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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 22 U 48/02
Rechtsgebiete: VOB/A, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 8 Nr. 1
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 a.F.
VOB/B § 16
VOB/B § 16 Nr. 1 Abs. 3
VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 48/02

Anlage zum Protokoll vom 08.10.2002

Verkündet am 08.10.2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Törl und die Richterin am Landgericht Dr. Jung-Walpert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.02.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 5 O 448/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerin im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

1.

Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist unbegründet, da die Voraussetzungen des einzig in Betracht kommenden Anspruchs aus culpa in contrahendo nicht vorliegen. Es fehlt bereits an dem hierzu erforderlichen Verstoß gegen Ausschreibungsregeln, wie noch auszuführen sein wird. Unabhängig davon kann der übergangene Bieter grundsätzlich nur seinen Vertrauensschaden ersetzt verlangen, also seine Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Angebotserstellung entstanden sind (BGH, NJW 2000, 661, 663; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 67 b, jew. m.w.N.). Auf das von der Klägerin geltend gemachte Erfüllungsinteresse richtet sich der Anspruch dagegen nur in Ausnahmefällen, und zwar dann, wenn der Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen (BGH a.a.O; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 67 c m.w.N.). Dazu hätte sich die Offerte der Klägerin vorliegend unter Berücksichtigung des in ihrem Angebotschreiben vom 06.06.2000 angebotenen Skontos als die "annehmbarste" im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A a.F. dargestellt haben müssen. Auch dies vermochte der Senat nicht festzustellen.

a)

Allerdings teilt der Senat nicht die vom Landgericht gegen die Wirksamkeit, namentlich die hinreichende Bestimmtheit des Skonto-Angebots erhobenen Bedenken. Ein solches Angebot ist nach herrschender Meinung der Auslegung zugänglich (vgl. OLG Stuttgart, BauR 1998, 798, 799; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., B § 16 Rn. 113; Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, § 16 Rn. 16 f.; einschr. Kainz, BauR 1998, 219, 222), wobei für sein Verständnis entsprechend allgemeiner Regel der Empfängerhorizont der Beklagten maßgeblich ist. Die Formulierung "bei Einhaltung der Zahlung nach VOB/B" beinhaltet bei verständiger Würdigung eine umfassende Bezugnahme auf alle in der VOB/B geregelten Zahlungsvorgänge, also Abschlagszahlungen und Schlusszahlung (so auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 1033; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., B § 16 Rn. 113; a.A. OLG München, NJW-RR 1992, 790), soweit solche Zahlungen - wie in den von der Beklagten vorgegebenen Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZV) - vorgesehen sind.

Der Bezugnahme auf die VOB/B war für die mit diesem Bedingungswerk vertraute Beklagte auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass über die Berechtigung zur Skontierung - und nur hierüber - bei Abschlagszahlungen die Einhaltung des § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B und bei der Schlusszahlung die Beachtung des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B entscheiden sollte, und zwar unabhängig davon, dass diese Bestimmungen sonst nur die Fälligkeit solcher Zahlungen regeln (so für einen vergleichbaren Fall auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 1033; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 175). Soweit das Landgericht unter Heranziehung einer Entscheidung des Landgerichts Aachen (NJW-RR 1986, 645, 646) meint, schon diese Annahme sei nicht gerechtfertigt, da die Bestimmung der Skontofrist nicht mit der Bestimmung der Fälligkeit gleichgesetzt werden könne und dies in der Regel auch nicht beabsichtigt sei, so trägt es nicht hinreichend der vorliegenden abweichenden Fallgestaltung Rechnung. Denn die Fälligkeit von Abschlagszahlungen und der Schlusszahlung wurde in Nr. 16 und 18 der ZV der Beklagten abweichend von § 16 VOB/B geregelt. Die Anknüpfung an die VOB/B im Skonto-Angebot zur Bestimmung der Skontierungsfristen bedeutete daher gerade keine Gleichsetzung mit den Fälligkeitsregelungen. Sämtliche Einwendungen gegen eine mit den Fälligkeitsfristen korrelierende Regelung der Skontogewährung (Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, § 16 Rn. 22 f.; krit. dazu Kainz, BauR 1998, 219, 225 f.) scheiden damit aus. Aus dem gleichen Grunde besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts auch kein potentieller Widerspruch zu den Fristenregelungen in Nr. 16 und 18 der ZV.

Nicht zuletzt spricht viel dafür, dass jedenfalls für die Beklagte die Absicht der Klägerin erkennbar war, mit der Formulierung "bei Einhaltung der Zahlung nach VOB/B" als maßgebliche Skontierungsfristen die in § 16 VOB/B bestimmten maximalen Zeiträume von 18 Werktagen bzw. zwei Monaten festzulegen (vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 1033; Kainz, BauR 1998, 219, 224; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. A., B § 16 Rn. 272). Diese Zeiträume erscheinen als Skontierungsfristen nicht notwendig überdimensioniert (so aber generell für die Zwei-Monats-Frist OLG München, NJW-RR 1992, 790), angesichts der in Nr. 16 und 18 der ZV vorgesehenen weiträumingen Fälligkeitsfristen jedenfalls nicht in der vorliegenden Fallkonstellation. Letztlich kann dies indes, wie noch auszuführen sein wird, dahinstehen.

b)

Ebenso kann unentschieden bleiben, ob das Skonto-Angebot der Klägerin ein unzulässiges und damit unbeachtliches Nebenangebot darstellte. Das Landgericht ist der mitunter vorzufindenden Bewertung der Offerte eines Skontos als Nebenangebot (vgl. Thüringer OLG, BauR 2000, 388, 393 f.; VOB-Stelle Niedersachsen, IBR 1996, 232, zit. n. Kainz, BauR 1998, 219) mit beachtlicher Argumentation entgegengetreten (ebenso Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 75; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. A., A § 10 Rn. 78; Kainz, BauR 1998, 219 Fn. 1). Die vorgeschlagene Skonto-Abrede stellt sich nur als eine Erweiterung des Angebots bezüglich der Preisvereinbarungen dar, welche das übrige Angebot als solches unberührt lässt und in der Realisierung rein optionalen Charakter hat. Es handelt sich lediglich um die Inaussichtstellung einer Prämie für zügige bzw. fristgerechte Zahlung, also eine Zahlungsmodalität, die weder die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausführung der Leistung noch den Preis als solchen ändert (so auch LG Aachen, NJW-RR 1986, 645, 646; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 75, Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, § 16 Rn. 9; ferner B § 2 Rn. 38; für den Vorzielzahlungsskonto auch Kainz, BauR 1998, 219, 226).

c)

Dahinstehen kann ferner die Frage, ob die im Skonto-Angebot der Klägerin durch die Inbezugnahme des § 16 VOB/B geforderten Fristen für eine ordnungsgemäße Prüfung der Rechnung und Abwicklung des Zahlungsweges genügt hätten (vgl. zu diesem Erfordernis Thüringer OLG, BauR 2000, 388, 395; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 175; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. A., A § 25 Rn. 71; kritisch dazu mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen Kainz, BauR 1998, 219, 220 ff.). Dafür spricht, dass es sich um die Fristen der VOB/B handelte, deren Einhaltung nach der Wertung dieses Regelwerks einem Auftraggeber grundsätzlich möglich sein müsste, und zwar auch der öffentlichen Hand, die Einsparungen durch die Realisierung eines Skontos ggfs. durch eine zweckentsprechende Organisation ihrer Abläufe ermöglichen müsste. Wenngleich pauschale Bewertungen insoweit nicht angebracht sind (BGH, NJW 2000, 661, 664), kann bezweifelt werden, ob die von der Beklagten dargelegte Verfahrensweise diesen Anforderungen entspricht.

d)

Schließlich bedarf es auch keiner Entscheidung, ob die Berücksichtigung des Skonto-Angebots der Klägerin entsprechend der Auffassung des Landgerichts gegen den in § 8 Nr. 1 VOB/A niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hätte. Diese Annahme begegnet insofern Bedenken, als die anderen Bieter aufgrund der Angebotsunterlagen, soweit sie dem Senat vorliegen, nicht gehindert waren, ihre Angebote gleichermaßen mit Skonto zu versehen.

2.

Letztlich ist es der Beklagten jedenfalls nicht vorzuwerfen, dass sie bei der von ihr vorgenommenen Bewertung der vorliegenden Angebote eine Abwägung zu Lasten der Klägerin vorgenommen hat. Aufgrund der notwendigen wirtschaftlichen Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 67 c m.w.N.) konnte sie mit guten Gründen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Offerte der Klägerin nicht als die "annehmbarste" im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A a.F. anzusehen sei.

a)

Das Angebot der Klägerin lag unter Berücksichtigung des Skontos rein rechnerisch überhaupt erst dann unter dem von der Fa. P. angebotenen Bieterpreis, wenn die durch den Skonto erzielte Ersparnis einen Betrag von DM 1.247,96 überschritt. Insgesamt konnte bei voller Realisierung des Skontos eine maximale Einsparung von DM 1.838,83 erzielt werden. Diesem im Verhältnis zum Gesamtauftrag relativ geringen Preisvorteil stand das Risiko gegenüber, aufgrund unvorhergesehener Schwierigkeiten den Skonto nicht realisieren zu können und dann an die Klägerin bis zu DM 1.247,96 mehr zahlen zu müssen, als dies bei Beauftragung der Fa. P. der Fall gewesen wäre. Insofern war der wirtschaftliche Wert des Skontos eher gering einzuschätzen und nicht mit dem vollen Nominalwert anzusetzen (so auch Bayr. Vergabeüberwachungsausschuß, IBR 1997, 223, zit. n. Kainz, BauR 1998, 219, 220; vgl. auch Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. A., A § 25 Rn. 175, wonach die Wertung eines Skonto-Angebots ohnehin problematisch ist, wenn sich je nach Höhe des Ansatzes die Bieterreihenfolge ändert; dagegen Kainz, BauR 1998, 219, 224).

b)

Entscheidend gegen die Berücksichtigung des Angebots der Klägerin sprechen die weiteren Folgen, welche die Annahme dieser Offerte mit der Skonto-Abrede für die Vertragsabwicklung mit sich gebracht hätte. So hätte die Beklagte, um den Skonto jeweils zu realisieren, die Abschlagszahlungen innerhalb von 18 Werktagen erbringen müssen, obgleich sie sich für deren Fälligkeit in Nr. 16 der ZV einen längeren Zeitraum von 24 Werktagen ausbedungen hatte. Noch gravierender ist jedoch der Nachteil bezüglich der Schlusszahlung, welche gemäß Nr. 18 der ZV insgesamt erst nach Abnahme und Beseitigung der festgestellten Mängel zu leisten war. Um den Skonto zu realisieren, hätte die Klägerin möglicherweise bereits vor diesem Zeitpunkt zahlen müssen und sich damit nicht nur eines bedeutenden Druckmittels begeben, sondern auch ihres Zinsvorteils, den sie bei wesentlich späterer Zahlung gezogen hätte.

c)

Nicht zuletzt konnte die Beklagte in ihre Abwägung auch die Unsicherheiten einfließen lassen, welche sich hinsichtlich der Wirksamkeit des Skonto-Angebots aufgrund unterschiedlicher Bewertungen in der Rechtsprechung und der Literatur ergaben.

3.

An der Berücksichtigung der vorgenannten Umstände im Rahmen der gebotenen Abwägung war die Beklagte nicht dadurch gehindert, dass sie an die im Submissionsspiegel vom 07.06.2000 wiedergegebene Reihenfolge der Bieter gebunden gewesen wäre. Unabhängig davon, dass der Submissionsspiegel auch nach Auffassung des Senats als bloßes Internum zu werten ist, lässt die von der Klägerin vorgelegte Auflistung auch nicht hinreichend erkennen, nach welchen Kriterien sie erstellt worden ist, namentlich ob sie bereits das Ergebnis einer Abwägung darstellt oder nur einen vorläufigen Vergleich der Angebotspreise. Demzufolge war sie auch nicht geeignet, die Beklagte in irgendeiner Weise zu binden.

Die von der Beklagten getroffene Entscheidung über den Zuschlag ist nach alledem nicht zu beanstanden; jedenfalls musste sie nicht zwingend zugunsten der Klägerin ausfallen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. zuzulassen, bestehen nicht, da der Senat die tragenden Gründe seiner Entscheidung ausschließlich auf den Einzelfall bezogen hat.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Wert der Beschwer: 2.314,10 €.

Ende der Entscheidung

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