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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 68/09
Rechtsgebiete: StPO, JGG, BtMG


Vorschriften:

StPO § 453 Abs. 2 S. 3
JGG § 25 Abs. 1 S. 1
JGG § 26 Abs. 1 Ziff. 2
JGG § 60
JGG § 88 Abs. 1
JGG § 88 Abs. 2
BtMG § 35
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Gründe:

I.

Durch das im Tenor näher bezeichnete Urteil, das am 18.07.2008 Rechtskraft erlangt hat, ist der Verurteilte wegen zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen schweren Bandendiebstahls, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Bewährungsbeschluss ist dem Verurteilten die Weisung erteilt worden, sich von illegalen Drogen fernzuhalten und diese Abstinenz durch regelmäßige Screenings nachzuweisen; ferner hat er die Weisung erhalten, sich einer Drogentherapie zu unterziehen und ein Anti-Aggressionstraining zu absolvieren. Letzteres hat er inzwischen erfolgreich hinter sich gebracht.

Der Verurteilte, der im Alter von 14/15 Jahren mit dem Konsum von Cannabis begann, beging Anfang des Jahres 2006 mit wechselnden Mittätern in rascher Folge eine Reihe von Raub-, Erpressungs- und Diebstahlsdelikten zur Finanzierung seines Drogenkonsums, wobei er z. T. erhebliche Gewalt anwandte. Zudem überfiel er in zwei Fällen - wiederum mit mehreren Mittätern - unter exzessiver Gewaltanwendung Personen aus seinem unmittelbaren Wohnumfeld. Wegen der Einzelheiten der Tatbegehung wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Bewährung "gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 3" widerrufen, weil der Verurteilte nach der Verurteilung weiter Cannabis konsumiert habe. Zudem habe er die Drogentherapie nicht angetreten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die mit Verteidigerschriftsatz vom 24.03.2009 begründet worden ist.

II.

Die gem. § 453 Abs. 2 S. 3 StPO an sich statthafte, rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss vom 27.01.2009 bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg; die Strafkammer hat die Strafaussetzung zur Bewährung im Ergebnis zurecht widerrufen.

Es besteht der Widerrufsgrund des § 26 Abs. 1 Ziff. 2 JGG. Der Verurteilte hat gegen Weisungen gröblich und beharrlich verstoßen und hierdurch Anlass zu der Besorgnis gegeben, dass er erneut Straftaten begehen werde.

Der Verurteilte hat - wie er selbst im Anhörungstermin vom 27.01.2009 eingeräumt hat - nach der Hauptverhandlung in vorliegender Sache "mehr oder weniger durchgehend" Cannabis konsumiert und hierdurch gegen die ihm erteilte Weisung gemäß Ziff. 5 des Bewährungsbeschlusses verstoßen. Die durchgeführten Drogenscreenings bestätigen das: Nach den Berichten des Bewährungshelfers vom 19.12.2008 und 05.01.2009 waren die Screenings vom 08.08. und 19.09.2008 stark positiv auf THC, der Wert am 20.10. indessen niedriger; der Wert vom 20.11.2008 war wegen verdünnten Urins nicht verwertbar, derjenige vom 19.12.2008 wiederum stark positiv auf THC. Drogenfreiheit hat der Verurteilte mithin zu keinem Zeitpunkt erreicht. Hierzu fügt sich der Umstand, dass der Verurteilte noch nicht einmal den Widerruf der Strafaussetzung zum Anlass genommen hat, sich um Drogenfreiheit zu bemühen. Screenings für das Jahr 2009 liegen nicht vor. Der Senat entnimmt zudem einer dem Beschwerdeschriftsatz vom 24.03.2009 angefügten Bescheinigung des Landschaftsverbandes Rheinland, dass der Verurteilte am 05.03.2009 eine - vom Verteidiger ausweislich seines Vorbringens im Anhörungstermin und in der Beschwerdebegründung selbst für erforderlich gehaltene - stationäre Entgiftung in den Rheinischen Kliniken Köln antreten sollte. Nach Auskunft der Rheinischen Kliniken Köln hat der Verurteilte indessen die Entgiftung nicht angetreten. Deutlicher kann er nicht dokumentieren, dass er nach wie vor nicht - und auch nicht unter dem Druck des Widerrufs - gewillt ist, sein offenbar erhebliches Drogenproblem in den Griff zu bekommen. Hierbei verschlägt es nichts, dass der Verurteilte inzwischen drei Gesprächstermine beim SKM Köln wahrgenommen hat, weil drei (einstündige) Gespräche ersichtlich unzureichend sind, um der Drogenabhängigkeit des Verurteilten wirksam zu begegnen, zumal der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen muss, dass der Verurteilte seinen Cannabiskonsum auch im Jahre 2009 - mithin in der Zeit der Gesprächstermine beim SKM - unverändert fortgesetzt hat und die Verteidigung selbst davon ausgeht, bei dem Verurteilten handele es sich um einen "schwer cannabisabhängigen jungen Mann". Dass der Weisungsverstoß gröblich und beharrlich ist, bedarf keiner näheren Darlegung. In diesem Zusammenhang besteht keine Veranlassung, den Verurteilten - wie von der Verteidigung angeregt - auf seine Fähigkeit zur Drogenfreiheit begutachten zu lassen. Sollte der Verurteilte zu einem drogenfreien Leben wirklich nicht willens oder in Lage sein, muss er eben die hieraus sich ergebenden Konsequenzen auf sich nehmen; keinesfalls kann dies zum Absehen vom Widerruf führen.

Der Weisungsverstoß gibt auch Anlass zu der Besorgnis, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen. Schon der eingeräumte Cannabiskonsum ist ohne die Begehung strafbarerer Handlungen praktisch nicht vorstellbar. Zudem ist zu sehen, dass die der Anlassverurteilung zugrundeliegenden Taten überwiegend der Finanzierung des Cannabiskonsums des Verurteilten dienten. Die Gefahr, dass der Verurteilte zur Finanzierung seines fortbestehenden Bedarfs an Drogen wiederum in alte Verhaltensweisen zurückfällt, liegt überaus nahe. Auf die Frage, ob der Verurteilte - wie ihm mit Anklageschrift vom 25.11.2008 zur Last gelegt wird - am 06.09.2008 den Zeugen F. beleidigt hat, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

Es trifft zwar zu, dass gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 JGG die Kammer gehalten gewesen wäre, dem Verurteilten selbst einen Bewährungshelfer zu bestellen, wie sie es schließlich mit Beschluss vom 25.11.2008 getan hat. Für die Verwirklichung des Widerrufsgrunds ist diese (vorübergehende) Unterlassung aber ebenso wenig ursächlich geworden wie der Umstand, dass bislang - soweit ersichtlich - ein Bewährungsplan gemäß § 60 JGG noch nicht erstellt worden ist. Der Verurteilte hatte bereits nach dem ersten Urteil in vorliegender Sache durchgängig Kontakt zu dem Bewährungshelfer L., ohne dass ihn dies von seinem Weisungsverstoß hätte abhalten können.

Mildere Mittel als der Widerruf der Strafaussetzung kommen nicht in Betracht. Insbesondere die von der Verteidigung angeregte weitere Weisung, sich einer stationären Entgiftung zu unterziehen, verspricht keinen Erfolg, nachdem der Verurteilte - wie ausgeführt - die zum 05.03.2009 geplante Entgiftung in den Rheinischen Kliniken Köln nicht angetreten hat.

Sollte der Verurteilte hingegen nunmehr bereit sein, ernsthaft etwas gegen seine Drogensucht zu unternehmen, muss er nicht zwingend mit einer längeren Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe rechnen. Vielmehr böten sich ihm dann die Möglichkeiten möglicherweise auch der Strafrestaussetzung gemäß § 88 Abs. 1 und 2 JGG einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG. Das gilt um so mehr unter Berücksichtigung der von der Verteidigung zurecht hervorgehobenen positiven Aspekte im Werdegang des Verurteilten (erfolgreiche Absolvierung des Antiaggressionstrainings, positives Verhalten im Rahmen seines Praktikums bei "Q."), die freilich für sich genommen aus den vorstehend im einzelnen dargelegten Gründen den Widerruf der Strafaussetzung nicht zu hindern vermögen.

Der Senat entscheidet im Beschwerdeverfahren ohne mündliche Anhörung (309 Abs. 1 StPO); zu einer abweichenden Handhabung sieht der Senat ebenso wenig eine Veranlassung wie zu den von der Verteidigung angeregten Ermittlungen (Befragung des Bewährungshelfers, Beiziehung der Ermittlungsakten).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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