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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.07.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 156/07
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 156/07

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11.04.2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen vom 20.02.2007 - 33 h StVK 553/04 - , durch welchen das Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18.10.1949 hinsichtlich der Verurteilung wegen mehrfachen Mordes für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt und die dort erkannte, in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelte Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe nach deutschem Recht umgewandelt worden ist,

am 03. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird wie folgt geändert:

Der Antrag auf Übernahme der Vollstreckung der durch Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18.10.1949 (Rol No. 358-12269-49) gegen den Verurteilten verhängten, in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer dort entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt (§ 467 Abs. 1 StPO).

Gründe:

A.

Dem Verfahren liegt ein historischer Sachverhalt zugrunde, der im Verfahren 45 Js 18/83 Staatsanwaltschaft Dortmund wie folgt geschildert wurde:

Am 10.05.1940 fielen die deutschen Truppen in die Niederlande ein. Der Angriff machte rasche Fortschritte. Die Königin und ihr Kabinett schifften sich am 13.05. ein, um nach Großbritannien ins Exil zu gehen. Am folgenden Tag kapitulierte das niederländische Heer; General X., sein Chef, befahl die Einstellung des Kampfes an allen Fronten.

Die Deutschen errichteten zunächst eine Militärverwaltung, neben die jedoch schon bald eine Zivilverwaltung trat. Chef des Sicherheitswesens wurde des SS-Obergruppenführer und General der Polizei I. B. S., der neben seiner Tätigkeit als Generalkommissar für das Sicherheitswesen gleichzeitig als Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) "Nordwest" fungierte. In den ersten Jahren der Besetzung kam es nicht zu einem gelenkten und organisierten Widerstand. Durch vereinzelte Attentate trat keine beträchtliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf. Ebensowenig wurde die Besatzungsmacht dadurch gefährdet. Die Arbeit gegen sie konzentrierte sich zunächst auf die Verbreitung von Periodika. Der Widerstand wuchs jedoch entsprechend den deutschen Verfolgungs- und Repressionsmaßnahmen sowie in gleichem Maße, in dem die Ereignisse auf dem östlichen Kriegsschauplatz sich zugunsten der Sowjetunion zu entwickeln schienen. Um die Jahreswende 1942/43 machten sich die ersten Widerstandsgruppen bemerkbar. Neben den sich häufenden Angriffen auf militärische Anlagen oder für die Besatzungsstreitkräfte lebensnotwendige Transporte und sonstige wichtige Objekte steigerten sich nunmehr auch die Attentate auf Personen. Als Opfer wurden hierbei zunächst in der Regel hochgestellte Beamte oder Politiker ausgesucht, die als deutschfreundlich bekannt waren, oder solche, die kraft ihrer Stellung im öffentlichen Leben notwendigerweise mit den Deutschen zusammenarbeiten mussten und sich dabei loyal verhielten.

Nach Attentaten auf den niederländischen Generalleutnant H.A. T., der sich als Kommandant der Niederländischen Legion an der Ostfront einen Namen gemacht hatte, im Februar 1943 und auf zwei Anhänger der NSB, unter ihnen der ehemalige Landwirtschafts- und Handelsminister F.E. Q., im März desselben Jahres griffen die Deutschen zu immer schärferen Gegenmaßnahmen. Im Sommer 1943 wurden auf Befehl I. durch das Auswärtige Amt, den Wehrmachtführungsstab und das Reichssicherheitshauptamt Pläne für die Bekämpfung der Widerstandsgruppen u.a. in den besetzten Westgebieten ausgearbeitet. Hierbei entschied man sich, da die bisherigen Repressionen nicht den erwarteten Erfolg gezeitigt hatten, für Maßnahmen, die in den Niederlanden den Decknamen "S." erhielten. Die Durchführung dieser Maßnahmen wurde den jeweiligen Reichsbevollmächtigten bzw. Reichskommissaren als "Geheime Reichssache" anvertraut. In Holland übernahm S. die näheren Weisungen.

Unter dem Begriff "S." wurden Aktionen verstanden, bei denen nach einem Mordanschlag der niederländischen Untergrundbewegung möglichst umgehend sowie in nahezu gleichartiger Weise drei bis fünf antideutsch eingestellte oder aber als mit Widerstandskreisen zusammenarbeitend bekannte Niederländer erschossen werden sollten. Die unmittelbare Durchführung der Aktion oblag in der Regel bis etwa April 1944 Angehörigen der "G. SS in den Niederlanden", danach bis zu deren Beendigung im September 1944 einem auf Befehl S.s gebildeten, ungefähr 15 Mann starken Kommando, das nach dem Führer der G. SS "Sonderkommando H." genannt wurde. H. selbst übernahm auch die Leitung des Sonderkommandos. Vor ihren Einsätzen wurden die Angehörigen des Sonderkommandos darauf hingewiesen, dass es sich um eine "Geheime Reichssache" handele und deshalb Stillschweigen zu bewahren und die Befehle genauestens auszuführen seien. Andernfalls drohe ihnen ein Verfahren vor einem SS- und Polizeigericht, das zur Einweisung in ein Konzentrationslager oder zur Todesstrafe führen könne.

Im Falle eines durch Widerstandsgruppen verübten Mordanschlags hatten die Außendienststellen der Sicherheitspolizei dem HSSPF über den Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes zu berichten. Gab S. alsdann das Stichwort "S.", wurden unverzüglich Angehörige der G. SS bzw. des Sonderkommandos H. in Marsch gesetzt, und zwar normalerweise zu der fraglichen Außenstelle. Diese hatte die nun laufenden Aktionen grundsätzlich nur durch Bereitstellung von Fahrzeugen, Waffen und Munition sowie von Fahrern zu unterstützen. Nur ausnahmsweise kam von S. eine Anordnung, nach der Angehörige der Außendienststellen an den Vergeltungsmaßnahmen unmittelbar mitzuwirken hatten.

Die als Opfer vorgesehenen Niederländer wurden aus vorhandenen Listen oder in Zusammenarbeit mit örtlichen Verwaltungsinstanzen bzw. mit NSB-Angehörigen ausgewählt. Dabei wurde darauf geachtet, dass es sich um Personen handelte, die in unmittelbarer Umgebung des Attentatsortes wohnten und von denen man zumindest annahm, dass sie mit Widerständlern in Verbindung standen, dass sie mit ihnen sympathisierten oder dass sie antideutsch eingestellt waren.

Bei der Tatausführung selbst trugen die niederländischen SS-Angehörigen oder auch die Angehörigen der Sicherheitspolizei Zivilkleidung; die Kennzeichen der benutzten Kraftfahrzeuge wurden oft gegen falsche ausgewechselt. Die Opfer wurden meistens in ihrer Wohnung aufgesucht und dort oder in der Nähe ohne Angabe von Gründen niedergeschossen. Den Vollzug meldeten sowohl die Außendienststellen als auch das Sonderkommando H. an S.. Offizielle Verlautbarungen darüber erfolgten von deutscher Seite nicht.

Die ersten S.-Aktionen fanden Ende September 1943 statt. Insgesamt fielen mindestens 54 Niederländer S.-Aktionen zum Opfer.

Der Beschwerdeführer war in der zweiten Hälfte des Jahres 1940 der Waffen-SS beigetreten, wo er es bis zum Dienstgrad eines Sturmmannes brachte. Nach Abschluss seines aktiven Dienstes an der Front im Jahre 1942 wurde er Mitglied der G. SS und wurde der Landwacht Niederlande zugeteilt. In dieser Eigenschaft war er Mitglied des Sonderkommandos H. und nahm an verschiedenen S.-Aktionen teil. In diesem Zusammenhang war er im Juli und im September 1944 aktiv an der Tötung von drei Personen beteiligt.

Durch Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. 10. 1949 wurde der Beschwerdeführer auf Grund der in seiner Abwesenheit und ohne Verteidigung durch einen Wahl- oder Pflichtverteidiger durchgeführten öffentlichen Sitzung vom 04. 10. 1949 (Bl. 67 - 75 der Akten Ausl. 17/80 GstA Köln) zum Tode verurteilt. Die Verurteilung erfolgte wegen freiwilligen Eintritts in den Kriegsdienst einer ausländischen Macht als Niederländer, mit dem Wissen, dass diese sich mit den Niederlanden im Krieg befindet, wegen vorsätzlicher Unterstützung des Feindes während der Dauer des derzeitigen Krieges und wegen mehrfachen Mordes während der Dauer des derzeitigen Krieges, wobei der Verurteilte die Gelegenheit und Mittel genutzt hat, die sich ihm durch die Tatsache der feindlichen Besatzung geboten haben. Das in der öffentlichen Gerichtsverhandlung am 18. 10. 1949 verkündete Abwesenheitsurteil ist darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer, der am 10. 05. 1945 inhaftiert worden war, jedoch am 09. 06. 1947 hatte fliehen und untertauchen können, während seiner Inhaftierung in seinen polizeilichen Vernehmungen vom 08.03.1946 und 08.05.1946 die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt hatte und dass diese Einlassung von Tatzeugen bestätigt worden war. Zu den vorgeworfenen Taten wurden in dem Urteil - sinngemäß - folgende Feststellungen getroffen:

Fall 1 (C.):

Im Frühsommer 1944 erhielten der Beschwerdeführer sowie der Zeuge D. - ebenfalls Angehöriger der G. SS - den Auftrag, in einem von der Sicherheitspoilzei zur Verfügung gestellten Auto zum Haus des Apothekers C. nach B. zu fahren. Der Beschwerdeführer und D. sollten den Apotheker mit Schüssen aus ihren Feuerwaffen töten. Am 14.07.1944 wurden D. und der Beschwerdeführer zum Haus des Apothekers C. gefahren; beide betraten sodann die Apotheke und fragten die angetroffene männliche Person danach, ob sie C. sei. Nachdem die Person dies bejahte, holte der Beschwerdeführer sofort die in seiner rechten Manteltasche befindliche schussbereite Pistole heraus und gab wortlos 2-3 Schüsse auf C. ab. D. feuerte alsdann seinerseits auf den am Boden liegenden C. 2-3 Schüsse ab, der am Tatort starb.

Fälle 2 und 3 (J. und L.):

Am 03.09.1944 erhielt der Beschwerdeführer vom Sicherheitsdienst den Auftrag, Personen aus der niederländischen Widerstandsbewegung zu erschießen. Während der Fahrt nach V. gemeinsam mit dem Zeugen K. nannte das anwesende Mitglied des Sicherheitsdienstes die Namen der zu erschießenden Personen.

Das Opfer V. J., in seinem Haus angetroffen, bestätigte, J. zu sein, woraufhin der Beschwerdeführer seine durchgeladene schussbereite Pistole aus der rechten Manteltasche zog und auf ihn feuerte. Nachdem J. zusammengesackt war, schossen der Beschwerdeführer und K. jeweils noch 2-3-mal auf das vor ihnen liegende Opfer, das am Tatort starb.

Am selben Tage fuhren K. und der Beschwerdeführer zum Haus des Opfers L., der dort mit seiner Ehefrau angetroffen wurde. Der Beschwerdeführer veranlasste daraufhin L. unter dem Vorwand, dessen Personalpapiere untersuchen zu wollen, in das Auto einzusteigen, mit dem sie gekommen waren, und mitzufahren. In W. angekommen täuschte das am Steuer sitzende Mitglied des Sicherheitsdienstes eine Autopanne vor, woraufhin K. und sodann L. ausstiegen. K. feuerte anschließend einen Schuss auf L. ab, der zu Boden stürzte. Der Beschwerdeführer, der ebenfalls aus dem Auto herausgesprungen war, gab mit seiner Pistole sofort 2 oder 3 Schüsse auf den etwa 5 Meter von ihm entfernt befindlichen L. ab.

Weil die gegen den Beschwerdeführer verhängte Todesstrafe nicht binnen fünf Jahren vollstreckt werden konnte, hat sie sich nach Art. 2 und Art. 16 des Königlichen Erlasses vom 22. 12. 1943 über das Außerordentliche Strafrecht (Besluit Buitengewoon Strafrecht) in Verbindung mit Art. 59 des niederländischen Militärstrafgesetzbuches (Wetboek van Militair Strafrecht) in eine lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelt.

Im Jahre 1980 ersuchten die niederländischen Behörden um die Auslieferung des Verurteilten zur Vollstreckung des Urteils vom 18. 10. 1949. Aufgrund eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls des OLG Köln vom 24.01.1983 wurde der Beschwerdeführer am 28. 02. 1983 festgenommen und am selben Tage vor dem Amtsgericht Eschweiler vorgeführt. In dem richterlichen Anhörungsprotokoll vom 28. 02. 1983 heißt es u.a.:

"Vorgeführt erschien der staatenlose P. R., geboren am 27. September 1921 in E., wohnhaft F.-weg 8, E., Rentner, früher Bergmann.

Dem Verfolgten wurde der Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts in Köln vom 24. 01. 1983 - Ausl. 17/80 - 4/80 - richterlich bekannt gegeben und eine Beschlussausfertigung ausgehändigt.

Dem Verfolgten wurde die Verbalnote der Königlich-Niederländischen Botschaft in Bonn vom 05. 02. 1949, das Urteil des Sondergerichtshofes Amsterdam vom 18. 10. 1949, der Haftbefehl der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Amsterdam vom 21. 11. 1949, das Protokoll über die Sitzung des Sondergerichtshofes Amsterdam vom 04. 10. 1979, die Gesetzesbestimmungen (Bl. 34 - 39/76 - 85 d. A.) und die Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Amsterdam bekannt gemacht."

Der Auslieferungshaftbefehl wurde am 05.05.1983 wieder aufgehoben und der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen. Durch Beschluss vom 25. 05. 1983 erklärte der Senat die Auslieferung des Beschwerdeführers in die Niederlande zur Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. 10. 1949 für unzulässig, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Verurteilte nach dem Erlass über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einstellung in die deutsche Wehrmacht, die Waffen-SS, die deutsche Polizei oder die Organisation U. vom 19. 05. 1943 oder auf Grund dieses Erlasses die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben könnte.

Die deutschen Verwaltungsbehörden gehen von der Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers, dessen Vater niederländischer Staatsangehöriger und dessen Mutter deutsche Staatsangehörige waren, aus, nachdem ihm seitens der niederländischen Behörden wegen seiner Zugehörigkeit zur Waffen-SS die niederländische Staatsangehörigkeit aberkannt und ein Einbürgerungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchgeführt wurde.

Die wegen der Taten vom 14. 07. 1944 in B. und vom 03. 09. 1944 in V. und W. (Tötungen des F. H. E. C., des T. J. und des F. W. L.) unter anderem gegen den Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland geführten Ermittlungen wurden durch Verfügung des Leiters der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 15. 02. 1984 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Bl. 108 ff. in Band V der Akten 45 Js 18/83 StA Dortmund). Begründet wurde die Verfahrenseinstellung damit, dass die dem Verurteilten anzulastenden Taten als zulässige völkerrechtliche Repressalmaßnahme der deutschen Besatzung gerechtfertigt gewesen seien und im Übrigen der Verurteilte, der auf Befehl gehandelt habe, den ihm erteilten Befehl nicht überschritten habe und auch keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er von der Unrechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen ausgegangen wäre.

Unter dem Datum vom 23. 06. 2003 hat das niederländische Justizministerium die zuständigen deutschen Behörden unter Bezugnahme auf Art. 3 Buchstabe a) des Übereinkommens vom 13. 11. 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen (EG-VollstrÜbK) um Übertragung der Vollstreckung der durch Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. 10. 1949 gegen den Verurteilten verhängten lebenslangen Gefängnisstrafe ersucht.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, dem das Ersuchen durch die Staatsanwaltschaft Aachen unter Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b) EG-VollstrÜbk in Verbindung mit den Vorschriften des 4. Teils des IRG (hier insbesondere §§ 53 - 55 IRG) zur Entscheidung vorgelegt worden ist, hat das Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. Oktober 1949 (Rol No. 358 - 12269 - `49) insoweit für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt, als der Verurteilte wegen mehrfachen Mordes verurteilt worden ist. Es hat ferner die durch das Urteil vom 18. Oktober 1949 verhängte und zwischenzeitlich in eine lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelte Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe nach deutschem Recht umgewandelt.

Gegen diese, durch den Einzelrichter erlassene Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.

B.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 311 StPO statthaft und auch sonst zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel ebenfalls Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Vollstreckung der durch Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. 10. 1949 verhängten, inzwischen in eine lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelten Todesstrafe nach den Bestimmungen des Übereinkommens vom 13. 11. 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen (EG-VollstrÜbk) in Verbindung mit den Bestimmungen des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sind - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht gegeben (s.u. Ziff. 8). Im Einzelnen gilt folgendes:

1.

Das EG-VollstrÜbk findet nach seinem Art. 21 Abs. 3 für Deutschland im Verhältnis zu den Niederlanden (für das Königreich in Europa) gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes vom 07.07.1997 zum EG-VollstrÜbk und Ziffer I. der Bekanntmachung vom 30.03.1998 über die vorläufige Anwendung des EG-VollstrÜbk mit Wirkung vom 09. 12. 1997 Anwendung (vgl. Isak-Wagner, Strafvollstreckung, 7. Auflage, Rdn. 755 a).

2.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen war nach §§ 50, 51 IRG; 78 a Abs. 1 Nr. 3 GVG zur Entscheidung im Umwandlungs- oder Exequaturverfahren berufen. Ihre örtliche Zuständigkeit beruht darauf, dass der Verurteilte seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Aachen hat.

Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht gemäß § 78 b Abs. 1 Nr. 2 GVG durch eines ihrer Mitglieder entschieden. Das gilt auch im Hinblick auf die Höhe der umzuwandelnden Strafe - Todesstrafe bzw. lebenslange Gefängnisstrafe - , weil das Umwandlungsverfahren weder ein eigenes, durch die Übernahme des ausländischen Schuldspruchs modifiziertes Strafverfahren darstellt, noch eine eigene Strafzumessung oder Anpassung des Strafmaßes nach deutschem Strafzumessungsrecht zu erfolgen hat (vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2004, S. 216).

3.

Das Ersuchen des niederländischen Justizministeriums vom 23.06.2003 um Übertragung der Vollstreckung einer Verurteilung erfüllt die förmlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrÜbk. Die gemäß Art. 7 EG-VollstrÜbk erforderlichen Unterlagen waren dem Ersuchen beigefügt oder wurden auf Anforderung der deutschen Seite nachgereicht.

Auch die Voraussetzungen des Art. 3 Buchstabe a) EG-VollstrÜbk, auf den das Ersuchen des niederländischen Justizministeriums gestützt ist, liegen vor. Nach dieser Bestimmung kann um Übertragung der Vollstreckung einer Verurteilung zu einer freiheitsentziehenden Strafe ersucht werden, wenn die verurteilte Person sich im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates befindet und Staatsangehöriger dieses Staates ist oder - wie hier - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Hoheitsgebiet hat. Zu recht hat das Landgericht ferner das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 3 Buchstabe b) EG-VollstrÜbk angenommen, wonach um Übertragung der Vollstreckung einer Verurteilung zu einer freiheitsentziehenden Strafe auch ersucht werden kann, wenn die verurteilte Person sich im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates befindet und - wie das hier der Fall ist - ihre Auslieferung abgelehnt worden ist.

4.

Weder nach dem Recht der Niederlande noch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland wäre Vollstreckungsverjährung eingetreten, Art. 5 S. 2 Buchstabe c) EG-VollstrÜbk. Nach Art. 76 Wetboek van Strafrecht verfällt das Recht zur Vollstreckung einer Strafe durch Verjährung, wobei die Frist für diese Verjährung, die nach Art. 76 a Abs. 1 Wetboek van Strafrecht an dem Tag beginnt, an dem das richterliche Urteil vollstreckbar ist, ein Drittel länger ist als die Frist für eine Verjährung des Rechtes auf Strafverfolgung, in keinem Falle aber kürzer als die Dauer der auferlegten Strafe, hier lebenslanger Gefängnisstrafe. Da die lebenslange Gefängnisstrafe nach niederländischem Recht in eine lebenslange Freiheitsstrafe nach deutschem Recht umzuwandeln wäre und gemäß § 79 Abs. 2 StGB die Vollstreckung verhängter lebenslanger Freiheitsstrafen nicht verjährt, wäre auch nach deutschem Recht noch keine Vollstreckungsverjährung eingetreten, wobei der Zeitpunkt des Beginns einer Vollstreckungsverjährung dahinstehen kann.

Wegen der drei Tötungsdelikte ist auch weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in einem Drittstaat gegen den Verurteilten ein rechtskräftiges Urteil ergangen, Art. 5 S. 2 Buchstaben d) und e) EG-VollstrÜbk.

5.

Vollstreckungsverjährung ist hinsichtlich der Verurteilung wegen Mordes nicht eingetreten. Nach Art. 76 Wetboek van Strafrecht ist die Frist der Vollstreckungsverjährung nicht kürzer als die Dauer der verhängten - hier: lebenslangen - Freiheitsstrafe.

Das Urteil vom 18. 10. 1949 ist auch vollstreckbar, Art. 5 S. 2 Buchstabe a) EG-VollstrÜbk; einer besonderen Rechtskraftbescheinigung bedarf es nach niederländischem Recht nicht.

Nach Art. 557 Abs. 2 Wetboek van Strafvordering kann ein in erster Instanz ergangenes Versäumnisurteil nach der Zustellung einer Mitteilung gemäß Art. 366 oder, falls eine solche Mitteilung nicht zu erfolgen braucht, nach seiner Verkündung vollstreckt werden. Eine Rechtskraftbescheinigung oder eine besondere gerichtliche Vollstreckbarkeitserklärung ist nach niederländischem Recht nicht erforderlich.

6.

Dass das Urteil vom 18.10.1949 durch einen Sondergerichtshof gefällt wurde, steht der Übertragung der Vollstreckung nicht entgegen. Ein insoweit allein maßgeblicher Verstoß gegen die nach Art. 25 GG zu beachtenden Grundsätze elementarer Verfahrensgerechtigkeit des allgemeinen Völkerrechts (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 179) liegt nicht vor.

Die Strafvollstreckungskammer hat hierzu ausgeführt:

"Die aus Art. 25 GG folgenden Anforderungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn es sich bei dem ausländischen Sondergericht um einen unabhängigen Spruchkörper handelt, der kraft Gesetzes errichtet ist und im Rahmen rechtlich festgelegter Zuständigkeiten nach einem rechtlich geordneten Verfahren durch Richter, deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Rechts wegen gewährleistet ist, Rechtsprechungsfunktionen nach Maßgabe von Rechtsnormen wahrnimmt (BVerfG, a.a.O.). Das Gericht darf insbesondere nicht nur zur Entscheidung einzelner konkreter Fälle berufen sein, sondern es muss sich um ein Gericht handeln, das im Voraus für ein bestimmtes Sachgebiet generell zur Entscheidung berufen ist.

Der Sondergerichtshof Amsterdam war auf Grund des im Exil in London ergangenen Königlichen Erlasses vom 22. 12. 1943 über die Besonderen Gerichtshöfe (Besluit op de Bijzondere Gerechtshoven) nach dem Ende der deutschen Besatzung im Jahre 1945 errichtet worden, wobei die Sondergerichte nach dem Inhalt dieses Erlasses eine schnelle und zweckmäßige Verurteilung bestimmter, während der Zeit des Krieges begangener Straftaten gewährleisten und sich unter Ausschluss sämtlicher sonstigen bürgerlichen oder militärischen Richter in erster Instanz und, vorbehaltlich einer Rechtsbeschwerde, in letzter Instanz mit Straftaten befassen sollten, auf welche die Bestimmungen des ebenfalls am 22. 12. 1943 ergangenen Königlichen Erlasses über das Außerordentliche Strafrecht (Buitengewoon Strafrecht) anzuwenden waren (vgl. vor Art. 1, Art. 1 und Art. 12 des Erlasses über die Besonderen Gerichtshöfe).

Damit liegt keine Errichtung der Sondergerichte auf Grund eines formellen Gesetzes ("wet") vor. Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass Krieg und deutsche Besatzung eine reguläre Gesetzgebung nicht zuließen, weil sich nur die niederländische Königin und die Exilregierung, nicht aber das Parlament im Exil in London aufhielten, so dass der Erlass vom 22. 12. 1943 eine gesetzesvertretende Regelung abstrakt genereller Art darstellt und eine Errichtung der Sondergerichte nur auf Grund eines Königlichen Erlasses während des Exils auf Grund des "Staatsnotstandes" keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. hierzu das für die Staatsanwaltschaft Tübingen in einem Parallelfall gefertigte schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Y. vom 06. 02. 2006, Bl. 368 ff d. A.). Darüber hinaus kann in den im Jahre 1947 erfolgten verschiedenen Änderungen der Königlichen Erlasse vom 22. 12. 1943 durch Gesetz eine konkludente Genehmigung dieser Erlasse durch den Gesetzgeber gesehen werden (vgl. Scholten aaO), so dass der Umstand, dass der Sondergerichtshof Amsterdam nicht auf Grund eines Gesetzes, sondern auf Grund eines Königlichen Erlasses errichtet wurde, noch nicht die Annahme eines unzulässigen Ausnahmegerichts rechtfertigt.

Die Zuständigkeit der Sondergerichtshöfe war auf Grund der genannten Erlasse vom 22. 12. 1943 auch rechtlich festgelegt, indem die Sondergerichtshöfe im Voraus für ein bestimmtes Sachgebiet generell zur Entscheidung berufen waren. Nach Art. 12 Abs. 1 des Erlasses vom 22. 12. 1943 über die Besonderen Gerichtshöfe war nämlich die sachliche Zuständigkeit für alle Straftaten gegeben, auf welche die Bestimmungen des Erlasses über das Außerordentliche Strafrecht vom 22. 12. 1943 anzuwenden waren. Die Regelungen dieses Erlasses fanden nach seinem Art. 1 auf im Einzelnen aufgeführte, während des Krieges begangene schwerwiegende Straftaten Anwendung.

Auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter der Sondergerichtshöfe kann als noch in ausreichendem Maße von Rechts wegen gewährleistet angesehen werden. So ergibt sich aus Art. 2, 3 und 4 des Erlasses vom 22. 12. 1943 über die Besonderen Gerichtshöfe, dass deren Richter, allerdings mit Ausnahme der militärischen Justizräte, eine juristische Universitätsausbildung haben mussten, wobei die Sondergerichtshöfe nach Art. 10 ursprünglich mit drei juristischen und zwei militärischen Mitgliedern, und später, nach einer gesetzlichen Änderung des Art. 10 im Jahre 1947, mit zwei juristischen und einem militärischen Mitglied - wie auch im vorliegenden Fall - besetzt waren. Zwar erfolgte keine Berufung insbesondere der juristischen Justizräte auf Lebenszeit, sondern nach Art. 3 des Erlasses über die Besonderen Gerichtshöfe nur für die Dauer der Ausübung der Funktionen dieses Gerichts; dies war aber dadurch bedingt, dass die Sondergerichtshöfe von vorneherein nur auf Zeit geplant waren und nach der juristischen Aufarbeitung des Besatzungsunrechts wieder aufgelöst werden sollten (vgl. Scholten, aaO). Dass nicht nur die militärischen Justizräte abberufen werden konnten, sondern die Königin auch die juristischen Justizräte abberufen konnte, allerdings nur aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen (vgl. Scholten, aaO), steht alleine der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter noch nicht in entscheidendem Maße entgegen.

Die Rechtsprechung der Sondergerichtshöfe erfolgte auch in einem rechtlich geordneten Verfahren unter Anwendung der Vorschriften des Wetboek van Strafvordering, auch wenn diese in einigen Punkten modifiziert waren (vgl. Scholten aaO). So war insbesondere, wie sich aus Art. 13 des Erlasses über die Besonderen Gerichtshöfe ergibt, nur eine Tatsacheninstanz vorgesehen, gegen deren Urteile keine Berufung, sondern nur - jedenfalls bei der Verhängung von Todesurteilen und von höheren Freiheitsstrafen ohne besondere Zulassung - die Revision möglich war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Sondergerichtshöfe Rechtsprechungsfunktionen nach Maßgabe von Rechtsnormen wahrnahmen."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.

Der Strafvollstreckungskammer ist auch darin zuzustimmen, dass der Übertragung der Vollstreckung die Rückwirkung der Strafandrohung durch den erst am 04.09.1944 im Amtsblatt veröffentlichten Erlass vom 22.12.1943 über das Außerordentliche Strafrecht (Besluit Buitengewoon Strafrecht) nicht entgegen steht. Allerdings ist mit Art. 3 dieses Erlasses, wonach die Bestimmungen in Art. 1 Wetboek van Strafrecht keine Anwendung finden, soweit es die Anwendung dieses Erlasses betrifft, ausdrücklich die Nichtbeachtung eines fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzips, des nulla-poena-Grundsatzes, angeordnet worden. Durch die Anordnung der Bestrafung oder verschärften Bestrafung von in der Vergangenheit liegender Verhaltensweisen sollte eine echte Rückwirkung herbeigeführt werden. Die dem Urteil vom 18. 10. 1949 zugrunde liegenden, am 14. 07. 1944 und 03. 09. 1944 begangenen drei Tötungsdelikte sind hiervon ebenfalls betroffen, da der Erlass über das Außerordentliche Strafrecht erst am 04. 09. 1944 im Amtsblatt veröffentlicht wurde (so Scholten aaO) und in Art. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 Nr. 1 des Erlasses über das Außerordentliche Strafrecht für Mord gemäß Art. 289 Wetboek van Strafrecht als Höchststrafe die Todesstrafe angedroht wurde. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer darin aber kein Hindernis für die Übertragung der Vollstreckung gesehen, weil nach dem Urteil vom 18. 10. 1949 alleine für die Beteiligung des Verurteilten an mehreren S.-Aktionen die Verhängung der schwersten Strafe erfolgen sollte, die verhängte Todesstrafe zwischenzeitlich in lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelt wurde, und auch wegen Mordes gemäß Art. 289 Wetboek van Strafrecht lebenslange Gefängnisstrafe verhängt werden kann, so dass der Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sich damit - nach Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Gefängnisstrafe - letztlich im Ergebnis nicht ausgewirkt hat.

7.

Ferner liegen die Voraussetzungen des Art. 5 S. 2 Buchstabe b) EG-VollstrÜbk insoweit vor, als der Beschwerdeführer wegen mehrfachen Mordes verurteilt worden ist.

Nach dieser Bestimmung darf die Vollstreckung nur unter der Voraussetzung übertragen werden, dass die Handlungen oder Unterlassungen, die zu der Verurteilung geführt haben, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine der in Art. 1 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Taten darstellen oder, wenn sie in seinem Hoheitsgebiet begangen worden wären, darstellen würden, d.h. wenn insoweit die beiderseitige Strafbarkeit gegeben ist.

Bei der Verurteilung gemäß Art. 289 Wetboek van Strafrecht und Art. 1 und 11 des Besluit Buitengewoon Strafrecht wegen mehrfachen Mordes, also wegen der Beteiligung an der Tötung des Apothekers C. am 14. 07. 1944 sowie der Personen J. und L. am 03. 09. 1944,wäre dies der Fall, weil die Beteiligung des Beschwerdeführers an den Tötungen der drei genannten Personen auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland strafbar ist. Dabei wären die tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 18. 10. 1949 zugrunde zu legen.

Die Strafvollstreckungskammer hat hierzu folgendes ausgeführt:

"Nach Art. 8 Abs. 3, Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 5 Buchstabe a) EG-VollstrÜbk wird das zulässige Ausmaß der Umwandlung der niederländischen Strafe in eine Strafe nach deutschem Recht durch eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen eingeschränkt, soweit sie sich ausdrücklich oder stillschweigend aus dem im Urteilsstaat ergangenen Urteil ergeben. Im Umwandlungs- oder Exequaturverfahren darf daher der Sachverhalt im objektiven (Tatgeschehen und Tatfolgen) als auch im subjektiven Bereich (Vorsatz, Absicht, Schuldfähigkeit) nicht abweichend gewürdigt werden, was sowohl zugunsten wie zu Lasten des Verurteilten gelten muss. Noch weitergehend heißt es hierzu in Punkt II. zu Art. 8 Abs. 3 EG-VollstrÜbk der Bekanntmachung vom 30. 03. 1998, dass für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Übernahme der Vollstreckung erfüllt sind, das Gericht die im Urteil enthaltenen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen zugrunde legt.

Danach hat der Verurteilte durch seine Beteiligung an den Tötungen von F. H. E. C., T. J. und F. W. L., jeweils gemeinschaftlich mit einer weiteren Person - im ersten Fall (Punkt D.) mit J. P. D., im zweiten und dritten Fall (Punkte E. und F.) jeweils mit H. K. - handelnd, in drei Fällen vorsätzlich einen Menschen getötet und damit jeweils zumindest den Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB (Totschlag) verwirklicht. Hierbei hat der Verurteilte jeweils als Mittäter, § 25 Abs. 2 StGB, und nicht lediglich als Gehilfe, § 27 StGB, gehandelt. Auch wenn man davon ausgeht, dass die im Urteil vom 18. 10. 1949 vorgenommene rechtliche Beurteilung einer täterschaftlichen Begehungsweise durch den Verurteilten im Umwandlungsverfahren keine Bindungswirkung entfaltet, liegen unter Zugrundelegung der im Urteil vom 18. 10. 1949 getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch nach deutschem Recht jeweils die Voraussetzungen für eine Mittäterschaft und nicht lediglich für eine Gehilfenschaft des Verurteilten vor. Zwar hat der Verurteilte - ebenso wie die Tatbeteiligten D. und K. - jeweils auf Befehl und nicht aus unmittelbarem eigenem Interesse am Taterfolg gehandelt. Er hat jedoch jeweils, wie den tatsächlichen Urteilsfeststellungen ebenfalls entnommen werden kann, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einer weiteren Person die Tatherrschaft ausgeübt und zusammen mit dieser Person im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB alle Tatbestandsmerkmale einer vollendeten vorsätzlichen Tötung verwirklicht, so dass er auch nach deutschem Recht drei vorsätzliche Tötungen in Mittäterschaft begangen hat. Auf Grund des jeweiligen bewussten und gewollten Zusammenwirkens des Verurteilten mit der weiteren Person bei der Abgabe der Schüsse und seines Handelns mit Tötungsvorsatz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die getöteten Personen gerade durch einen Schuss des Verurteilten oder durch einen Schuss des jeweiligen Mittäters des Verurteilten oder durch Schüsse beider tödlich verletzt wurden.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf § 47 des Militärstrafgesetzbuches in der zu den Tatzeitpunkten geltenden Fassung geboten. Aus den tatsächlichen Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Verurteilte nach Beginn des Krieges zwischen Deutschland und den Niederlanden der Waffen-SS beitrat und zu den Tatzeitpunkten Mitglied des Kommandos H. der G. SS war. Nach den §§ 1 bis 3 der Verordnung über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz vom 17. 10. 1939 fanden auf Angehörige der SS die Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches Anwendung (vgl. BGHSt 5, S. 239). Nach § 47 Abs. 1 S. 1 und 2 des Militärstrafgesetzbuches ist der befehlende Vorgesetzte allein dafür verantwortlich, wenn durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt wird, doch trifft - unter bestimmten Voraussetzungen - den gehorchenden Untergebenen die Strafe des Teilnehmers. Unabhängig davon aber, ob man § 47 des Militärstrafgesetzbuches im Rahmen des Umwandlungsverfahrens überhaupt für anwendbar hält, wird durch diese Gesetzesformulierung "Strafe des Teilnehmers" eine (Mit-)Täterschaft des Untergebenen nicht ausgeschlossen, sofern im Übrigen die Voraussetzungen täterschaftlichen Handelns vorliegen (BGH NJW 1951, S. 323).

Jedenfalls unter ausschließlicher Berücksichtigung der im Urteil vom 18. 10. 1949 enthaltenen Tatsachenfeststellungen liegen hinsichtlich der drei Tötungen durch den Verurteilten nach deutschem Recht auch keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe vor, wobei im Urteil vom 18. 10. 1949 ausdrücklich ausgeführt ist, dass sich in Bezug auf den Verurteilten keine Schuldausschließungsgründe ergeben hätten. Den tatsächlichen Feststellungen des Urteils lässt sich lediglich entnehmen, dass der Verurteilte nach Beginn des Krieges zwischen Deutschland und den Niederlanden der Waffen-SS beigetreten und zu den Tatzeitpunkten Mitglied des Kommandos H. der G. SS war, dass er jeweils mit einem weiteren Mitglied des Kommandos H. - wohl seitens des Sicherheitsdienstes - den Auftrag erhalten hatte, F. H. E. C., T. J. und F. W. L. zu töten, und dass es sich jedenfalls aus der Sicht des Verurteilten bei der Tötung des Apothekers C. um eine Vergeltungsmaßnahme und bei den Personen T. J. und F. W. L. um Personen aus der Widerstandsbewegung handelte, gegen die wegen eines erfolgten Anschlags Gegenmaßnahmen ausgeführt werden sollten. Danach können die durch den Verurteilten begangenen Tötungen weder als rechtmäßige Kriegshandlungen noch als rechtmäßige Kriegsrepressalien angesehen werden.

Bei den drei Tötungen handelte es sich bereits deshalb um keine rechtmäßigen Kriegshandlungen, weil sie nicht durch die bewaffnete Militärmacht, sondern durch Angehörige der G. SS im Rahmen des Kommandos H. mit Unterstützung des Sicherheitsdienstes vorgenommen wurden und zudem die Opfer auch nicht als Widerstandskämpfer beim Kampf betroffen oder auf der Flucht ergriffen worden waren oder sich zumindest in Aktionsbereitschaft befunden hatten (vgl. BGHSt 23, S. 103).

Die Tötungen können im Rahmen des Umwandlungsverfahrens auch nicht als gerechtfertigte Kriegsrepressalien angesehen werden. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass auf Grund Art. 33 Abs. 1, 3 des IV. Genfer Abkommens zum Schutz der Zivilbevölkerung vom 12. 08. 1949 (BGBl 1954 II, S. 781, 917) Tötungen von Zivilisten nach dem heute in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht verboten sind, ob also für eine Sanktionierbarkeit nach deutschem Recht die Rechtslage zum Zeitpunkt der jetzigen Umwandlungsentscheidung ausschlaggebend ist, wovon das Gericht allerdings nicht ausgeht. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 18. 10. 1949 kann nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen erlaubter Kriegsrepressalien auch nach dem zu den Tatzeitpunkten geltenden Völkerrecht nicht festgestellt werden. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass zu den Tatzeitpunkten Kriegsrepressalien, auch durch Tötung unbeteiligter und unschuldiger Zivilisten eines besetzten Gebietes, als Beugemittel, um dadurch illegale Kombattanten zur Aufgabe völkerrechtswidriger Kampfhandlungen zu veranlassen, in bestimmtem Rahmen nach dem damals anerkannten Völkerrecht erlaubt waren (vgl. BGHSt 23, S. 103). Aus dem Urteil vom 18. 10. 1949 geht jedoch nicht hervor, inwiefern die Tötung des Apothekers C. eine Vergeltungsmaßnahme darstellen sollte, wer Urheber des (Mord-)Anschlags war, auf Grund dessen die Tötungen von T. J. und F. W. L. als Gegenmaßnahmen ausgeführt wurden, und ob die drei Tötungen reine Vergeltungsmaßnahmen waren oder der Abschreckung und Verhinderung künftiger weiterer Anschläge dienen sollten. Vor allem aber durften erlaubte Kriegsrepressalien allenfalls von einem Völkerrechtssubjekt - hier dem Deutschen Reich als Besatzungsmacht - vorgenommen werden, das auch als Urheber bekannt gemacht werden oder zumindest erkennbar sein musste (sog. Notifikationserfordernis), um den Abschreckungszweck zu erreichen (vgl. BGH aaO). Beide Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Zum einen wurden die Opfer C., J. und L. nicht durch Angehörige der Besatzungsmacht, sondern durch Mitglieder des Kommandos H. der G. SS, wenn auch in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst, getötet. Zum anderen muss nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 18. 10. 1949 davon ausgegangen werden, dass seitens der deutschen Besatzungsmacht keine Unterrichtung der niederländischen Öffentlichkeit über die Urheber der Tötungen erfolgte, die beispielsweise auch aus NSB-Kreisen hätten stammen können, und dass der Verurteilte und seine Mittäter, die in Zivilkleidung handelten, die Tötungen entsprechend den ihnen erteilten Befehlen jeweils so heimlich durchführten, dass die deutsche Besatzungsmacht als Urheber der drei Tötungen in der niederländischen Öffentlichkeit nicht erkennbar war. Den tatsächlichen Feststellungen des Urteils kann auch nicht entnommen werden, dass zumindest den Anführern der niederländischen Widerstandsbewegung von Beginn der Tötungsaktionen an bekannt war, wer Urheber der drei Tötungen und welches die Gründe hierfür waren. Danach kann die Erfüllung des Notifikationsgebotes nicht festgestellt werden.

Der Übertragung der Vollstreckung steht auch nicht entgegen, dass der Verurteilte jeweils auf Befehl gehandelt hat. Auch wenn man trotz der Feststellung im Urteil, dass sich in Bezug auf den Verurteilten keine Strafausschließungsgründe ergeben hätten, von der Anwendbarkeit des § 47 des Militärstrafgesetzbuches in der zu den Tatzeiten geltenden Fassung ausgeht, sind die Tötungen durch den Verurteilten nicht gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 des Militärstrafgesetzbuches entschuldigt. Nach dieser Bestimmung trifft den gehorchenden Untergebenen (nur dann) die Strafe des Teilnehmers, wenn er den erteilten Befehl (in Dienstsachen) überschritten hat oder wenn ihm bekannt gewesen ist, dass der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein allgemeines oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte. Eine Überschreitung der erteilten Befehle - bei denen es sich um Befehle in Dienstsachen handelte, ohne dass dem Verurteilten die Möglichkeit eigenen Ermessens eingeräumt wurde - durch den Verurteilten liegt ersichtlich nicht vor. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass dem Verurteilten bei der Tötung der Opfer klar war, dass die Erschießung unschuldiger Zivilisten rechtswidrig war, und dass er den verbrecherischen Charakter der Tötungsbefehle erkannt hatte. Allerdings geht das Urteil vom 18. 10. 1949 nicht darauf ein, dass der Verurteilte jeweils auf Befehl handelte, und enthält auch keine ausdrücklichen Feststellungen dazu, dass sich der Verurteilte bei Begehung der Taten der Rechtswidrigkeit der befohlenen Erschießungen und des verbrecherischen Zwecks der erteilten Befehle bewusst war. Aus den Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit ergibt sich aber, dass diesen die sichere Überzeugung des erkennenden Gerichts zugrunde liegt, dass dem Verurteilten die Rechtswidrigkeit der Erschießung unschuldiger Zivilisten klar war und dass er den verbrecherischen Zweck der erteilten Erschießungsbefehle klar erkannt hatte. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass es in den Urteilsgründen heißt, dass sich in Bezug auf den Verurteilten keine Strafausschließungsgründe ergeben hätten. Im Hinblick darauf, dass nach den Urteilsfeststellungen die Erschießungen der drei Zivilisten nicht als gerechtfertigte Kriegsrepressalien angesehen werden können und die Opfer auch nicht als Widerstandskämpfer beim Kampf oder auf der Flucht oder zumindest in Aktionsbereitschaft erschossen wurden, bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, wenn im Urteil vom 18. 10. 1949 ohne weitergehende Begründung davon ausgegangen wird, dass der Verurteilte den verbrecherischen Zweck der erteilten Befehle zur Tötung unschuldiger Zivilisten und die Rechtswidrigkeit der Erschießungen erkannt hat.

Den tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 18. 10. 1949 sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Verurteilte bei Nichtbefolgung der Erschießungsbefehle wegen Befehlsverweigerung selbst um sein Leben hätte fürchten müssen und daher die Taten unter den Voraussetzungen des rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstandes entsprechend §§ 34, 35 StGB begangen hat.

Nach Art. 289 Wetboek van Strafrecht ist Mörder, wer vorsätzlich und mit Vorbedacht einen Anderen ums Leben bringt. Beim Vorliegen alleine dieser Tatbestandsmerkmale können nach deutschem Strafrecht nur die Voraussetzungen des Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB bejaht werden. Gleichwohl ist unter Zugrundelegung der im Urteil vom 18. 10. 1949 getroffenen tatsächlichen Feststellungen in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft die Beteiligung des Verurteilten an den drei Tötungen jeweils nicht nur als in (Mit-)Täterschaft begangener Totschlag, sondern als Mord gemäß § 211 StGB zu werten, da jeweils das Mordmerkmal der heimtückischen Tötung durch den Verurteilten verwirklicht ist, indem dieser jeweils eine zum Zeitpunkt der Abgabe der Schüsse bestehende Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer bewusst zur Tat ausgenutzt hat. Zwar ergibt sich dies nicht allein aus den unter den Punkten D., E. und F. getroffenen Feststellungen des Urteils, welche nur die für die Subsumtion nach niederländischem Recht erforderlichen Umstände enthalten. Zu berücksichtigen ist aber weiterhin der Inhalt der im Urteil vom 18. 10. 1949 wiedergegebenen und als tragende Beweismittel verwerteten Zeugenaussagen und Aussagen des Verurteilten selbst zu den drei Tötungen.

So betrat im Fall D. der Verurteilte zusammen mit D. den Laden des Apothekers C., in dem dieser gerade noch eine Frau bediente, fragte diesen, ob er C. sei, was dieser bestätigte, und griff dann nach seiner schussbereit in der rechten Manteltasche steckenden Pistole und feuerte daraus mit Tötungsvorsatz zwei bis drei Schüsse auf C. ab, der sofort vornüber auf den Boden fiel und auf den dann noch von D. zwei oder drei Pistolenschüsse abgefeuert wurden. Im Fall E. klingelte der Verurteilte in Begleitung von K. an der Tür des Hauses T. J., der das Fenster der Haustür öffnete, fragte diesen, ob er J. sei, was dieser bestätigte, ließ sich von J. noch den Personalausweis zeigen und zog daraufhin unverzüglich seine Pistole hervor, die er in geladenem Zustand in seiner rechten Hand in der rechten Manteltasche zum Schießen bereit gehalten hatte, und gab in Tötungsabsicht insgesamt drei Schüsse auf J. ab, während auch K. noch zwei oder drei Schüsse auf J. abfeuerte. Im Fall F. schließlich klingelten der Verurteilte und K. an der Wohnung von F. W. L. und wurden eingelassen, um die Wohnung nach eventuellen untergetauchten Flüchtlingen zu durchsuchen, konnten aber den ihnen erteilten Auftrag, L. in seiner Wohnung zu erschießen, nicht ausführen, weil sich dessen Frau immer in seiner Nähe aufhielt, weshalb sie L. unter dem Vorwand, seinen Personalausweis auf der Polizeiwache untersuchen zu lassen, veranlassten, mit ihnen in ihr Fahrzeug einzusteigen, und diesen unterwegs töteten, nachdem er nach einer vorgetäuschten Autopanne aus dem Fahrzeug ausgestiegen war, indem sowohl K. in Richtung von L. schoss als auch der Verurteilte mit Tötungsvorsatz mit seiner in der rechten Manteltasche schussbereit gehaltenen Pistole unverzüglich aus einer Entfernung von etwa fünf Metern zwei oder drei Schüsse auf L. abfeuerte. Zwar fehlt es insoweit im Urteil an ausdrücklichen Feststellungen zu den jeweiligen Vorstellungen der Opfer einerseits, des Verurteilten andererseits. Gleichwohl lassen die Urteilsgründe ausreichend zuverlässige Rückschlüsse auf die beiderseitigen Vorstellungen zu.

Dass die Opfer C., J. und L. sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs des Verurteilten keines Angriffs auf ihr Leben versahen und somit arglos und als Folge ihrer Arglosigkeit auch wehrlos waren, zeigt sich gerade darin, dass sie beim Erscheinen des Verurteilten und seines jeweiligen Mittäters keinerlei Anstalten zur Flucht oder zur Verteidigung trafen und sich auch nicht um Unterstützung oder Hilfe durch Dritte bemühten. Soweit die Erschießung von L. nicht in seinem Hause, sondern außerhalb seiner Wohnung anlässlich einer PKW-Fahrt erfolgte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ab demjenigen Zeitpunkt nicht mehr arglos war, in dem er vom Verurteilten aufgefordert wurde, zwecks Untersuchung seines Personalausweises im PKW zur Polizeiwache mitzukommen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er sich zu diesem Zeitpunkt eines konkreten Angriffs auf sein Leben versah. Demgegenüber reicht zum Ausschluss der Arglosigkeit des Opfers ein "generelles Misstrauen", das z. B. Polizeibeamte, Grenzposten oder Strafvollzugsbedienstete auf Grund ihrer Funktion haben, oder eine "latente Angst" auf Grund einer allgemein feindseligen Atmosphäre nicht aus (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage, § 211, Rdn. 17 und 17 a). Ebenso genügt es nicht zum Ausschluss ihrer Arglosigkeit, wenn die Opfer C., J. und L. den Verurteilten und seinen jeweiligen Mittäter, die in Zivilkleidung erschienen waren, für Mitarbeiter der Polizei oder des Sicherheitsdienstes hielten und dies zu einem allgemeinen Misstrauen der Opfer gegenüber dem Verurteilten und seinen Mittätern geführt haben sollte. Vielmehr kommt es alleine darauf an, ob das Opfer zum Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten und einem konkreten Angriff auf sein Leben rechnete, was hinsichtlich der Opfer C., J. und L. nicht festgestellt werden kann. Ebenso kann den Urteilsgründen entnommen werden, dass der Verurteilte die Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer C., J. und L. auch erkannt hat. Soweit die Verteidigung demgegenüber geltend gemacht hat, dass sich die Widerstandskämpfer der damaligen Zeit alleine auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Gruppe jederzeit eines konkreten Angriffs auf ihr Leben versehen hätten, was auch im Bewusstsein des Verurteilten verankert gewesen sei, so dass der Verurteilte, da er davon ausgegangen sei, dass es sich bei den jeweiligen Opfern um Widerstandskämpfer gehandelt habe, nicht von einer Arglosigkeit der Opfer ausgegangen sei, so vermag dem das Gericht in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.

Darüber hinaus lassen die tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 18. 10. 1949 aber auch den weitergehenden Schluss zu, dass der Verurteilte die Arg- und Wehrlosigkeit der Tatopfer C., J. und L. nicht nur wahrgenommen, sondern diese jeweils bewusst für die Tatbegehung ausgenutzt hat, wobei er in dem Bewusstsein handelte, dass die durch ihre Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Opfer überrascht wurden. Wenn der Verurteilte und seine Mittäter entsprechend den ihnen erteilten Befehlen ihre Opfer jeweils zu Hause oder in ihrem Geschäft zur Durchführung der Tötungen aufsuchten und anschließend die Erschießungen so überraschend und heimlich vornahmen, dass sie jedenfalls zunächst nicht als Täter bekannt wurden, so lässt dies den Schluss zu, dass sie - zu Recht - davon ausgingen, dass ihre Opfer zu Hause oder in ihrem Geschäft nicht mit einem konkreten Angriff auf ihr Leben rechnen und deshalb auch keinerlei Maßnahmen zur Verteidigung oder zur Flucht oder zum Herbeiholen von Unterstützung ergreifen würden, was die Gefahr des Misslingens ihres Tötungsauftrages und die Gefahr ihrer Identifizierung hätte mit sich bringen können, und dass sie diesen Umstand bei den Erschießungen jeweils bewusst ausnutzten. Auch bei der Erschießung von F. W. L. hat der Verurteilte die beim Verlassen des Hauses noch fortbestehende Arglosigkeit des Opfers und seine daraus folgende Wehrlosigkeit bewusst ausgenutzt. Selbst wenn das Tatopfer L. kurz vor seiner Erschießung mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet haben sollte - wofür sprechen könnte, dass unmittelbar vor der vorgetäuschten Autopanne der Fahrer des PKW dem Verurteilten und K. mit dem Daumen Zeichen gab, was auch von L. bemerkt worden war - steht dies einer heimtückischen Tötung nicht entgegen. Heimtücke liegt nämlich auch dann vor, wenn die Arglosigkeit des Opfers gerade dazu ausgenutzt wird, es in Umsetzung des Tötungsplans in eine wehrlose Lage zu bringen, auch wenn das Opfer die feindselige Absicht vor Beginn der unmittelbaren Tötungshandlung noch erkennt, zu diesem Zeitpunkt aber keine Abwehr- oder Fluchtchance mehr hat (vgl. Tröndle/Fischer aaO, § 211, Rdn. 18 b).

In allen drei Fällen kann auch die von der Rechtsprechung für eine heimtückische Begehungsweise zusätzlich geforderte feindselige Haltung des Verurteilten gegenüber den Tötungsopfern bejaht werden. Davon, dass der Verurteilte aus seiner Sicht zum vermeintlich Besten seiner Opfer oder aus achtenswerten Motiven heraus handelte, kann keine Rede sein. Dass der Verurteilte auf Befehl handelte und kein persönliches Motiv für die Tötungen ersichtlich ist, schließt die feindselige Willensrichtung gegenüber den Opfern nicht aus. Soweit im Übrigen im Urteil vom 18. 10. 1949 die Motive und Beweggründe des Verurteilten für die Tötungen nicht näher dargelegt sind, schließt dies die Annahme einer feindlichen Willensrichtung des Verurteilten nicht aus (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 211, Rdn. 25 a).

Dagegen vermag das Gericht im Gegensatz zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht davon auszugehen, dass der Verurteilte die drei Tötungen "sonst aus niedrigen Beweggründen" im Sinne des § 211 StGB ausgeführt hat. Sonstige Beweggründe sind nach ständiger Rechtsprechung niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen. Ein solcher niedriger Beweggrund kann beispielsweise auch die Tötung unbeteiligter Zivilisten zur Vergeltung für einen militärischen Angriff sein (BayObLG NJW 1998, S. 392; Tröndle/Fischer aaO, § 211, Rdn. 12 c). Zur Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren erforderlich.

Zu Recht hat die Verteidigung darauf hingewiesen, dass zu den Motiven und Beweggründen des Verurteilten, die ihn zu den Tötungen veranlasst haben, im Urteil vom 18. 10. 1949 Ausführungen fehlen. Danach ist nicht auszuschließen und liegt sogar nahe, dass sich der Verurteilte bei den Tötungen jeweils von einem Motivbündel leiten ließ. Solche bestimmenden Motive können etwa militärischer Gehorsam, die Furcht vor schwerwiegenden Nachteilen im Falle einer Befehlsverweigerung oder die Erwartung von Vorteilen oder Vergünstigungen im Falle der Befehlsausführung sein. Dass der Verurteilte davon ausging, dass die befohlenen Erschießungen Gegenmaßnahmen gegen Personen aus der Widerstandsbewegung darstellen sollten, bedeutet alleine noch nicht, dass er sich auch die Motive seiner Auftraggeber zu eigen gemacht hatte, auch wenn er sich bereits im Alter von 18 Jahren zur Waffen-SS gemeldet hatte.

Liegt ein solches Motivbündel vor, so beruht die Mitwirkung an einer vorsätzlichen Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGH, zitiert bei Holtz MDR 1984, S. 441). Im vorliegenden Fall ist mangels Ausführungen im Urteil vom 18. 10. 1949 jedenfalls nicht auszuschließen, dass für den Verurteilten die Furcht vor schwerwiegenden Nachteilen im Falle einer Befehlsverweigerung oder insbesondere der Gehorsam gegenüber den (wenn auch verbrecherischen) Befehlen zur Erschießung als Motiv im Vordergrund gestanden haben, was für sich alleine nicht ohne Weiteres als in höchstem Maße verächtlich anzusehen wäre (vgl. BGH aaO). Lässt sich aber nicht feststellen, welches von mehreren (möglichen) Motiven tatbestimmend war, so kann ein Handeln aus niedrigen Motiven insgesamt nur angenommen werden, wenn andere, möglicherweise nicht auf tiefster Stufe stehende Motive sicher ausgeschlossen sind (vgl. Tröndle/Fischer aaO, § 211, Rdn. 10 a). Solche Feststellungen können im vorliegenden Fall jedoch nicht getroffen werden."

Der Senat tritt diesen rechtlichen Ausführungen bei. 8.

Die Vollstreckbarkeitserklärung des Urteils vom 18. 10. 1949 ist jedoch deshalb ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 IRG nicht gegeben sind.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 IRG ist die Vollstreckung nur zulässig, wenn in dem Verfahren, das dem ausländischen Urteil zugrunde liegt, dem Verurteilten rechtliches Gehör gewährt, eine angemessene Verteidigung ermöglicht und die Sanktion von einem unabhängigen Gericht verhängt worden ist. Danach darf im Inland eine Entscheidung nicht vollstreckt werden, die unter Verstoß gegen den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard zustande gekommen ist. Trotz Fehlens einer dem § 49 Abs. 1 Nr. 2 IRG entsprechenden Regelung in Art. 5 EG-VollstrÜbk ist auch im Rahmen der Anwendung dieses Abkommens zu prüfen, ob die Übertragung der Vollstreckung des Urteils vom 18. 10. 1949 und die Umwandlung der in den Niederlanden verhängten Strafe in eine nach deutschem Recht für dieselben Straftaten vorgesehene Strafe mit dem gemäß Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind, wobei zu dieser Prüfung insbesondere dann Anlass bestehen kann, wenn ein ausländisches Strafurteil in Abwesenheit des Verurteilten ergangen ist (BVerfGE 59, 280, 282 ff. = NJW 1982, 1214; BVerfGE 63, 332, 337 m.w.N. = NJW 1983, 1726; BVerfG NJW 1991, 1411). Maßgebliche Anhaltspunkte dafür, ob die unverzichtbaren rechtlichen Mindestanforderungen gewahrt worden sind, sind dem durch Art. 6 I und III MRK aufgestellten übergeordneten Grundsatz des "fair trial" zu entnehmen, der insbesondere die Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs und die Wahrung der Mindestrechte der Verteidigung beinhaltet (EGMR, Slg. 1999-I, Nr. 27 = NJW 1999, 2353 - Van Geyseghem/Belgien; EGMR, Urt. vom 13.02.2001 - 29731/96 - Krombach/Frankreich - NJW 2001, 2387, 2390; OLG Düsseldorf NJW 1987, 2172; OLG Braunschweig NStZ 2001, 667).

Zu den elementaren Anforderungen des Rechtsstaates, die insbesondere im Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) Ausprägung gefunden haben, gehört, dass niemand zum bloßen Gegenstand eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens gemacht werden darf und dadurch zugleich in seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt würde (vgl. BVerfG NJW 1991, 1411 m.w.N.). Daraus ergibt sich für das Strafverfahren das zwingende Gebot, dass jeder Beschuldigte im Rahmen der von der Verfahrensordnung aufgestellten Regeln die Möglichkeit haben und auch tatsächlich ausüben können muss, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen, deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung zu erreichen (BVerfG StV 2004, 438 ff. = NStZ-RR 2004, 308 ff.; BVerfG, a.a.O.; vgl. ferner: BVerfGE 41,246, 249 = NJW 1976, 413; BVerfGE 46, 202, 210 = NJW 1978, 151; BVerfGE 54, 100, 116 = NJW 1980, 1943; BVerfG NJW 1983, 1726, 1727; BGHSt 47, 120; OLG Braunschweig NStZ 2001, 667; OLG Hamm StV 1997, 364, 365 und 365, 366; OLG Düsseldorf NJW 1987, 2172; OLG Zweibrücken MDR 1986, 874; OLG Zweibrücken NStZ 2007, 109 f. = StV 2007, 144 f.; OLG Karlsruhe NStZ 1983, 225; Senat, Beschl. vom 15.01.2003 - Ausl 913/01 - und vom 18.03.2003 - 2 Ausl 253/02 -25-; zum Verhältnis zu Art. 6 III c MRK vgl. OLG Köln, 1. Strafsenat, NStZ-RR 1999, 112). Der wesentliche Kern dieser Rechtsgewährleistungen gehört von Verfassungs wegen zum unverzichtbaren Bestand der deutschen öffentlichen Ordnung und ebenso zum völkerrechtlichen Mindeststandard, der über Art. 25 GG einen Bestandteil des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden innerstaatlichen Rechts bildet (BVerfG NJW 1991, 1411 m.w.N.).

Eine Vollstreckbarkeitserklärung wie auch eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen, in Abwesenheit des Verurteilten ergangenen Strafurteils ist bei Anlegung dieser Maßstäbe nach allgemeinem Rechtsverständnis unzulässig, wenn der Verurteilte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm eine tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (EGMR EuGRZ 1985, 631, 635; EGMR NJW 2001, 2387, 2390 f.; BVerfG NJW 1991, 1411 sowie Entscheidung vom 10.06.1988 - 2 BvR 369/88 -, abgedruckt in Eser/Lagodny/Wilkitzki, Die Rechtshilfe in Strafsachen, Nr. U 167; BVerfGE 63, 332, 338 = NJW 1983, 1726; BVerfG StV 2004, 438; StV 2005, 675; BGH NStZ 2002, 166; OLG Köln StV 2004, 150; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 20).

Eine ausreichende Möglichkeit effektiver Rechtsverteidigung war für den Verurteilten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht gegeben.

a)

Dass gegen ihn ein Strafverfahren in den Niederlanden eingeleitet worden war, war dem Verurteilten allerdings bekannt. Er war am 10.05.1945 verhaftet und in Gewahrsam genommen worden. Während seiner Inhaftierung war er - bis zu seiner Flucht am 09.06.1947 - mehrfach verantwortlich vernommen worden und hatte dabei die ihm zur Last gelegten Tötungen eingeräumt.

Auch bestand für den Beschwerdeführer an sich die Möglichkeit, seine Verteidigungsrechte in einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung wahrnehmen zu können (zu diesem Gebot vgl.: EGMR - Urt. vom 03.10.2000 - Pobornikoff/Österreich - ÖJZ 2001, 232; BVerfGE 41, 249; BVerfG NJW 1991, 1411; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 188 FN 994). Dieses - nunmehr von Art. 14 Abs. 3 lit. d) IPBPR ausdrücklich garantierte - Recht wird im Rahmen der MRK aus dem Gesamtzusammenhang des Art. 6 hergeleitet (EGMR - Urt. vom 28.08.1991 - 40/1990/231/267 - EuGRZ 1992, 539; EGMR EuGRZ 1991, 416; EGMR - Urt. vom 12.02.1985 - Colozza/Italien - EuGRZ 1985, 631; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, a.a.O., Rn. 188 m.w.N. in FN 991 ff.). Der Schutzzweck von Art. 6 MRK und Art. 14 III c IPBPR ist erfüllt, wenn dem Angeklagten die Möglichkeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung offen steht. Dies setzt zwar regelmäßig voraus, dass er vom Verhandlungstermin formell benachrichtigt worden ist (vgl. EGMR EuGRZ 1992, 539 und 541; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, a.a.O., und dort FN 1005). In den sog. "Fluchtfällen", bei denen eine solche Benachrichtigung durch die Flucht des Betroffenen vereitelt wird, entfällt jedoch dieses Erfordernis. Für die Auslieferung an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union legt § 83 Nr. 3 IRG dementsprechend fest, dass die Auslieferung zur Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils unzulässig ist, wenn der Verurteilte nicht rechtzeitig von dem Termin, in dem das Urteil ergangen ist, unterrichtet worden war, es sei denn, dass er in Kenntnis des gegen ihn gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat oder ihm nach seiner Überstellung das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren, in dem der gegen ihn erhobene Vorwurf umfassend überprüft wird, auf Anwesenheit bei der Gerichtsverhandlung eingeräumt wird.

Die Möglichkeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung besteht also - jedenfalls grundsätzlich - nicht nur für den Angeklagten, der trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Hauptverhandlungstermin fernbleibt, sondern auch für den Angeklagten, der in Verletzung eigener Obliegenheiten die ihm verfahrensrechtlich eröffnete Möglichkeit der Teilnahme nicht wahrnimmt oder der sie durch eigenes schuldhaftes Verhalten - wie hier durch Flucht - verliert (Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, a.a.O., Rn. 189).

Das Unterbleiben einer Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 04.10.1949 vor dem Sondergerichtshof Amsterdam stellt also an sich keine Verletzung des Rechts auf Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung dar, weil davon ausgegangen werden darf, dass der Beschwerdeführer auf die Einhaltung dieses Rechts durch seine Flucht im Jahre 1947 und das ihr folgende Untertauchen bewusst verzichtet hat. Dass er von dem gegen ihn gerichteten Verfahren Kenntnis gehabt hat, ergibt sich aus den im Urteil mitgeteilten polizeilichen Vernehmungen und wird von ihm auch nicht in Abrede gestellt. Soweit für die heutige Zeit mit den bestehenden Kommunikations- und Suchmöglichkeiten im Einzelfall erwartet werden kann, dass vor Durchführung der Hauptverhandlung der Versuch unternommen wird, den Aufenthaltsort eines ursprünglich flüchtigen Angeklagten festzustellen, um ihn noch laden zu können, gilt dies jedenfalls nicht für die damaligen Verhältnisse in der Nachkriegszeit.

b)

Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer erfordern jedoch die im Rechtshilfeverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 63, 332, 338; BVerfG NJW 1987, 830; BVerfG NJW 1991, 1411 m.w.N.; vgl. ferner: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl., § 73 Rn. 70 ff., 84) geltenden rechtsstaatlichen Mindeststandards, dass ein Angeklagter, dem eine schwerwiegende, mit sehr hoher Strafe bedrohte Straftat vorgeworfen wird, in dem zu seiner Verurteilung führenden Abwesenheitsverfahren ohne nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit durch einen Verteidiger vertreten wird. Die Einhaltung dieses Mindeststandards wird in der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 17.11.1986 (NJW 1987, 830) sehr wohl verlangt. Denn darin wird ein Abwesenheitsverfahren gegen den flüchtigen Beschuldigten für zulässig gehalten, der "im Verfahren von einem ordnungsgemäß bestellten Pflichtverteidiger unter Beachtung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen verteidigt werden konnte". Die gegenteilige Auffassung der Strafvollstreckungskammer teilt der Senat nicht. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des BVerfG hat auch der Gesetzgeber bei Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.06.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in § 83 Nr. 3 IRG normiert, dass die Auslieferung in Fluchtfällen die Bestellung eines Verteidigers im Abwesenheitsverfahren voraussetzt, sofern das Recht auf ein neues Gerichtsverfahrens nicht gewährleistet ist. Wegen des gebotenen Gleichklangs zwischen Auslieferungsrecht und Vollstreckungshilfe muss diese gesetzgeberische Entscheidung im Rahmen der Vollstreckungshilfe Berücksichtigung finden.

Die Anforderungen an diesen Mindeststandard im Abwesenheitsverfahren nach deutschem Recht entsprechen auch den supranationalen Rechtsgrundsätzen. Ein in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführtes Strafverfahren erster Instanz kann nur als mit den Konventionen (MRK und IPBPR) vereinbar angesehen werden, wenn der Angeklagte in der Abwesenheitsverhandlung anwaltlich - und damit hinreichend - verteidigt wird (EGMR, Urt. vom 23.11.1993 - Poitrimol/Frankreich - in: Österreichische Juristenzeitung 1994, 467; EGMR, Urt. vom 22.09.1994 - Lala/Niederlande - in: ÖJZ 1995, 196, 197; EGMR, Urt. vom 13.02.2001 - 29731/96 - Krombach/Frankreich - NJW 2001, 2387 ff.; BVerfG StV 2004, 438 ff. = NStZ-RR 2004, 308 ff.; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, a.a.O., Rn. 190 m.w.N. in FN 1014) oder er die Möglichkeit hat, nachträglich die Begründetheit der Anklage erneut effektiv überprüfen zu lassen, sobald er von seiner Verurteilung Kenntnis erhält (EGMR EuGRZ 1985, 631 - Colozza/Italien - ; EGMR NJW 2001, 2387, 2391 - Krombach/Frankreich - ; weitere Nachweise bei Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, a.a.O.).

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 22.09.1994 (Lala/Niederlande - in: ÖJZ 1995, 196, 197) in diesem Sinne ausgeführt, dass es für die Fairness des Strafrechtssystems von entscheidender Wichtigkeit sei, dass der Beschuldigte sowohl in erster Instanz als auch im Rechtsmittelverfahren angemessen verteidigt ist.

Den Grundsätzen angemessener Verteidigung entspricht es, dass der Beschuldigte nicht aufgrund nationalgesetzlicher Regelungen einem fairen Verfahren entzogen werden darf (EGMR, Urt. vom 16.10.2001 - Brennan/Großbritannien - Recueil CourEDH 2001-X S. 239, Ziff. 45; Schweizerisches Bundesgericht, Urt. vom 22.06.2006 - 1P.775/2004 - BGE 131 I 350 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR). Hierzu gehört auch das durch Art. 6 III c MRK gewährleistete Recht auf Beistand eines Verteidigers. Dieses Recht ist nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. vom 12.02.1985 - Colozza/Italien - in: EuGRZ 1985, 632 ff.; EGMR, Urt. vom 28.08.1991 - F.C.B./Italien - in: EuGRZ 1992, 539, 540; EGMR, Urt. vom 23.11.1993 - Poitrimol/Frankreich - in: ÖJZ 1994, 467) nicht nur dann verletzt, wenn der von ihm gewählte Verteidiger bei Abwesenheit des Beschuldigten nichts zur Verteidigung vorbringen darf, sondern auch dann, wenn kein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, obwohl dies nach Sachlage angezeigt ist (EGMR - Poitrimol/Frankreich - ÖJZ 1994, 467), insbesondere im Verfahren eine schwierige, vom Beschuldigten nicht überschaubare Rechtsfrage aufgeworfen ist und der Beschuldigte schwerwiegende Rechtsfolgen zu befürchten hat (EGMR, Urt. vom 25.09.1992 - Pham Hoang/Frankreich - in: EuGRZ 1992, 472 ff.).

Eine solche Verteidigung war in dem im Jahre 1949 in den Niederlanden durchgeführten Abwesenheitsverfahren nicht gegeben. Der Beschwerdeführer war im gesamten Verfahren einschließlich des Ermittlungsverfahrens nicht anwaltlich verteidigt, für ihn war kein Pflichtverteidiger bestellt und dementsprechend hatte für ihn kein anwaltlicher Beistand an der Hauptverhandlung vom 04.10.1949 teilgenommen. Ihm drohte wegen der angeklagten Mordstraftaten die Todesstrafe und es ging dabei um schwierige Rechtsfragen aus dem Bereich des Kriegsstrafrechts, insbesondere um die Frage des Handelns im Befehlsnotstand. Bei dieser Sachlage bedurfte es zur Wahrung prozessualer "Waffengleichheit" im Interesse des fairen und gerechten Strafverfahrens der Bestellung eines Offizialverteidigers. Auch wenn die Klärung des Sachverhalts im Ermittlungsverfahren unter der Mitwirkung des Beschwerdeführers erfolgte, war eine juristische Vertretung unverzichtbar.

Dass die niederländische Strafprozessordnung (Wetboek van Strafvordering) das prozessrechtliche Institut der Pflichtverteidigung damals nicht kannte und auch heute nicht kennt, rechtfertigt es nicht, im Rechtshilfeverfahren von den dargelegten Mindeststandards abzuweichen. Der Senat geht davon aus, dass diese Standards auch für die Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts gelten müssen, wie sie schon etwa in den "Nürnberger Prozessen" Anerkennung gefunden haben. In jenem Verfahren betreffend die "gerechte und schnelle Aburteilung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse", welches nach Art. 12 des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof vom 08.08.1945 ausdrücklich die Durchführung eines Verfahrens in Abwesenheit zuließ, war der einzige abwesende Angeklagte, N. B., durch einen vom Internationalen Militärgerichtshof bestellten Pflichtverteidiger anwaltlich verteidigt.

c)

Dem Beschwerdeführer war ferner keine rechtlich und tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet, sich nach Erlangung der Kenntnis von dem gegen ihn ergangenen Abwesenheitsurteil vom 18. 10. 1949 im Rahmen des niederländischen Strafverfahrensrechts nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen, so dass hierdurch die zu garantierenden prozessualen Mindestrechte hätten gewahrt werden können.

Eine effektive Möglichkeit der nachträglichen Urteilsanfechtung setzt voraus, dass das Abwesenheitsurteil, auch wenn es bereits vollstreckbar ist, durch einen einfachen Rechtsbehelf, der dem Verurteilten keine besondere Darlegungs- und Beweislast auferlegt, beseitigt werden kann (EGMR, Urt. vom 13.02.2001 - 29731/96 - NJW 2001, 2387, 2391; BGH NStZ 2002, 166 ff.; OLG Düsseldorf NStZ 1987, 466 und NStZ-RR 1996, 30). Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt, zu welchem die nachträgliche Urteilsanfechtung fristgerecht hätte erfolgen können und müssen.

Das niederländische Recht sieht als ausschließlichen Rechtsbehelf gegen Abwesenheitsurteile für den Angeklagten den Einspruch ("verzet") vor. Art. 399 Wetboek van Strafvordering in der im Jahre 1983 geltenden Fassung lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:

"Artikel 399

1.

Gegen ein im ersten Rechtszug als Endurteil ergangenes Abwesenheitsurteil kann derjenige, der damit weder hinsichtlich aller Anklagepunkte freigesprochen worden ist und dieses Urteil weder ganz noch teilweise erfüllt hat, Einspruch (verzet) einlegen:

a. wenn ihm die Ladung zum Gerichtstermin persönlich zugestellt wurde, innerhalb von 14 Tagen nach der Entscheidung

b. in anderen Fällen spätestens 14 Tage, nachdem ein Umstand eingetreten ist, aus dem sich ergibt, dass dem Angeklagten das Urteil bekannt ist.

2.

Einspruch kann nicht gegen ein Urteil eingelegt werden, gegen das der Angeklagte Berufung einlegen kann. ..."

Nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung des Art. 399 Abs. 1 b Wetboek van Strafvordering - die Voraussetzungen von Art. 399 Abs. 1 a sind ersichtlich nicht gegeben - kann in anderen als in den in Absatz 1 a genannten Fällen der Angeklagte den Einspruch also nur innerhalb von vierzehn Tagen einlegen, nachdem ein Umstand eingetreten ist, aus dem sich ergibt, dass ihm das Urteil bekannt ist. Das niederländische Recht stellt an den Begriff der Kenntnis nur geringe Anforderungen. Das in den Akten befindliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Y. vom 06.02.2006 führt hierzu aus, dass die niederländische Rechtsprechung weder den Nachweis einer förmlichen Zustellung des Urteils noch den einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft nach Art. 366 der Strafprozessordnung verlangt. Die Kenntnis könne sich auch aus anderen Umständen ergeben, etwa aus einer Erklärung des Angeklagten, dass er das Urteil kenne (Gutachten Scholten, Seite 14).

Von einer bloßen Kenntnis seiner Verurteilung ist bei dem Beschwerdeführer wohl bereits für die 50er Jahre auszugehen. Dies ergibt sich aus seiner polizeilichen Vernehmung am 29.03.1982 im Auslieferungsverfahren (Bl. 205 der Akte Ausl 17/80 OLG Köln). Nähere Kenntnis vom Inhalt des Abwesenheitsurteils vom 18.10.1949 hat der Verurteilte am 28. 02. 1983 erlangt, als er im damaligen Auslieferungsverfahren auf Grund des Auslieferungshaftbefehls des Oberlandesgerichts Köln vom 24. 01. 1983 am 28. 02. 1983 festgenommen und beim Amtsgericht Eschweiler vorgeführt wurde. In diesem Termin wurden ihm ausweislich des Terminsprotokolls nicht nur der Auslieferungshaftbefehl bekannt gegeben, sondern auch u. a. das Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18. 10. 1949 und verschiedene niederländische Gesetzesbestimmungen, darunter auch Art. 399 Wetboek van Strafvordering.

Demnach wurde die 14-Tages-Frist des Art. 399 Abs. 2 Wetboek van Strafvordering zur Einlegung des Einspruchs spätestens mit der Bekanntgabe des Urteils am 28.02.1983 in Lauf gesetzt und lief am 14.03.1983 ab.

Die niederländische Rechtsauffassung zur Kenntniserlangung im Sinne von Art. 399 Abs. 2 Wetboek von Strafvordering entspricht freilich nicht den nach der Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geltenden rechtlichen Mindeststandards, nach denen sich für eine effektive Rechtsmittelmöglichkeit die Kenntnis auf den vollständigen Inhalt des in Abwesenheit des Verurteilten verkündeten Urteils, nicht bloß auf den Urteilstenor erstrecken muss (EGMR NJW 1993, 1697 zu Art. 6 III MRK; EuGH NJW 2007, 825, 826 re. Sp. sowie OLG Köln OLGR 2003, 91, 92 jeweils zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ; OLG Düsseldorf NStZ 1987, 466, 467; OLG Hamm, Beschl. vom 23.12.1986 - 4 Ausl. 27/78 - in: Eser/Lagodny/Wilkitzki, a.a.O., Nr. U 140). Die Kenntnis muss so umfassend sein, dass der Angeklagte sein Rechtsmittel auf zweckdienliche Weise einlegen kann, und deshalb die Gründe der Entscheidung umfassen.

Eine umfassende Bekanntgabe des Urteils mit seinen Gründen kann aber schon nicht festgestellt werden. Im Terminsprotokoll vom 28.02.1983 ist ausdrücklich nur die Aushändigung des Auslieferungshaftbefehls vermerkt, was dafür spricht, dass nicht auch das Urteil ausgehändigt wurde. Der Umfang des Urteils macht seine vollständige Verlesung eher unwahrscheinlich. Das Protokoll enthält auch dazu keine Angaben. Zu einer Aushändigung des Urteils bestand auch umso weniger Veranlassung, weil es um die Auslieferung des Beschwerdeführers ging und der anhörende Richter die Problematik des Einspruchs gegen das Urteil nicht in den Blick nehmen musste. Dass von den niederländischen Behörden im Rahmen des Auslieferungsverfahrens um Aushändigung einer Ausfertigung des Urteils an den Beschwerdeführer gebeten worden wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

Der Ablauf der Einspruchsfrist ist hiernach ohne effektive Rechtsmittelmöglichkeit eingetreten.

Zudem hat es an einer notwendigen Rechtsmittelbelehrung gefehlt. Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren schließt die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf ein Abwesenheitsurteil ein, wenn dies zur effektiven Wahrnehmung und Sicherung seiner Rechte im "Nachverfahren" geboten ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 23.12.1978 - 4 Ausl. 27/78 - in: Eser/Lagodny/Wilkitzki, a.a.O., Nr. U 140; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Bamberg, Beschl. vom 13.12.1984 - 3 AR 30/84 - in: Eser/Lagodny/Wilkitzki, a.a.O., Nr. U 99; OLG Karlsruhe, Beschl. vom 27.02.2003 - 1 AK 29/02 - in: wistra 2004, 199; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl., § 73 IRG Rn. 87; Vogel, in: Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 73 IRG Rn. 88). Da es sich bei dem Einspruch nach Art. 399 Wetboek van Strafvordering nicht um einen nach Form und Frist einfach gelagerten Rechtsbehelf handelt, war die Belehrung erforderlich (ebenso: OLG Düsseldorf, a.a.O.). Eine ausreichende Rechtsmittelbelehrung ist nicht schon darin zu sehen, dass dem Beschwerdeführer die Bestimmung des Art. 399 Wetboek van Strafvordering laut Anhörungsprotokoll "bekannt gemacht" worden ist. Sofern dem Beschwerdeführer überhaupt der vollständige Wortlaut der Vorschrift mitgeteilt worden sein sollte, wovon mangels entsprechender Angaben im Protokoll nicht auszugehen ist, konnte der Beschwerdeführer der Gesetzesbestimmung lediglich entnehmen, dass eine 14-Tages-Frist ab Kenntnis vom Inhalt des Abwesenheitsurteils galt. Dies stellt jedoch keine ausreichende Rechtsmittelbelehrung dar, weil der Beschwerdeführer nicht darüber belehrt wurde, bei welchem Gericht, auf welche Weise und in welcher Form - ob schriftlich oder persönlich auf der Geschäftsstelle des Gerichts, ob durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger - er innerhalb der 14-Tages-Frist den Einspruch wirksam einlegen konnte. Der Wortlaut des Art. 399 Wetboek van Strafvordering äußert sich zu diesen notwendigen Formalien einer Einspruchseinlegung nicht.

Nach Art. 449 Wetboek van Strafvordering muss ein Rechtsmittel so eingelegt werden, dass eine Erklärung bei der Geschäftsstelle des Gerichtes, das das Urteil erlassen hat, abgegeben wird. Diese Anfechtungserklärung kann nach Art. 450 Abs. 1 a Wetboek van Strafvordering auch durch einen Rechtsanwalt abgegeben werden, sofern dieser versichert, hierzu vom Angeklagten ("Verdächtigen") ausdrücklich bevollmächtigt worden zu sein. Beide Bestimmungen - Art. 449 und 450 Wetboek van Strafvordering - waren dem Beschwerdeführer im Auslieferungsverfahren nicht bekannt gemacht worden.

Aber auch wenn der Beschwerdeführer darüber belehrt worden wäre, dass der Einspruch bei dem Gericht anzubringen ist, dessen Urteil angefochten werden soll, um eine Überprüfung dieser Entscheidung zu erreichen, blieb für ihn weiter offen, in welcher Form die Einlegung des Einspruchs zu erfolgen hatte. Hierzu bestimmt Art. 449 Wetboek van Strafvordering, dass der Einspruch durch den Angeklagten selbst oder durch einen von ihm bevollmächtigten Anwalt - wie die Entscheidung des Hoge Raad der Nederlanden (Hoge Raad) vom 01.10.2002 (UN-Nummer: AE5209; Geschäftsnummer: 00539/02) bestätigt - "persönlich auf der Geschäftsstelle des Gerichts" abgegeben wird. Hierdurch soll - wie der Hoge Raad in seiner Entscheidung vom 01.10.2002 (a.a.O.) weiter ausgeführt hat - sichergestellt werden, dass Rechtsmittel in Strafsachen nur durch am Verfahren wirklich Beteiligte eingelegt werden und der Angeklagte erreichbar ist.

Mangels entsprechender Hinweise im Rahmen seiner Anhörung bestand für den Beschwerdeführer keine angemessene Möglichkeit, einen Einspruch innerhalb der 14-Tages-Frist bei der Geschäftsstelle des Gerichtshofs in Amsterdam einzulegen. Er selbst war zu persönlicher Einspruchseinlegung nicht imstande, da er sich in Auslieferungshaft befand. Auf die Notwendigkeit, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen einen Rechtsanwalt als Verteidiger hiermit zu beauftragen, gaben die dem inhaftierten Beschwerdeführer am 28.02.1983 bekannt gemachten gesetzlichen Bestimmungen - u.a. von Art. 399 des Wetboek van Strafvordering - keine Hinweise, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Einlegung eines Einspruchs durch den Beschwerdeführer aus Unkenntnis der formellen Voraussetzungen unterblieben ist.

Nach alledem war der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung weder in der gebotenen Weise verteidigt gewesen, noch hat für ihn nachträglich eine Möglichkeit zur effektiven Rechtsverteidigung bestanden.

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer kann deshalb keinen Bestand haben.

Der Senat verkennt nicht, dass es unbefriedigend erscheint, den Beschwerdeführer nicht für die Taten zur Verantwortung ziehen zu können, die er vom Tatgeschehen her vollständig eingeräumt hat und für die er in diesem wie auch in den früheren Verfahren kein Wort der Reue gefunden hat.

Da die Mindeststandards gerichtlicher Abwesenheitsverfahren nicht eingehalten sind, ist den Justizbehörden die Übernahme der Vollstreckung des Urteils vom 18.10.1949 jedoch verwehrt.

Ende der Entscheidung

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