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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 392/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 392/07

In der Strafvollstreckungssache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde des Verurteilten vom 28.6.2007 und vom 2.7.2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen vom 14.6.2007, 33 c StVK 260/07,

am 10.8.2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 20.11.2002, Az. 22 Sch 2/02, wegen Vergewaltigung des damals 13-jährigen D U zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Diese hat er bis zum 14.6.2007 voll verbüßt.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen festgestellt, dass die nach vollständiger Strafverbüßung von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt. Die Strafvollstreckungskammer hat die Dauer der Führungsaufsicht auf 5 Jahre festgelegt. Sie hat den Verurteilten u.a. angewiesen,

- sich regelmäßig im Abstand von drei Monaten bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen,

- den Genuss von Alkohol und illegalen Drogen zu meiden.

Gegen diese Weisungen wendet sich der Verurteilte mit der durch Schreiben vom 28.6.2007 und Verteidigerschriftsatz vom 2.7.2007 erhobenen Beschwerde. Hinsichtlich der Therapieauflage macht der Verurteilte geltend, diese sei nunmehr unangemessen, weil er bereits während seiner Inhaftierung für eine Therapie gekämpft habe, diese ihm aber nicht ermöglicht worden sei. Außerdem weist er darauf hin, dass die Finanzierung dieser Maßnahme ungeklärt sei. Auch aus beruflichen Gründen sei ihm voraussichtlich die Aufrechterhaltung eines ständigen Kontakts zu einem Therapeuten nicht möglich. Die weitere, den Alkohol- und Drogenkonsum betreffende Auflage, finde keine Stütze in dem gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteil.

II.

Das nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 68 b StGB als Beschwerde statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Weisungen sind nicht gesetzeswidrig i.S. § 453 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift beschränkt sich die Überprüfung durch den Senat darauf, ob die Anordnungen über eine ausreichende Rechtsgrundlage verfügen, ob sie keinen Ermessensfehler erkennen lassen, hinreichend bestimmt sind (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 2 StPO) und den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2007, § 453, Rdnr. 12). Insoweit begegnen die Weisungen keinen Bedenken. Eine weitergehende Kontrolle durch den Senat, insbesondere in Bezug auf die Zweckmäßigkeit der einzelnen Weisungen, findet nicht statt.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Weisungen auf der Grundlage von § 68 b Abs. 1 Nr. 10 und 11 StGB i.d.F. gemäß Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.4.2007, BGBl. I 2007 S. 513, erteilt.

Die Anordnung erfolgte nicht ermessensfehlerhaft. Die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 68 b Abs. 1 Nr. 10 und 11 StGB sind erfüllt:

Die Weisung gemäß § 68 b Abs. 1 Nr. 11 StGB (regelmäßige Vorstellung bei einem Arzt, Psychotherapeuten oder in der forensischen Ambulanz) ist gerechtfertigt, um in gewissen Abständen einen Eindruck von der Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten zu erlangen, damit mögliche riskante Entwicklungen frühzeitig erkannt werden und ihnen entgegengewirkt werden kann (zu dieser Zwecksetzung der Weisung vgl. die Gesetzesbegründung BT-Ds. 16/1993, S. 19). Die Gefahr negativer Entwicklungen liegt beim Verurteilten immer noch vor. Bereits der vom Landgericht Bonn beauftragte psychiatrische Sachverständige Dr. N stellte beim Verurteilten eine Persönlichkeit mit dissozialen Zügen fest. Dieser Diagnose hat sich der Sachverständige Dr. B in seinem Gutachten vom 26.3.2006 angeschlossen. Der Sachverständige Dr. B sah in der prädeliktischen Persönlichkeit des Verurteilten eine sich im Erwachsenenalter manifestierende unreife, unsichere sexuelle Identität. Er stellte darüber hinaus fest, dass auch im Rahmen des Vollzuges nur wenig Nachreifen im unsicheren, misstrauischen Verhalten des Verurteilten bei einer Persönlichkeitsstruktur mit sozialem Rückzug stattgefunden hat und nach wie vor von einer unsicheren sexuellen Identität auszugehen ist. Der Umgang mit der Delinquenz sei als kritisch zu werten, da nach wie vor deliktsspezifische Persönlichkeitszüge mit sozialem Rückzug, wenig Empathie gegenüber seiner Umwelt und wenig selbstkritischem Verhalten persistierten. Aufgrund dieser Feststellungen, an deren Richtigkeit Zweifel nicht ersichtlich sind, geht der Senat mit dem Sachverständigen davon aus, dass eine ambulante psychotherpeutische Behandlung nach wie vor indiziert ist. Die dem Verurteilten nach § 68 b Abs. 1 Nr. 11 erteilte Weisung bleibt hinter dieser vom Sachverständigen für notwendig befundenen Durchführung einer Therapie sogar deutlich zurück. Sie beschränkt sich auf eine bloße regelmäßige Überprüfung, was unter den gegebenen Umständen ohne Zweifel angezeigt ist. Eine weitergehende Therapieauflage könnte nur auf der Grundlage von § 68 b Abs. 2 StGB angeordnet werden (vgl. auch hierzu die Gesetzesbegründung a.a.O. sowie Peglau NJW 2007, 1558 <1559>). Hiervon hat die Strafvollstreckungskammer abgesehen.

Soweit der Verurteilte die Auffassung vertritt, es sei ihm während der Haftzeit keine Therapie ermöglicht worden, kann der Senat offen lassen, warum eine Therapie nicht stattgefunden hat. Für die nunmehr zu treffende Entscheidung kommt es allein darauf an, dass derzeit ein Kontrollbedarf besteht. Hiervon ist auszugehen. Die Weisung der Strafvollstreckungskammer ist auch hinreichend konkret (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 2 StGB). Unter Berücksichtigung der beim Verurteilten durch die Sachverständigen festgestellten Persönlichkeitsdefizite steht fest, welchem Ziel die Vorstellungen dienen sollen. Bei der durch die Strafvollstreckungskammer angeordneten niedrigen Frequenz der Termine (regelmäßig alle drei Monate) kann auch nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte dies mit einer etwaigen Berufstätigkeit nicht in Einklang zu bringen vermag. Zum Einwand, die Finanzierung dieser Maßnahme sei ungeklärt, weist der Senat darauf hin, dass es Sache des Verurteilten selbst ist, die Finanzierung einer in seinem Interesse liegenden Maßnahme zu klären.

Aufgrund der Feststellungen des rechtskräftigen Urteils und des Sachverständigen Dr. B liegen auch die Voraussetzungen einer Weisung nach § 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB (Verbot alkoholischer Getränke und anderer berauschender Mittel) vor. Es bestehen aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme, dass der erneute Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Es ist nämlich von einem Alkohol- und Drogenmissbrauch des Verurteilten im Vorfeld der Tat auszugehen. Auf den konkreten Tatzeitpunkt bezogen hat das Landgericht rechtskräftig festgestellt, dass der Verurteilte vor der Tat eine halbe 0,7-Liter Flasche Whisky (40 % alc.) zu sich genommen hat. Auch darüber hinaus wurde ein genereller Alkohol- und Drogenmissbrauch festgestellt. Aus den Urteilsgründen folgt zwar, dass das Steuerungsvermögen des Verurteilten bei der Tat durch den Alkoholeinfluss nicht beeinträchtigt war und außerdem der Verurteilte seinen Drogenkonsum unter Kontrolle hatte. Gleichwohl ergibt sich aber, dass seine Persönlichkeitsentwicklung in erheblicher Weise durch Substanzmittelmissbrauch gekennzeichnet war. Dies hat auch der Sachverständige Dr. B in seinem Gutachten festgestellt, in dem er die beim Verurteilten festgestellte Persönlichkeitsstörung in einen direkten Zusammenhang zu einem stattgefundenen Alkohol- und Drogenmissbrauch stellte. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorstrafen des Verurteilten zu berücksichtigen, die jedenfalls teilweise auf den Substanzmittelmissbrauch des Verurteilten zurückzuführen sind. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB ("beiträgt") folgt, dass die bei erneutem Alkohol- oder Drogenkonsum zu besorgenden Straftaten nicht notwendig unter alkoholbedingter Enthemmung begangen sein müssen. Es reicht vielmehr aus, dass der Substanzmittelmissbrauch ein mittelbarer Beitrag zur erneuten Straffälligkeit sein kann (Peglau a.a.O.). Die Weisung soll Tendenzen des Abgleitens in einen erheblichen Substanzmittelmissbrauch frühzeitig erkennen und verhindern helfen (BT-Ds. a.a.O.). Die Notwendigkeit zu einer solchen Weisung ist beim Verurteilten festzustellen. Er ist auf die Abstinenz angewiesen, um sein Leben überhaupt in den Griff zu bekommen und in diesem Zusammenhang weitere Straftaten zu vermeiden. An der hinreichenden Bestimmtheit der Weisung bestehen ebenfalls keine Zweifel. Der Verurteilte soll für die Dauer der Führungsaufsicht weder Alkohol noch sonstige Drogen zu sich nehmen.

Die Weisungen genügen ebenso den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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