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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.09.2009
Aktenzeichen: 20 W 46/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 227
ZPO § 227 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 227 Abs. 3
ZPO § 227 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 227 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 276 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. I für begründet erklärt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zwar, weil das Ablehnungsgesuch durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen worden ist und § 46 Abs.2 ZPO nach seinem Wortlaut die Beschwerde nur gegen einen Beschluss eröffnet, mit welchem das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, nicht nach § 46 Abs.2 ZPO statthaft, wohl aber gemäß § 567 Abs.1 Nr.2 ZPO (OLG Frankfurt OLGR 2006,929; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27.Aufl., § 46 Rn.14).

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. I ist zulässig und begründet.

Für das Ablehnungsgesuch fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Eine Richterablehnung ist allerdings rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig, wenn sie das Verfahren offensichtlich nur verschleppen oder verfahrensfremden Zwecken dienen soll (Zöller/Vollkommer § 42 Rn.6; vgl. auch BVerfG NJW 2007,3771). Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Rechtsmissbrauch in dem Fall vorliegen, dass auf dem Weg über die Befangenheitsablehnung eine vom Gericht mit Rücksicht auf einen nur substanzlos angegebenen Verlegungsgrund abgelehnte Terminsverlegung erzwungen werden soll (OLG Köln - 13. Zivilsenat - OLGR 2004,404). Um eine solche Gestaltung handelt es sich hier jedoch nicht. Das Befangenheitsgesuch hat die Beklagte darauf gestützt, dass sowohl ihr Antrag auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist als auch die wegen einer Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten beantragte Verlegung des Verhandlungstermins ohne stichhaltige Begründung abgelehnt worden seien. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Ablehnungsgesuch nur der Verschleppung oder verfahrensfremden Zwecken dient, sind daher nicht erkennbar.

Der Ablehnungsantrag ist auch in der Sache begründet. Gemäß § 42 Abs.2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist. Maßgebend ist vielmehr, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (BGH NJW 1995,1677; 2006,2492). Derartige Gründe hat die Beklagte glaubhaft gemacht.

Zwar rechtfertigt die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist dies aber, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzen würde oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (BGH NJW 2006, 2492; OLG Naumburg NJW-RR 2002,502; OLG Frankfurt OLGR 2006,929; NJW 2009, 1007). ).

Für eine Verlegung des Verhandlungstermins vom 3. Juli 2009 haben offensichtlich erhebliche Gründe bestanden. Dem Antrag der Beklagten auf Terminsverlegung wäre bereits gemäß § 227 Abs.3 Satz 1 ZPO stattzugeben gewesen. Nach dieser Vorschrift ist ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August anberaumter Termin auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Die Beklagte, deren Anwalt die Terminsladung am 17. Juni 2009 zugestellt worden war, hat die Frist von einer Woche durch den dem Landgericht am 24. Juni 2009 per Telefax übermittelten Verlegungsantrag gewahrt. Dass der Antrag nicht ausdrücklich auf die Regelung des § 227 Abs.3 ZPO gestützt worden ist, schadet deswegen nicht, weil der Verlegungsantrag nach dieser Vorschrift keiner Begründung bedarf (Zöller/Stöber § 227 Rn.9). Zwar ist nach § 227 Abs.3 Satz 3 ZPO dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen, wenn das Verfahren besondere Beschleunigung erfordert. Gewichtige Gründe für eine besondere Beschleunigung sind indessen weder vom Landgericht angeführt noch sonst ersichtlich. Dem vorsorglichen, pauschalen Hinweis in der Verfügung vom 1. Juli 2009, es gehe vorliegend "um vergleichsweise hohe wirtschaftliche Werte, so dass einer Förderung des Verfahrens, auch im Sinne des § 227 Abs.3 S.3 ZPO, der Vorrang" gebühre, ist das nicht zu entnehmen.

Freilich begründen unbeabsichtigt unterlaufene Verfahrensfehler ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit (Musielak/Heinrich, ZPO, 6.Aufl., § 42 Rn.11). Aus der Verfügung vom 1. Juli 2009 ist zu schließen, dass der Einzelrichter die Wahrung der Wochenfrist des § 227 Abs.3 ZPO infolge eines Irrtums verneint hat. Dieser unbeabsichtigte Verfahrensfehler bei der Bescheidung des Verlegungsantrags kann im Rahmen der Befangenheitsprüfung gleichwohl nicht gänzlich außer Betracht bleiben, da sich der Eindruck der Voreingenommenheit auch aus einer Gesamtschau ergeben kann. Die Ablehnung einer Terminsverlegung war nicht nur aus den Gründen des § 227 Abs.3 ZPO, sondern auch und vor allem nach § 227 Abs.1 Satz 1 ZPO verfahrensfehlerhaft. Nach dieser Vorschrift kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegt ein erheblicher Grund für die beantragte Terminsänderung vor, so eröffnet dies nicht nur die Möglichkeit, sondern begründet die Pflicht des Gerichts zur Änderung des Termins (BGH NJW 2008,1448).

Eine unabwendbare Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts stellt einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs.1 Satz 1 ZPO dar (Zöller/Stöber § 227 Rn.6). Das ist etwa dann anzunehmen, wenn der Prozessbevollmächtigte durch Urlaubsabwesenheit an der Wahrnehmung des anberaumten Termins gehindert ist (OLG Frankfurt NJW 2008,1328; 2009,1007). Dies gilt entsprechend für den Fall, dass der Anwalt der ablehnenden Partei an einem Betriebsausflug seiner Kanzlei teilzunehmen beabsichtigt, zumindest aber dann, wenn er - wie hier - seine Teilnahme schon vor der Terminsladung geplant und zugesagt hatte. Grundsätzlich ist dem Anwalt ebenso wenig wie die Absage oder Unterbrechung einer geplanten Urlaubsreise die Abstandnahme von einer Beteiligung an einem Betriebsausflug seiner Kanzlei zuzumuten. Eine Wahrnehmung des auf den Tag des geplanten Betriebsausflugs anberaumten Verhandlungstermins hätte den Prozessbevollmächtigten der Beklagten aber daran gehindert, an der Exkursion seines Anwaltsbüros teilzunehmen. Die ihm vom Landgericht vorbehaltlich der Einwilligung der Gegenseite angebotene Vorverlegung der Terminsstunde auf 9.00 Uhr hätte dem Beklagtenvertreter die Teilnahme an der Gemeinschaftsfahrt gemäß dem Ausflugsprogramm nicht ermöglicht.

Dem in der Verhinderung des Beklagtenanwalts durch den Betriebsausflug liegenden erheblichen Grund für eine Terminsverlegung haben auch keine überwiegenden Interessen des Klägers entgegen gestanden, die es hätten rechtfertigen können, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausnahmsweise einen Verzicht auf den Betriebsausflug zuzumuten. Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass "hohe Werte - u.a. hohe Zinsen betreffend die Werklohnforderung - im Streit" stünden, hat der Einzelrichter einen solchen Ausnahmefall nicht im Ansatz dargelegt. Auch die Verweisung auf die Möglichkeit einer Umterminierung erst zum Ende des Monats August ist - schon im Hinblick auf § 227 Abs.3 ZPO - dafür nicht geeignet. Eine besondere Dringlichkeit, welche die Ablehnung des Verlegungsantrags als plausibel erscheinen ließe, ist schlechthin nicht ersichtlich.

Aus dem Verfahren des Landgerichts hat sich für die Beklagte der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung aufgedrängt. Das gilt auch deshalb, weil ihr der Einzelrichter in einem weiteren Schreiben vom 1. Juli 2009 angeraten hat, sich "vorsorglich" darauf einzurichten, dass es bei dem vorgesehenen Termin verbleibe, weil über das Ablehnungsgesuch "mutmaßlich zuvor entschieden werde". Diese Empfehlung mag als fürsorglicher Hinweis an die Beklagte gemeint gewesen sein, konnte von ihr jedoch dahin aufgefasst werden, dass dem Richter, der sich einer Äußerung über die voraussichtliche Dauer des Ablehnungsverfahrens hätte enthalten sollen, ungeachtet des Ablehnungsgesuchs und der dafür vorgebrachten Gründe an einer Durchführung des Verhandlungstermins am 3. Juli 2009 gelegen sei.

Der Eindruck einer Benachteiligung konnte sich der Beklagten aber auch unter Einbeziehung der Reaktion des Einzelrichters auf ihren Fristverlängerungsantrag vermitteln. Nachdem das Landgericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die in § 276 Abs.1 ZPO bestimmte Mindestfrist zur Klageerwiderung von 4 Wochen gesetzt hatte, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 unter Hinweis darauf, dass sich bei einer ersten Besprechung mit der Partei noch erheblicher weiterer Informationsbedarf herausgestellt habe, eine Fristverlängerung um zwei Wochen beantragt. Diesen Antrag hat das Gericht mit der Begründung abgelehnt, die Kanzlei des Beklagtenvertreters sei "seit Januar 2009 in die - überschaubare - Angelegenheit involviert". Eine Verlängerung richterlicher Fristen setzt zwar voraus, dass erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind (§ 224 Abs.2 ZPO), wobei die hierfür erforderlichen erheblichen Gründe ebenso zu verstehen sind wie in § 520 Abs.2 Satz 3 ZPO (BVerfG NJW 2007,3342). Einen erheblichen Grund in diesem Sinne hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten indessen dargelegt. Ebenso wie der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts (BVerfG a.a.O.) genügt als erheblicher Grund die noch erforderliche Rücksprache oder Informationsbeschaffung bei der Partei, die nicht innerhalb der Frist erfolgen konnte (BVerfG NJW 2001,812). Auch aus der Notwendigkeit einer weiteren Rücksprache mit der Partei kann sich ein erheblicher Grund ergeben (BGH NJW 1999,430). Wird ein üblicherweise als erheblich eingestufter Grund angeführt, so verstößt es gegen das Gebot der Gewährung fairen Verfahrens, wenn der Verlängerungsantrag wegen mangelnder Substantiierung zurückgewiesen wird (Zöller/ Heßler § 520 Rn.19). Nach diesen Grundsätzen begegnet es verfahrensrechtlichen Bedenken, dass der Einzelrichter den Fristverlängerungsantrag abgelehnt hat, ohne der Beklagten zumindest Gelegenheit zur Erläuterung des geltend gemachten Informationsbedarfs einzuräumen.

Demnach liegen genügend objektive Gründe vor, die der Beklagten Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters geben.

Da die Kosten der erfolgreichen Beschwerde im Ablehnungsverfahren solche des Rechtsstreits sind, hat eine Kostenentscheidung nicht zu ergehen (Zöller/Vollkommer § 46 Rn.20).

Beschwerdewert: 136.622,39 € (Wert der Hauptsache)

Ende der Entscheidung

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