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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.03.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 105/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 105/04

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde des Angeklagten vom 11.02.2004 gegen den Beschluß der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 22.01.2004 - 109-16/03 - , soweit darin unter Ziffer 2. auf Antrag der Staatsanwaltschaft der dingliche Arrest zur Zurückgewinnungshilfe zugunsten der Firma T GmbH & Co. KG in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 3.206.292,88 € angeordnet worden ist, unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ahn-Roth und des Richters am Oberlandesgericht Scheiter

am 30.03.2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Gegen den Angeklagten hat die Staatsanwaltschaft Köln unter dem 18.07.2003 Anklage erhoben, mit der ihm Beihilfe in 17 Fällen zu Veruntreuungen des Mitangeklagten C sowie gemeinschaftliche Steuerverkürzung in 11 Fällen vorgeworfen wird.

Die Angeklagten sollen der Firma T GmbH & Co KG (einem Tochterunternehmen der B AG, dessen Geschäftsführer C war) bei der Beschaffung von Hardware für die T GmbH & Co. KG durch Einbindung eines Zwischenhändlers, zu dessen Gunsten Rabatte generiert wurden, die nicht in voller Höhe an die T GmbH & Co. KG weitergegeben wurden, Schaden zugefügt haben. Die Differenz sollen A und C für sich behalten haben. Wegen der Einzelheiten der Vorwürfe wird im übrigen ergänzend auf die Anklageschrift Bezug genommen.

Die Strafkammer hat die am 01.10.2003 begonnene Hauptverhandlung am 21.11.2003 ausgesetzt, weil sie weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft für erforderlich hielt. Nachdem der Senat daraufhin den Haftbefehl des Amtsgerichts Köln vom 11.10.2002 gegen C durch Beschluß vom 22.12.2003 - 2 Ws 684/03 - aufgehoben hat, hob die Strafkammer in Ziff. 1 des angefochtenen Beschlusses auch den (bereits seit dem 27.05.2003 ausgesetzt gewesenen) Haftbefehl vom gleichen Tage gegen den Angeklagten A auf. Eine neue Hauptverhandlung kommt nach Mitteilung der - seit Januar 2004 neu besetzten - Strafkammer nicht vor September 2004 in Betracht.

Zugleich mit der Aufhebung des Haftbefehls ordnete das Landgericht unter Ziff. 2 der angefochtenen Entscheidung auf Antrag der Staatsanwaltschaft den dinglichen Arrest zur Zurückgewinnungshilfe zugunsten der Firma T GmbH & Co. KG in das Vermögen des Angeklagten A in Höhe eines Betrages von 3.206.292,88 € an.

II.

Gegen die Arrestanordnung wendet sich der Angeklagte A mit seiner Beschwerde, die zulässig ist, aber ohne Erfolg bleibt.

Die Strafkammer hat die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Arrestes zur Zurückgewinnungshilfe zu Gunsten der geschädigten Firma T GmbH & Co. KG ( §§ 73 Abs. 1 Satz 2, 73 a, 266,27,53 StGB i.V.m. §§ 111 b Abs. 1 u. 5, 111 d Abs. 1 u. 2, 111 e Abs. 1 StPO) mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehmen kann, bejaht.

Die Beschwerdebegründung gibt Anlaß zu folgender Ergänzung :

Der strafrechtliche Arrest erfordert - wie jeder vorläufige Eingriff in die Rechte des Beschuldigten - grundsätzlich ein Sicherungsbedürfnis, das sich für den Arrest zusätzlich auch aus der über §§ 111 b Abs. 5 u.2, 111 d Abs. 2 StPO in Bezug genommenen Bestimmung des § 917 ZPO in Gestalt des Arrestgrundes ergibt (vgl. KMR-Mayer § 111 b StPO Rn 19,20).

Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es fehle am Sicherungsbedürfnis, weil die Firma T GmbH & Co. KG wegen ihrer vermeintlichen Schadensersatzansprüche bereits einen Arrest erwirkt und vollzogen habe, trifft das nicht zu.

Zwar hat die T GmbH & Co. KG gegen den Beschwerdeführer einen durch Urteil des 15. Zivilsenats vom 27.08.2002 - 15 U 61/02 - bestätigten Arrestbefehl des Amtsgerichts Köln vom 12.12.2001 erwirkt, der - auch der Höhe nach - dieselben Ansprüche betrifft, die Gegenstand der jetzt erfolgten Arrestanordnung sind. Der Arrest ist auch vollzogen worden, u.a. durch Eintragung von Sicherungshypotheken auf verschiedenen Immobilien des Angeklagten A. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Aufstellung der B AG vom 30.10.2002 (Bl. 688 ff), die die im einzelnen durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen enthält.

Die Vollziehung des früheren Arrestes läßt den Arrestgrund für die neuerliche Arrestanordnung gleichwohl nicht entfallen. Für das zivilrechtliche Arrestverfahren ist allgemein anerkannt, dass ein bereits anderweitig erwirkter Arrest nach Ablauf der Vollziehungsfrist weder der Zulässigkeit eines neuen Arrestantrages noch der Bejahung eines Arrestgrundes entgegensteht (vgl. nur Schuschke-Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 2.A., § 917 ZPO Rn 8 m.w.N.)

Diese Rechtslage gilt bei sinngemäßer Anwendung der den Arrestgrund beim dinglichen Arrest regelnden Bestimmung des § 917 ZPO auch für die Arrestanordnung im Strafverfahren nach § 111 d StPO.

Soweit im Falle der Zurückgewinnungshilfe der Arrestgrund weiterhin voraussetzt, dass der Geschädigte seine Ansprüche auch selbst verfolgt (vgl. dazu KMR-Mayer aaO Rn 21), fehlt es auch an diesem Erfordernis nicht. Denn die T GmbH & Co. KG hat Klage in der Hauptsache erhoben, über die allerdings noch nicht entschieden ist (LG Köln 28 O 381/02).

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass das Landgericht den ihm bei der Anordnung des Arrestes eingeräumten Beurteilungsspielraum deswegen überschritten hat, weil die T GmbH & Co. KG den vom Angeklagten A angebotenen Vergleich über einen Betrag von 6 Millionen € nicht angenommen hat. Auch dieser Umstand läßt das Sicherungsbedürfnis der T GmbH & Co. KG nicht entfallen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, es müsse unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Übersicherung der Wert der von der geschädigten Firma bereits arrestierten Vermögenswerte ermittelt und dieser von der festzusetzenden Arrestsumme abgezogen werden. Umfangreiche und zeitaufwändige Wertermittlungen vor Erlaß der Arrestanordnung, wie sie die Generalstaatsanwaltschaft für erforderlich hält, sind mit dem Zweck rascher Sicherung von Ansprüchen in einem summarischen Verfahren nicht vereinbar.

Im übrigen vermag der Senat eine Übersicherung anhand des insoweit nicht näher substanziierten Vorbringens der Verteidigung auch nicht festzustellen. Nach den Angaben der T GmbH & Co. KG soll der Wert der gepfändeten Vermögensgegenstände "weit unter der Klageforderung" liegen, vgl. Bl. 2264. Das deckt sich mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers insoweit, als dieser selbst anläßlich der Vergleichsverhandlungen mit der T GmbH & Co. KG die zur Erfüllung etwaiger Ansprüche zur Verfügung stehenden Vermögenswerte mit nicht mehr als 2 Millionen € angegeben hat (vgl. Bl. 1694 ). Angesichts dessen hätte es eines substanziierten Vortrages der Verteidigung dazu bedurft, dass der frühere Arrest entgegen der eigenen Darstellung bereits zur vollständigen Sicherung der Ansprüche ausgereicht haben soll; daran fehlt es.

Die Arrestanordnung ist - jedenfalls gegenwärtig - entgegen der Auffassung der Verteidigung auch nicht unverhältnismäßig. Nach neuerer Rechtsprechung des Senats gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Maßnahmen der Sicherstellung von Gegenständen nach §§ 111 b ff StPO; allerdings sind die insoweit zu stellenden Anforderungen weniger streng als bei Haftentscheidungen (vgl. Senat 18.06.2003 - 2 Ws 343/03 - <= StV 2004,121> und 10.02.2004 - 2 Ws 704/03 - ). Mit den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen steht die angefochtene Arrestanordnung in Einklang. Die 6-Monatsfrist gem. § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO, vor deren Ablauf nicht einmal dringende Gründe für die Fortdauer der Maßnahme vorliegen müssen, ist noch längst nicht abgelaufen; die Arrestanordnung dauert erst wenig mehr als 2 Monate an und belastet den Beschwerdeführer entsprechend gering. Ob die Fortdauer der Arrestanordnung nach Ablauf von 6 Monaten weiterhin gerechtfertigt ist, muß der Senat jetzt nicht entscheiden, weist allerdings daraufhin, dass die Annahme von dringenden Gründen - die die Sicherstellung ohne zeitliche Befristung zuläßt - durch das Beschwerdevorbringen nicht ohne weiteres in Frage gestellt wird, wenn die neue Hauptverhandlung noch in dem von der Strafkammer avisierten Zeitraum stattfindet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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