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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.11.2008
Aktenzeichen: 2 Wx 38/08
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG §§ 27 ff.
FGG § 27 Abs. 1
BGB § 2084
KostO § 131 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 8. September 2008 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 4. August 2008 - 7 T 36/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 6. April 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Geilenkirchen vom 18. März 2008 - 9 VI 267/07 - an das Landgericht Aachen zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen wird.

Gründe:

I.

Der am 21. Juli 2007 verstorbene Erblasser war nach dem Tod seiner ersten Ehefrau in zweiter Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 1). Aus der ersten Ehe des Erblassers sind drei Töchter hervorgegangen. Die Ehe mit der Beteiligten zu 1) war kinderlos. Mit notariellem Testament vom 25. September 2006 setzte der Erblasser unter Aufhebung einer früher von ihm errichteten letztwilligen Verfügung seine drei Kinder zu jeweils 1/3 als Erben ein. In Ziffer III. des notariellen Testaments heißt es wörtlich wie folgt:

"Ersatzerben anstelle eines jeden meiner vorgenannten Kinder sind seine Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

Sollte eines meiner vorgenannten Kinder nicht Erbe werden und auch kein Abkömmling von ihm zur Erbfolge gelangen, so fällt der meinem weggefallenen Kind zugedachte Erbanteil den verbleibenden Erben im Verhältnis von deren Erbquoten zueinander zu."

Unter Ziffer IV. des notariellen Testamentes vom 25. September 2006 setzte der Erblasser zu Gunsten der Beteiligten zu 1) Vermächtnisse aus, wobei sie "die ihr zugewendeten Vermächtnisse ohne Anrechnung auf ihren etwaigen Erbteil" erhalten sollte. Die Beteiligte zu 1) sollte zu Alleineigentum die Aktiva des gesamten beweglichen Nachlasses einschließlich Rechten gegenüber Dritten, Auto, Bargeld, Sparguthaben und Wertpapieren und einschließlich des Hausrates der Wohnung, die der Erblasser und die Beteiligte zu 1) im Zeitpunkt seines Todes gemeinsam bewohnten, erhalten. Darüber hinaus vermachte der Erblasser der Beteiligten zu 1) den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem im Eigentum des Erblassers stehenden Hausgrundstück. Unter Ziffer VI. des Testamentes ordnete der Erblasser Testamentsvollstreckung durch die Beteiligte zu 1) an. Unter Ziffer IX. heißt es wörtlich wie folgt:

"Alle Anordnungen in diesem Testament treffe ich ohne Rücksicht darauf, ob und welche Pflichtteilsberechtigten bei meinem Tode vorhanden sind. Über die Pflichtteilsrechte von Angehörigen hat mich der Notar unterrichtet."

Nach dem Tod des Erblassers schlugen sämtliche Töchter und deren Kinder sowie Kindeskinder die Erbschaft aus. Zwei Brüder des Erblassers, Herr I.E.N. und Herr L.I.N., schlugen die Erbschaft ebenfalls aus. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind zwei weitere Brüder des Erblassers.

Die Beteiligte zu 1) hat bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht - einen Antrag auf Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, das notarielle Testament vom 25. September 2006 müsse im Wege der erläuterten bzw. ergänzenden Testamentsauslegung dahin verstanden werden, dass für den Fall der Ausschlagung sämtlicher Abkömmlinge des Erblassers sie als Ersatzerbin Alleinerbin sei. Durch Beschluss vom 18. März 2008 hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Wortlaut des Testamentes zufolge die Beteiligte zu 1) Vermächtnisnehmerin, nicht Erbin sein solle. Ein davon abweichender Wille des Erblassers könne dem Testament vom 25. September 2006 nicht, auch nicht andeutungsweise entnommen werden. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluss vom 4. August 2008 zurückgewiesen hat. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) als weitere Ersatzerbin zur Alleinerbin habe einsetzen wollen. Darüber hinaus habe ein etwaiger Wille des Erblassers keine Andeutung in dem notariellen Testament vom 25. September 2006 gefunden. Eine Anhörung der Beteiligten zu 1) oder des Notars bedürfe es nicht. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Das an keine Frist gebundene Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 29 Abs. 1 S. 3 FGG) eingelegt worden. In der Sache führt die weitere Beschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts unter Zurückweisung der Sache an die Beschwerdekammer. Da es sich bei dem Verfahren gem. §§ 27 ff. FGG um ein Rechtsbeschwerdeverfahren handelt und die Beteiligten ihre unterschiedlichen Rechtauffassungen schriftsätzlich hinreichend vorgetragen haben, sieht der Senat für die von der Beteiligten zu 1) in ihrem Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 angeregte Anberaumung eines mündlichen Erörterungstermins keine Veranlassung. Der Beschluss des Landgerichts vom 4. August 2008 beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Das Landgericht hat seine Annahme, aus dem notariellen Testament des Erblassers vom 25. September 2006 ergäbe sich keine Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1), nicht tragfähig begründet.

1. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Die hierzu in der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung des Tatrichters können im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG nur auf Rechtsfehler und deshalb vom Senat nur daraufhin überprüft werden, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend erforscht (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB), ob es hierbei nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (vgl. Senat, NJW-RR 1994, 396; BayObLG, FamRZ 1995, 1543; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Auflage 2003, § 27 Rdn. 42 m. w. N.). Dabei müssen die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters nicht die einzig möglichen oder schlechthin zwingend sein; sie sind vielmehr aus Rechtsgründen bereits dann nicht zu beanstanden, wenn der vom Tatrichter gezogene Schluss möglich ist, auch wenn abweichende Schlussfolgerungen ebenfalls denkbar erscheinen (vgl. Senat, FamRZ 1992, 729 [731]; Senat, NJW-RR 1994, 396; OLG Hamm, Rechtspfleger 1989, 23).

2. Einer an diesen Grundsätzen ausgerichteten Überprüfung hält die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des notariellen Testaments des Erblassers vom 25. September 2006 nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Landgerichts, dass sich alleine aus dem Wortlaut des Testamentes nicht entnehmen lässt, ob für den Fall, dass sämtliche von dem Erblasser zu Erben und Ersatzerben bestimmten Personen die Erbschaft ausschlagen würden, die Beteiligte zu 1) als weitere Ersatzerbin Alleinerbin sein sollte. Auch im Wege einer "einfachen" oder wohlwollenden Testamentsauslegung gemäß § 2084 BGB lässt sich dies nicht feststellen. Dafür, dass der Erblasser auch diesen Fall tatsächlich - im Sinne eines bewussten Willens - im Blick hatte und der Beteiligten zu 1) abweichend von der Stellung als Vermächtnisnehmerin bei der Ausschlagung durch die eingesetzten Erben die Stellung als Alleinerbin einräumen wollte, eine entsprechende Anordnung im Testament lediglich "vergessen" wurde, gibt es keine Anhaltspunkte. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass das Testament unter Mitwirkung eines Notars zustande gekommen ist.

b) Das Landgericht hat sich jedoch nicht hinreichend mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine solche Ersatzerbenstellung der Beteiligten zu 1) im Wege einer ergänzenden Testamentsauslegung anzunehmen ist. Hierbei kommt es anders als bei der "einfachen" Testamentsauslegung nicht darauf an, was der Erblasser tatsächlich gewollt hat. Vielmehr dient die ergänzende Testamentsauslegung dazu, eine - insbesondere - nachträgliche Lücke im Testament zu schließen. Als solche kommen vor allem Änderungen im Kreis der bedachten Personen in Frage, die der Erblasser nicht vorausgesehen oder erwogen hatte (vgl. hierzu nur BayObLG, DNotZ 1989, 177 [178]). In diesen Fällen ist der hypothetische Wille des Erblassers zu ermitteln, d.h. es ist zu fragen, was nach der Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung als von ihm gewollt anzusehen wäre, sofern er vorausschauend die spätere Entwicklung bedacht hätte (vgl. BayObLG, DNotZ 1989, 177 [178]; Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, 4. Aufl. 2004, § 2084 Rdn. 78 m. w. N.). Auch bei der ergänzenden Testamentsauslegung gilt aufgrund der Formbedürftigkeit des Testaments im Ausgangspunkt die sog. Andeutungstheorie, wobei ihr jedoch eine andere Fragestellung zugrunde liegt als bei der einfachen Auslegung (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, a.a.O., § 2084 Rdn. 81). Würde man einen Anhaltspunkt für das Ergebnis der ergänzenden Auslegung im Testament fordern, wäre dies sinnwidrig: Wenn ein solcher Anhaltspunkt im Testament zu finden wäre, hätte der Erblasser die mögliche Entwicklung bereits berücksichtigt, so dass es sich nicht um eine ergänzende, sondern um eine einfache Auslegung handeln würde. Auch für den hypothetischen Willen selbst kann es angesichts der Irrealität dieses Willens keine Andeutung in dem Testament geben. Dem Formerfordernis ist deshalb bereits dann Rechnung getragen, wenn sich für die Willensrichtung des Erblassers, seine Motivation oder Zielsetzung, ein - auch noch so geringer - Anhaltspunkt oder ein - noch so unvollkommener - Ausdruck aus dem Testament selbst ergibt (vgl. BayObLG, DNotZ 1989, 176 [179]; BayObLG, ZEV 2001, 24 [25]; siehe auch BGH, FamRZ 1983, 380 [382]; Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, a.a.O., § 2084 Rdn. 81).

aa) Erste Voraussetzung für eine ergänzende Testamentsauslegung ist hiernach das Vorliegen einer ergänzungsfähigen Lücke, also einer planwidrigen, vom Erblasser nicht gewollten oder nicht bedachten Unvollständigkeit (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, a.a.O., § 2084 Rdn. 70 m.w.Nw.). Hiervon wäre auszugehen, wenn - entsprechend dem Vortrag der Beteiligten zu 1) - der Erblasser bei der Testamentserrichtung den nunmehr eingetretenen Fall, dass sämtliche Kinder das Erbe ausschlagen, nicht bedacht hätte. Diesen Sachverhalt legt auch das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde. Demgegenüber würde eine ergänzende Testamentsauslegung mangels planungswidriger Regelungslücke von vorneherein ausscheiden, wenn der das Testament beurkundende Notar im Rahmen der Testamentserrichtung auf diese Konstellation und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen, nämlich den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge mit einer möglichen Miterbengemeinschaft der Beteiligten zu 1) mit anderen Familienmitgliedern, die nicht Abkömmlinge sind, hingewiesen hätte. Hierfür könnte die Regelung unter Ziffer IX. des notariellen Testamentes sprechen, wonach der Notar den Erblasser über die Pflichtteilsrechte von Angehörigen unterrichtet hat. Zudem ist die Vermächtnisanordnung unter Ziffer IV. des Testamentes "ohne Anrechnung auf einen etwaigen Erbteil" der Beteiligten zu 1) erfolgt. Welchen Inhalt die der Beurkundung vorangegangene Beratung durch den Notar im Einzelnen hatte, kann jedoch ohne dessen Vernehmung nicht festgestellt werden. Dies gilt auch für den erstinstanzlichen Vortrag der Beteiligten zu 1) in der Beschwerde vom 6. April 2008, wonach der beurkundende Notar die genannte Bestimmung unter Ziff. IV des Testaments bei jedem Vermächtnis aus Gründen der Vorsicht aufnehme. Dieser Frage wird das Landgericht im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlung (§ 12 FGG) nachzugehen haben.

Dass die Beteiligte zu 1) vorträgt, in dem Gespräch bei dem Notar seien die Möglichkeit einer Ausschlagung durch alle Kinder und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen nicht thematisiert worden, entbindet das Landgericht nicht von der - von Amts wegen - vorzunehmenden Aufklärung. Hierbei ist neben der Vernehmung des Notars als Zeugen auch die Beteiligte zu 1), die nach ihrem Vorbringen bei der Beurkundung anwesend war, anzuhören. Wenn sich im Rahmen der Beweiserhebung durch das Landgericht ergibt, dass von dem Erblasser die Ausschlagung durch sämtliche Kinder nicht bedacht worden ist, hätte das Testament eine ergänzungsfähige Lücke aufgewiesen, die grundsätzlich durch eine ergänzende Testamentsauslegung geschlossen werden kann.

bb) Die von dem Landgericht bislang getroffenen Feststellungen genügen auch nicht, um den von der Beteiligten zu 1) behaupteten hypothetischen Willen des Erblassers, sie als weitere Ersatzerbin einzusetzen, ausschließen zu können. Zwar führt das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung einzelne Umstände an, die dafür sprechen könnten, dass der Erblasser auch bei Inrechnungstellung eine Ausschlagung durch alle Kinder an der Stellung der Beteiligten zu 1) als Vermächtnisnehmerin nichts geändert hätte. Ohne Anhörung des die Beurkundung vornehmenden Notars lässt sich jedoch die Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht verlässlich bestimmen. Auch insoweit hätte es der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) geboten, sowohl den Notar zu vernehmen als auch die Beteiligte zu 1) persönlich anzuhören. Zudem wird das Landgericht auch die weiteren Beweisanregungen der Beteiligten zu 1) in dem Schriftsatz der weiteren Beschwerde vom 8. September 2008 zu berücksichtigen haben. Insoweit weist der Senat allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass zwar im Verfahren der weiteren Beschwerde neue Tatsachen bzw. Beweisanregungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen. Wenn jedoch - wie hier - eine Aufhebung und Zurückverweisung bereits unabhängig von dem im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigenden neuen Tatsachenvortrag erfolgt, hat das Erstbeschwerdegericht als Tatsachengericht bei seiner neuen Entscheidung auch diese Tatsachen auf ihre Relevanz zu prüfen.

cc) Schließlich war die hiernach erforderliche Erforschung des Sachverhaltes nicht im Hinblick darauf entbehrlich, dass - wie oben ausgeführt - auch bei einer ergänzenden Testamentsauslegung die so genannte Andeutungstheorie Anwendung findet. Insoweit haben sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht die Anforderungen des erforderlichen Anhalts der Willensrichtung des Erblassers in dem Testament überspannt.

(1) Wenn feststünde, dass das Testament eine unbewusste Lücke aufweist und der Erblasser die Beteiligte zu 1) als weitere Ersatzerbin eingesetzt hätte, wenn er die Möglichkeit einer Ausschlagung durch sämtliche Kinder in Rechnung gestellt hätte, hätte dies eine hinreichende Andeutung in dem Testament erfahren. Dies folgt bereits daraus, dass das Vermächtnis, das der Beteiligten zu 1) zugewandt werden sollte, im wirtschaftlichen Ergebnis ein Ausmaß erreichte, das einer Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1) zumindest nahe kam. Dies spricht zumindest im Sinne einer Andeutung für eine entsprechende Zielrichtung des Erblassers, der Beteiligten zu 1) den Nachlass möglichst umfassend zuzuwenden. So sollte die Beteiligte zu 1) sämtliche Aktiva des beweglichen Nachlasses und hinsichtlich des Immobiliarvermögens ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht erhalten. Zudem wurde ihr darüber hinaus noch die Stellung als Testamentsvollstreckerin eingeräumt, so dass es ihr ohne Weiteres möglich war, das ihr zugewandte Vermächtnis auch zu erfüllen.

(2) Diese weitreichende Rechtsposition, die der Beteiligten zu 1) durch das Testament eingeräumt wurde, lässt allerdings auf der anderen Seite eine Ausschlagung der Erbschaft durch die Kinder und eine sich hieran anschließende Pflichtteilsberechtigung (§ 2306 Abs. 1 BGB) sowie die Begründung einer Miterbenstellung der Geschwister des Erblassers als nicht fern liegend erscheinen und wirft die Frage auf, warum die sich hieraus ergebende Problematik nicht erörtert worden sein soll. Gerade unter diesem Aspekt bedarf es einer Vernehmung des die Beurkundung vornehmenden Notars zu den Hintergründen der testamentarischen Anordnung. Dies betrifft allerdings die bereits oben angesprochene Frage, ob und wenn ja, inwieweit das Testament überhaupt eine planungswidrige Regelungslücke aufweist.

3. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts kann daher nicht bestätigt werden. Die Sache muss vielmehr an das Landgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen trifft.

4. a) Da mit der Zurückverweisung noch nicht feststeht, wer im Ergebnis obsiegt, muss auch die Entscheidung über die Kosten der weiteren Beschwerde dem Landgericht übertragen werden.

b) Anlass für die Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde besteht nicht, weil gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO bei der vorliegend erfolgten Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist. Da die angegriffene Entscheidung des Landgerichts insgesamt aufgehoben wird und damit auch die in dem Beschluss erfolgte Festsetzung des Geschäftswertes, bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt auch keiner Entscheidung zu der Frage, ob das Landgericht den Geschäftswert des Verfahrens der Erstbeschwerde zutreffend festgesetzt hat. Insoweit weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass der Geschäftswert nicht identisch ist mit dem gesamten Nachlasswert. Da die Beteiligte auch bei Eingreifen der gesetzlichen Erbfolge zumindest Erbin in Höhe von 3/4 ist (§§ 1931 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB), beläuft sich ihr Interesse an der Ausstellung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins lediglich auf 1/4 des Nachlasswertes, wie die Beteiligte zu 1) im Rahmen der weiteren Beschwerde zu Recht geltend macht.

Ende der Entscheidung

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