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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.12.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 613/07
Rechtsgebiete: RVG, StPO


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 56 Abs. 2 S. 1
StPO § 68 b
StPO § 68 b S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.

a) Der Beschluß des Landgerichts Bonn vom 22.06.2006, mit dem zugunsten der Beschwerdeführerin eine Vergütung von 194,88 € festgesetzt wurde, wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst :

Zugunsten der Beschwerdeführerin wird eine Vergütung iHv 567,24 € festgesetzt.

b) Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 20.02.2007 wird aufgehoben.

2.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin verteidigte den früheren Angeklagten H zunächst in dem gegen ihn (und weitere Angeklagte) gerichteten Strafverfahren LG Bonn - 23 P 5/05 -. Die von ihr angemeldeten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 2.253,88 € hat sie vollständig erhalten. Aus dem Verfahren 23 P 5/05 wurden die Verfahren gegen die beiden Angeklagten I B und N C abgetrennt und unter dem Az 23 A 4/05 fortgeführt.

In diesem Verfahren wurde der frühere Angeklagte H als Zeuge vernommen. Zum Termin am 01.03.2006 wurde Rechtsanwältin D als Zeugenbeistand für den Zeugen H geladen und sodann im Termin auf entspr. Antrag dem Zeugen "für seine Vernehmung als Rechtsbeistand beigeordnet". Für die Beistandstätigkeit meldete die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 02.03.2006 Gebühren in Höhe von 742,40 € zur Festsetzung an, die sich im wesentlichen aus der Grundgebühr nach VV 4101 zum RVG, der Verfahrensgebühr nach VV 4113 und der Terminsgebühr nach VV 4115 zusammensetzen. Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Bonn setzte nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors mit Beschluss vom 22.06.2006 lediglich eine Gebühr nach VV Nr. 4301 iHv 194,88 € "für die Einzeltätigkeit als Zeugenbeistand" fest und wies den weitergehenden Antrag mit Beschluss vom 20.02.2007 zurück. Gegen den (erst) am 23.07.2007 zugestellten Beschluss vom 20.02.2007 legte Rechtsanwältin D am 26.07.2007 "Beschwerde" ein, der die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 09.08.2007 nicht abhalf.

Die Strafkammer wies die - als Erinnerung gewertete - Beschwerde in der Besetzung mit 3 Richtern durch Beschluss vom 04.09.2007 zurück. Gegen diesen - nicht förmlich zugestellten - Beschluss hat Rechtsanwältin D mit Schriftsatz vom 01.10.2007 "Rechtsmittel" eingelegt.

II.

Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um eine nach §§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 3 RVG statthafte sofortige Beschwerde, die mangels förmlicher Zustellung der landgerichtlichen Entscheidung als fristgerecht zu behandeln ist.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Zeugenbeistand ist gebührenrechtlich nicht lediglich als Einzeltätigkeit gemäß Abschnitt 3. des VV mit der Verfahrensgebühr nach VV 4301 Z 4 (Beistandsleistung bei einer Vernehmung) von 168 € zu vergüten.

Die Frage, welche Gebühren einem Zeugenbeistand zustehen, der nach § 68 b StPO "für die Dauer der Vernehmung" beigeordnet worden ist, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. zum Meinungsstand Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., VV Teil 4, Abschnitt 1, Randnr.5 ff zur Vorbemerkung 4.1). Der Senat folgt der Auffassung, dass auf die Tätigkeit des Zeugenbeistands grds. der Abschnitt 1 des Teil 4 VV anzuwenden ist.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 06.01.06 - 2 Ws 9/06 - einem Zeugenbeistand in einem Wiederaufnahmeverfahren über die schon in der Vorinstanz festgesetzten Gebühren hinaus auch die Verfahrensgebühr nach VV 4138,4112 zugebilligt. (Die Grundgebühr fällt im Wiederaufnahmeverfahren kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung - 4.1.4. zum Unterabschnitt 4 VV - nicht an.)

Zur Begründung hat der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt:

"Das RVG regelt erstmals die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand für einen Zeugen ausdrücklich. Dies erfolgt in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Teilen des Gebührenverzeichnisses. Nach Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil 4 des VV sind für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand die für Verteidiger geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Die Gleichstellung hinsichtlich des Gebührenansatzes war ausdrückliche Intention des Gesetzgebers (BT-Ds. 15/1971, S. 145; vgl. dazu auch: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 4 Vorbem. 4, Rdn. 22; Römermann/Hartung-Hartung, RVG, 2004, VV Teil 4, Rdn. 27; Göttlich/Mümmler, RVG, 1. Aufl. 2004, Anm. 3 zum Stichwort "Beistand", S. 128 f.). Für das Wiederaufnahmeverfahren wird dies in den Gebührentatbeständen Nr. 4136 ff. VV zum Ausdruck gebracht. Hieraus folgt, dass der dem Zeugen beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4138 beanspruchen kann (zutreffend: KG, B. v. 18.7.2005, 3 Ws 323/05, RPfl 2005, 694, 695). Dies ist sachlich gerechtfertigt, weil der Zeugenbeistand über die Teilnahme an der Vernehmung des Zeugen hinaus in aller Regel auch im Rahmen der Terminsvorbereitung, etwa durch eine Besprechung mit dem Zeugen, tätig wird.

Eine andere Entscheidung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes gerechtfertigt, dass die Kammer der Zeugin den Beistand entsprechend der Regelung in § 68 b S. 1 StPO lediglich "für die Dauer ihrer Vernehmung" beigeordnet hat. Hieraus lässt sich keine Beschränkung der Vergütung auf die Terminsgebühr herleiten. Dies folgt zunächst aus den oben genannten Gründen zur Gleichstellung der Vergütung von Zeugenbeistand und Verteidiger und der gesetzlichen Regelung (vgl. KG a.a.O.). Darüber hinaus wäre eine solche Beschränkung auch nicht mit Sinn und Zweck des Gesetzes vereinbar. Die Beiordnung nach § 68 b StPO soll eine Verbesserung der Rechtsstellung schutzbedürftiger Zeugen in bestimmten Vernehmenssituationen erreichen. Durch die Unterstützung eines anwaltlichen Beistandes sollen die Zeugen in die Lage versetzt werden, ihnen zustehende Abwehr- und Schutzrechte geltend zu machen (Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 5. Aufl. 2003, § 68 b, Rdn. 2). Aus dieser Intention folgt das Gebot zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Beistandes. Dem kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass sich der Rechtsanwalt auf die Vernehmung im Rahmen der ihm als Beistand zustehenden Befugnisse angemessen vorbereitet. Für diese Vorbereitung muss ihm folglich auch eine Vergütung zustehen."

An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Die Gegenmeinung, die - so auch das Landgericht - im wesentlichen auf den Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses abstellt, verkennt, dass die Formulierung nur den Gesetzeswortlaut des § 68 b Abs. 1 StPO wiederholt. Gebührenrechtliche Folgerungen können daran nicht geknüpft werden. Die Beistandsleistung für den Zeugen nach § 68b StPO in der Hauptverhandlung ist die gebührenrechtliche "Angelegenheit", auf die die Tätigkeit von vorneherein gerichtet ist, mehr wird vom Anwalt nicht verlangt. Deswegen kann seine Tätigkeit nicht lediglich als Einzeltätigkeit angesehen werden.

Der Senat verkennt nicht, dass diese Auffassung den Anwendungsbereich von VV 4301 Z 4 einschränkt, etwa auf den (von Burhoff a.a.O. gebildeten) Fall, dass ein Rechtsanwalt "vom Gerichtsflur weg" einem Zeugen beigeordnet wird und sich seine gesamte Tätigkeit auf die Beistandsleistung im Gerichtssaal beschränkt. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn aus den Akten geht hervor, dass - nachdem die erste Vernehmung des Zeugen ( offenbar mangels eines für erforderlich gehaltenen Beistands ) abgebrochen worden war - der Vorsitzende der Strafkammer die Beschwerdeführerin bereits telefonisch zum Beistand bestellt und zu dem (Vernehmungs-)Termin am 01.03.2006 geladen worden ist.

Die der Beschwerdeführerin zustehende Vergütung entfällt auch nicht deshalb, weil sie in dem zuvor gegen den Zeugen geführten Strafverfahren als dessen Pflichtverteidigerin tätig war. Es handelt sich insoweit gebührenrechtlich um zwei voneinander zu unterscheidende Angelegenheiten, die getrennt abzurechnen sind.

Die Beschwerdeführerin kann hiernach zunächst die Grundgebühr nach VV 4100, 4101 iHv 162 € beanspruchen. Da der Zeuge in der Justizvollzugsanstalt Köln inhaftiert war, steht der Beschwerdeführerin die Gebühr einschließlich des Haftzuschlags zu.

Darüber hinaus ist - ebenfalls mit Haftzuschlag - die Terminsgebühr nach VV 4114,4115 iHv 263 € angefallen.

Des weiteren sind die Gebührenansprüche der Beschwerdeführerin - nicht anders als bei einem Verteidiger - auch wegen der Postpauschale gemäß VV 7002 iHv 20 € sowie wegen Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld nach VV 7003, 7005 iHv 24 € bzw. 20 € berechtigt.

Unter Hinzurechnung der Umsatzsteuer mit dem nach dem Zeitpunkt der Leistungsausführung maßgeblichen Satz von 16 % (vgl. § 13 Abs. 1 Ziff.1 UStG, s. auch Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Randnr. 14 zu VV 7008) ergeben sich hiernach Gebühren von insgesamt 567,24 €, die zugunsten der Beschwerdeführerin festzusetzen sind.

Ohne Erfolg bleibt das Rechtsmittel hinsichtlich der Verfahrensgebühr. Sie ist nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht angefallen.

Der Senat hat zur Abgrenzung von Grund- und Verfahrensgebühr mit Beschluss vom 17.01.2007 - 2 Ws 8/07 - folgendes ausgeführt :

"Die durch das RVG eingeführte, im früheren Gebührenrecht nicht enthaltene Verfahrensgebühr muß im systematischen Zusammenhang mit der Grundgebühr nach VV Nr. 4100 gesehen werden. Letztere entsteht "für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall". Mit ihr soll der Arbeitsaufwand abgegolten werden, der ein- und erstmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Die Grundgebühr ist in ihrem sachlichen Geltungsbereich abzugrenzen von der Verfahrensgebühr, mit der das Betreiben des Geschäfts im gerichtlichen Verfahren honoriert wird, sofern hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind, zu denen auch die Grundgebühr zählt (vgl zum Nebeneinander der beiden Gebührentatbestände näher : Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Randnr. 1 ff zu VV Nr. 4106; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl.,Randnr. 77 ff zu VV Nr. 4100-4105; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., Randnr. 1 ff zu VV Nr. 4106, 4107).

Nach der Gesetzesbegründung ( vgl BT-Drucks. 15/1971, S.222) gehören zum Katalog der von der Grundgebühr erfaßten Tätigkeiten

- das - pauschal und überschlägig beratende - erste Mandantengespräch,

- die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen, wozu auch die erste Akteneinsicht zählt,

- sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, wozu telefonische Anfragen zum Sachstand bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht gehören können.

Die Gesetzessystematik bedingt, dass die Verteidigertätigkeit nach der Mandatsübernahme über die beschriebenen Tätigkeiten hinausgehen muß, um die Verfahrensgebühr zur Entstehung zu bringen. Ansonsten verbliebe für die Grundgebühr kein eigenständiger Anwendungsbereich."

Die Beschwerdeführerin hat über die erstmalige Einarbeitung hinausgehende Tätigkeiten, die nach dem dargelegten Verständnis geeignet wären, die gerichtliche Verfahrensgebühr auszulösen, nicht ausreichend dargetan.

Der Zeitraum zwischen der am 22.02.2006 erfolgten Terminsabsprache und dem Vernehmungstermin am 01.03.2006 dürfte der Beschwerdeführerin kaum Zeit gelassen haben, um über die erste Beratung hinausgehende Tätigkeiten zu erbringen. Ihr Informationsbedarf dürfte ohnehin weitgehend gedeckt gewesen sein, weil sie mit dem Sachverhalt aufgrund der vorangegangenen Pflichtverteidigung des Zeugen im wesentlichen bereits vertraut war.

An einer substantiierten Darstellung, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, fehlt es.

Ende der Entscheidung

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