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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.08.2007
Aktenzeichen: 2 Wx 14/07
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB a. F. § 1836 Abs. 2 S. 4
FGG § 75 S. 1
FGG § 56g Abs. 5 S. 2
FGG § 56g Abs. 7
Die gesetzliche Ausschlussfrist für den Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB (in der bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung) gilt auch für berufsmäßig tätige Nachlasspfleger.
Tenor:

Auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1) vom 17. Juli 2007 wird unter Zurückweisung der sofortige weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 5. März 2007 der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17. Januar 2007 - 11 T 301/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 11. Mai 2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 15. November 2000 aufgehoben und der Antrag des früheren Nachlasspflegers vom 14. November 2000 auf Festsetzung einer Vergütung zurückgewiesen.

Die Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens sowie des weiteren Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beteiligte zu 1) in diesen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.

Gründe:

1.

Durch Beschluss vom 10. Oktober 2000 hat das Amtsgericht Nachlasspflegschaft angeordnet und den Ehemann der jetzigen Beteiligten zu 2) zum Nachlasspfleger bestellt (Bl. 8 f. d.GA.). Mit Schreiben vom 14. November 2000 (Bl. 25 d.GA.) hat der Nachlasspfleger ein "vorläufiges Verzeichnis über den wesentlichen Nachlass" zu den Akten gereicht (Bl. 26 ff. d. GA.). Aus diesem ergab sich eine Überschuldung des Nachlasses. Zugleich hat er beantragt (B1. 25 d.GA.), die Vergütung für die Nachlasspflegschaft auf der Basis eines Aktivvermögens von 8.854.000,00 DM mit 2 % = 175.000,00 DM festzusetzen und ihm einen Vorschuss von 20 % = 35.000,00 DM zuzüglich 16 % Umsatzsteuer zu bewilligen. Mit Beschluss vom 15. November 2000 (Bl. 25R, 29 d.GA.) hat der Rechtspfleger die Vergütung des Nachlasspflegers auf 2 % des Aktivvermögens in Höhe von 8.854.000,00 DM festgesetzt und dem Nachlasspfleger gestattet, einen Betrag von 35.000,00 DM als Vorschuss aus dem Nachlass zu entnehmen.

Mit Beschluss vom 10. September 2001 eröffnete das Amtsgericht Köln (72 IN 510/00) über den Nachlass des Erblassers wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren und bestellte den Beteiligten zu 1) zum Insolvenzverwalter (Bl. 86 f. d.GA.). Auf die mit Datum vom 30. Oktober 2001 von einem der gesetzlichen Erben erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 30. April 2002 (B1. 123 ff. d.GA.), berichtigt mit Beschluss vom 13. Dezember 2004 (Bl. 210 ff. d.GA.), den Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Gummersbach vom 15. November 2000 dahin abgeändert, dass die dem Nachlasspfleger zustehende Vergütung auf 4.774,44 € (= 9.338,00 DM) einschließlich Umsatzsteuer festgesetzt wird. Auf die sofortige weitere Beschwerde hat der Senat , 2 Wx 43/04 (veröffentlicht in FGPrax 2005, 167), die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die von dem Erben eingelegte sofortige Beschwerde vom 30. Oktober 2001 als unzulässig verworfen.

Mit einem am 12. Mai eingegangenen Schriftsatz vom 11. Mai 2005 hat nunmehr der Beteiligte zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 15. November 2000 sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat gemäß Beschluss vom 3. August 2006 Beweis erhoben über die Frage des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit des früheren Nachlasspflegers und mit Beschluss vom 17. Januar 2007 die Vergütung des Nachlasspflegers auf insgesamt 44.892,00 € festgesetzt. Zugleich hat es die weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diesen ihr am 5. März 2007 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der am 8. März 2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 5. März 2007, mit der sie die Aufrechterhaltung der Entscheidung des Amtsgerichts erstrebt. Unter dem 17. Juli 2007 hat der Beteiligte zu 1) eine Anschlussbeschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Beschluss des Landgerichts abzuändern sowie den Vergütungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

2.

a)

Die von dem Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) (§§ 75 Satz 1, 56 g Abs. 7, Abs. 5 Satz 2 FGG) ist in formeller Hinsicht bedenkenfrei und fristgerecht erhoben worden. Die von dem Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz vom 17. Juli 2007 nach Ablauf der für ihn maßgebenden Frist vorgenommene Anschließung an die von der Beteiligten zu 2) eingelegten befristeten Beschwerde ist ebenfalls statthaft (vgl. allgemein Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage 2003, § 22 Rn. 8, 12 m.w.N.).

b)

In der Sache hat, worauf der Senat bereits mit Verfügung des Berichtserstatters vom 25. Juni 2007 umfänglich hingewiesen hat, die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg. Auf die Anschlussbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung des Landgerichts abzuändern und der Vergütungsantrag des Nachlasspflegers insgesamt zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

aa)

Zutreffend ist das Landgericht, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. nur Senat, FGPrax 2005, 167 m.w.N.), von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Insbesondere ist die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Gummersbach vom 15. November 2000 aufgrund der fehlenden Zustellung jener Entscheidung an die Erben des Erblassers bzw. an den Nachlassinsolvenzverwalter fristgerecht erhoben worden. Unzutreffend ist die von der weiteren Beschwerde vertretenen Auffassung, der Beteiligte zu 1) habe bereits in dem Monat seines Amtsantritts als Insolvenzverwalter, zumindest aber aufgrund der vorangegangenen Beschwerdeverfahren 11 T 249/01, Landgericht Köln, und 2 Wx 43/04, OLG Köln, von dem Vergütungsbeschluss Kenntnis besessen. Die Beschwerdefrist beginnt regelmäßig für jeden Beschwerdeberechtigten mit dem Zeitpunkt, in welchem ihm die Verfügung bekannt gemacht worden ist (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 22 Rn. 20). Die Bekanntmachung erfolgt, wenn - wie hier - mit ihr der Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der ZPO (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG; vgl. auch Engelhardt in Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 56 g Rn. 20). Eine solche Zustellung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts an die Erben oder den Nachlassinsolvenzverwalter ist hier bis zum Eingang der Erstbeschwerde nicht erfolgt. Eine sonstige Kenntnisnahme von der Entscheidung oder ihrer Zustellung setzt die Rechtsmittelfrist nicht in Gang (Sternal in Keidel/Kuntze/Winker, aaO, § 22 Rn. 21 m.w.N.).

bb)

Auf die Nachlasspflegschaft finden über § 1915 Abs. 1 BGB die Vorschriften über die Vormundschaft entsprechende Anwendung. Für die Vergütung des verstorbenen Ehemannes der Beteiligten zu 2) als berufsmäßigen Nachlasspfleger gelten danach hinsichtlich zu entgeltenden Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung - am 10. Oktober 2000 - die §§ 1836, 1836a BGB in der bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung. Die Tätigkeit des Nachlasspflegers wird seit dem 1. Januar 1999 nach Stundensätzen für die jeweilige Tätigkeit im Nachhinein abgerechnet. Damit hätte auch der verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2) seine Vergütung entsprechend abrechnen müssen. Dies wird letztlich auch von Landgericht nicht verkannt, da es eine Abrechnung auf der Basis der nach dem Ergebnis der Beweiserhebung tatsächlich geleisteten Stunden vorgenommen hat. Indes hat das Beschwerdegericht übersehen, dass eine Festsetzung der Vergütung nicht von Amts wegen erfolgt. Voraussetzung ist vielmehr ein entsprechender ordnungsgemäßer Antrag des Nachlasspflegers. Dieser liegt bisher nicht vor. Die Abrechnung vom 14. November 2000 wird den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag nicht einmal ansatzweise gerecht, weil sie von einer pauschalen Vergütung ausgeht und auf eine Darlegung des Umfangs der aufgewendeten Zeit für einzelne Tätigkeiten des Nachlasspflegers vollständig verzichtet. Die entsprechende Abrechnung war damit bereits nicht prüffähig.

cc)

Ein ordnungsgemäßer Festsetzungsantrag kann auch nicht mehr nachgeholt werden. Auf den Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers findet § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB a.F. [bzw. nunmehr § 2 Satz 1 VBVG] entsprechende Anwendung (Vgl. KG, FGPrax 2005, 264; KG, Rpfleger 2006, 76; OLG Zweibrücken, OLGR 2007, 490). Die (entsprechende) Geltung der die Ausschlussfrist anordnenden Bestimmungen (§§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 2 Satz 4 a.F. BGB) für die Tätigkeit von Berufsnachlasspflegern entspricht im Übrigen auch der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung (Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl. § 1960 Rn. 25; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl. § 1960 Rn. 53; PWW/Tschichoflos, BGB, § 1960 Rn. 35; AnwK-BGB/Krug § 1960 Rn. 66; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft 3. Aufl. Rn. 886; Zimmermann ZEV 1999, 329, 334 und ZEV 2005, 473).

Danach erlischt der Anspruchs, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Nachlassgericht (vgl. § 1962 BGB) geltend gemacht wird. Der Anspruch entsteht mit der jeweiligen Tätigkeit des Nachlasspflegers und somit letztlich tageweise (Groll/Zimmermann, Handbuch der Erbrechtsberatung, Kap. C III Rn. 140), wie sich auch aus § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. ergibt. Vorliegend sind damit sämtliche Vergütungsansprüche des Nachlasspflegers spätestens 15 Monate nach der Beendigung der Nachlasspflegertätigkeit erloschen und können damit nicht mehr geltend gemacht werden.

Anhaltspunkte dafür, dass die Fristversäumung hier ausnahmsweise nach Treu und Glauben unbeachtlich wäre, sind nicht ersichtlich. Die Vergütung des Nachlasspflegers folgt aus dem Gesetz. Der Nachlasspfleger hätte sich rechtzeitig kundig machen können und müssen. Hinweis- oder Beratungspflichten des Nachlassgerichts gegenüber dem Nachlasspfleger mit Blick auf den gesetzlich vorgesehenen Verfall seines Vergütungsanspruchs bei verspäteter Antragstellung bestanden nicht (KG FGPrax 2005, 264, 265; KG, Rpfleger 2006, 76, 77; OLG Zweibrücken, OLGR 2007. 490; jeweils m.w.N.).

3.

Die Kostenentscheidung für beide Instanzen beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGG.

Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 90.539,57 €

(hiervon entfallen auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) 45.647,57 € und auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1) 44.892,00 €)

Ende der Entscheidung

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