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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 54/08
Rechtsgebiete: StPO, RVG, BRAO


Vorschriften:

StPO § 143
StPO § 304
StPO § 473 Abs. 1
RVG § 52 Abs. 1 S. 2
RVG § 58 Abs. 3
BRAO § 49 b
BRAO § 49 b Abs. 1 S. 1
BRAO § 49 b Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

Gegen den Beschwerdeführer ist am 20.8.2007 Anklage beim Amtsgericht Köln erhoben worden. Mit der Zustellung der Anklageschrift ist ihm Gelegenheit gegeben worden, einen Rechtsanwalt zu bezeichnen, der ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist kein Rechtsanwalt benannt worden war, ist ihm durch Beschluss vom 25.9.2007 Rechtsanwalt C beigeordnet worden. Rechtsanwalt C hat den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 5.12.2007 vertreten. Im Laufe des Termins ist er ihm in einem weiteren hinzuverbundenen Verfahren ebenfalls als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom selben Tag ist der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin in 3 Fällen, in einem Fall in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat Rechtsanwalt C für den Beschwerdeführer am 6.12.2007 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 10.12.2007 hat Rechtsanwältin T in Vollmacht des Beschwerdeführers Berufung eingelegt und beantragt, den bisherigen Pflichtverteidiger zu entpflichten und statt seiner sie selbst beizuordnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beschwerdeführer fühle sich durch den bisherigen Pflichtverteidiger nicht gut vertreten. Er habe kein Vertrauen zu ihm. Er habe den Eindruck gehabt, dass dieser seine Interessen nicht mit dem notwendigen Einsatz wahrgenommen habe. Das Auswechseln des Pflichtverteidigers führe auch nicht zu weiteren Kosten, da die Einlegung des Rechtsmittels noch zum Rechtszug der ersten Instanz gehöre. Im Falle ihrer Beiordnung werde sie das Wahlmandat niederlegen. Beigefügt war ein Schreiben der Wahlverteidigerin an Rechtsanwalt C, in dem dieser gebeten wurde, seiner Entpflichtung und ihrer Beiordnung zuzustimmen. In einem weiteren Schriftsatz an das Landgericht versicherte Rechtsanwältin T anwaltlich, dass der Staatskasse durch ihre Beiordnung keine Mehrkosten entstünden, da sie gegenüber der Staatskasse nur die Terminsgebühr abrechnen werde.

Das Landgericht hat es durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt, dem Beschwerdeführer Rechtsanwältin T an Stelle von Rechtsanwalt C beizuordnen. Gründe für eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses seien nicht dargetan.

Gegen den ihm am 12.1.2008 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer durch seine Wahlverteidigerin am 18.1.2008 Beschwerde eingelegen lassen. Mit ihr wird nochmals darauf hingewiesen, dass durch den Verteidigerwechsel keine weiteren Kosten entstehen würden. Sie sei nicht verpflichtet, alle Pflichtverteidigergebühren anzumelden. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer den Eindruck gehabt habe, dass der Sachverhalt im Vorfeld mit dem Gericht abgesprochen worden sei, ohne ihn in die Absprache einzubeziehen. Auch habe Rechtsanwalt C sich nach dem Termin zur Hauptverhandlung nicht mit dem Beschwerdeführer darüber unterhalten, welche Verteidigungsmöglichkeiten in der Berufungsinstanz bestünden. Das Vertrauensverhältnis sei demnach als zerrüttet anzusehen.

Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat die Akten mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Die Beschwerde ist nach § 304 StPO zulässig, in der Sache aber unbegründet.

1.

Nach § 143 StPO führt die Bestellung eines Wahlverteidigers zwar grundsätzlich dazu, dass die Pflichtverteidigerbestellung zurückzunehmen ist. Das gilt aber dann nicht, wenn ein unabweisbares Bedürfnis dafür besteht, den Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen. Ein solches Bedürfnis besteht z.B., wenn zu befürchten ist, dass der Wahlverteidiger wegen Mittellosigkeit des Angeklagten das Mandat alsbald niederlegen wird oder wenn die Beauftragung des Wahlverteidigers nur geschieht, um die Entbindung des bisherigen Pflichtverteidigers zu erzwingen und zu erreichen, dass der Wahlverteidiger an dessen Stelle beigeordnet wird (ständige Rspr. des Senats vgl SenE vom 18.3.2003 - 2 Ws 129/03, vom 7.10.2005 - 2 Ws 469/05; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. § 143 Rdn. 2 m.w.N.; Laufhütte in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. § 143 Rdn. 3). So liegt der Fall hier. Die Beiordnung von Rechtsanwältin T ist bereits beantragt.

2.

Es liegt auch kein wichtiger Grund für eine Entpflichtung von Rechtsanwalt C vor. Der Beschwerdeführer war mit der Beiordnung von Rechtsanwalt C einverstanden. Obwohl ihm in erster Instanz dazu Gelegenheit gegeben worden ist, hat er keinen anderen Verteidiger benannt. Auch gegen die im Hauptverhandlungstermin erfolgte Beiordnung von Rechtsanwalt C in dem hinzuverbundenen Verfahren hat er keine Einwendungen erhoben. Eine spätere Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist nicht nachvollziehbar dargetan. Ein Anspruch auf Ablösung des Pflichtverteidigers besteht nur dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Pflichtverteidiger aus der Sicht eines vernünftigen und verständigen Angeklagten endgültig und nachhaltig erschüttert ist und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (BGH NStZ 2004, 632, 633; NStZ 1993, 600; SenE vom 12.8.2006 - 2 Ws 381/06). Die Gründe für eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses muss der Angeklagte oder sein Verteidiger substantiiert darlegen (Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 5 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Es erschöpft sich weitgehend in allgemein gehaltenen Formulierungen, die nicht erkennen lassen, aus welchen konkreten Tatsachen der Beschwerdeführer Vorbehalte gegen den Pflichtverteidiger herleitet. Dass nicht unmittelbar nach der Hauptverhandlung die Verteidigungsmöglichkeiten in der Berufungsinstanz besprochen worden sind, ist dem Pflichtverteidiger nicht anzulasten. Er hat in Absprache mit den Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung eingelegt. Zur Besprechung des weiteren Vorgehens blieb ausreichend Zeit. Aufgrund welcher Umstände der Beschwerdeführer schließlich den Eindruck hatte, der Sachverhalt sei im Vorfeld mit dem Gericht abgesprochen gewesen, erschließt sich aus seinem Vorbringen nicht. Dass er mit dem Urteil unzufrieden ist, reicht für eine Auswechselung des Pflichtverteidigers jedenfalls nicht.

3.

Ausnahmsweise kann ein Wechsel des Pflichtverteidigers dann in Betracht kommen, wenn eine Mehrbelastung der Staatskasse ausgeschlossen ist. Das gilt allerdings nur, wenn aufgrund eines vorliegenden Einverständnisses des bisherigen Pflichtverteidigers mit dem erstrebten Wechsel dessen rechtsmissbräuchliche Verdrängung auszuschließen ist (SenE vom 31.3.2006 - 2 Ws 131/06 - = NStZ RR 2006, 514 f; OLG Düsseldorf StraFo 2007, 156; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 47; KG NStZ 1993, 201 [202; ;LG Köln StV 2001, 442 [443]). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Ein Einverständnis von Rechtsanwalt C mit seiner Entpflichtung ist nicht dargetan. Rechtsanwältin T hatte ihn dieserhalb angeschrieben. Eine positive Antwort hat sie offensichtlich nicht erhalten.

Durch einen Wechsel des Pflichtverteidigers würden der Staatskasse auch zusätzliche Kosten entstehen, da jedenfalls die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 RVG doppelt anfallen würde. Mit der Bestellung zur Pflichtverteidigerin hätte Rechtsanwältin T einen Anspruch auf Bezahlung der Grundgebühr und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sie insofern auch schon aufgrund ihrer Beauftragung durch den Beschwerdeführer einen entsprechenden Anspruch gegen diesen hat. Der vertragliche Anspruch des Verteidigers gegen seinen Mandanten aufgrund einer Beauftragung als Wahlverteidiger ist nicht identisch mit dem Anspruch des Pflichtverteidigers gegen den Staat, sondern besteht neben diesem. Andernfalls bedürfte es nicht der Anrechnungsbestimmungen in §§ 52 Abs. 1 S. 2, 58 Abs. 3 RVG. Eine Doppelbelastung des Staates ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn gemäß § 58 Abs. 3 RVG ein zu verrechnender Vorschuss von Seiten des Mandanten geleistet worden ist. Das ist vorliegend nicht vorgetragen.

Ein Verzicht auf die Grundgebühr kann im Voraus nicht wirksam erklärt werden. Das gilt nicht nur für die vertraglich vereinbarte Gebühr, sondern auch für den Anspruch gegen die Staatskasse (Thüringer OLG JurBüro 2006, 365; a.A. wohl 1. Strafsenat des OLG Köln SenE vom 25.1.2008 - 1 Ws 1/08 - ;OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Naumburg StrFo 2005, 73; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, Ziff. 4100 VV RVG Rdn. 9; Henssler/Prütting-Dittmann, BRAO, 2. Aufl. § 49 b Rdn. 8; Burghoff, RVG, 2. Auflage, § 54 Rdn. 20). Nach § 49 b Abs. 1 S. 1 BRAO ist es nicht nur unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen, als das RVG vorsieht, zu vereinbaren, sondern es ist auch unzulässig, geringere Gebühren zu fordern. § 49 b Abs. 1 S. 2 BRAO ermöglicht es nur im Einzelfall und unter besonderen Umständen, nach Erledigung des Auftrags Gebühren oder Auslagen zu ermäßigen oder zu erlassen. Aus dem Wortlaut des § 49 b BRAO lässt sich nichts dafür herleiten, dass für die Forderung von Pflichtverteidigergebühren eine andere Regelung gelten soll.

Eine solche Einschränkung ergibt sich nicht aus Sinn und Zweck der Regelung. Mit dem Verbot der Gebührenunterschreitung soll nach den Gesetzesmaterialien ein Preiswettbewerb um Mandate verhindert werden. Die anwaltliche Tätigkeit soll nicht mit der eines Maklers verquickt werden, denn die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate "gekauft" und "verkauft" werden (BT-Dr. 12/4993 S. 31). Diese Erwägungen greifen auch für die Pflichtverteidigungen, die einen breiten Raum im Rahmen der Strafverteidigung einnehmen und denen daher wirtschaftlich durchaus eine erhebliche Bedeutung zukommt. Ein Gebührendumping muss im Interesse einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtspflege unbedingt verhindert werden. Durch die Zulassung eines teilweisen Gebührenverzichts durch den Pflichtverteidiger würde dem Konkurrenzkampf um die Pflichtverteidigermandate aber Tür und Tor geöffnet.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtsprechung einen Pflichtverteidigerwechsel nur mit Einverständnis des bisherigen Verteidigers für zulässig erachtet. Es wird sich häufig gar nicht feststellen lassen, wie ein solches Einverständnis zustande gekommen ist und welche Gründe den Anwalt zu seiner Abgabe bewogen haben. Insoweit gilt es die Integrität der Rechtspflege zu wahren. Mit dem Verbot eines Gebührenverzichts bei Pflichtverteidigungen wird auch ausgeschlossen, dass dieser seitens der Gerichte zur Voraussetzung für die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers gemacht wird, was nach der Rechtsprechung des Senats ebenfalls unzulässig ist (SenE vom 13.12.2002 - 2 Ws 634/02 = StV 2004, 36 und vom 17.8.2005 - 2 Ws 317/05).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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