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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 2 W 42/01
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 551 Nr. 7
ZPO § 577 Abs. 3
InsO § 4
InsO § 7 Abs. 3
InsO § 7 Abs. 1
InsO § 7
InsO § 6 Abs. 1
InsO § 34 Abs. 1
InsO § 7 Abs. 1 Satz 1
InsO § 6 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 W 39/01 2 W 42/01 3 T 268/00 LG Aachen 19 IN 354/99 AG Aachen

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Jäger sowie der Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn und Sternal

am 28. März 2001

beschlossen:

Tenor:

1.

Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) und des Beteiligten zu 3) vom 19. Februar 2001 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 31. Januar 2001 - 3 T 268/00 - werden zugelassen.

2.

Auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) und des Beteiligten zu 3) vom 19. Februar 2001 wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 31. Januar 2001 - 3 T 268/00 - aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerden der Beteiligten zu 2) und des Beteiligten zu 3) vom 9. September 1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Aachen vom 25. August 1999 - 19 IN 354/99 - an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Dem Landgericht wird auch die Entscheidung über die Kosten der Verfahren der weiteren Beschwerden (2 W 119/00, 2 W 126/00, 2 W 39/01, 2 W 42/01) übertragen.

Gründe

1.

Mit Schreiben vom 15. Juli 1999 haben sowohl die Beteiligte zu 2) als auch der Beteiligte zu 3) jeweils die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beteiligten zu 3) beantragt. Durch Beschluß vom 25. August 1999 hat das Amtsgericht den Eröffnungsantrag "des Gläubigers" zurückgewiesen und der "antragstellenden Partei" die Kosten des Verfahrens auferlegt. Hiergegen haben die Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz vom 9. September 1999 sofortige Beschwerde eingelegt. Unter dem 10. November 1999 haben die Beschwerdeführer den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für erledigt erklärt, nachdem der Beteiligte zu 1) eine größere Zahlung erbracht und die Beteiligten sich über weitere Zahlungen verständigt hatten. Dieser Erledigungserklärung hat sich der Beteiligte zu 1) nicht angeschlossen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 2. Dezember 1999 den Beschwerden nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die einseitige Erledigungserklärung könne wegen der "weiter bestehenden sofortigen Beschwerde" nicht berücksichtigt werden. Das Landgericht hat die Rechtsmittel durch Beschluß vom 18. April 2000 zurückgewiesen und hierbei auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung verwiesen. Auf die hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom 16. Juni 2000 - 2 W 119/00 und 2 W 126/00 - die Entscheidungen des Landgerichts wegen fehlender Sachverhaltsdarstellung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. In den Beschlüssen hat der Senat unter anderem darauf hingewiesen, es könne nicht festgestellt werden, ob die Kammer rechtsfehlerfrei berücksichtigt habe, daß die Gläubiger nach Erlaß der angegriffenen Erstentscheidung den Antrag einseitig für erledigt erklärt hätten.

Durch Beschluß vom 31. Januar 2001 hat die Kammer unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Beschluß des Amtsgerichts Aachen vom 25. August 1999 "klarstellend dahingehend abgeändert, daß die Eröffnungsanträge der Beteiligten zu 2) und 3) vom 15. Juli 1999 zurückgewiesen werden." Zur Begründung hat das Landgericht wiederum auf die Ausführungen in der angefochtenen Ausgangsentscheidung und dem Nichtabhilfebeschluß verwiesen und ausgeführt, das "weitere Beschwerdevorbringen beinhalte letztlich keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung hätten rechtfertigen können."

Gegen diese Entscheidung wenden sich sowohl die Beteiligte zu 2) als auch der Beteiligte zu 3) mit weiteren sofortigen Beschwerden vom 19. Februar 2001, jeweils verbunden mit einem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels.

2.

Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO in Verbindung mit § 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Zusammenfassung der Entscheidungen über die weiteren Beschwerden in Insolvenzsachen vom 6. November 1998 (GVBl. NW 1998, 550; NZI 1999, 66) zur Entscheidung über die von den Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluß des Landgerichts Aachen vom 31. Januar 2001 eingelegten Rechtsmittel berufen.

a)

Der Senat läßt die Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 InsO zu.

Die von der Beteiligten zu 2) und dem Beteiligten zu 3) angebrachten Rechtsmittel sind statthaft. Es liegt eine dem Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde grundsätzlich zugängliche Ausgangsentscheidung des Landgerichts im Sinne des § 7 InsO vor (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat, NZI 2000, 367; HK/Kirchhof, InsO, 2. Auflage 2001, § 7 Rdnr. 5 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Gegen die Ablehnung der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens findet gemäß §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde statt.

Die sofortigen weiteren Beschwerden und die Anträge auf Zulassung sind form- und fristgerecht eingereicht worden (§§ 4, 7 InsO, 569, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsmittel nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO sind ebenfalls gegeben. Die Beschwerdeführer stützen ihre Rechtsmittel auf eine Verletzung des Gesetzes. Sie rügen, die angefochtene Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§ 551 Nr. 7 ZPO), da das Beschwerdegericht nicht die einseitige Erledigungserklärung berücksichtigt habe. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bereits deshalb geboten, weil der zur Entscheidung gestellten Frage, welche Anforderungen an die Abfassung einer Beschwerdeentscheidung in Insolvenzsachen zu stellen sind und inwieweit das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung auf den Vortrag der Beteiligten einzugehen hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

b)

Die zulässigen sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) und des Beteiligten zu 3) sind mit der Maßgabe begründet, daß der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ist.

Der angefochtene Beschluß des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, 550, 561 ZPO), da die Entscheidung nicht mit Gründen im Sinne des § 551 Nr. 7 ZPO versehen ist. Dieser Umstand stellt einen besonders schweren Verfahrensverstoß dar, der zu der unwiderleglichen Vermutung führt, die Beschwerdeentscheidung beruhe auf einer Gesetzesverletzung (Prütting in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 8. Lieferung November 2000, § 7 Rdnr. 24). Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nicht nur, wenn sie als solche überhaupt nicht begründet ist, sondern bereits auch dann, wenn auf einzelne Ansprüche oder auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen wird (BGH, NJW 1963, 2272 [2273]; BGH, MDR 1980, 734; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Auflage 2001, § 551 Rdnr. 8). Dem Fehlen von Entscheidungsgründen steht gemäß § 551 Nr. 7 ZPO ferner gleich, wenn diese sich auf völlig nichtssagende Floskeln oder die Aufzählung der Rechtsansichten der Parteien beschränken. Daher reicht eine alleinige Bezugnahme auf vorinstanzliche Entscheidungsgründe nur in dem seltenen Fall aus, daß erst- und zweitinstanzliches Vorbringen einschließlich der rechtlichen Beurteilung übereinstimmen. Soweit in der Beschwerdeinstanz neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht werden, scheidet eine Bezugnahme schon deshalb aus, weil der Beschluß des Insolvenzgerichts keine Gründe enthalten kann, denen sich das Beschwerdegericht anschließen könnte (Zöller/Gummer, a.a.O., 22. Auflage 2001, § 551 Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Diesen Anforderungen an eine Begründungspflicht genügt die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht. Es fehlt bereits an einer eigenständigen Auseinandersetzung mit den rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen der Beteiligten in dem Beschwerdeverfahren. Statt dessen verweist die Kammer formelhaft auf die "zutreffenden und den Beteiligten bekannten Ausführungen des Amtsgerichts in dem Beschluß vom 25. August 1999 sowie in der Nichtabhilfeentscheidung mit Beschluß vom 2. Dezember 1999", "um unnötige Wiederholungen zu vermeiden." Zusätzlich heißt es lediglich pauschal, das Beschwerdevorbringen beinhalte keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte.

Weitere Ausführungen seitens des Beschwerdegerichts waren bereits deshalb notwendig, weil sich - worauf der Senat die Kammer ausdrücklich in den Beschlüssen vom 16. Juni 2000, 2 W 119/00, 2 W 126/00, hingewiesen hat - die Verfahrenssituation geändert hatte. Nachdem das Insolvenzgericht die Eröffnungsanträge mit einer Einschränkung für zulässig erachtet hatte (vgl. den Vermerk vom 20. Juli 1999, Bl. 44 ff. d.GA.) und Zahlungen seitens der Beteiligten zu 1) erfolgt sind, haben die Beteiligten zu 2) und 3) das Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Schriftsatz vom 10. November 1999 einseitig für erledigt erklärt und ausdrücklich die Feststellung der Erledigung beantragt.

Eine derartige einseitige Erledigungserklärung ist nach absolut herrschender Meinung in der Rechtsprechung (OLG Celle, NZI 2001, 150; LG Bonn, ZIP 2001, 342 [344f.]; AG Köln, NZI 2000, 89 [90]; AG Münster, NZI 2000, 444; so auch der Senat bereits für das Konkursverfahren: NJW-RR 1994, 445 f.; a.A. zu dem Eröffnungsverfahren, jedoch ohne Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur: AG Kleve, DZWIR 2000, 215) und Literatur (Delhaes in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Auflage 2000, S. 155 ff. Rdnr. 52 ff.; HK/Kirchhof, InsO, 2. Auflage 2001, § 14 Rdnr. 36; Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Auflage 2001, § 10 Rdnr. 8; Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 2. Lieferung November 2000, § 13 Rdnr. 111 ff.; Pape in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 8. Lieferung November 2000, § 13 Rdnr. 22 ff.; FK/Schmerbach, InsO, 2. Auflage 2001, § 13 Rdnr. 103 ff.) im Insolvenzeröffnungsverfahren statthaft. Der Verweis des § 4 InsO auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung bezieht sich nicht allein auf die ausdrücklich geregelten Paragraphen, sondern darüber hinaus auf die in der ZPO entwickelten Grundsätze, sofern sie auf das Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar sind und in der Insolvenzordnung keine Regelung besonderer Art getroffen wurden (Mönning in: Nerlich/Römermann, a.a.O., § 13 Rdnr. 111).

Schließt sich der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht an oder verzichtet er auf die Abgabe einer Erklärung, so müssen entsprechend den Grundsätzen der einseitigen Erledigung dem Schuldner die Kosten des Insolvenzantragsverfahrens auferlegt werden, wenn der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war und erst durch die erledigende Zahlung unbegründet geworden ist. Der Gläubiger hingegen hat die Kosten dann zu tragen, wenn sein Antrag Mängel aufgewiesen hat und das Gericht die Eröffnung hätte ablehnen müssen (vgl. Pape in: Kübler/Prütting, a.a.O., § 13 Rdnr. 23).

Unter Beachtung dieser Grundsätze wird die Kammer nunmehr umfassend und eigenständig für jeden Antragsteller gesondert prüfen müssen, ob die Gläubiger ursprünglich jeweils ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besaßen und ihre Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht haben (§§ 13 ff. InsO). Hierbei reicht es nicht aus, pauschal auf die Ausführungen des Insolvenzgerichts in der Ausgangs- bzw. Nichtabhilfeentscheidung zu verweisen. Dieses Gericht hat bereits nicht die Erklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) vom 10. November 1999 berücksichtigt. Insoweit hat es unter Verkennung, daß abweichend von § 577 Abs. 3 ZPO § 6 Abs. 2 Satz 2 InsO dem Insolvenzgericht ausdrücklich die Befugnis gibt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen, in dem Beschluß vom 2. Dezember 1999 ausdrücklich ausgeführt, "die sich aus der einseitigen Erledigungserklärung der Eröffnungsantragsteller ergebende Änderung des Verfahrensgegenstandes" könne "im Hinblick auf die weiter bestehende sofortige Beschwerde nicht durch eine abschließende Entscheidung" berücksichtigt werden. Erst recht konnte das Insolvenzgericht nicht zu den weiteren umfangreichen Ausführungen der Beteiligten zu 2) und 3) in den Rechtsmittelverfahren Stellung nehmen.

3.

Da mit der Zurückverweisung noch nicht feststeht, ob die Erstbeschwerde im Ergebnis Erfolg hat, muß auch die Entscheidung über die Kosten der vorliegenden und der früheren weiteren Beschwerdeverfahren dem Landgericht übertragen werden.

Ende der Entscheidung

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