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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.04.2008
Aktenzeichen: 20 W 11/08
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 485 Abs. 1
ZPO § 485 Abs. 2
VVG § 12 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 30.11.2008 (9 OH 19/07) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, hat die Kammer die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens verneint. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Dass die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs.1 ZPO vorlägen (drohender Verlust eines Beweismittels), hat die Antragstellerin auch nicht ansatzweise dargelegt und ist nach Lage der Dinge auch nicht anzunehmen. Die zutreffenden Ausführungen der Kammer zu diesem Punkt greift die Antragstellerin auch nicht mehr an.

Aber auch die Zulässigkeit nach § 485 Abs.2 ZPO hat die Kammer zu Recht verneint. Danach kann eine Partei außerhalb eines Rechtsstreits die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass (u.a.) der Zustand einer Person bzw. die Ursache eines Personenschadens festgestellt wird. Das kann auch, wie im Falle der Antragstellerin, die eigene Person sein. Das erforderliche rechtliche Interesse an einem Sachverständigengutachten, das die Berufsunfähigkeit der Antragstellerin klären soll, ist im konkreten Fall indes zu verneinen. Dabei bedarf es nicht der Klärung der im einzelnen umstrittenen Frage (vgl. zum Streitstand etwa Zöller-Herget, ZPO, 26.Aufl. 2007, § 485 Rn. 7a), wann grundsätzlich ein Beweisverfahren zur Vermeidung eines Rechtsstreits dient (§ 485 Abs.2 Satz 2 ZPO). Es bedarf auch keiner abschließenden Klärung, ob das rechtliche Interesse schon deshalb entfällt, weil ein Anspruch von vornherein nicht schlüssig dargelegt ist. Grundsätzlich ist zwar die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht von der Schlüssigkeit eines etwaigen Klagebegehrens abhängig, eine Ausnahme gilt allerdings für Fälle, in denen es evident ist, dass ein Anspruch nicht bestehen kann (BGH MDR 2005, 162). Dies kann hier durchaus schon deshalb angenommen werden, weil einem Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Ablauf der Frist aus § 12 Abs.3 VVG entgegen gehalten werden kann. Die Frist ist am 13.9.2007 abgelaufen. Die Beantragung des selbständigen Beweisverfahrens wahrt die Frist nicht (vgl. OLG Koblenz, OLGRep 2007, 276; so schon KG JR 1948, 257; Prölss in Prölss/Martin § 12 VVG Rn. 65). Ob ein rechtliches Interesse, das grundsätzlich weit zu verstehen ist (BGH MDR 2005, 162), gegeben ist, entscheidet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (BGH MDR 2003, 590). Ebenso wie bei Arzthaftungsansprüchen verbietet sich bei Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeits-(Zusatz-)Versicherung eine grundsätzliche Betrachtung. Es wird häufig allein um die Klärung des gesundheitlichen Zustandes des Versicherten gehen, während die Fragen des Berufsbildes oder der Verweisungsmöglichkeit nicht in Rede stehen. Dann wird regelmäßig das Beweisverfahren geeignet sein, einen Rechtsstreit zu vermeiden.

Um einen solchen Fall grundsätzlicher Eignung des Beweisverfahrens handelt es sich vorliegend allerdings nicht. Die Antragstellerin ist eine sehr junge (Jg. 1980) Verkäuferin in einem Drogeriemarkt. Zu ihrem Berufsbild hat sie - allerdings erst im Verlaufe des Verfahrens - vorgetragen, dass sie halbtags (4 Stunden täglich) arbeite, dass sie überwiegend an der Kasse eingesetzt sei, an manchen Tagen auch Ware im Keller auszupacken und im Geschäftsraum in die Regale einzuräumen habe, dass sie sich ansonsten (ausnahmsweise) im Verkaufsraum bewege und Kunden berate. Die Antragsgegnerin hat alles dies zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Zu ihrer gesundheitlichen Situation beruft sich die Antragstellerin vor allem auf Wirbelsäulenbeschwerden (hervorgerufen durch eine Verbiegung der Wirbelsäule) und eine Pollenallergie. Das von ihr selbst vorgelegte Gutachten der Agentur für Arbeit I. attestiert ihr, dass sie ohne weiteres vollschichtig zu jeder Zeit leichte und mittelschwere Arbeiten in jeder Körperhaltung verrichten könne, lediglich zu Arbeiten in Zwangshaltungen und zu häufigem Heben und Tragen ohne Hilfsmittel nicht in der Lage sei. Die bislang ausgeübte Tätigkeit soll ihr ohne weiteres möglich sein. Dass unter solchen Umständen die Antragsgegnerin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgelehnt hat, erscheint als geradezu zwangsläufig. Auch nur entfernt realistische Chancen der Antragstellerin auf eine Durchsetzung irgendwelcher Ansprüche allein aufgrund des Ergebnisses des selbständigen Beweisverfahrens bestehen danach nicht. Dem Sachverständigen im Prozess um eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind klare, detaillierte und unverrückbare Vorgaben hinsichtlich des Berufsbildes zu machen (BGHZ 119, 263, 266 f.; std. Rspr., zuletzt MDR 2008, 448). Das hätte im selbständigen Beweisverfahren auf der Grundlage des eigenen Sachvortrags zu geschehen. Im vorliegenden Fall, wo Rückenbeschwerden zur Berufsunfähigkeit führen sollen, die bereits ein neutraler Sachverständiger als nicht hinreichend gravierend eingeschätzt hat, käme es dabei auf praktisch alle Feinheiten des Berufsbildes an, insbesondere aber auf genaue Einzelheiten hinsichtlich rückenbelastender Tätigkeiten und ihren Anteil am gesamten Tätigkeitsbild. Im Prozess wäre eine entsprechende Tatsachengrundlage zwingend durch Beweisaufnahme zu schaffen, insbesondere durch eingehende Zeugenvernehmung. Darauf würde es im vorliegenden Fall geradezu zwangsläufig hinauslaufen, wie sich bereits jetzt abzeichnet. Dass eine vorherige Klärung der Anknüpfungstatsachen durch Zeugenvernehmung im selbständigen Beweisverfahren unzulässig ist, hat die Kammer bereits zu Recht festgestellt. Ein Sachverständigengutachten, das ausschließlich auf Vorgaben beruht, die die Antragsgegnerin bestreitet und die zwangsläufig im Rahmen eines streitigen Verfahrens geklärt werden müssen, von denen von vornherein nicht anzunehmen ist, dass die Antragsgegnerin sie unter dem Eindruck eines weiteren Gutachtens akzeptieren und insgesamt einlenken werde, ist aber im Hinblick auf eine außerprozessuale Streitbeilegung ungeeignet. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin hier unter dem Eindruck eines neuen Gutachtens, das ausschließlich auf Angaben der Antragstellerin beruht, auch nur zu einem teilweisen Entgegenkommen bereit sein könnte, bestehen nicht. Damit könnte letztlich das Beweisverfahren allenfalls dazu dienen, der Antragstellerin selbst die Aussichtslosigkeit einer Klage vor Augen zu führen. Dazu ist das Verfahren aber nicht da.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Streitwert: 20.400.- €.

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