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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: 22 W 27/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 66 ff.
ZPO § 494 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

22 W 27/04

In dem selbständigen Beweisverfahren

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 26. Mai 2004 - 3 OH 6/99 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller sowie die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Dr. Törl

am 29. November 2004

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und der Antrag der Streithelferin der Antragsgegnerin, gemäß § 494 a ZPO auszusprechen, dass die Antragstellerin die der Streithelferin im selbständigen Beweisverfahren 3 OH 6/99 LG Köln entstandenen Kosten zu tragen hat, zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin der Antragsgegnerin.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO die der Streithelferin der Antragsgegnerin in dem vorliegenden selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt. Gegen den ihr formlos übersandten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Juni 2004 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluß abzuändern und den Antrag der Streithelferin L GmbH auf Kostenerstattung zurückzuweisen.

Das zugrunde liegende selbständige Beweisverfahren hat folgenden Verlauf genommen:

Die Antragstellerin, die von der Antragsgegnerin eine Gaststätte gepachtet hatte, hat die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens beantragt, nachdem ihr Unterpächter den Pachtzins unter Berufung auf Feuchtigkeitsmängel und Mängel der Lüftungsanlage gemindert hatte. In diesem Verfahren hat die Antragsgegnerin der Fa. L GmbH, die die Lüftungsanlage - als Subunternehmerin der Fa. G (M) - im Pachtobjekt eingebaut hatte, den Streit verkündet. Die Streitverkündete ist dem Verfahren im Juli 1999 auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten. Im Oktober 1999 hat die Antragsgegnerin die Streitverkündung mit der Begründung zurückgenommen, zu der Fa. L GmbH hätten keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestanden. Stattdessen hat sie ihrer Auftragnehmerin, der Fa. G, den Streit verkündet.

Nach den Feststellungen des mit der Begutachtung der Lüftungsanlage im selbständigen Beweisverfahren beauftragten Sachverständigen war die Anlage fehlerfrei installiert worden. Die Mängelfreiheit der Lüftungsanlage ist in den in der Folgezeit geführten Zivilverfahren 8 O 108/02 LG Köln (Klage des Rechtsnachverfolgers der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin auf Zahlung rückständiger Pachtzinsen) und 8 O 352/03 LG Köln (Klage der Antragstellerin gegen den Unterpächter u.a. auf Zahlung rückständiger Pacht) unstreitig gewesen. Eine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist in keinem dieser Verfahren ergangen. Im Verfahren 8 O 352/03 LG Köln ist die Fa. L GmbH dem Streit auf Seiten des Beklagten beigetreten, die Kosten ihrer Streithilfe sind ihr selbst auferlegt worden; einen Antrag, der Klägerin jenes Verfahrens die (Streithilfe-)Kosten des vorliegenden selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, hatte das Landgericht abgelehnt. Auf den Antrag der Fa. L GmbH hat das mit dem vorliegenden selbständigen Beweisverfahren befasste Landgericht der Antragstellerin mit Beschluss vom 30.9.2003 gemäß § 494 a Abs.1 ZPO eine Frist zur Klageerhebung gegen die Antragsgegner "bezogen auf den die Streithelferin betreffenden Teil des Beweisverfahrens" gesetzt. Nachdem die gesetzte Frist abgelaufen war, ohne dass die Antragstellerin Klage erhoben hätte, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die der Streithelferin der Antragsgegnerin im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten gemäß § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO der Antragstellerin auferlegt.

II.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete, gemäß § 494 a Abs.2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Die Kosten der Streithelferin der Antragsgegnerin können nicht der Antragstellerin auferlegt werden.

1.)

Zwar folgt die Ablehnung einer der Streithelferin der Abtragsgegnerin günstigen Kostenentscheidung nicht bereits daraus, dass die Streithelferin im selbständigen Beweisverfahren generell keine Möglichkeit hätte zu erzwingen, dass der Antragsteller binnen einer bestimmten Frist Klage zu erheben habe, und anschließend eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten herbeizuführen. Denn es ist sachlich gerechtfertigt, der Streithelferin die aus § 494 a ZPO folgenden Gestaltungsmöglichkeiten selbst zuzubilligen:

§ 494 a ZPO betrifft die Fälle, in denen der Antragsteller - in der Regel mit Rücksicht auf das ihm nachteilige Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens - davon abgesehen hat, Klage in der Hauptsache zu erheben. Da er jedoch das Beweisverfahren in Gang gebracht und hierdurch Kosten beim Antragsgegner veranlasst hat, erscheint es angemessen, ihn mit den Kosten des Gegners im selbständigen Beweisverfahrens zu belasten. Dieser Rechtsgedanke, dem § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO Rechnung trägt, gilt im selben Maß für das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und einem Streithelfer des Antragsgegners. Es wäre unbillig, den Streithelfer insoweit schlechter zu stellen als den Antragsgegner, obwohl sich seine Interessenlage im Hinblick auf die Kostenerstattung nicht von der des Antragsgegners unterscheidet (OLG Oldenburg NJW-RR 1995,829; OLG München, BauR 1998, 592; Herget, MDR 1991, 314).

Die gegenteilige Auffassung (OLG Koblenz, NJW-RR 2001,1726), der Streithelfer könne im selbständigen Beweisverfahren nicht erzwingen, dass der Antragsteller binnen einer bestimmten Frist Klage zu erheben habe, überzeugt nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, schon der Antragsgegner habe nicht die Befugnis, nach fruchtloser Anordnung der Klageerhebung einen Kostenausspruch nach § 494 a Abs.2 ZPO im Verhältnis zum Streithelfer zu erwirken, so dass dem Streithelfer eine solche Möglichkeit auch nicht zustehen könne.

Wenn man aber Streitverkündung und Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren mit der - im Anschluss an die Entscheidung BGHZ 134,190 (= NJW 1997, 859) - heute wohl herrschenden und auch vom Senat geteilten Auffassung in Rechtsprechung und Literatur für zulässig hält (OLG Koblenz, NJW-RR 2001,1726; KG NJW-RR 2000, 514; OLG München, BauR 1998, 592; OLG Karlsruhe, MDR 1998, 239; OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 829; OLG Köln, OLGZ 1993,485 = NJW 1993, 1661; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 66 Rn. 2 a mit Hinweis auf die Bestätigung dieser Rechtsprechung durch das SchuldRModG; Musielak/Huber, ZPO, 3.Aufl., § 487 Rn.2; vgl. ferner die Nachweise bei Kießling, NJW 2001, 3668, Fußnote 2), dann ist es nur konsequent, dem Streithelfer auch die Möglichkeit zu eröffnen, auf dem Weg über die Fristsetzung zur Klageerhebung (§ 494 a Abs.1 ZPO) eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten nach § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO herbei zu führen. Immerhin hat der Antragsteller mit der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens in dem Umfang, der Drittinteressen betraf, Anlass für die Intervention gegeben.

Nach zutreffender Meinung muss der Streithelfer daher selbst die Möglichkeit haben, die Anträge nach § 494 a Abs.1 und Abs.2 Satz 1 ZPO zu stellen.

2.

Dies kann indessen nur für die berechtigte Streithilfe gelten. Die Rechtfertigung der Kostenentscheidung nach § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO liegt darin, dass sich der Antragsgegner dem ihm aufgedrängten selbständigen Beweisverfahren nicht ohne Vernachlässigung seiner eigenen Interessen entziehen kann. Es wäre aber unangemessen, den Antragsteller auch mit solchen Kosten zu belasten, die auf einer vom Antragsgegner herbeigeführten unberechtigten Einbeziehung und Beteiligung eines Dritten beruhen und letztlich nicht vom Antragsteller veranlasst sind. ein solcher Fall liegt hier bezüglich der Kosten der Streithelferin der Antragsgegnerin vor. Diese Kosten haben ihren Grund in der - nicht gerechtfertigten und folgerichtig zurückgenommenen - Streitverkündung sowie in dem Beitritt der Streithelferin auf Seiten der Antragsgegnerin, ohne dass die Voraussetzungen für einen Beitritt vorlagen. Sie sind deshalb nicht von der Antragstellerin zu tragen.

a)

Schon die Voraussetzungen einer (berechtigten) Streitverkündung lagen nicht vor:

Nach § 72 ZPO kann eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden. Diese Voraussetzung lag im Verhältnis zwischen der Streitverkünderin, der Antragsgegnerin, und der streitverkündeten Fa. L nicht vor. Denn diese stand, was die Antragsgegnerin zunächst übersehen hatte, als Subunternehmerin der Fa. G "in keinem direkten vertraglichen Verhältnis" zu ihr. Dies hat die Antragsgegnerin - nach Aufdeckung ihres Irrtums - folgerichtig zur Rücknahme der Streitverkündung veranlasst.

Bei dieser Sachlage fehlte der Antragsgegnerin von Anfang an ein Grund zur Streitverkündung an die Fa. L. Zwar werden die Anforderungen an dem Streitverkündungsgrund in Rechtsprechung und Schriftum großzügig gehandhabt. Danach genügt es, wenn aus der subjektiven Sicht des Streitverkünders die berechtigte Annahme eines Regressanspruchs gegeben ist (Musielak/Weth, a.a.O., § 72 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Dies war hier jedoch nicht der Fall, weil auch aus Sicht der Antragsgegnerin ein eigener Gewährleistungsanspruch gegen ihre Streitverkündete ausschied.

b)

In Ermangelung eines Streitverkündungsgrundes lagen auch die Voraussetzungen für einen Beitritt der Streitverkündeten nach § 74 Abs.1 ZPO nicht vor. Zwar soll grundsätzlich die Streitverkündung zur Intervention berechtigen (Musielak/Weth, § 74 Rn. 2). Eine - wie hier - "grundlose" Streitverkündung muss indessen als Grundlage für einen Streitbeitritt ausscheiden. Dies gilt erst recht nach der Rücknahme der Streitverkündung, die schon für sich die Interventionswirkung hat entfallen lassen (Wieczorek/Schütz/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 68 Rn. 129, § 72 Rn. 82).

Darüber hinaus fehlte es an den zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen des § 66 ZPO für einen Beitritt der Streithelferin:

Tritt der Streitverkündete dem Streitverkünder bei, so bestimmt sich sein Verhältnis nach den Grundsätzen über die Nebenintervention (§ 74 Abs.1 ZPO). Der Dritte hat dann die Stellung eines Nebenintervenienten; die Vorschriften über die Nebenintervention (§§ 66 - 69 und § 71 ZPO) finden Anwendung. Voraussetzung dafür ist neben den formellen Anforderungen des § 70 ZPO, dass die materiellen Voraussetzungen des § 66 ZPO erfüllt sind (Musielak/Weth, § 74 Rn. 2, Zöller-Vollkommer, § 74 Rn. 2). Der beigetretene Streitverkündete muss also ein "rechtliches Interesse" daran haben, dass eine Hauptpartei obsiegt.

Ein rechtliches Interesse des Dritten ist zu bejahen, wenn die Entscheidung des Hauptprozesses durch Inhalt oder Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse rechtlich einwirkt (Zöller/Vollkommer, § 66, Rdn. 8; Musielak/Weth, § 66, Rdn. 5). Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Ansprüche gegen den Nebenintervenienten vom Ausgang des Hauptprozesses unabhängig sind. Regelmäßig reicht ein Rechtsverhältnis des Dritten zu einer anderen Person als der Partei (also zu einem Vierten), auch wenn es den Streitgegenstand betreffen sollte, als Grundlage eines Interventionsinteresses nicht aus (Wiezcorek/Schütz/Mansel, § 66 Rn.49). So liegt der Fall hier: Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen der Antragsgegnerin und der Streitverkündeten konnte das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens, anders als im Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin und der Fa. G, keine rechtliche Wirkung bezüglich etwaiger Gewährleistungsansprüche der Antragsgegnerin gegen die Streitverkündete auslösen.

Der Senat ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren befugt, Feststellungen zur Zulässigkeit von Streitverkündung und Beitritt zu treffen. Zwar wird die Frage, ob die Streithelferin der Antragsgegnerin sachlich zur Streithilfe berechtigt war (§ 66 ZPO), nicht von Amts wegen, sondern gemäß §§ 71, 74 Abs. 1 ZPO nur auf Antrag geprüft (BGHZ 38, 110, 111; Musielak/Weth, § 74 Rn. 2). Als ein solcher Antrag kann jedoch die in der Beschwerde enthaltene Rüge der Unzulässigkeit der Streitverkündung angesehen werden.

Mit der Unzulässigkeit von Streitverkündung und Beitritt entfällt die Rechtfertigung des Verfahrens nach § 494 a ZPO in Bezug auf die Streithelferin und damit die Grundlage für ihren Kostenantrag nach § 494 a Abs.2 Satz 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung war deshalb abzuändern und der Antrag der Streithelferin, die ihr im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, zurückzuweisen.

3.

Die Zurückweisung des Antrags ist auch nicht unbillig. Soweit die Antragsgegnerin des selbständigen Beweisverfahrens ihre Streithelferin vorschnell in den Rechtsstreit einbezogen und die Streitverkündung später zurückgenommen hat, ist es gerechtfertigt, die Streithelferin auf eventuelle materiell-rechtliche Kostenersatzansprüche zu verweisen. Soweit diese sich trotz Fehlens eines Streitverkündungsgrundes am selbständigen Beweisverfahren als Streithelferin beteiligt hat, geschah dies im übrigen auch auf eigenes Kostenrisiko.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Streitwert: Kosteninteresse der Streithelferin der Antragsgegnerin

Ende der Entscheidung

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