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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.06.2000
Aktenzeichen: 22 W 19/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847
BGB § 852 Abs. 1
StGB § 176 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 223
StGB § 223 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

22 W 19/00 11 O 347/99

In Sachen

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

am 23. Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Aachen vom 21.02.2000 in Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.04.2000 - 11 O 347/99 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Dem Beklagten kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Rechtsverteidigung gegen die Klage, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 BGB i.V.m. § 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 223, 223 a StGB zu. Dieser Anspruch ist nicht nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt.

a)

Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB war im Zeitpunkt der Annahme der Klageschrift als zugestellt durch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Termin vom 17.04.2000 noch nicht eingetreten.

Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn dem Geschädigten zuzumuten ist, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, zumindest als Feststellungsklage zu erheben, die bei verständiger Würdigung der von ihm vorgetragenen Tatsachen Erfolgsaussicht hat. Dabei kommt es auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen an (vgl. Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl., § 852 Rdn. 5 m.w.N.). Insoweit war vorliegend, da die Klägerin minderjährig ist, die Kenntnis ihrer Eltern als gesetzliche Vertreter maßgebend.

Dabei wird man der Klägerin bzw. ihren Eltern als gesetzliche Vertreter bereits deshalb eine Zeit von einigen Wochen nach der Tat, mindestens aber bis Ende April 1997, zubilligen müssen, bevor ihnen die Erhebung einer Klage zuzumuten war. Eine derartige Straftat mit erheblichen körperlichen und vor allen Dingen seelischen Folgen stellt für ein zwölfjähriges Kind und auch für dessen Eltern, ein derart gravierendes Ereignis dar, dass ihnen auch ein längerer Zeitraum zugebilligt werden muss, bevor die Erhebung einer Klage zumutbar ist.

Davon abgesehen fehlte es aber auch an einer hinreichend sicheren Kenntnis der Eltern der Klägerin von wesentlichen Einzelheiten der Tat und der Verantwortlichkeit des Beklagten als Ersatzpflichtigen zumindest bis zur Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft.

Der Beklagte hat nämlich bei seinen Vernehmungen nach der Tat zum einen die Vornahme sexueller Handlungen an der Klägerin in Abrede gestellt, zum anderen bestanden Zweifel an seiner Schuldfähigkeit.

Bereits das Bestreiten des Beklagten, an der Klägerin sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben (Bl. 12 ff., 49 ff. d.A. 23 Js 1162/97 StA Aachen) führt im vorliegenden Fall dazu, dass von positiver Kenntnis der Eltern der Klägerin nicht vor Erhebung der Anklage ausgegangen werden kann. Das Vertrauen in die Richtigkeit der Angaben der Klägerin ist der positiven Kenntnis der Eltern nicht gleichzustellen. Zudem hat sich der Beklagte nicht nur auf mangelnde Zurechnungsfähigkeit berufen, hierfür bestanden vielmehr aufgrund der Tat als solcher und des Ablaufs der Tat durchaus konkrete Anhaltspunkte, die durch die Tatsache verstärkt wurden, dass sich der Beklagte bereits vor der Tat in einer Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Viersen befand (Bl. 43 der Strafakten). Die Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich die Schuld des Ersatzpflichtigen ergibt, gehört aber zur Kenntnis im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB.

b.

Selbst wenn die Verjährungsfrist mit der Tat am 20.03.1997 zu laufen begonnen hätte, war der Zustellungsmangel, der in der Zustellung der Klage an den damals noch minderjährigen Beklagten lag, mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung durch nachträgliche konkludente Genehmigung des Beklagten nach Eintritt seiner Volljährigkeit am 03.12.1999 geheilt, und zwar sowohl durch seine Unterschrift unter der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Prozesskostenhilfeantrag am 07.12.1999 als auch durch die Einlegung der Beschwerde durch den Beklagten unter dem 14.04.2000.

Die Unterschriftsleistung des Beklagten unter der genannten Erklärung und deren Einreichung bei Gericht kann bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass der Beklagte, der wusste, dass es um eine Erklärung im Hinblick auf die gegen ihn erhobene Klage und seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ging, die bisherige Prozessführung seiner Prozessbevollmächtigten billigte. Ob dem Beklagten dabei klar war, dass die Klage bisher aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit nicht wirksam an ihn zugestellt war, ist unerheblich. Es kommt allein darauf an, dass sein Verhalten so zu verstehen war, dass er, nunmehr volljährig, das Verfahren fortführen wollte. Auch in der Einlegung der Beschwerde gegen den das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten zurückweisenden Beschluss des Landgerichts, in der ausdrücklich auf das Vorbringen in der Klageewiderung Bezug genommen worden ist, liegt eine solche Genehmigung durch den Beklagten. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob dem Beklagten oder seinen Prozessbevollmächtigten der Mangel der Klagezustellung bekannt war. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob den Prozessbevollmächtigten des Beklagten bereits damals eine schriftliche Vollmacht des nunmehr volljährigen Beklagten vorlag. Es genügt vielmehr, dass sie mit Willen des nunmehr volljährigen Beklagten Beschwerde einlegten.

2.

Das Landgericht hat auch zu Recht ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,-- DM aufgrund einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände für angemessen gehalten. Der Senat nimmt insoweit in vollem Umfang Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts.

Das Landgericht hat auch nicht etwa zu Lasten des Beklagten den Versuch einer Tötung der Klägerin, von dem der Beklagte mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, berücksichtigt. Es hat aber zu Recht berücksichtigt, dass der Beklagte die Klägerin in Lebensgefahr gebracht hat und hierdurch bei ihr Todesangst verursacht hat.

Zu Unrecht beanstandet der Beklagte auch, dass das Landgericht nicht hinreichend sein jugendliches Alter bei der Tat sowie sein fehlendes Einkommen und die Tatsache, dass er sich nach Verbüßung der Strafhaft erst eine wirtschaftliche Existenz aufbauen muss, berücksichtigt habe. Nur bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann nämlich das Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,-- DM als ausreichend angesehen werden, während ohne deren Vorliegen ein weitaus höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt wäre. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass das Schmerzensgeld nicht zum wirtschaftlichen Ruin und zur Zerstörung der Existenz des Beklagten führen soll. Dies kann aber nicht bedeuten, dass gegen einen einkommens- und vermögenslosen Ersatzpflichtigen entweder von der Verhängung eines Schmerzensgeldes ganz abzusehen wäre oder ein der Tat völlig unangemessenes letztlich nur symbolisches Schmerzensgeld zuzusprechen wäre. Auch bei Berücksichtigung solcher Umstände muss das Schmerzensgeld vielmehr als angemessene Reaktion auf die Schwere der zugefügten Verletzungen und Leiden angesehen werden. Schutz vor dem Ruin des Verurteilten bieten insoweit die gesetzlichen Grenzen, die der Vollstreckung gesetzt sind.

II.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da Kosten nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).



Ende der Entscheidung

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