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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 27/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 45 Abs. 2 Satz 1
StPO § 46 Abs. 3
StPO § 329
StPO § 329 Abs. 3
StPO § 467
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Dem Angeklagten wird in Abänderung der angefochtenen Entscheidung auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung am 13.12.2007 in dem Strafverfahren Staatsanwaltschaft Köln 602 Js 368/07 gewährt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen trägt entsprechend § 467 StPO die Staatskasse.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten vorgelegt mit dem Antrag, dem Beschwerdeführer abweichend von der angefochtenen Entscheidung Wiedereinsetzung zu gewähren.

Zur Begründung ist ausgeführt worden :

"Der Beschwerdeführer ist in dem Verfahren 602 Js 368/07 Staatsanwaltschaft Köln am 31.07.2007 durch das Amtsgericht Köln - 520 Ds 299/07 - wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt worden (Bl. 33 ff. d.A.).

Gegen dieses Urteil hat er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 06.08.2007 Berufung eingelegt (Bl. 38 d.A.).

Die Ladung zum Hauptverhandlungstermin über seine Berufung, der von dem Landgericht auf den 13.12.2007 bestimmt worden ist, ist dem Beschwerdeführer am 19.10.2007 durch Niederlegung unter seiner Wohnanschrift zugestellt worden (Bl. 50, 59, 59 R. d.A.).

Der Angeklagte ist in dem Termin am 13.12.2007 nicht erschienen und hat eine Entschuldigung für sein Nichterscheinen nicht vorgebracht (Bl. 81 d.A.). In dem Hauptverhandlungstermin hat der Vorsitzende durch telefonische Rücksprache mit der Justizvollzugsanstalt erfahren, dass sich der Angeklagte dort seit dem 07.12.2007 in anderer Sache in Haft befindet (Bl. 81 d.A.). Darauf hin hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 13.12.2007 - 151-176/07 - die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 StPO verworfen (Bl. 81 f., 83 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.12.2007, bei Gericht eingegangen am 19.12.2007, hat der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsverhandlung beantragt (Bl. 89 f. d.A.). Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages hat er vorgetragen, er sei am 07.12.2007 in anderer Sache von der Polizei "von der Straße weg" aufgrund eines Haftbefehls verhaftet worden. Er habe keine Möglichkeit mehr gehabt, seine Wohnung nochmals aufzusuchen, um wesentliche Schriftstücke - insbesondere die Ladung zum Termin - in die Justizvollzugsanstalt mitzunehmen. Er sei daher entschuldigt gewesen. (Bl. 90 d.A.).

Mit Beschluss vom 20.12.2007 hat das Landgericht Köln - 151-176/07 - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung verworfen, der Beschwerdeführer hätte bei seiner Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt Köln auf den bevorstehenden Hauptverhandlungstermin hinweisen können bzw. seinen Verteidiger von seiner Festnahme unterrichten können. Daher sei sein Nichterscheinen nicht entschuldigt (Bl. 92 f. d.A.).

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 31.12.2007 zugestellten (Bl. 96 d.A.) Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 02.01.2008, bei Gericht eingegangen am 03.02.2008, sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 97 f. d.A.).

Er hat seine bisherige Antragsbegründung wiederholt und ergänzend vorgetragen, einem inhaftierten Angeklagten sei es als Entlastung grundsätzlich zugute zu halten, dass er an einen bevorstehenden Verhandlungstermin nicht oder nur zu spät denke, weil er eine bereits vor der Inhaftierung erhaltene Ladung nicht in den Hände habe oder annehme, die Justizverwaltung, die ihn in Strafhaft genommen habe, werde selbst dafür Sorge tragen, dass er bei dem anderen Gericht vorgeführt werde. Daher könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er in der Justizvollzugsanstalt nicht auf den bevorstehenden Berufungstermin hingewiesen habe. Dem Gericht sei vor Erlass des Urteils auch bekannt gewesen, dass der Angeklagte sich in Haft befunden habe. Der Angeklagte habe aufgrund seines sehr schlechten Namensgedächtnisses auch nicht seinen Verteidiger informieren können. Der Angeklagte sei daher genügend entschuldigt gewesen (Bl. 98 f. d.A) .

II.

Die gemäß § 329 Abs. 3 in Verbindung mit § 46 Abs. 3 StPO statthafte, und auch sonst form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht als unbegründet verworfen, da dieser vorgetragen hat, dass er ohne eigenes Verschulden an der Versäumung der Berufungsverhandlung gehindert war.

Einer Glaubhaftmachung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO im Hinblick auf die Inhaftierung des Angeklagten bedurfte es vorliegend nicht, da dies aktenkundig war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50 Aufl., § 45 Rdn. 6 m.w.N.).

Wie die Verteidigung zutreffend ausgeführt hat, ist das Ausbleiben eines inhaftierten Angeklagten - auch wenn er sich in anderer Sache in Haft befindet - zu einem Hauptverhandlungstermin in der Regel als entschuldigt anzusehen (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 329 Rdn. 24, Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 329 Rdn. 20; OLG Düsseldorf VRS 80, 37, 39 m.w.N.).

Der Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung ist im Interesse des Angeklagten weit auszulegen. Dabei kommt es auf die wirkliche Sachlage und nicht darauf an, ob seitens des Angeklagten Entschuldigungsgründe vorgebracht oder gar glaubhaft gemacht worden sind (vgl. nur Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 329 Rdn 20, 34 m.w.N.).

Hiervon ist vorliegend auszugehen. Es gereicht einem inhaftierten Angeklagten nicht zum Verschulden, wenn er sich in anderer Sache in Haft befindet, und zwar auch dann nicht, wenn er es unterlassen hat, das Berufungsgericht auf seine Inhaftierung hinzuweisen oder sonst auf seine Vorführung hinzuwirken (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. Rdn. 24; Löwe-Rosenberg, StPO, 25.Aufl., Rdn. 20; OLG Braunschweig, NStZ 2002, 163 m.w.N.). Dies gilt in vorliegendem Fall umso mehr, als das erkennende Gericht bereits vor Erlass des Urteils Kenntnis über die Inhaftierung des Angeklagten gehabt hat und eine Vorführung ohne Aufwand möglich gewesen wäre.

Daher ist dem Angeklagten gemäß § 44 StPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsverhandlung zu gewähren."

Dem stimmt der Senat zu und weist darauf hin, dass die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft auch der Rechtsprechung des Senats entspricht, vgl. SenE vom 02.03.07 - 2 Ws 95/07 -. Mit dieser Entscheidung ist, wie der Senat anmerkt, eine ebenfalls von dem Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln getroffene Entscheidung abgeändert worden.

Ende der Entscheidung

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