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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 573/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 304 Abs. 1 Satz 1
StPO § 463
StPO § 462
StGB § 68 f Abs. 1
StGB § 68 g Abs. 1 Satz 2
StGB § 68 g Abs. 1 Satz 1
StGB § 56 f Abs. 2
StGB § 462 a
StGB § 56 g
StGB §§ 68 ff.
StGB § 56 a Abs. 2 Satz 2
StGB § 67 g Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 573/00 81 VRs 1050/90 StA Köln

In der Strafvollstreckungssache

betreffend

pp.

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn (52 StVK 360/94 FA) vom 13. September 2000 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, den Richter am Oberlandesgericht Siegert und den Richter am Oberlandesgericht Conzen

am 23. November 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Maßregel der Führungsaufsicht aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht Köln vom 20. Juni 2000 mit Ablauf des 23. Dezember 1999 erledigt ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Nach Vollverbüßung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 20. Juni 1990 stellte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn mit Beschluss vom 19. April 1994 fest, dass die mit der Entlassung aus dem Strafvollzug gemäß § 68 f Abs. 1 StGB eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt. Die Dauer der Führungsaufsicht wurde auf drei Jahre festgesetzt und hätte - im Anschluss an die Entlassung vom 22. Juni 1994 - ursprünglich am 21. Juni 1997 geendet. Nachdem gegen den Verurteilten anderweitig durch das Amtsgericht Bonn am 16. Dezember 1996 wegen Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung bis zum 23. Dezember 1999 verhängt worden war, wurde auch das Ende der Führungsaufsicht in vorliegender Sache gemäß § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB auf den 23. Dezember 1999 berechnet.

Am 13. Januar 2000 wurde der Verurteilte durch das Amtsgericht Waldbröl wegen Trunkenheit im Verkehr (Tatzeit: 19. Mai 1999) wieder zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Das Amtsgericht Bonn verlängerte deswegen die dortige am 23. Dezember 1999 abgelaufene Bewährungszeit mit Beschluss vom 8. Mai 2000 um ein Jahr bis zum 23. Dezember 2000.

Im Hinblick hierauf vertritt die Staatsanwaltschaft Köln die Ansicht, gemäß § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB ende nunmehr auch die Führungsaufsicht in vorliegender Sache erst am 23. Dezember 2000. Die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Bonn hingegen ist der Meinung, die Führungsaufsicht habe am 23. Dezember 1999 geendet; ein Fall des § 68 g Abs. 1 Satz 2 StPO liege nicht vor, weil schon der Anlass für die Verlängerung der Bewährungszeit in anderer Sache - das Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 13. Januar 2000 und der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 8. Mai 2000 - erst nach dem datumsmäßigen Ende der Führungsaufsicht eingetreten sei.

Auf Anfrage der Führungsaufsichtsstelle hin hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn mit Beschluss vom 13. September 2000 "festgestellt", dass die Maßregel der Führungsaufsicht "nach Ablauf der mit Beschluss der hiesigen Strafvollstreckungskammer vom 19. April 1994 festgesetzten Dauer von 3 Jahren" erledigt ist und insoweit in den Gründen auf das Datum "13.12.2000" abgestellt (es liegt ersichtlich ein Fassungsversehen vor; gemeint ist ein Ende der Führungsaufsicht am 23. Dezember 1999, weil die anderweitige nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit vom 8. Mai 2000 für die "einmal eingetretene Beendigung der Führungsaufsichtszeit" gerade nach den Gründen dieses Beschlusses unerheblich sein soll).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln vom 26. September 2000, mit der weiter die Ansicht vertreten wird, die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit in anderer Sache habe auch in dem vorliegenden Verfahren eine Verlängerung der Führungsaufsicht bis zum 23. Dezember 2000 bewirkt.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist als (einfache) Beschwerde nach § 304 Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft und auch sonst zulässig. Ein Fall einer sofortigen Beschwerde nach §§ 463, 462 StPO liegt nicht vor; der angefochtene Beschluss betrifft keine der dort aufgeführten Entscheidungen.

In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet.

Die Führungsaufsicht in vorliegender Sache endete (nachdem sich ihre ursprüngliche Dauer wegen der anderweitigen Strafaussetzung zur Bewährung durch das Amtsgericht Bonn vom 16. Dezember 1996 aufgrund der Vorschrift des § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB vom 21. Juni 1997 bis zum 23. Dezember 1999 verlängert hatte) mit Ablauf des 23. Dezember 1999. Durch die - rückwirkende - nachträgliche Verlängerung der anderweitigen Bewährungszeit durch das Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 8. Mai 2000 kann sich an dem einmal eingetretenen Ende der Führungsaufsicht nichts mehr ändern. Der angefochtene Beschluss ist somit in der Sache zutreffend. Er bedarf lediglich insofern der klarstellenden Abänderung, dass entgegen dem Tenor die Erledigung der Führungsaufsicht nicht mit Ablauf der ursprünglich am 19. April 1994 festgesetzten drei Jahre, sondern eben erst am 23. Dezember 1999 eingetreten ist und daher auch in dem Beschlussgründen das Datum "23.12.2000" durch "23.12.1999" zu ersetzen ist.

Nach § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB endet zwar die Führungsaufsicht nicht vor Ablauf einer (auch - wie hier -: anderweitigen) Bewährungszeit. Dies beruht auf der schon in § 68 g Abs. 1 Satz 1 StGB enthaltenen Konkurrenzregelung, die das 2. StrRG (vgl. BT-Drucksache V4095 S. 37) sinngemäß dem § 98 E 1962 entnommen hat und durch die gerade der Führungsaufsicht hinsichtlich der allein zulässigen Auflagen und Weisungen der Vorrang vor der Bewährungsaufsicht eingeräumt werden sollte (Begründung E 1962 S.224). Die Vorschrift des § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB erlaubt aber nicht die Auslegung, dass eine einmal durch bloßen Zeitablauf bereits eingetretene Beendigung der Führungsaufsicht - sei es nach Ablauf der ursprünglich festgesetzten Dauer, sei es (wie hier) nach einer schon einmal gemäß § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB eingetretene Verlängerung) rückwirkend wieder entfällt, dass also die Führungsaufsicht ex post gesehen wieder auflebt und sich die Dauer der Führungsaufsicht wiederum verlängert, wenn es erst nach Ende der Führungsaufsicht (hier: erst nach mehr als vier Monaten) zu einer Verlängerung der Bewährungszeit nach § 56 f Abs. 2 StGB in anderer Sache kommt.

Zwar hat in der anderweitigen Sache des Amtsgerichts Bonn der Beschluss vom 8. Mai 2000 über eine Verlängerung der zunächst am 23. Dezember 1999 abgelaufenen Bewährungszeit um ein Jahr bewirkt, dass sich die dortige Bewährungszeit rückwirkend ab dem 23. Dezember 1999 nahtlos bis zum 23. Dezember 2000 verlängert hat. Eine solch rückwirkende Verlängerung der Bewährungszeit auch noch nach ihrem Ablauf - die im übrigen den Verfassern des E 1962 noch unbekannt gewesen war und die lediglich deswegen für zulässig gehalten wird (vgl. BVerfG NStZ 95, 437; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 25. Aufl., § 56 f Rn. 10), weil auch nach Ablauf der Bewährungszeit eine minder schwere Maßnahme nach § 56 f Abs. 2 StGB anstelle eines Widerrufs nach Absatz 1 möglich bleiben muss - ist aber im Recht der Strafaussetzung zur Bewährung nur deswegen möglich, weil auch mit dem Ablauf der Bewährungszeit die Bewährungsüberwachung durch das nach § 462 a StGB zuständige Gericht noch gar nicht beendet ist; diese endet vielmehr erst mit der Entscheidung über einen Straferlass nach § 56 g StGB. Im Recht der Maßregeln hingegen verhält es sich dies anders. Die Führungsaufsicht nach §§ 68 ff. StGB endet - wenn sie nicht sogar durch Beschluss nach § 68 e StGB vorzeitig aufgehoben wird - schlicht mit Zeitablauf (gleichgültig, ob hierzu - was in der Praxis unterschiedlich gehandhabt wird - noch ein nur deklaratorischer Beschluss ergeht oder nicht). Wenn aber die Führungsaufsicht schon durch Ablauf ihrer Dauer beendet ist, weil im Recht der §§ 68 bis 68 g StGB eine dem § 56 g StGB vergleichbare Vorschrift fehlt, dann kann sich an dieser Beendigung rückwirkend nichts mehr dadurch ändern, dass erst zeitlich nachfolgend eine (anderweitige) Bewährungszeit verlängert wird.

Zwar beeinflusst auch eine "nachträgliche Verlängerung" der Bewährungszeit die Dauer der Führungsaufsicht (Hanack in LK StGB, 11. Aufl., § 68 g Rn. 17). Mit "nachträglich" ist aber terminologisch - dies entsprechend dem § 56 a Abs. 2 Satz 2 StGB - lediglich die zeitlich erst im Anschluss an den ursprünglichen Bewährungsbeschluss (also nach § 56 e StGB oder nach § 56 f Abs. 2 StGB ergehende) Nachtragsentscheidung als solche gemeint, die im Regelfall immer noch innerhalb der laufenden Bewährungszeit ergeht. Auch der Kommentarstelle bei Hanack a.a.O. lässt sich hingegen nichts dafür entnehmen, dass sogar noch eine rückwirkende nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit Auswirkungen auf eine schon abgelaufene Führungsaufsicht haben könnte.

Wollte man es zulassen, dass auch noch eine rückwirkende Verlängerung der Bewährungszeit auch zu einem Wiederaufleben der bereits durch Zeitablauf beendeten Führungsaufsicht führt, ergäben sich auch unauflösbare Friktionen zu anderweitigen Fällen der Führungsaufsicht. Es ist anerkannt und einhellige Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass in Fällen der nach der Aussetzung einer Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung eintretenden Führungsaufsicht (§§ 67 b Abs. 2, 67 c Abs. 1 Satz 2, 67 d Abs. 2 Satz 2 StGB) mit dem Ablauf der Führungsaufsichtszeit die Maßregel, wenn sie nicht bis zu diesem Zeitpunkt widerrufen wird, entsprechend der Regelung des § 67 g Abs. 5 StGB "automatisch mit dem Ablauf der Aufsichtszeit" erledigt ist (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 80, 26; Tröndle-Fischer, StGB, 49. Aufl., § 67 g Rn. 6). Selbst wenn ansonsten der Widerruf (dasselbe muss für eine Verlängerung der Führungsaufsichtszeit als minder schwere Maßnahme gelten) wegen einer in der Führungsaufsichtszeit begangenen neuen rechtswidrigen Tat angezeigt wäre, darf ein solcher nach dem - somit eben unabänderlichen - einmal eingetretenen Ablauf der Führungsaufsichtszeit nicht mehr erfolgen (OLG Koblenz MDR 81, 336; OLG Düsseldorf NStZ 86, 525; Lackner-Kühl, StGB, 23. Aufl., § 67 g Rn. 8; Schönke-Schröder/Stree § 67 g Rn. 14). Dies beruht gerade auf dem - schon vorgenannten - Gesichtspunkt, dass es im Recht der Führungsaufsicht an einer dem § 56 g Abs. 1 StGB vergleichbaren Bestimmung fehlt (Tröndle-Fischer a.a.O.; Horn in SK StGB § 67 g Rn. 17). Diesen Unterschied - dass die Strafaussetzung zur Bewährung unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Ablauf der Bewährungszeit widerrufen werden kann, während der Widerruf der Maßregelaussetzung nach dem Ende der Führungsaufsicht schlechthin ausgeschlossen ist (Horstkotte in LK § 67 g Rn. 27) - gilt es auch bei der nach § 68 StGB angeordneten oder der (wie vorliegend) nach § 68 f StGB nicht entfallenden Führungsaufsicht zu beachten. Das Gemeinsame aller Fälle der Führungsaufsicht liegt nämlich eben in dem Fehlen einer dem § 56 g Abs. 1 StGB vergleichbaren Regelung mit der Folge, dass die Führungsaufsicht durch bloßen Zeitablauf endet und keiner gesonderten Erlassentscheidung mehr zugänglich ist. Dementsprechend können etwa auch Nachtragsentscheidungen nach § 68 d StGB im Recht der Führungsaufsicht nur bis zum Ende der Führungsaufsicht erfolgen (Tröndle-Fischer § 68 d Rn. 1), nicht aber nach diesem einmal eingetretenen und damit auch nicht mehr rückwirkend zu beseitigenden Ende der Führungsaufsicht.

Nach alledem kann § 68 g Abs. 1 Satz 2 StGB nicht dahin verstanden werden, dass eine rückwirkende Verlängerung anderweitiger Bewährungszeit nach deren Ablauf auch die bereits beendete Führungsaufsicht wieder aufleben lässt und die Dauer der Führungsaufsicht noch einmal verlängert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 2 StPO.

Ende der Entscheidung

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