenden Insolvenzverwalter nicht geltend gemacht.

Daher ist es vorliegend von entscheidender Bedeutung, ob die einzelnen Rechtshandlungen der Anfechtung unterliegen. Dies ist indes nicht der Fall. Eine zwischen den Geschäftspartnern bestehende Kontokorrentabrede kann eigenständig angefochten werden, sofern bereits deren Vereinbarung die Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO erfüllt. Hierauf stützt, wie vorstehend erörtert, der Kläger indes seine Klage nicht. Weiterhin kann bei einer Einstellung wechselseitiger Ansprüche aus einer laufenden Geschäftsbeziehung in ein Kontokorrentverhältnis die hiermit verbundene Saldorückführung der Anfechtung unterliegen. Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht gegeben. Vielmehr weist der Kläger sowohl in der Berufung als auch in der jetzigen Stellung ausdrücklich darauf hin, dass "die in Rechnung gestellten und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des sich für den einen oder anderen Teil ergebenden Überschusses durch Banküberweisung ausgeglichen worden sind."

Eine auf § 133 InsO gestützte Anfechtung der Verbuchungen von Gutschriften im Kontokorrent scheidet schon deshalb aus, weil - hierauf hat der Senat ebenfalls bereits hingewiesen - keine konstitutive Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt. Soweit die einzelnen Rechtsgeschäfte, die als Habenposten in das Kontokorrent eingestellt worden sind, der selbstständigen Anfechtung unterliegen können, müsste der Kläger für jeden Buchungsvorgang näher das jeweils zugrundeliegende Vertragsverhältnis und damit die jeweilige Rechtshandlung aufzeigen. So müsste der Kläger beispielsweise für die unter dem 25. Dezember 2001 mit der Bezeichnung "X" zugunsten des Autohauses erfolgte Verbuchung von 624,00 € darlegen und gegebenenfalls unter Beweis stellen, dass dieser Gutschrift eine Rechtshandlung der späteren Insolvenzschuldnerin zugrunde lag und diese von der Schuldnerin - in Kenntnis der Beklagten zu 1) - gerade mit dem Vorsatz vorgenommen worden ist, ihre Gläubiger hierdurch zu benachteiligen. Hierzu fehlt auch in der jetzigen Stellungnahme des Klägers jeder Prozessvortrag.

b)

Soweit der Kläger nunmehr weitere Unterlagen, insbesondere als Anlage K 50 eine umfangreiche "Aufstellung der kontokorren(t)mäßig verrechneten Verbindlichkeiten bzw. Forderungen der Y GmbH gegenüber der G AG bis einschließl. 30.06.03, d.h. einen Tag vor Verfahrenseröffnung" sowie eine "Aufstellung verrechneter Verbindlichkeiten bzw. Forderungen der Y GmbH gegenüber der G AG ab Verfahrenseröffnung 01.07.2003 lt Kto.auszug vom 01.12.2003 (K5) und separater Aufstellung letztes Blatt der Anlage K 5" und als Anlage K 51 bzw. als Anlage K 52 weitere Unterlagen zu den Akten reicht, beruft er sich erstmals in zweiter Instanz auf einen völlig neuen Sachvortrag. Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen zu dem "insolvenzrechtlich zu missbilligenden wirtschaftlichen Erfolg", zu der unterlassenen rechtzeitigen Beantragung des Insolvenzverfahrens sowie zu der "faktischen Geschäftsführung des Zeugen T". Hierauf kann die Berufung nicht gestützt werden. Gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die Tatsachen zugrunde zu legen, die in erster Instanz vom Gericht festgestellt worden sind, es sei denn, dass - was hier indes nicht der Fall ist - konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung bestehen. Zudem werden auch die Voraussetzungen nach § 531 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung neuen Tatsachenvortrages nicht dargetan. Soweit der Kläger hinweist, "ihm sei bei der als Anlage K 6 seinerzeit erstellte Übersicht ein Rechtenfehler unterlaufen", rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass den Kläger hinsichtlich der fehlerhaften Berechnung keine Nachlässigkeit trifft (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Da die Voraussetzungen für eine Zulassung der neuen Angriffsmittel nicht vorliegen, kann es hier dahinstehen, inwieweit das neue Vorbringen überhaupt hinreichend substantiiert ist und eine abweichende Entscheidung rechtfertigen würde. So bestehen beispielsweise Bedenken, ob die von dem Kläger nunmehr vorgelegte, nicht weiter erläuterte Aufstellung den Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag genügt. Ebenfalls bedarf es keiner Prüfung durch den Senat, ob die von der Beklagten zu 1) in das Kontokorrent eingestellten Ansprüche, bei denen es sich nach dem Vortrag des Klägers in der Klageschrift um Forderungen aus Lieferungen von Kraftfahrzeugen, Ersatz- und Zubehörteilen handelte, tatsächlich zum Zeitpunkt der Verrechnung "nicht werthaltig waren".

c)

Inwieweit der Kläger die weiteren Voraussetzungen für die auf § 133 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtung hinreichend dargetan hat, kann hier dahinstehen. § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO verlangt nur einen Hinweis auf die für die Zurückweisung der Berufung maßgeblichen Gründe. Führen mehrere Gründe zu einer Zurückweisung, weil zum Beispiel mehrere Tatbestandsmerkmale einer Norm nicht erfüllt sind, so genügt - wie hier geschehen - bereits der Hinweis auf einen für die Zurückweisung der Berufung tragenden Gesichtspunkt.

2.

Die Annahme der Berufung des Klägers ist trotz fehlender Erfolgsaussicht ebenso wenig aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben.

Eine Zulassung der Revision "für den Fall des Unterliegens" ist der Zivilprozessordnung fremd. Wenn die in § 543 Abs. 2 ZPO gesetzlich bestimmten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision vorliegen, muss das Berufungsgericht das Rechtsmittel unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zulassen, wie die eindeutige Formulierung der gesetzlichen Vorschrift belegt.

Vorliegend hat indes der Rechtsstreit - auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger in seiner jetzigen Stellungnahme herangezogenen Rechtsprechung - keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Hinsichtlich der hier maßgeblichen Rechtsfragen besteht weder in der vom Senat beachteten obergerichtlichen Rechtsprechung noch - soweit ersichtlich - in der Literatur Streit. Dies gilt sowohl für die rechtlichen Wirkungen eines Kontokorrentverhältnisses als auch für die Anfechtbarkeit der in das Kontokorrent eingestellten Forderungen. Ebenso wenig besteht eine Rechtsunsicherheit in der obergerichtlichen Rechtsprechung darüber, unter welchen besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise Gesamtvorgänge der Anfechtung unterliegen. Diese Rechtsprechung hat auch der Senat zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

Dass - so der Kläger - zu einem mit dem gegenständlichen Rechtstreit vergleichbaren Sachverhalt eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht ergangen ist, liegt daran, dass der Kläger die gefestigte Rechtsprechung vorliegend fehlerhaft anwendet. Dies indes rechtfertigt weder die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung noch die Notwendigkeit der Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Zudem basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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