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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.09.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 389/01
Rechtsgebiete: BGB, EhrRiEG, ZSEG


Vorschriften:

BGB § 1360
BGB § 1360 S. 2
BGB § 1360 S. 1
EhrRiEG § 2 Abs. 1
EhrRiEG § 2 Abs. 2 S. 4
EhrRiEG § 12 Abs. 1
EhrRiEG § 12 Abs. 2 S. 1
EhrRiEG § 12 Abs. 1 S. 2
ZSEG § 2 Abs. 2 S. 4
ZSEG § 2 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 389/01

In der Strafsache

gegen

hier: Entschädigung der Schöffin

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Aachen gegen den Beschluss der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen (65 KLs 10/00) vom 30. Juli 2001

durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, den Richter am Oberlandesgericht Siegert und den Richter am Oberlandesgericht Conzen

am 14. September 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Schöffin O. war in dem Verfahren gegen den Angeklagten St. an der Hauptverhandlung in der Zeit vom 16. Januar bis zum 14. Mai 2001 beteiligt. Die Hauptverhandlung hat 77 Stunden gedauert. Die Schöffin ist Hausfrau und lebt im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, der 66 Jahre alt und als Rentner nicht mehr erwerbstätig ist. Sie verrichtet die Haushaltsführung selbst.

Von der Anweisungsstelle bei dem Amtsgericht Aachen wurde der Schöffin ein Entschädigungsbetrag von 948,40 DM ausbezahlt. Dem lag zugrunde, dass bei der Entschädigung für Zeitversäumnis nur 8,- DM pro Stunde gemäß § 2 Abs. 1 EhrRiEG angesetzt worden sind. Dem Antrag der Schöffin, gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG eine weitere Entschädigung von 20,- DM je Stunde zu erhalten, ist nicht entsprochen worden.

Auf Remonstration der Schöffin hin hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Aachen die Ansicht vertreten, die zusätzliche Entschädigung von 20,- DM je Stunde aufgrund der Haushaltsführung stehe der Schöffin nicht zu. Er hat sich auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (L 4 S 3/96) vom 25. April 1996 berufen, wonach eine ehrenamtliche Richterin keinen eigenen Haushalt für mehrere Personen im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG führe, wenn der Ehemann nicht mehr erwerbstätig sei (weil in einem solchen Falle nämlich nach § 1360 BGB die Eheleute beide gleichrangig zur Haushaltsführung verpflichtet seien, so dass es an dem Erfordernis einer für sich und mindestens eine weitere Person geleisteten Hausarbeit fehle).

Die Strafkammer hat gemäß § 12 Abs. 1 EhrRiEG mit Beschluss vom 30. Juli 2001 die Entschädigung der Zeugin auf insgesamt 2.368,40 DM festgesetzt. Diesem Betrag liegt zugrunde, dass als Entschädigung für Zeitversäumnis neben 8,- DM gemäß § 2 Abs. 1 EhrRiEG auch weitere 20,- DM gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 EheRieg angesetzt worden sind. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, dass die Regelung des § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG unabhängig davon eingreife, ob gemäß § 1360 BGB eine Pflicht zur Mitwirkung im Haushalt bestehe. Es sei insbesondere bei der älteren Generation das tradierte Bild zu berücksichtigen, dass der Ehefrau die Haushaltsführung auch dann obliegt, wenn der Ehemann seinerseits altersbedingt bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (aber durch die Rente zu dem Erwerb der Familie beiträgt).

Gegen diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Aachen unter dem 21. August 2001 Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, es bei der Festsetzung einer Entschädigung auf insgesamt 948,40 DM zu belassen. Zur Beschwerdebegründung hat er Bezug genommen auf einen Schriftsatz des Anweisungsbeamten bei dem Amtsgericht Aachen vom 20. August 2001.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 EhrRiEG statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache ist das Rechtsmittel nicht begründet.

Der Schöffin, die einen eigenen Haushalt führt, in dem auch ihr nicht erwerbstätiger Ehemann lebt, steht nach § 2 Abs. 2 S. 4 ZSEG der erhöhte Entschädigungsbetrag zu. Der entgegenstehenden Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, auf die sich die Anweisungsstelle und der Bezirksrevisor stützen, kann nicht gefolgt werden.

Der ursprünglichen Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 6. Juni 2001 ist wenigstens darin Recht zu geben, dass der Schöffin "an sich nach dem Gesetzeswortlaut die Pauschale zustehen würde". Schon von daher ist das Ergebnis, dass der Schöffin der erhöhte Betrag auch tatsächlich zusteht, aber vorgezeichnet. Weder Wortlaut noch Sinn der Regelung des § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG wie auch der gleichlautenden Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 2 ZSEG rechtfertigen eine andere Entscheidung für den Fall, dass außer der nicht erwerbstätigen Schöffin und Hausfrau auch der mit im selben Haushalt lebende Ehemann nicht (mehr) erwerbstätig ist.

Die Ansicht des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, eine Schöffin (oder ein Zeuge) führe keinen eigenen Haushalt für mehrere Personen, wenn der Ehemann nicht mehr erwerbstätig ist, findet nach Ansicht des Senats keine Grundlage im Zweck der gesetzlichen Regelung. Diese besteht zwar darin, einer Hausfrau, die durch die Erfüllung der Schöffen- oder Zeugenpflicht ihrer - nur beschränkt nachholbaren - häuslichen Tätigkeit entzogen wird, einen pauschalierten Entschädigungsbetrag zuzubilligen, weil die Ehefrau, der die Haushaltsführung überlassen ist, hierdurch ihre Verpflichtung aus § 1360 S. 2 BGB erfüllt, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen (BVerfG NJW 79, 32). Der Gesetzgeber geht von dem Leitbild aus, dass der Begriff der Hausfrau mehr erfordert als nur fehlende Verdiensteinbuße; Ziel der Haushaltsführung muss es sein, der gewachsenen oder gewählten ehelichen, familiären oder sonstigen Gemeinschaft zu dienen und in der Regel zur gemeinsamen Lebensmöglichkeit und -gestaltung beizutragen, während der andere Teil durch Erwerbstätigkeit oder auf andere Weise wirtschaftlich wenigstens teilweise Mittel dafür aufbringt (OLG Nürnberg Rechtspfleger 79, 234, 235).

Hieraus ist aber nicht die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass es an dem Erfordernis einer für sich und mindestens eine weitere Person geleisteten Hausarbeit fehle, wenn wegen mangelnder eigener Erwerbstätigkeit des Ehemannes beide Ehegatten einander nach § 1360 S. 1 BGB gleichrangig zur Haushaltsführung verpflichtet sind. Es ergibt sich dies im übrigen auch nicht aus den in der genannten Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen angeführten Zitaten. Zutreffend stellt der angefochtene Beschluss der Strafkammer darauf ab, dass § 1360 S. 1 BGB nur im Innenverhältnis der Eheleute zueinander gilt und keine Rechte und Pflichten begründet, auf die sich Dritte (vorliegend etwa die Landeskasse) berufen können, und dass § 1360 BGB zudem die Eheleute auch nicht hindert, sich über die Verteilung der von den Eheleuten zu erbringenden Beiträge zur Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft anderweitig zu einigen. Wenn vorliegend die Schöffin O., wie sie gegenüber dem Senat noch einmal schriftsätzlich bestätigt hat, selbst die Haushaltsführung verrichtet, nachdem der Ehemann altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, ist zum einen ohnehin auch im Sinne der Grundsätze der vorgenannten Rechtsprechung doch mit zu berücksichtigen, dass der Ehemann, wenn auch nicht mehr durch Erwerbstätigkeit, durch Einbringung der Rente wirtschaftlich wenigstens teilweise Mittel für die gemeinsame Lebensführung aufbringt. Der Strafkammer ist auch darin Recht zu geben, dass ohnehin bei der älteren Generation das tradierte Bild, dass der Ehefrau die Haushaltsführung obliegt, mit zu berücksichtigen ist. Aus Wortlaut und Sinn des § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG bzw. des § 2 Abs. 2 S. 3 ZSEG lässt sich nichts gegenteiliges herleiten. Wenn die Ehefrau es ist, die allein den Haushalt führt, und wenn es eine weitere Person im Haushalt gibt, für die sie diesen Haushalt mit führt, dann entsteht durch die Heranziehung als Schöffin oder als Zeugin der Ehefrau in eigener Person derjenige Schaden durch Zeitverlust wegen nachzuholender Haushaltstätigkeit, der durch die gesetzliche Regelung mit einer zusätzlichen pauschalierten Entschädigung ausgeglichen werden soll.

Die zutreffenden Gründe der Entscheidung des Landgerichts werden auch durch die dem Bezirksrevisor als Beschwerdebegründung dienende Stellungnahme der Anweisungsstelle des Amtsgerichts Aachen vom 20. August 2001 nicht in Frage gestellt. Diese Stellungnahme ist nicht nur unsachlich, indem sie bei dem Beschluss einer Strafkammer die Unabhängigkeit und Objektivität wegen deren Nähe zu der betroffenen Schöffin in Frage stellt. Indem der Gesetzgeber in § 12 Abs. 1 S. 2 EhrRiEG die gerichtliche Festsetzung gerade dem Gericht zuweist, bei dem der ehrenamtliche Richter mitgewirkt hatte, geht er auch von der Unabhängigkeit und Objektivität dieses Gerichts sehr wohl aus. Auch in der Sache besteht kein Anlass, den Ausführungen der Anweisungsstelle zu folgen. In tatsächlicher Hinsicht kommt es nicht darauf an, dass der Ehemann der Schöffin O. bereits Rentner gewesen sein soll, als die Schöffin ihrerseits noch berufstätig war. Selbst wenn zum damaligen Zeitpunkt der Ehemann der überwiegend den Haushalt geführt und die Schöffin ihrerseits durch Erwerbstätigkeit wirtschaftlich zum Eheunterhalt beigetragen haben sollte, so ist dies doch Vergangenheit. Es kommt auf die jetzigen tatsächlichen Verhältnisse an. Dass die Anweisungsstelle auch männliche Schöffen älterer Generation mit dem erhöhten Stundensatz entschädigt, die glaubhaft versichern, den Haushalt zu führen, und deren Ehefrauen berufstätig sind, geschieht nicht "im Zuge der Gleichberechtigung", sondern ist ohne schon nach dem geänderten geschlechtsneutralen Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 S. 4 EhrRiEG. geboten. Im übrigen würde die erhöhte Entschädigung auch dann einem männlichen Schöffen zustehen, wenn er allein einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führt, ohne dass die übrigen Haushaltsangehörigen, etwa auch die Ehefrau, erwerbstätig sind. Das von der Anweisungsstelle beanstandete Argument des tradierten Bildes von der Rolle der Frau, der die Haushaltsführung obliegt, ist zwar nicht tragend für die angefochtene Entscheidung, aber sehr wohl mit berücksichtigungsfähig. Es entspricht gerade dies auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 79, 32), wonach der Gesetzgeber im Jahre 1957 (also noch vor Inkrafttreten der heutigen geschlechtsneutralen Gesetzesfassung) erstmals eine Sonderregelung für nicht erwerbstätige Hausfrauen schaffen und ihnen eine höhere Entschädigung zubilligen wollte, um im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GEG der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung zu sichern. Wollte man es als entschädigungsfeindlich ansehen, dass einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen wird, so würden gerade dessen Rechte aus § 1360 S. 2 BGB nicht beachtet. In die wechselseitigen internen Rechte und Pflichten der Eheleute untereinander darf aber das Entschädigungsrecht nach dem EhrRiEG oder nach dem ZSEG nicht eingreifen.

Der Senat hat im übrigen bei den Anweisungsstellen der Amtsgerichte Bonn und Köln angefragt, wie dort die Handhabung in vergleichbaren Fällen ist. Beide Anweisungsstellen verfahren nicht so wie bislang die Anweisungsstelle des Amtsgerichts Aachen, sondern gewähren einer Schöffin oder Zeugin die erhöhte Entschädigung schon, wenn sie schlüssig darlegt, dass sie überwiegend den Haushalt führt bzw. unabhängig von der Stellung der weiteren im Haushalt lebenden Personen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 12 Abs. 5 EhrRiEG).

Ende der Entscheidung

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