Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: 22 U 109/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 17
ZPO § 513 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.06.2005 verkündete Zwischenurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 7 O 416/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht mit der vor dem Landgericht Köln erhobenen Klage Vergütungsansprüche und Aufwandsentschädigung gegen die Beklagte, eine 1997 in Südafrika gegründete Handelsgesellschaft (Ltd.) geltend. Gesellschafter der Beklagten waren Herr I T und - bis zu ihrem Ausscheiden im Jahre 2001 oder 2002 - dessen frühere Ehefrau J T. Herr I T, der alleinige Geschäftsführer der Beklagten, ist seitdem deren Alleingesellschafter. Er wohnt in Deutschland und ist zugleich Geschäftsführer weiterer Unternehmen, die ihren Sitz in L, K- Straße 32, haben.

Die Beklagte ist Eigentümerin von Immobilien in Kapstadt, zu denen u.a. ein Bürogebäude in der I-Str. 31 gehört. Im Zusammenhang mit ihrem Plan, dieses Bürogebäude in ein Hotel umzuwandeln, nahm die Beklagte im Frühjahr 2002 Kontakt mit der Klägerin auf, die sich als weltweit tätiges Unternehmen u.a. mit solchen Projekten befasst. Für die mit der Prüfung des Vorhabens erbrachten Leistungen stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 8.6.2004 den mit der Klage geltend gemachten Betrag von 159.719,58 € in Rechnung. Sie hält die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln für gegeben. Dazu hat sie vorgetragen, die Beklagte unterhalte in Südafrika nur eine Briefkastenadresse. Ihr tatsächlicher Verwaltungssitz sei in L, K- Straße 32.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte werde in Kapstadt, Südafrika, verwaltet.

Das Landgericht hat durch das am 17.6.2005 verkündete Zwischenurteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, seine örtliche und internationale Zuständigkeit nach § 17 ZPO festgestellt. Der tatsächliche Verwaltungssitz der Beklagten sei L, weil in L der Schwerpunkt des körperschaftlichen Lebens der Beklagten liege, dort die Willensbildung des Leitungsorgans, des Geschäftsführers T, erfolge und dort die wesentlichen Geschäfte der Gesellschaft geführt würden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie meint, das Landgericht habe zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen. Der tatsächliche Verwaltungssitz der Beklagten liege in Kapstadt. Dort träfen der Gesellschafter/Geschäftsführer und die örtlichen Vertreter die organschaftlichen und strategischen Entscheidungen. Auch die grundlegenden Maßnahmen sowie die Verwaltung des Tagesgeschäfts erfolgten in Kapstadt.

Die Beklagte beantragt,

das Zwischenurteil des Landgerichts Köln vom 17.06.2005 - 7 O 416/04 - aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Berufung ist zulässig. Das Zwischenurteil kann mit der Berufung angefochten werden, weil die Beschränkung des § 513 Abs. 2 ZPO nicht für die Frage der internationalen Zuständigkeit gilt (BGH, NJW 2003, 426 zu § 513 Abs. 2 ZPO n.F.; Zöller/Greger, ZPO, 25.Aufl., § 280 Rdn. 8).

2.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

a)

Ohne Erfolg macht die Beklagte mit der Rüge, das Landgericht habe die gerichtliche Hinweispflicht verletzt, Verfahrensfehler geltend. Das Verfahren in erster Instanz ist nicht zu beanstanden:

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln war Gegenstand umfangreicher schriftsätzlicher Erörterungen. Das Landgericht hat keinen Gesichtspunkt verwertet, der nicht bereits behandelt worden wäre. Unter diesen Umständen bedurfte es keines weiteren Hinweises.

b)

Zu Recht hat das Landgericht seine örtliche und internationale Zuständigkeit nach § 17 ZPO angenommen.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich mittelbar aus den Regeln über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO), so dass grundsätzlich ein örtlich zuständiges deutsches Gericht auch international zuständig ist (BGH, NJW 1991, 3092, 3093; BayObLG, DB 2003, 819, 820, jew. m.w.Nachw.). Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist für die Klage gegen die Beklagte begründet, weil hier deren allgemeiner Gerichtsstand nach § 17 ZPO liegt.

aa)

Der allgemeine Gerichtsstand einer Gesellschaft wird durch ihren Sitz bestimmt (§ 17 Satz 1 ZPO). Der Sitz einer Gesellschaft ergibt sich grundsätzlich aus ihrer Satzung. Die Satzung der Beklagten liegt nicht vor. Unterstellt, der satzungsmäßige Sitz liege in Kapstadt, Südafrika, müsste dort jedoch auch der effektive Verwaltungssitz liegen. Denn befindet sich der tatsächliche Verwaltungssitz im Inland, wird der satzungsmäßige ausländische Sitz nach der herrschenden und für die internationale Zuständigkeit außerhalb der Europäischen Gemeinschaft fortgeltenden Sitztheorie nicht anerkannt (BGH, NJW 2002, 3539, 3540 = MDR 2002, 1382; BayObLG, DB 2003, 819, 820, jew. m.w.Nachw.). Die Beklagte wäre - mangels einer Eintragung ins inländische Handelsregister - zunächst bis zum Ausscheiden der Ehefrau des Geschäftsführers als inländische Personengesellschaft und danach als inländisches einzelkaufmännisches Unternehmen des verbliebenen einzigen Gesellschafters zu behandeln (vgl. BGH, BayObLG, jeweils a.a.O.).

bb)

Bei der Ermittlung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ist zu berücksichtigen, wo der Schwerpunkt körperschaftlichen Lebens liegt, wo die Willensbildung des Leitungsorgans erfolgt und von wo aus die wesentlichen Geschäfte der Gesellschaft geführt werden. Entscheidend ist der Ort der Ausübung des zentralen Managements, der Kontrolle über die Gesellschaft sowie der Erteilung der Weisungen durch die Geschäftsleitung, und zwar im Zeitpunkt der für das Verfahren maßgebenden Geschäftsbeziehungen (OLG München, NJW 1986, 2197, 2198).

Abgesehen davon, dass die Beklagte in Kapstadt/Südafrika registriert ist, dort Räume vermietet, daraus Einkünfte erzielt und dort - zwangsläufig (vgl. die Stellungnahme des Rechtsanwalts X, Bl. 359 d.A.) - Steuern zahlt, sprechen auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2006 alle maßgeblichen Umstände dafür, dass die tatsächliche Verwaltung der Beklagten in Köln geführt wird.

Diese Umstände hat das Landgericht zutreffend aufgeführt. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsrechtszug rechtfertigt keine andere Beurteilung.

(1) Die Beklagte verfügt in Kapstadt nicht über einen eigenen Geschäftssitz. Als nach südafrikanischem Recht notwendiger "registrierter Geschäftssitz" dient die Adresse der Fa. N S (c/o N S, 27. Floor, U Sqare, Cape Town 8001, S. 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 17.02.2005, Bl. 320 d.A. und Anl. B 12 sowie Anl. BB 17, S. 3, Ziff. 8.41), deren Postfach (PO Box xxxx, CapeTown 8000) die Beklagte ebenfalls benutzt (S. 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 17.02.2005, Bl. 320 d.A., Anl. B 12). Als - ebenfalls vorgeschriebene - postalische Adresse für die Zustellung offizieller Schriftstücke dient die Anschrift von Rechtsanwalt X (Anl. BB 17, S. 3, Ziff. 8.42). Die Beklagte bedient sich folglich mangels eines tatsächlichen eigenen Firmensitzes in Kapstadt der "Briefkästen" dort ortsansässiger Vertreter.

Dass dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Beklagten bei gelegentlichen Besuchen in Kapstadt in den beiden 10-stöckigen Gebäuden "I-Str. 31" und "Q House" Räumlichkeiten für Besprechungen zur Verfügung stehen (S.2 des Schriftsatzes vom 10.01.2006, Bl. 539 d.A.), ist naheliegend, besagt aber nichts. Um Geschäftsräume der Beklagten handelt es sich dabei schon ausweislich des Affidavit des Rechtsanwalts X, auf das sich die Beklagte beruft, nicht. Dieser führt vielmehr aus, die Räume seien nicht dauerhaft mit Angestellten des Unternehmens besetzt, weil dies "unnötige und nutzlose Aufwendungen" bedeuten würde (Anl. BB 17, S. 3, Ziff. 8.3).

(2) Der Wohnsitz des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Beklagten befindet sich in L. Über eine Nebenwohnung in Südafrika, die zur dortigen Leitung des Unternehmens der Beklagten benutzt werden könnte, verfügt er nicht. Wenn er sich jährlich drei- bis viermal (2001 allerdings gar nicht, 2003 nur 1 x) für wenige Tage nach Südafrika begibt (Reiseaufstellung Bl. 425 d. A.), hält er sich wie ein Tourist im Hotel auf.

3) In L entfaltet der Geschäftsführer der Beklagten auch seine geschäftlichen Aktivitäten als Geschäftsführer von zwei weiteren hier ansässigen Handelsgesellschaften, von deren Büroräumen aus und mit deren Personal und Kommunikationseinrichtungen er hier die Leitung der Geschäfte und Verwaltung der Beklagten besorgen kann.

Auch im Verhältnis zur Klägerin erfolgte die Geschäftsführertätigkeit, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung (S.14, Bl. 430 d.A.) einräumt, von L aus, und zwar durch den Geschäftsführer selbst oder seinen bei diesem Projekt als Vertreter fungierenden Mitgesellschafter in der Fa. F R Ltd., den Architekten F. Ihre Erklärung, dies habe nur der "vereinfachten Kommunikation" zur in Deutschland ansässigen Klägerin gedient, überzeugt angesichts des Umstands nicht, dass sich selbst der in Kapstadt ansässige Architekt O Y in einer das Projekt I-Str. 31 betreffenden Angelegenheit an die Herren T und F in L gewandt hat (vgl. dessen Schreiben vom 19.11.2002, Bl. 53 d.A.). Dass das Schreiben an die Adresse des Herrn F gerichtet ist, besagt nichts, weil die Beklagte mit der Klägerin unter verschiedenen, immer aber unter deutschen Adressen kommunizierte.

Nichts anderes gilt für die Geschäftsführertätigkeit betreffend die geschäftlichen Aktivitäten der Beklagten in Südafrika. Entgegen ihrer Behauptung belegt die von ihr mit der Berufungsbegründung vorgelegte Reiseaufstellung (Bl. 425 d.A.) keine häufigen Aufenthalte ihres Geschäftsführers in Südafrika. Sie weist im Gegenteil erhebliche Zeitlücken auf: So hielt sich der Geschäftsführer im Jahre 2000 zwischen Ende Januar und Ende August, also über einen Zeitraum von 7 Monaten, nicht in Südafrika auf; zwischen dem letzten Besuch im September 2000 und dem nächsten Besuch im März 2002 liegen 18 Monate - im gesamten Jahr 2001 war er, wie erwähnt, nicht ein einziges Mal in Kapstadt. Selbst in der jüngeren Zeit kann die Anzahl der Reisen nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen einzelnen Besuchen lange Zeiträume liegen (28.3.04 bis 16.11.04: acht Monate). Auch das von der Beklagten mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2006 vorgelegte Affidavit des Rechtsanwalts X ergibt, dass eine kontinuierliche Geschäftsführertätigkeit in Südafrika nicht vorliegt. Denn darin heißt es, Herr T besuche Kapstadt "höchstens zwei oder drei Mal" pro Jahr (Anl. B 17, S. 4 unter Ziff. 9.3).

Tatsächlich trifft der Geschäftsführer T seine unternehmerischen Entscheidungen in L und lässt diese Entscheidungen ebenso wie die laufenden Verwaltungsgeschäfte nicht etwa in Südafrika in eigenen Büroräumen und mit eigenem Büropersonal der Beklagten ausführen, sondern schaltet hierfür selbständige Stellen in Südafrika (Anwaltskanzleien, Hausverwaltung, Buchhaltung) als Vertreter ein, wie die Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2006 noch einmal verdeutlichen:

Das "Tagesgeschäft" in Südafrika wird durch einen beauftragten Vertreter, Rechtsanwalt X, abgewickelt. Daneben bedient sich der Geschäftsführer der Beklagten einer ortsansässigen Hausverwaltung ("St S Management" Anl. B 10, Bl. 327 f. d.A.), eines weiteren Rechtsanwalts (C K, S. 12 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 10.01.2006, Bl. 549 d.A.) sowie des selbständigen Buchhaltungsunternehmens (Chartered Accountants) "N S" (Anl. B 12). Die Verwaltung vor Ort ist danach "fremde Verwaltertätigkeit" von beauftragten ortsansässigen Dienstleistungsunternehmen, deren Einschaltung gerade deshalb nötig ist, weil die Beklagte keine eigene Verwaltung in Südafrika und damit auch keinen südafrikanischen Verwaltungssitz hat. Dieser Sitz befindet sich vielmehr in L, von wo die erwähnten Dienstleistungsunternehmen beauftragt und ihnen die erforderlichen Weisungen erteilt werden.

(4) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Einstellung von Arbeitnehmern für die Beklagte: Die drei von der Beklagten benannten Angestellten üben keine geschäftsführenden oder verwaltenden Tätigkeiten aus, sondern untergeordnete Tätigkeiten als Hausmeister (Mr. M U im Gebäude I-Str. 31, Anl. BB 28; Mr. Q E mit Arbeitsvertrag vom 6.7.2005, Anl. BB 30, im Q House) und als Reinigungskraft (Mrs. C T1 mit Arbeitsvertrag vom 1.7.2003, Anl. BB 29). Die Einstellung solcher Arbeitskräfte, die zudem durch ortsansässige Dienstleister als Vertreter der Beklagten erfolgt ist (vgl. Anl. BB 28), sowie die Arbeitsleistung dieser Arbeitskräfte in Kapstadt stellen kein Indiz für einen Verwaltungssitz der Beklagten in Südafrika dar.

Unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände war die Berufung der Beklagten mithin zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO; die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 159.719,56 Euro.

Ende der Entscheidung

Zurück