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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.03.2008
Aktenzeichen: 20 U 231/07 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, VHB 2002, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 3
VVG § 1 Abs. 1
VVG § 22
VVG § 39
VVG § 49
VHB 2002 § 23
VHB 2002 § 26 Abs. 1 f
VHB 2002 § 26 Abs. 2
BGB § 280
BGB § 823
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

werden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat nach Beratung erwägt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO vorliegen.

I. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch der Klägerin auf Leistung eines Erstattungsbetrages in Höhe von 70.344,32 € aus der bei der Beklagten unterhaltenen Hausratversicherung verneint. Der Inhalt der Berufungsbegründungsschrift ist nicht geeignet, eine Abänderung des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung herbeizuführen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus der Hausratversicherung für den behaupteten Einbruchsdiebstahl vom 26. Februar 2006 gemäß §§ 1 Abs. 1, 49 VVG, in Verbindung mit den VHB 2002, die Vertragsbestandteil sind, zu.

Die Beklagte ist für diesen behaupteten Einbruchsdiebstahl auch zur Überzeugung des Senats jedenfalls gemäß § 26 Abs. 1 f), Abs. 2 VHB 2002 leistungsfrei. Nach § 26 Abs. 1 f) VHB 2002 hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Schadensfalles unter anderem dem Versicherer jede zumutbare Untersuchung über Schadensursache und Schadenshöhe zu gestatten und hierzu jede sachdienliche Auskunft zu erteilen. Hierbei müssen die erteilten Auskünfte vollständig sein und der Wahrheit entsprechen (vgl. LG Düsseldorf, VersR 2006, 214). Hierauf wurde die Klägerin auch ausdrücklich zu Beginn des Schadensprotokolls vom 26. Juni 2006 hingewiesen (Bl. 134 d.A.).

Dennoch hat die Klägerin ausweislich des von dem Zeugen C am 26. Juni 2006 aufgenommenen Schadensprotokolls Falschangaben gemacht.

So haben sie und ihr Ehemann zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen unwahre Angaben gemacht, die bereits zur Leistungsfreiheit der Beklagten führen. Nach dem Inhalt des von ihr und ihrem Ehemann, dem Zeugen H, unterzeichneten Schadensprotokolls (vgl. Bl. 135 d.A.) wurde ausdrücklich erklärt, dass man die gemeinsamen finanziellen Verhältnisse - als geordnet - betrachte und den Zahlungsverpflichtungen - stets pünktlich - nachkomme. Überdies werde man von den Eltern bei Bedarf finanziell unterstützt. Diese Angaben sind bereits deswegen objektiv falsch, weil der Zeuge H im Mai 2004 wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/2 Jahren verurteilt worden war, wobei er zum Zeitpunkt der Angaben gegenüber dem Zeugen C diese Haftstrafe bereits verbüßte, und am 24. Oktober 2004 eine eidesstattliche Versicherung über seine finanziellen Verhältnisse abgegeben hatte. Bereits vor diesem Hintergrund waren die Erklärungen der Klägerin und ihres Ehemannes über die gemeinsamen wirtschaftlichen Verhältnisse unwahr. Die Klägerin kann sich diesbezüglich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Vermögensverhältnisse des Zeugen H ohne Bedeutung gewesen seien und sie letztlich nur Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben habe. Zum einen wurde ausdrücklich eine Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eheleute abgegeben. Zum anderen ist es für einen Versicherer erkennbar von Bedeutung, im Rahmen eines behaupteten Einbruchsdiebstahls nicht nur Erkenntnisse über mögliche Hintergründe in Bezug auf die Person des Versicherungsnehmers, sondern auch hinsichtlich der Personen zu erlangen, deren Interessen - wie etwa der Ehepartner - zumindest mittelbar mitversichert sind (vgl. hierzu auch Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 21 VHB 84, Rn. 2). Unabhängig davon kommt hier hinzu, dass auch die Klägerin selbst wenige Monate nach dem Termin mit dem Zeugen C im Dezember 2006 eine eidesstattliche Versicherung abgeben musste. Dies spricht nachhaltig dafür, dass ebenfalls die Vermögensverhältnisse der Klägerin im Juni 2006 bereits unzutreffend wiedergegeben wurden. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei nur erforderlich gewesen, weil die Beklagte den Schaden nicht vollständig reguliert habe, ist dieser Vortrag ohne Substanz, zumal nicht erläutert wird, warum - entgegen den vorherigen Erklärungen - offenbar keine finanzielle Hilfe der Eltern erfolgte. Es ist auch nicht erkennbar, warum eine Schadensbehebung nicht den finanziellen Verhältnissen der Klägerin hätte angepasst werden können.

Aufgrund der vorgeschilderten Gesamtumstände ist mithin davon auszugehen, dass die Klägerin und vor allem ihr Ehemann sich im Zeitpunkt des behaupteten Ein-bruchsdiebstahls sowie zum Zeitpunkt der Regulierungsverhandlung in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Mithin hat sie die klare Frage der Beklagten nach der wirtschaftlichen Situation in gravierender Weise falsch beantwortet.

Objektiv falsch ist ferner die ebenfalls in dem vorgenannten Schadensprotokoll festgehaltene Erklärung der Klägerin, wonach die bei der IEJ unterhaltene Vorversicherung bereits - im Jahre 2000/2001- durch sie selbst gekündigt worden sei. Tatsächlich wurde diese Versicherung im Jahre 2004 durch den Versicherer aufgrund der Nichtzahlung der Folgeprämie gemäß § 39 VVG gekündigt, wie die Klägerin selbst einräumt. Im Rahmen der sich aus § 26 Abs. 1 f) VHB 2002 ergebenden Aufklärungsobliegenheit hat der Versicherungsnehmer den Versicherer auch wahrheitsgemäß über etwaige Vorversicherungen und die Umstände der etwaigen Vertragsbeendigung auf Befragen hin aufzuklären (vgl. LG Verden, ZfSch 1990, 32). Angesichts bereits dieser eindeutigen Aufklärungsverletzung der Klägerin kann dahinstehen, ob sie zudem Versicherungsnehmerin der im Jahre 2004 bei der K-N-Versicherung abgeschlossenen Hausratsversicherung war und auch insofern möglicherweise unrichtige Angaben gemacht hat.

Neben ihren eigenen falschen Angaben muss sich die Klägerin dabei zudem auch die ebenfalls unwahren Angaben ihres Ehemannes, des Zeugen H, als diejenigen ihres Repräsentanten in Form eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Nach der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung seit langem gefestigten Definition ist ein Dritter dann als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen, wenn er allgemein in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers oder neben ihn getreten ist. Er muss befugt sein, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrzunehmen (vgl. etwa BGH VersR, 1965, 149, 150; 1969, 695, 696; 69, 1086, 1087; 71, 538, 539; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. § 6 VVG Rn. 52, m.w.N.). Dabei ist zwar anerkannt, dass der Ehegatte als solcher nicht als Repräsentant angesehen werden kann, sondern nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Repräsentantenstellung begründen (vgl. Prölss/Martin, VVG 27. Auflage, § 6 VVG Rn. 76 m.w.N.). Der Zeuge H hat die Fragen des Zeugen C erkennbar und mit offensichtlichem Willen der Klägerin auch aus dem eigenen Wissen heraus beantwortet und die Richtigkeit seiner Angaben durch seine zusätzliche Unterschrift bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus diesem Verhalten des Zeugen auf dessen Repräsentantenstellung geschlossen hat.

Dass diese Falschangaben auch vorsätzlich erfolgt sind, wird gemäß § 26 Abs. 2 VHB 2002 vermutet (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 26 VHB 2000 unter weiteren Verweis auf § 21 VHB 84 und § 13 AERB 81, Rn. 3 ff.). Der Versicherungsnehmer - hier die Klägerin - hat diese Vermutung zu widerlegen (BGH RuS 2004, 368; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rn. 107, 121). Der Klägerin ist dies indes nicht gelungen. Es genügt insoweit nicht, nur vorzutragen, sie habe sich hinsichtlich des Zeitpunktes der Beendigung der Vorversicherung bei der IEJ schlicht geirrt (vgl. OLG Köln, Schaden-Praxis 2007, 155; OLG Stuttgart, RuS 2006, 64). Ein solcher - doppelter - Irrtum der Klägerin sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes der Vertragsbeendigung als auch in Bezug auf die Umstände der Beendigung des Versicherungsvertrages kann hier ohnehin nicht angenommen werden. So ist nicht nachvollziehbar und daher unglaubhaft, dass die Klägerin sich hinsichtlich des Zeitpunktes der Beendigung des Vertrages mit der IEJ Versicherung so erheblich geirrt haben will, denn es ist bereits ein erheblicher Unterschied, ob die Kündigung des Vertrages gerade erst vor zwei Jahren erfolgte oder ob seitdem bereits rund sechs Jahre vergangen waren. Auch bleibt es aller Erfahrung nach einem Versicherungsnehmer durchaus in Erinnerung, wenn ein Versicherungsvertrag nicht durch eigene Initiative, sondern durch den Versicherer wegen nicht gezahlter Prämien gekündigt wird. Unabhängig davon beruhen aber erst recht die unwahren Angaben der Klägerin über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erkennbar nicht auf einem Irrtum, weil der Klägerin ihre finanzielle und wirtschaftliche Situation und vor allem diejenige ihres Mannes und den Umstand seiner langfristigen Inhaftierung zum Zeitpunkt ihrer Erklärungen zweifellos vor Augen gestanden haben mussten.

Die Gesamtumstände des Falles sind auch in sonstiger Hinsicht nicht geeignet, das Verschulden der Klägerin in einem milderen Licht zu sehen. Vielmehr teilt der Senat die Ansicht des Landgerichts, dass das Verhalten der Klägerin auf Arglist beruhte. Dabei offenbart zwar nicht jede bewusst falsche Antwort sogleich eine Arglist des Versicherungsnehmers (vgl. BGH VersR 1984, 453, 454; VersR 1957, 351). Die falsche Antwort muss vielmehr einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen (BGH VersR 1986, 77; 1994, 45). Dabei wird keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers vorausgesetzt. Es genügt das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen (BGHZ 40, 387, 388; RGZ 150, 147, 150). Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH VersR 1986, 77; 1994, 45). Die Annahme der Arglist ist dabei auch nicht auf falsche Abgaben zu gewichtigen Schadenspositionen beschränkt (BGH VersR 1981, 446). Vor diesem Hintergrund können die unwahren Angaben der Klägerin nur darauf beruhen, etwaige negative Reaktionen der Beklagten, wie etwa verstärkte und zeitintensive Ermittlungen, auszuschließen, und erfolgten mithin in arglistiger Absicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin zwei Obliegenheitsverletzungen (Falschangaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und den Vorversicherungen) begangen hat, so dass die Kumulierung beide Aufklärungspflichtverletzungen erst recht zur Annahme einer Arglist führt.

Unabhängig von der Arglist der Klägerin waren ihre Obliegenheitsverletzungen für die Beklagte auch von Relevanz. Falsche Angaben eines Versicherungsnehmers über seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Denn bei positiven wirtschaftlichen Verhältnissen wird der Versicherer weniger Verdacht schöpfen, der Versicherungsfall sei nur vorgetäuscht, und er wird weitere Nachforschungen unterlassen (vgl. hierzu auch LG Düsseldorf, VersR 2006, 214). Dies gilt auch vorliegend. Ebenfalls sind auch falsche Angaben über Vorversicherungen und die Umstände der Beendigung geeignet, weitere Ermittlungen der Versicherung, die zu neuen Erkenntnissen etwa über Vorschäden oder Zahlungsverhalten führen können, zu verhindern (vgl. hierzu etwa auch LG Verden, ZfSch 1990, 32).

Schließlich ist die Klägerin von der Beklagten auch über die Folgen einer Falschangabe hinreichend belehrt worden. In der von der Klägerin unterschriebenen Verhandlungsniederschrift vom 26. Juni 2006 (Bl. 134 GA) heißt es unmittelbar am Beginn des Formulars in Fettdruck hervorgehoben: "Mir ist bekannt, dass bewusst unrichtige oder unvollständige Angaben den Verlust des Versicherungsschutzes auch dann nach sich ziehen können, wenn dem Versicherer daraus kein Nachteil entsteht."

Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 280 bzw. 823 BGB, weil die Regulierer der Beklagten gegenüber den Handwerkern eine Deckungszusage erklärt hätten. Der entsprechende Vortrag erfolgte erstmals erstinstanzlich mit nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 17. Oktober 2007 und ist in Bezug auf die Einzelheiten der behaupteten Zusagen unsubstantiiert. Darüber hinaus standen die bisherigen Zahlungen der Beklagten ausdrücklich nur unter Vorbehalt (vgl. etwa Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 2006, Bl. 138 d.A.). Unabhängig davon würden solchen Ansprüchen auch die eigenen vorsätzlichen und arglistigen Obliegenheitsverletzungen der Klägerin entgegen stehen, so dass ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin auf Leistungen der Beklagten ohnehin nicht angenommen werden kann.

Nach alledem ist die Beklagte gemäß § 26 Abs. 1 f), Abs. 2 VHB 2002 wegen vorsätzlich und arglistig falscher Darstellung der Klägerin über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sowie über den Bestand von Vorversicherungen leistungsfrei. Es kann daher dahin stehen kann, ob sich die Leistungsfreiheit der Beklagten auch aus § 23 VHB 2002 i.V.m. § 22 VVG wegen einer Anfechtung aufgrund einer arglistigen Täuschung der Klägerin bei Vertragsschluss ergibt, weil diese bereits bei Beantragung des Versicherungsvertrages falsche Angaben über Vorversicherungen und Vorschäden gemacht hat.

Gleichermaßen bedarf es einer Entscheidung der Frage, ob der behauptete Einbruch in die Wohnung der Klägerin überhaupt stattgefunden hat, was die Beklagte ebenfalls bestritten hat.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen, denen der Senat im vollen Umfang beitritt.

II. Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen ist, liegen vor.

Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; es handelt sich vielmehr um einen Streit, dessen Tragweite sich im konkreten Einzelfall erschöpft. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.

III. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu vorstehenden Hinweisen binnen drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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