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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.08.2000
Aktenzeichen: 2 W 155/00
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 313
InsO § 304
InsO § 7
InsO § 6
InsO § 100
ZPO § 850 c
ZPO § 850 c Abs. 4
ZPO §§ 850 ff.
ZPO § 793 Abs. 2
ZPO § 568 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 793 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 W 155/00 9 T 444/00 Landgericht Dortmund 258 IK 10/99 Amtsgericht Dortmund

In dem Insolvenzverfahren

über das Vermögen der Frau H. M., Z. straße .., ..... D.,

an dem hier beteiligt sind

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Jäger sowie der Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn und Sternal

am 18. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 16. Juni 2000 gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. Mai 2000 - 9 T 444/00 - wird zugelassen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 16. Juni 2000 wird der Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. Mai 2000 - 9 T 444/00 - aufgehoben. Die Sache wird unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Rechtspflegers des Amtsgerichts Dortmund vom 26. April 2000 zur Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin vom 12. April 2000 gegen den Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts Dortmund vom 6. April 2000 - 258 IK 10/99 - an das Amtsgericht Dortmund zurückgegeben.

Die im Verfahren der sofortigen Beschwerde vor dem Landgericht Dortmund - 9 T 444/00 - und im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Köln - 2 W 155/00 - angefallenen Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Entscheidung über die übrigen im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten wird dem Amtsgericht Dortmund übertragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat durch Beschluß vom 26. August 1999 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 4) zum Treuhänder gemäß § 313 InsO ernannt.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Oktober 1999, der am 15. Oktober 1999 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, hat die Schuldnerin beantragt, den pfändungsfreien Anteil ihres Einkommens gemäß § 850 f ZPO oder in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auf DM 2.075,14 anzuheben. Sie hat ausgeführt, ausweislich einer Bescheinigung der Stadt D. vom 29. September 1999 betrage ihr sozialhilferechtlicher Bedarf DM 2.075,14. Da ihr dieser Betrag bei Abführung der pfändbaren Lohnanteile nicht verbleibe, sei zur Sicherung ihres Existenzminimums eine entsprechende Anhebung erforderlich.

Durch Beschluß vom 10. Dezember 1999 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen. § 850 f ZPO sei im Insolvenzverfahren weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die gegen diesen Beschluß gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 16. Dezember 1999 hat das Landgericht Dortmund durch Beschluß vom 6. Januar 2000 - 9 T 1397/99 - (veröffentlicht in NZI 2000, 182 f) als unzulässig verworfen. Das Landgericht hat ausgeführt, das Rechtsmittel sei mangels Rechtsschutzbedürfnis der Schuldnerin unzulässig. Für die Berechnung und Gewährung von Unterhalt sei (zunächst) der Treuhänder zuständig. Daher hätte die Schuldnerin zunächst bei ihm einen Antrag auf Erhöhung des unpfändbaren Anteils ihres Einkommens stellen müssen. Erst dann, wenn der Treuhänder und die Gläubigerversammlung sich weigerten, eine Erhöhung des Unterhalts zu bewilligen, stehe einem Schuldner der Weg zur Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung frei. Dieser Beschluß des Landgerichts ist nicht mit einem Rechtsmittel angefochten worden.

Die Gläubiger, die Beteiligten zu 2) und 3), haben einer Erhöhung des pfändungsfreien Betrages nicht zugestimmt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23. März 2000 hat die Schuldnerin daraufhin bei dem Insolvenzgericht in Anlehnung an den Beschluß des Landgerichts vom 6. Januar 2000 beantragt festzustellen, daß ihr unpfändbares Einkommen im Insolvenzverfahren mit monatlich DM 2.075,14 anzunehmen sei, und den Treuhänder anzuhalten, ihr diesen Betrag zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts durch Beschluß vom 6. April 2000 abgelehnt. Er hat ausgeführt, der nach § 850 c ZPO pfändbare Teil des Arbeitseinkommens der Schuldnerin falle als Neuerwerb in die Masse. Darin, daß der Treuhänder den über die Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO hinausgehenden Teil des Einkommens an die Gläubiger auszahle, liege keine Vollstreckungsmaßnahme, auf die § 850 f ZPO anwendbar wäre. Die Entscheidung der Gläubiger, daß Unterhalt aus der Masse nicht geleistet werden solle, könne das Insolvenzgericht nicht überprüfen. Dies folge schon daraus, daß die Bestimmung des § 114 Abs. 3 des Regierungsentwurfs, wonach das Insolvenzgericht im Streitfall über den Unterhalt aus der Insolvenzmasse entscheiden sollte, gestrichen worden und nicht in § 100 InsO übernommen worden sei.

Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 11. April 2000 zugestellten Beschluß hat die Schuldnerin mit einem am Folgetage bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 12. April 2000 "sofortige Beschwerde, hilfsweise Erinnerung" eingelegt. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat diesen Rechtsbehelf mit Verfügung vom 26. April 2000 dem Landgericht Dortmund zur Entscheidung vorgelegt. Durch Beschluß vom 8. Mai 2000 - 9 T 444/00 - hat das Landgericht den von ihm als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Rechtspflegers vom 6. April 2000 angesehen Rechtsbehelf als unzulässig verworfen. Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, da Entscheidungen des Insolvenzgerichts gemäß § 6 Abs. 1 InsO nur in denen Fällen einen Rechtsmittel unterlägen, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsehe. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Soweit die Kammer in ihrem Beschluß vom 6. Januar 2000 angedeutet habe, daß ein Schuldner eine gerichtliche Entscheidung erwirken könne, wenn der Treuhänder und der Gläubigerausschuß sich weigerten, eine Erhöhung des Unterhalts zu bewilligen, halte sie an dieser - den Beschluß vom 6. Januar 2000 nicht tragenden - Rechtsansicht nicht fest.

Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 6. Juni 2000 zugestellten Beschluß des Landgerichts vom 8. Mai 2000 wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde vom 16. Juni 2000 und dem hiermit verbundenen Antrag vom selben Tage auf Zulassung dieses Rechtsmittels. Sie vertritt die Ansicht, die Erstbeschwerde sei entgegen der Auffassung des Landgerichts in entsprechender Anwendung der §§ 34 und 216 InsO zulässig. Dadurch, daß der Schuldnerin das Existenzminimum nicht zugebilligt werde, werde mit der angegriffenen Entscheidung faktisch die Eröffnung des Insolvenzverfahren abgelehnt.

II.

1. Das Oberlandesgericht Köln ist gem. § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 1 der Verordnung des Landes NRW über die Zusammenfassung der Entscheidungen über die weiteren Beschwerden in Insolvenzsachen vom 6. November 1998 (GVBl. NW 1998, 550; NZI 1999, 66) zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Schuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Dortmund vom 8. Mai 2000 berufen.

2. Der Senat läßt die weitere Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 InsO zu. Das Rechtsmittel und der Antrag auf seine Zulassung sind in rechter Frist angebracht worden. Die Schuldnerin macht geltend, daß die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Die Frage des Rechtsmittelzuges im Falle der Entscheidung des Insolvenzgerichts über einen Antrag nach § 850 f ZPO hat grundsätzliche Bedeutung, so daß die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Die weitere Beschwerde ist auch statthaft. Allerdings knüpft die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO betreffend die Statthaftigkeit des Rechtsmittels an die Regelung des § 6 Abs. 1 InsO an, so daß grundsätzlich der Rechtsmittelzug nach § 7 Abs. 1 InsO zum Oberlandesgericht nur in den Fällen eröffnet ist, in denen gegen die Ausgangsentscheidung des Insolvenzgerichts die sofortige Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO gegeben war (vgl. BGH NJW 2000, 1869 = NZI 2000, 260 = ZIP 2000, 755; Senat, NJW-RR 1999, 996 [997] = NZI 1999, 198 [199] = ZIP 1999, 586 [587]; Senat, NJW-RR 2000, 782 = NZI 2000, 130 = ZInsO 2000, 104; Senat, NZI 2000, 317 [318]; BayObLGZ 1999, 200 [202] = NJW-RR 1999, 1570 = NZI 1999, 412 [413]; BayObLGZ 1999, 370 = NZI 2000, 129 = ZInsO 2000, 161; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1999, 1653 = NZI 1999, 453; OLG Naumburg, NZI 2000, 263; a.A. OLG Frankfurt, NZI 2000, 137; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 222 =Rpfleger 2000, 264). Dabei hat das Gericht der weiteren Beschwerde indes (auch) die Frage zu überprüfen, ob die Ausgangsentscheidung des Landgerichts der Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO unterliegt. Diese Prüfung ergibt hier, daß das Landgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rechtsbehelf der Schuldnerin gegen diese Ausgangsentscheidung zu Unrecht bejaht und mit der Verwerfung dieses Rechtsbehelfs als unzulässig zugleich gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen hat. Gerade weil - wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat - gegen die Entscheidung des Rechtspflegers des Insolvenzgerichts vom 6. April 2000 die sofortige Beschwerde gemäß den §§ 6 Abs. 1 InsO, 11 Abs. 1 RPflG nicht gegeben war, hätte das Landgericht über den Rechtsbehelf der Schuldnerin vom 12. April 2000 gegen diese Entscheidung nicht durch Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig befinden dürfen, sondern ihn unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Rechtspflegers an das Amtsgericht zur eigenen abschließenden Entscheidung nach § 11 Abs. 2 RPflG zurückgeben müssen. Die hiervon abweichende Entscheidung des Landgerichts vom 8. Mai 2000 verstößt damit sowohl gegen Art. 19 Abs. 4 GG als auch gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. In einem solchen Fall kann der Betroffene nicht auf die Verfassungsbeschwerde verwiesen werden. Vielmehr obliegt die Korrektur derartiger Verfassungsverstöße in erster Linie den Fachgerichten. § 7 Abs. 1 InsO ist deshalb verfassungskonform dahin auszulegen, daß er auch solche Fälle erfaßt.

Diese Beurteilung veranlaßt keine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 7 Abs. 2 Satz 1 InsO. Von den oben angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2000 (NJW 2000, 1869 = NZI 2000, 260 = ZIP 2000, 755), des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. Juli 1999 (BayObLGZ 1999, 200 [202] = NJW-RR 1999, 1570 = NZI 1999, 412 [413]) und vom 2. Dezember 1999 (BayObLGZ 1999, 370 = NZI 2000, 129 = ZInsO 2000, 161), des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 10. August 1999 (NJW-RR 1999, 1653 = NZI 1999, 453) und des Oberlandesgerichts Naumburg vom.10. März 2000 (NZI 2000, 263) weicht der Senat nicht ab. Mit der hier gegebenen Fallgestaltung einer Anfechtung eines Beschlusses des Rechtspflegers, gegen den, wenn ihn statt dessen der Richter erlassen hätte, gemäß § 6 Abs. 1 InsO kein Rechtsmittel gegeben wäre, hat sich keine dieser Entscheidungen befaßt.

3. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, ist gegen die Entscheidung des Rechtspflegers des Amtsgerichts vom 6. April 2000, durch welche dieser es abgelehnt hat, Maßnahmen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 850 f Abs. 1 ZPO zu treffen, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach den §§ 6 Abs. 1 InsO, 11 Abs. 1 RPflG nicht gegeben.

Die im Verfahren der weiteren Beschwerde vertretene Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin, vorliegend sei das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO in entsprechender Anwendung der §§ 34 Abs. 1, 216 Abs. 1 InsO gegeben, weil mit dem angefochtenen Beschluß des Rechtspflegers "faktisch" die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt worden sei, geht fehlt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist weder abgelehnt, noch ist dieses Verfahren eingestellt worden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht das Verfahren durch Beschluß vom 26. August 1999 eröffnet, und der Antrag der Schuldnerin ist gerade darauf gerichtet, die mit dieser Eröffnung verbundene Wirkung, daß der nach der Tabelle zu § 850 c ZPO pfändbare Teil ihres Arbeitseinkommens gemäß den §§ 35, 36 Abs. 1 InsO in die Masse fällt, in Anwendung von § 850 f Abs. 1 ZPO zu beschränken. Ein Fall des § 78 Abs. 1 Satz 2 InsO ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - hier schon deshalb nicht gegeben, weil diese Bestimmung nur ein Rechtsmittel eines Gläubigers zuläßt, während der Rechtsbehelf gegen den Beschluß des Rechtspflegers vom 6. April 2000 von der Schuldnerin eingelegt worden ist.

Die - von dem Rechtspfleger des Insolvenzgerichts im Streitfall verneinte - Frage, ob § 850 f Abs. 1 ZPO im Insolvenzverfahren gemäß § 4 InsO entsprechend anzuwenden ist und eine Entscheidung des Insolvenzgerichts ermöglicht, durch die dem Schuldner im Ergebnis ein höherer als der nach der Tabelle zu § 850 c ZPO unpfändbarer Teil seines Arbeitseinkommens belassen wird, wird nicht einheitlich beantwortet (vgl. LG Dortmund, NZI 2000, 182 [183]; AG Duisburg, NZI 2000, 385 [386]; Hintzen, Rpfleger 2000, 312 [314 f]; Kohte in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 781 ff [807 f], Rdn. 92; Mäusezahl, ZInsO 2000, 193 [195 f]; Steder, ZIP 1999, 1874 [1880 f]; Stephan, ZInsO 2000, 376 [377 ff]). Für die Beurteilung der hier erheblichen Frage, welche Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Insolvenzrechtspflegers gegeben ist, durch die ein Antrag des Schuldners auf eine Maßnahme im Sinne von § 850 f Abs. 1 ZPO abgelehnt wird, kommt es indes nicht darauf an, wie über einen Antrag auf eine solche Maßnahme in der Sache zu entscheiden ist, ob also § 850 f Abs. 1 ZPO im Insolvenzverfahren anzuwenden ist. Auch wenn man die Möglichkeit verneint, in entsprechender Anwendung des § 850 f Abs. 1 ZPO dem Schuldner einen die Grenze nach § 850 c ZPO übersteigenden Teil seiner Einkünfte zu belassen oder den Insolvenzverwalter oder Treuhänder im Wege der Aufsicht nach den §§ 58 Abs. 1, 313 Abs. 1 Satz 3 InsO zu einer entsprechenden Auszahlung zu veranlassen, handelt es sich bei der Entscheidung über einen solchen Antrag des Schuldners um eine Entscheidung des Insolvenzgerichts, deren Anfechtung sich nach den §§ 6 Abs. 1 InsO, 11 Abs. 1, 2 RPflG richtet.

Eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren, gegen die die sofortige Beschwerde nach den §§ 793 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG gegeben ist, wird in einem solchen Fall nicht getroffen. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Entscheidung über einen Antrag nach § 850 f Abs. 1 ZPO ist nach § 764 Abs. 2 ZPO an die zugrunde liegende Vollstreckungsmaßnahme, also an die Pfändung von Arbeitseinkommen gemäß § 829 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den §§ 850 ff ZPO geknüpft. An einer derartigen Maßnahme der Einzelvollstreckung, auf die sich die Zuständigkeit des Vollstreckungsgericht für die Entscheidung über einen Antrag nach § 850 f Abs. 1 ZPO gründen könnte, fehlt es im hier gegebenen Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Vielmehr handelt es sich bei Entscheidung darüber, inwieweit ein Vermögensgegenstand zur Insolvenzmasse einzuziehen ist, um eine Entscheidung im Insolvenzverfahren, die von dem Insolvenzgericht zu treffen ist (vgl. LG München I, ZInsO 2000, 410 [L.]; Hintzen, Rpfleger 2000, 312 [314]; Mäusezahl, ZInsO 2000, 193 [194]; Steder, ZIP 1999, 1874 [1880 f]; vgl. auch - jeweils zu § 850 c Abs. 4 ZPO - LG Wuppertal, NZI 2000, 327 [328]; AG Memmingen, ZInsO 2000, 240 [L.]; AG München, ZInsO 2000, 407; AG Solingen, ZInsO 2000, 240 [L.]).

Ein Rechtsmittel gegen eine derartige Entscheidung sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Hieran würde es nichts ändern, wenn man sie mit einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Kothe, a.a.O.; Hintzen, a.a.O.) als Maßnahme der Aufsicht nach den §§ 58, 313 Abs. 1 Satz 3 InsO ansieht, weil auch eine Beschwerde des Schuldners gegen solche Aufsichtsmaßnahmen oder deren Ablehnung in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen ist. Eine Beschwerde des Schuldners kommt daher in einem solchen Fall nicht in Betracht, weil nach § 6 Abs. 1 InsO die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel unterliegen, in denen die Insolvenzordnung selbst die sofortige Beschwerde vorsieht.

4. Daraus folgt indes nicht, daß der Rechtsbehelf der Schuldnerin gegen den Beschluß des Insolvenzgerichts vom 26. April 2000 - wie geschehen - von dem Landgericht als unzulässig zu verwerfen war. Da dieser Beschluß vom Rechtspfleger des Insolvenzgerichts erlassen worden und gegen ihn nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften, nämlich nach § 6 Abs. 1 InsO, ein Rechtsmittel nicht gegeben war, war gegen ihn vielmehr die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statthaft, über die - wenn der Rechtspfleger ihr nicht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG abhelfen sollte - der Richter des Insolvenzgerichts (abschließend) entscheidet (vgl. LG München II, ZInsO 2000, 410). Das Landgericht hätte deshalb über den Rechtsbehelf der Schuldnerin nicht - durch Verwerfung als unzulässig - entscheiden und damit entgegen Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG Rpfleger 2000, 205 [207]) eine sachliche Überprüfung der Entscheidung des Rechtspflegers durch einen Richter ausschließen dürfen, sondern es hätte den Rechtsbehelf unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Rechtspflegers an das zur abschließenden Entscheidung zuständige Insolvenzgericht zurückgeben müssen. Dies ist auf die weitere Beschwerde nachzuholen (vgl. OLG Koblenz, Rpfleger 1991, 298; Dallmeyer in Dallmeyer/ Eickmann, RPflG, 1996, § 11, Rdn. 240).

5. Für das weitere Verfahren vor dem Amtsgericht weist der Senat auf folgendes hin: Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG hat zunächst der Rechtspfleger darüber zu befinden, ob er dem Rechtsbehelf der Schuldnerin gegen seine Entscheidung vom 26. April 2000 abhilft. Nur wenn die Voraussetzungen für die Abhilfe nicht gegeben sind, ist der Rechtsbehelf nach § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG dem Richter des Insolvenzgerichts zu abschließender Entscheidung vorzulegen.

Bei der Entscheidung in der Sache wird das Amtsgericht auch zu bedenken haben, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 82, 60 [85]; BVerfG NJW 1992, 3153 [3154]; BVerfG NJW 1993, 1993, 643 [644]) das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) in Verbindung mit Art- 1 Abs. 1 GG verbietet, durch staatliche Maßnahmen dem Einzelnen den Teil des selbst erzielten Einkommens zu entziehen, der als Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Dieser Schutz des Existenzminimums wird im Verfahren der Einzelvollstreckung nicht allein durch die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO, sondern auch und gerade durch die Bestimmung des § 850 f Abs. 1 ZPO gewährt. Das spricht für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auch im Insolvenzverfahren (vgl. Hintzen, Rpfleger 2000, 312 [314]; Kohte, a.a.O., S. 781 [805 ff], Rdn. 83 ff; Steder, ZIP 1999, 1874 [1880]). Der Senat hält es ferner für sachdienlich, darauf hinzuweisen, daß das Gericht bei der Entscheidung nach § 850 f Abs. 1 ZPO an die Bescheinigung des Sozialamts nicht gebunden ist, sondern den anzunehmenden Sozialhilfebedarf des Schuldners in eigener Verantwortung zu ermitteln hat, wobei eine entsprechende Bescheinigung des örtlich zuständigen Sozialamtes lediglich eine Entscheidungshilfe in Form eine behördlichen Auskunft darstellt (vgl. Senat, NJW 1992, 2836; Senat, Rpfleger 1996, 118; LG Hamburg, Rpfleger 2000, 176).

6. Die Feststellung, daß das Landgericht seine Zuständigkeit verkannt hat, ist gleichbedeutend mit der Bejahung einer unrichtigen Sachbehandlung im Sinne von § 8 Abs. 1 GKG. Gerichtskosten für die Verfahren der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde sind deshalb nicht zu erheben. Die Entscheidung über die übrigen (außergerichtlichen) Kosten der Rechtsmittelverfahren muß dem Amtsgericht übertragen werden, da mit der Rückgabe der Sache an das Insolvenzgericht noch nicht feststeht, welcher Beteiligte obsiegt.

Ende der Entscheidung

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