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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.02.2008
Aktenzeichen: 2 VA (Not) 14/07
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 7 Abs. 7
Die erneute Ausschreibung einer Notarstelle hat jedenfalls dann Vorrang vor der Aufforderung zur Bewerbung gemäß § 7 Abs. 7 BNotO, wenn konkrete Aussichten bestehen, dass sich geeignete Personen um die Stelle bewerben werden.
Tenor:

Die Verfügung des Antragsgegners vom 13.06.2007 (Az. 3830 - ###) wird aufgehoben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Auslagen des Antragstellers. Im übrigen tragen die Verfahrensbeteiligten ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer an den Antragsteller ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, sich auf eine in Köln zu besetzende Notarstelle zu bewerben.

Der Antragsteller ist seit 2003 Notarassessor bei der Rheinischen Notarkammer; bis vor kurzem verwaltete er längere Zeit ein vakantes Notariat in F. Im Justizministerialblatt NRW vom 15.12.2006 wurde u. a. die Notarstelle T in Köln ausgeschrieben, die zum 01.09.2007 zu besetzen war. Die Bewerbungsfrist lief am 15.01.2007 ab. Die innerhalb der Bewerbungsfrist eingegangenen Bewerbungen mehrerer Notarassessorinnen und -assessoren wurden nach Ablauf der Bewerbungsfrist wieder zurückgenommen. Die einzig verbliebene, innerhalb der Frist eingegangene Bewerbung erledigte sich dadurch, dass der - nicht aus dem Bezirk der Rheinischen Notarkammer stammende - Bewerber eine der anderen ausgeschriebenen Stellen (E-S) erhielt. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist haben sich noch zwei Notare aus Sachsen bzw. Mecklenburg-Vorpommern und ein auswärtiger Notarassessor auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Diese Bewerbungen wurden vom Antragsgegner erst am 22.01.2008 beschieden.

Ungeachtet des Vorliegens dieser drei (damals) noch nicht beschiedenen Bewerbungen hat der Antragsgegner das Verfahren zur Aufforderung zur Bewerbung gem. § 7 Abs. 7 Nr. 3 BNotO i. V. m. mit der Aufforderungsrichtlinie (Richtlinie zu § 7 Abs. 7 S. 2 Nr. 3 der Bundesnotarordnung vom 01.06.2003, Bl. 67 d. A.) eingeleitet. Nach Anhörung des weiteren Beteiligten und der nach Ansicht des Antragsgegners für eine Aufforderung in Betracht kommenden Notarassessorinnen und -assessoren hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 13.06.2007 den Antragsteller aufgefordert, "sich binnen eines Monats nach Zustellung dieses Schreibens um die im Justizministerialblatt NRW vom 15.12.2006 ausgeschriebene Stelle Dr. T zu bewerben". Hiergegen richtet sich der am 28.06.2007 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Im Laufe dieses Verfahrens hat sich der Antragsteller auf eine zeitlich später ausgeschriebene Notarstelle in Düsseldorf beworben. In diesem Besetzungsverfahren hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Bewerbung des Antragstellers im Hinblick auf die in diesem Verfahren angefochtene Verfügung des Antragsgegners unberücksichtigt gelassen. Auch hiergegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt (2 VA (Not) 24/07).

Der Antragsteller erhebt eine Vielzahl von Einwendungen gegen die gegen ihn ergangene Auforderung. Er hält die Regelung des § 7 Abs. 7 BNotO für verfassungswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Bewerbung nicht hinreichend bestimmt seien. Jedenfalls hätte die Stelle zumindest ein zweites Mal ausgeschrieben werden oder die verspätet eingegangenen Bewerbungen hätten berücksichtigt werden müssen. Die Entscheidung sei auch unverhältnismäßig. Es sei ohne Gefährdung der vorsorgenden Rechtspflege in Köln möglich, die Stelle einzuziehen. Wenn überhaupt hätte aber ein anderer Notarassessor zur Bewerbung aufgefordert werden müssen. Ihm sei die Annahme der Stelle wirtschaftlich unzumutbar.

Der Antragsteller beantragt,

die Verfügung des Antragsgegners vom 13.06.2007 (Az. 3830 - ###) aufzuheben.

Der Antragsgegner und der weitere Beteiligte beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und der weitere Beteiligte verteidigen die angegriffene Verfügung. Sie meinen, dass die Aufforderung des Antragstellers zu Recht erfolgt sei. Die noch nicht beschiedenen verfristeten Bewerbungen hätte der Aufforderung nicht entgegengestanden, denn diese seien als nicht existent zu behandeln. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, die zu besetzende Stelle erneut auszuschreiben.

Der Senat hat über den Antrag am 23.11.2007 mündlich verhandelt.

B.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

I.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung bestehen keine Bedenken. Es entspricht h. M., dass bereits die Aufforderung zur Bewerbung eine anfechtbare Maßnahme i. S. des § 111 BNotO ist (Bracker, in: Schippel, BNotO, 8. Aufl., 2006, § 7 Rdnr. 113).

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet, denn die an den Antragsteller ergangene Aufforderung zur Bewerbung auf die Notarstelle T ist nicht zu Recht erfolgt und beeinträchtigt den Antragsteller in seinen Rechten. Im Unterschied zum Antragsteller geht der Senat zwar von der Verfassungsmäßigkeit der in § 7 Abs. 7 Nr. 3 BNotO vorausgesetzten Möglichkeit zur Aufforderung zur Bewerbung aus (dazu 1.). Nach Auffassung des Senats sind jedoch die Voraussetzungen für die Aufforderung derzeit nicht gegeben (dazu unter 2.). Außerdem begegnet die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erheblichen Bedenken (dazu unter 3.).

1. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen das Aufforderungsverfahren sind nicht begründet. Die in § 7 Abs. 7 Nr. 3 BNotO vorausgesetzte Möglichkeit zur Aufforderung zur Bewerbung unter der Androhung der Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst stellt eine Berufsausübungsregelung dar. Diese ist zur Sicherung einer flächendeckenden vorsorgenden Rechtspflege geschaffen worden (vgl. BT-Drs. 11/6007, S. 12). Zur Erreichung dieses legitimen und auch verfassungsrechtlich abgesicherten Ziels ist die Maßnahme geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch die hinreichende Bestimmtheit der Regelung begegnet keinen Bedenken. Es ist nicht erforderlich, dass die gesetzliche Regelung auch die Einzelheiten des Verfahrens regelt.

2. Die Voraussetzungen für die Aufforderung sind jedoch nicht gegeben. Die Entscheidung von der Möglichkeit der Aufforderung zu Bewerbung Gebrauch zu machen, steht im Ermessen des Antragsgegners. Bei seiner Entscheidung, diesen Weg zu beschreiten, hat der Antragsteller jedoch ermessensfehlerhaft gehandelt.

a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegner hätte statt den Weg des Aufforderungsverfahrens zu beschreiten, die Notarstelle T einziehen müssen. Die Frage, ob eine Stelle mangels geeigneter Bewerber eingezogen oder im Wege des Aufforderungsverfahrens besetzt wird, unterliegt dem Organisationsermessen des Antragsgegners und ist insoweit nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2006 - NotZ 24/06 -, Rdnr. 6). Nach den landesweit geltenden Kriterien besteht in Köln eine Bedarfsunterdeckung von ca. 3,5 Notaren. Diese würde durch die Einziehung der Stelle T noch verschärft. Der Umstand, dass es hierdurch sicher immer noch nicht zu einer Gefährdung der vorsorgenden Rechtspflege in Köln kommen würde, führt nicht dazu, dass nur noch die Einziehung der Stelle als allein ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt. Solange die Aufrechterhaltung einer Notarstelle oder ihre Einziehung nicht zu einer Gefährdung für die vorsorgende Rechtspflege im jeweiligen Bezirk führt, liegt die Entscheidung hierüber im - weiten - Organisationsermessen der Justizverwaltung. Eine Überschreitung dieses Ermessens ist im konkreten Fall nicht erkennbar. Wenn der Antragsgegner aber berechtigt ist, eine Stelle aufrecht zu erhalten oder neu einzurichten, dann muss er auch die Möglichkeit haben, diese Stelle - ggf. über den Weg des Aufforderungsverfahrens - zu besetzen. Dagegen ist es nicht so, dass die freiwillige Besetzbarkeit einer Stelle Voraussetzung für deren Aufrechterhaltung oder Einrichtung ist.

Der Senat teilt weiterhin nicht die Auffassung des Antragstellers, dass das Aufforderungsverfahren generell eine zumindest zweimalige vergebliche Ausschreibung der Stelle voraussetze. Zwar hat die Richtlinie des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen zu § 7 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 der Bundesnotarordnung vom 15.10.1984 (3834 - I C. 19, Bl. 64 d. A.) noch vorgesehen, dass dem Aufforderungsverfahren eine zweimalige Ausschreibung vorauszugehen habe . Aus dem Gesetz ergibt sich das jedoch nicht. Ein solches generelles Erfordernis erscheint auch nicht sachdienlich, weil eine zweite Ausschreibung keinen Sinn macht, wenn ersichtlich ist, dass auch diese ohne Erfolg bleiben wird. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Aufforderungsverfahren generell eine zweimalige Ausschreibung voraussetzt.

b) Im konkreten Fall gaben die drei - nach Auffassung des Antragsgegners verfristeten - Bewerbungen aber Anlass, von der auch nach seiner Auffassung bestehenden Möglichkeit der erneuten Ausschreibung Gebrauch zu machen, anstatt den Weg des Aufforderungsverfahrens zu beschreiten.

aa) Das Aufforderungsverfahren hat aufgrund der damit verbundenen Eingriffe in die Rechtsposition des aufgeforderten Notarassessors "Zwangscharakter". Die Ausübung dieses Zwangs ist aber nur gerechtfertigt, wenn dies zur Erreichung des Zwecks, der dieses Verfahren rechtfertigt, erforderlich ist. Zweck des Aufforderungsverfahrens ist es allein, "eine flächendeckende Versorgung mit notariellen Diensten zu gewährleisten" (BT-Drs 11/6007, S. 12).

Die Entscheidung, ob eine zu besetzende Stelle erneut ausgeschrieben oder der Weg des Aufforderungsverfahrens beschritten wird, unterliegt auch nicht dem - nur eingeschränkt überprüfbaren - Organisationsermessen des Antragsgegners. Es geht hierbei nicht um die weitgehend planerische, auf die Zukunft gerichtete Entscheidung, ob eine Stelle eingerichtet oder aufrecht erhalten wird, sondern um eine reine Verfahrensfrage.

bb) Ausgehend vom Normzweck gab es keinen Anlass, statt einer erneuten Ausschreibung zum Aufforderungsverfahren zu greifen. Die zunächst nicht beschiedenen Bewerbungen zeigen, dass es Interessenten für die Stelle gibt, so dass diese bei einer erneuten Ausschreibung voraussichtlich ohne weiteres besetzt werden könnte. Selbst wenn die drei Bewerbungen vom Antragsteller provoziert worden sein mögen - was dem Senat nicht bekannt ist -, bedeutet das nicht, dass sie nicht ernst gemeint sind und die Bewerber die Stelle nicht antreten würden. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind dem Senat jedenfalls nicht bekannt geworden. Im Gegenteil liegt dem Senat inzwischen der Antrag eines der zwischenzeitlich beschiedenen Bewerber auf gerichtliche Entscheidung vor (2 VA (Not) 4/08).

cc) Die Auffassung des Antragsgegners, das Aufforderungsverfahren sei am besten geeignet, die Stelle alsbald zu besetzen, ist nicht haltbar. Bei einer erneuten Stellenausschreibung zum Zeitpunkt der gegen den Antragsteller ergangenen Aufforderung wäre es möglich gewesen, die Stelle noch zum 01.09.2007 oder jedenfalls kurz danach zu besetzen. Dies ergibt sich daraus, dass andere am 01.08.2007 ausgeschriebene Notarstellen bereits im Oktober besetzt werden konnten, also nach weniger als drei Monaten. Demgegenüber ist bislang - und damit konnte und musste der Antragsgegner rechnen - noch nicht einmal die Monatsfrist für den Antragsteller zur Bewerbung auf die Stelle T angelaufen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach der Richtlinie aufschiebende Wirkung entfaltet. Der Antragsgegner muss damit rechnen, dass es überhaupt erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Verfügung vom 13.06.2007, die frühestens im Jahr 2008 ergehen wird, zu einer Bewerbung kommt. Auch das ist nicht einmal gesichert, denn sollte sich der Antragsteller - die Rechtmäßigkeit der Aufforderung unterstellt - dann - mit oder ohne hinreichenden Grund - nicht bewerben, muss das Verfahren von vorne beginnen.

Auch der Einwand des Antragsgegners, dass die Prüfung von auswärtigen Bewerbungen aufgrund der schlechteren Vergleichbarkeit der Leistungen zeitaufwändiger sei, vermag nicht zu überzeugen. Die Leistungen der rheinischen Notarassessoren werden - jedenfalls nach dem in diesem Verfahren unbestritten gebliebenen Vortrag des Antragstellers - so schematisch beurteilt, dass der Senat - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - erhebliche Zweifel daran hätte, dass dies mit dem Leistungsgedanken vereinbar ist. Die Beurteilung soll danach allein abhängig von der Ausbildungszeit sein, weil die Beurteilungsnote für jedes Halbjahr der Ausbildung um einen Punkt angehoben wird. Angesichts einer solchen schematischen Beurteilungspraxis ist nicht erkennbar, warum die Beurteilung auswärtiger Notare und Notarassessoren einen besonderen zusätzlichen Aufwand erfordern soll. Ihre Tätigkeitsdauer als Notar bzw. Notarassessor steht fest, ebenso ihre Examensergebnisse. Ein zusätzliches Kriterium kann dann nur noch sein, ob bei ihnen hinreichende Kenntnisse des Landesrechts angenommen werden können. Dies ist ohne erheblichen Aufwand festzustellen.

dd) Für eine erneute, aufgrund der konkreten Umstände erfolgversprechende Ausschreibung der Stelle statt einer Aufforderung des Antragstellers zur Bewerbung sprach im konkreten Fall zudem, dass die Stelle als "problematisch" anzusehen ist, weil der bisherige Stelleninhaber in einer Sozietät mit dem Notar R verbunden war, der diese Sozietät jedoch mit dem Nachfolger nicht fortsetzen will. Dies bedeutet nichts anderes, als dass diese Stelle zu bewerten ist wie eine neu geschaffene Stelle, sog. "Nullstelle". Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Nachfolger des Notars T in nennenswerten Umfang von dem eingeführten Notariat profitieren kann. Die Fortsetzung der Sozietät wird ja gerade deshalb abgelehnt, weil sich der verbleibende Notar R davon verspricht, einen erheblichen Teil der Mandanten des Notars T für sich gewinnen zu können. Nur so lassen sich die von ihm nach der Ausgleichsfonds-Richtlinie (Richtlinie bezüglich des Ausgleichsfonds für en Aufbau von Notarstellen vom 15.07.1970, Bl. 138 d. A.) zu leistenden erheblichen Beträge in Höhe von ca. 125.000 € wirtschaftlich rechtfertigen. Der Aufbau einer "Nullstelle" in einer Großstadt mit einer Vielzahl etablierter Notariate ist aber offensichtlich mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 6/07 -, Rdnr. 32). Hiervon geht auch der weitere Beteiligte aus, wenn er formuliert:

"Zur Erläuterung sei darauf hingewiesen, dass in Köln - wie in anderen großen Städten - die Errichtung von Nullstellen praktisch nur in Frage kommt, wenn ein Notar die Bereitschaft zur Gründung einer neuen Sozietät bekundet." (Schriftsatz vom 20.09.2007, S. 3; Bl. 207 d. A.).

Deshalb ist dem Antragsteller als "Starthilfe" eine Einkommensergänzung nach der Richtlinie 1970 sowie ein zunächst zinsloses und dann niedrig zu verzinsendes Darlehen in Höhe von 100.000 € der Rheinischen Notarkammer zugesagt worden. Diese Einkommensergänzung könnte jedoch unzureichend sein. Dies ist offenkundig auch der Grund dafür, dass die Notarassessorinnen und -assessoren, die zunächst eine Bewerbung eingereicht hatten, diese dann wieder zurückgenommen haben. Die maßgebliche Regelung dieser Richtlinie lautet:

"Kommt es zwischen dem Amtsnachfolger eines assoziierten Notars und dem verbliebenen Sozius nicht wieder zu einer Sozietät, so kann der Amtsnachfolger aus dem Ausgleichsfonds ... monatliche finanzielle Zuwendungen, höchstens jedoch in Höhe der seinen persönlichen Verhältnissen entsprechenden Monatsbezüge eines Amtsgerichtsrats erhalten. Diese Zuwendungen aus dem Ausgleichsfonds werden in der Regel jedoch nur gezahlt, wenn und soweit der von dem Notar selbst nach den Bestimmungen der Kostenordnung erzielte Ist-Umsatz jeweils das vierfache der seinen persönlichen Verhältnissen entsprechenden Jahresbezüge eines Amtsgerichtsrats nicht erreicht."

Dem 1976 geborenen Antragsteller stehen danach 3.310,35 €/Monat zu. Diesen Betrag erhält er jedoch nur dann in voller Höhe ausgezahlt, wenn sein Gebührenaufkommen 9.931,05 € nicht übersteigt. Soweit das Gebührenaufkommen diesen Betrag übersteigt, wird die Zuwendung aus dem Ausgleichsfonds entsprechend gekürzt. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob ein solches Gebührenaufkommen erzielt werden kann und insbesondere dass - ggf. - es mit einem derartigen Umsatz möglich ist, die Kosten eines neu aufzubauenden Notariats in Köln (Miete, Personal, Büroausstattung, Versicherung usw.) zu finanzieren. Dabei ist im Fall des Antragstellers noch zu berücksichtigen, dass er in erheblichem Umfang von seinem Amtsvorgänger Akten übernehmen müsste, die - kostenaufwändig - zu lagern wären. Hinzu kommt, dass der Antragsteller von der Zuwendung zu 100 % seine Aufwendungen für Krankenversicherung und Altervorsorge tragen muss. Damit bliebe der für seine Lebensführung zur Verfügung stehende Betrag deutlich hinter dem Einkommen eines gleich alten Richters der Besoldungsstufe R1 zurück.

Ein Beleg dafür, dass die dem Antragsteller zugesagte Einkommensergänzung nach der Richtlinie 1970 möglicherweise unzureichend ist, ergibt sich für den Senat auch aus dem Umstand, dass nach der Richtlinie in der seit 2000 geltenden Fassung (Bl. 144 d. A.) ein deutlich darüber hinausgehender Anspruch gerichtet auf Ausgleich der Differenz zwischen dem berücksichtigungsfähigen Einkommen und den Bezügen eines Notarassessors bestehen würde. Berücksichtigungsfähige Einkünfte sind dabei alle beruflich veranlassten Einkünfte des Notars abzüglich der beruflich bedingten Aufwendungen. Dies führt dazu, dass dem Berechtigten zumindest das Gehalt eines Notarassessors garantiert ist. Das Risiko, wegen hoher Kosten weniger als diesen Betrag zu bekommen, trägt der Notarassessor nach der neuen Regelung nur für den Fall, dass das Notariat Verluste erwirtschaftet, für die er dann selbst aufkommen muss. Die Gewährung einer höheren Einkommensergänzung nach der neuen Richtlinie 2000, spricht dafür, dass die alte Einkommensergänzung als unzureichend angesehen wurde. Die neue Einkommensergänzungsrichtlinie findet auf die Notarstelle T aber keine Anwendung. Der Umstand, dass der weitere Beteiligte bereit war, dem Antragsteller im Rahmen einer vergleichsweisen Beilegung dieses Verfahrens eine Einkommensergänzung nach der Richtlinie 2000 zukommen zu lassen, konnte bei der Entscheidung des Senats keine Berücksichtigung finden.

Die vorstehend aufgeführten Zweifel daran, dass die fragliche Notarstelle auch unter Berücksichtigung der Einkommensergänzung wirtschaftlich tragfähig ist, musste der Senat nicht aufklären. Stände fest, dass diese Frage zu verneinen wäre, dürfte allerdings gar keine Aufforderung erfolgen. Keinem Notarassessor kann zugemutet werden, sich zwangsweise auf eine nicht tragfähige Stelle zu bewerben, wenn nicht eine hinreichende Einkommensergänzung gewährleistet ist. Die bestehenden Zweifel sind aber jedenfalls im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Wenn es angesichts der erheblichen Risiken, die mit der Übernahme der Stelle verbunden sind, Bewerber gibt, die die Stelle gleichwohl anstreben, ist es unverhältnismäßig, einen Notarassessor, der diese Stelle erklärtermaßen wegen der damit verbundenen - jedenfalls aus seiner Sicht nicht tragbaren - wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht antreten möchte, "aufzudrängen". Das legitime Anliegen, die Stelle mit einem qualifizierten Notar zu besetzen, erfordert dies angesichts der erfolgversprechenden Möglichkeit einer zweiten Ausschreibung und dann freiwilligen Besetzung gerade nicht.

ee) Das Hauptargument des Antragsgegners gegen eine erneute Ausschreibung, dass sich dann voraussichtlich nur Auswärtige beworben hätten, trägt diese Entscheidung nicht. Zu einem steht dies keineswegs fest. Insbesondere dann, wenn etwaigen Bewerbern diejenigen Zusagen gemacht würden, die dem Antragsteller für den Fall einer vergleichsweisen Beilegung des Verfahrens angeboten wurden (Einkommensergänzung nach der Richtlinie 2000, Möglichkeit der Verlegung des Amtssitzes vor Ablauf von fünf Jahren), erscheint eine "freiwillige" Bewerbung eines rheinischen Notarassessors durchaus möglich.

Zum anderen wäre dagegen aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nichts grundsätzliches einzuwenden. Es ist danach zwar legitim, dass in § 7 Abs. 1 BNotO ein Vorrang für "Landeskinder" geregelt ist, dieser lässt jedoch den völligen Ausschluss geeigneter landesfremder Bewerber nicht zu (BVerfG, Beschluss vom 28.04.2005 - 1 BvR 2231/02 -, Rdnr. 31). Bewerber, die nicht aus dem Kreis der Notarassessoren der Rheinischen Notarkammer stammen, dürfen nicht allein deswegen bei einer Ausschreibung zurückgewiesen werden. Deshalb kann die Verhinderung erfolgversprechender auswärtiger Bewerbungen aber auch kein legitimer Grund sein, die Stelle nicht erneut auszuschreiben, denn dies wird weder durch den Zweck des Aufforderungsverfahrens, die Sicherung der flächendeckenden vorsorgenden Rechtspflege, noch durch sonstige legitime Zwecke gerechtfertigt.

Der Einwand, viele auswärtige Bewerber entsprächen nicht den im Rheinland geltenden Anforderungen, trägt nicht. Die Ausschreibung einer Stelle ist keineswegs gleichbedeutend damit, dass auch ungeeignete Bewerber genommen werden müssen. Der Antragsgegner ist auch im Falle einer Ausschreibung nicht gehindert, ungeeignete Bewerber zurückzuweisen. Im übrigen ergibt sich aus dem Umstand, dass in den vergangenen Jahren mehrere Stellen im Bezirk der Rheinischen Notarkammer mit auswärtigen Bewerbern besetzt wurden, dass es auch außerhalb des Bezirks der Rheinischen Notarkammer geeignete Bewerber gibt. Es ist für den Senat auch nicht erkennbar, warum Bewerber, die bereits seit mehreren Jahren als Notare tätig sind, fachlich ungeeignet sein sollten. Die fachliche Eignung der Bewerber, die die Bewerbungsfrist nicht eingehalten haben, ist auch von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden.

Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung führt die Besetzung von Stellen, für die es im Kreis der Notarassessoren im Rheinland keine Interessenten gibt, mit auswärtigen Bewerbern, auch nicht zu einer konkreten Gefährdung einer geordneten Personalplanung. Die Gewährleistung einer geordneten Personalplanung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings ein legitimer Zweck, der die Nichtberücksichtigung auswärtiger Bewerber rechtfertigen kann (BVerfG, Beschluss vom 28.04.2005 - 1 BvR 2231/02 -, Rdnr. 26f.). Im konkreten Fall rechtfertigt dieser Gesichtspunkt den Verzicht auf die erneute Ausschreibung jedoch nicht. Es ist ohne weiteres möglich, einer erfolgreichen auswärtigen Bewerbung dadurch Rechnung zu tragen, dass in Zukunft ein Notarassessor weniger eingestellt wird. Für die anderen Bewerber verzögert sich die Bestellung zum Notar dann nur um relativ kurze Zeit, denn nach den Darlegungen des weiteren Beteiligten im Schriftsatz vom 15.01.2008 (S. 15, Bl. 391 d. A.) werden im Zeitraum von zwei Jahren etwa 30 Notarstellen ausgeschrieben, also im Schnitt mehr als eine im Monat. Deshalb hielten sich auch die der Rheinischen Notarkammer, die die Notarassessoren besoldet, entstehenden Mehrkosten in einem überschaubaren Rahmen. Im Zweifel fielen diese deutlich geringer aus als die dem Antragsteller im Fall eines Vergleichs zugesagte Einkommensergänzung nach der Richtlinie 2000.

Es ist auch nicht so, dass die dienstjüngeren Notarassessoren dadurch benachteiligt würden, dass sich dienstältere Notarassessoren nicht bewerben und dadurch Auswärtige zum Zuge kommen. Zum einen hätten sich diejenigen unter ihnen, die sich bereits um ausgeschriebene Stellen bewerben dürfen, ja auch um diese Stelle bewerben können. Zum anderen wäre dieselbe zeitliche Verzögerung auch eingetreten und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedenkenlos hinzunehmen, wenn die Auswärtigen sich bereits auf die erste Ausschreibung beworben hätten.

3. Schließlich hat der Senat auch durchgreifende Bedenken gegen die konkrete Auswahlentscheidung des Antragsgegners.

a) Allerdings ist es nicht zu beanstanden, dass nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie bestimmte Notarassessorinnen und -assessoren von der Möglichkeit der Aufforderung aufgrund ihrer Tätigkeit ausgenommen werden, der Antragsteller aber nicht zu diesem Kreis gerechnet wurde.

aa) Nach dieser Regelung sind lediglich solche Notarassessorinnen und -assessoren, die auf der Geschäftsstelle einer Notarkammer oder beim Deutschen Notarinstitut tätig sind, von der Aufforderung befreit. Das ist sachgerecht. Die Tätigkeit bei diesen Einrichtungen dient der Funktionsfähigkeit des Notariats. Hierfür kommen nur Notarassessorinnen und -assessoren in Betracht, die bereits einen erheblichen Teil der dreijährigen Mindestassessorenzeit abgeleistet haben. Zugleich ist die Ausübung dieser Tätigkeiten nur sinnvoll, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgt. Das hat aber zur Folge, dass diese Notarassessorinnen und -assessoren regelmäßig zu den dienstältesten zählen und deshalb gerade wegen ihrer Tätigkeit für eine Aufforderung in Betracht kämen. Die damit verbundenen Nachteile würde aber die Besetzung dieser Stellen mit geeigneten Bewerbern erheblich gefährden, wenn sie nicht von dem Aufforderungsverfahren ausgenommen würden.

bb) Zu Unrecht meint der Antragsteller, er selbst falle unter § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie, weil er zur Zeit der Aufforderung als Notariatsverwalter selbst der Geschäftsstelle der Rheinischen Notarkammer zugewiesen gewesen sei. Nach Sinn und Zweck der Regelung betrifft diese Ausnahmebestimmung Notariatsverwalter nicht. Diese sind nicht "auf der Geschäftsstelle" i. S. der Richtlinie tätig. Damit sind ersichtlich nur die Geschäftsführer der Kammern und sonstigen unmittelbar für Angelegenheiten der Kammer tätigen Notarassessorinnen und -assessoren gemeint. Nur für diese ist die Ausnahme aus den vorgenannten Gründen auch gerechtfertigt. Ein Notariatsverwalter ist dagegen nicht gehindert, sich jederzeit um eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben und bedarf deshalb des Schutzes, der mit dieser Regelung bezweckt wird, nicht.

b) Mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren ist aber die in § 4 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie vorgesehene generelle Ausnahme für solche Notarassessorinnen und -assessoren, "denen Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz gewährt wurde". Diese Regelung wendet der Antragsgegner auch auf Notarassessorinnen und -assessoren an, die Elternzeit in Anspruch nehmen.

Die Regelungen über die Elternzeit gem. § 15 BEEG haben zum 01.01.2007 die Bestimmungen über den Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz abgelöst. Von daher ist es sachgerecht, diese Ausnahmeregelung auch auf die Elternzeit anzuwenden.

Es ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht mehr sachgerecht, auch solche Notarassessorinnen und -assessoren, die sich in Elternzeit befinden, generell von der Aufforderung auszunehmen, die sich parallel dazu um andere Stellen bewerben und diese - jedenfalls teilweise - auch erhalten. Wenn Notarassessorinnen und -assessoren sich aus der Elternzeit heraus um eine Notarstelle bewerben, zeigt dies an, dass sie (wieder) einsatzfähig sind. Dann gibt es aber auch keinen Grund, sie generell von der Aufforderung auszunehmen. Etwa gleichwohl aufgrund der Elternschaft noch bestehende Einschränkungen, die im konkreten Fall eine Bewerbung unzumutbar erscheinen lassen, können ohne weiteres im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Der generelle Ausschluss dieses Personenkreises vom Aufforderungsverfahren kann dagegen im Einzelfall dazu führen, dass der Bewerber A aufgefordert wird, sich um eine - aus welchen Gründen auch immer - wenig attraktive Stelle zu bewerben, während sich der in Elternzeit befindende Bewerber B hierzu im Hinblick auf die Elternzeit nicht aufgefordert werden kann, aber die Möglichkeit hat, sich auf eine arbeitsintensive und dementsprechend lukrative Stelle - evtl. sogar am selben Ort - zu bewerben. Das ist ersichtlich nicht durch den Zweck der Elternzeit, Arbeitnehmern die Harmonisierung von Erwerbs- und Erziehungsarbeit zu ermöglichen, legitimiert.

4. Die in der mündlichen Verhandlung weiter aufgeworfene Frage, ob allein schon der Umstand, dass es zum Zeitpunkt der Aufforderung des Antragstellers noch nicht beschiedene Bewerbungen gab, die - nach Auffassung des Antragsgegners - verfristet waren, bedarf keiner Entscheidung mehr. Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass auch verfristete Bewerbungen - zeitnah - zu bescheiden sind. Im Hinblick darauf, dass die Aufforderung aber bereits aus den vorstehend dargelegten Gründen rechtswidrig ist, kommt es auf eine Entscheidung dieser Frage, die wegen der zwischenzeitlich erfolgten Bescheidung neu zu beurteilen sein könnte, nicht mehr an, so dass es auch einer Widereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht bedurfte.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs. 4 S. 2 BNotO i. V. m. § 201 BRAO. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Auslagen des Antragstellers folgt aus § 13a FGG.

D.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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