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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 22 W 60/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 568 Abs. 1
ZPO § 568 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 719
ZPO § 719 Abs. 1
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 707
ZPO § 707 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

22 W 60/03

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 24.11.2003 - 89 O 104/03 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Dr. Törl am 18.Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist durch Versäumnisurteil vom 21.10.2003 zur Zahlung von 406.784,10 € verurteilt worden. Gegen das ihrem deutschen Prozessbevollmächtigten am 24.10.2003 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 25.10.2003 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und zugleich beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne - hilfsweise gegen - Sicherheitsleistung einzustellen. Mit Beschluss des Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 28.10.2003 ist die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 450.000,- € vorläufig eingestellt worden. Den weitergehenden Antrag hat die Kammer mit der Begründung zurückgewiesen, das Versäumnisurteil sei in gesetzlicher Weise ergangen, deshalb scheide eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung gemäß § 719 Abs.1 Satz 2 ZPO aus.

Eine Gegenvorstellung der Beklagten vom 28.10.2003 hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.11.2003 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen (außerordentlichen) Beschwerde. Sie begehrt die Einstellung der Vollsteckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1) Zur Entscheidung berufen ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern. Die Vorschrift des § 568 Abs.1 Satz 1 ZPO greift nicht ein, wenn der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen allein entscheidet. § 568 Abs.1 ZPO ist auf Fälle zugeschnitten, die vom Einzelrichter entschieden worden sind, weil sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und auch keine grundsätzliche Bedeutung haben. Diese Vermutung greift für den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nicht ein, weil er die Kammer auch in Fällen mit besonderer Schwierigkeit oder grundsätzlicher Bedeutung allein repräsentiert (vgl. § 349 Abs. 2 ZPO). Seine Entscheidungen sind daher nicht als Entscheidungen des Einzelrichters im Sinne des § 568 Abs.1 Satz 1 ZPO aufzufassen (OLG Karlsruhe, MDR 2002, 778; Zöller/Gummer, ZPO., 24.Aufl., § 568 Rdn.3 m.w.Nachw. aus der Rspr.).

2) Es fehlt schon an der Zulässigkeit des Rechtsmittels.

Die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719 Abs.1, 707 Abs.1 ZPO ist der Anfechtung entzogen (§ 719 Abs.1 in Verbindung mit § 707 Abs.2 S.2 ZPO).

Die Zulassung der sofortigen Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" hat nach der Neufassung des Zivilprozessrechts keine Grundlage mehr. Der Gesetzgeber hat ein solches Rechtsmittel in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der es bei "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidungen, insbesondere bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, in eng begrenzten Ausnahmefällen für zulässig gehalten hat (vgl. BGHZ 119,372 = NJW 1993,135; BGHZ 121,397 = NJW 1993,1865,; BGH NJW 2000,960), bei der grundlegenden Neugestaltung des Verfahrensrechts durch das Zivilprozessreformgesetz nicht in die ZPO eingeführt. Diesen Umstand hat der Bundesgerichtshof zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Rechtsmittels der außerordentlichen Beschwerde aufzugeben (BGH NJW 2002, 1577).

Die Unzulässigkeit eines solchen Rechtsmittels seit der Reform des Zivilverfahrensrechts muss erst Recht gelten, wenn sich die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung richtet, die Einwendungen des Beschwerdeführers also bereits gerichtlich überprüft und beschieden sind.

3) Ob das von der Beschwerdeführerin herangezogene Urteil des OLG Stuttgart (NJW-RR 2003,1713) Anlass geben kann, die Frage der Zulässigkeit anders zu beurteilen, kann dahinstehen. Denn die Beschwerde ist jedenfalls aus den zutreffenden Gründen des Beschlusses vom 28.10.2003 und der angefochtenen Entscheidung auch unbegründet. Das Versäumnisurteil ist in gesetzlicher Weise ergangen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klageschrift an dem im Rückschein des Einschreibens genannten Datum des 06.10.2003 im Geschäftslokal der Beklagten vorgelegt, nämlich auf dem Schreibtisch des für den Postempfang zuständigen Bediensteten abgelegt worden und damit zugegangen ist. Danach war die erst am 21.10.2003 eingegangene Verteidigungsanzeige der Beklagten verspätet. Die zur Klageerwiderung gesetzte Frist war in Anbetracht des Umstandes, dass die Beklagte bereits vorprozessual Anwälte eingeschaltet hatte, wie sich aus der Klageschrift (S.6) ergibt, und mit einer Klage rechnen konnte, auch nicht zu kurz.

Im übrigen folgt der Senat mit dem Landgericht der Auffassung, dass auch im Fall eines nicht in gesetzlicher Weise ergangenen Versäumnisurteils eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur unter den Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO zulässig ist, der Schuldner also glaubhaft machen muss, dass er zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. (OLG Köln, OLGR 2000, 33; OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 1450; Thomas-Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 719 Rn 5; a.A. Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., § 719 Rn. 2 m.w.Nachw.). Dies ergibt sich eindeutig aus der Verweisung des § 719 ZPO auf die Vorschriften des § 707 ZPO. Die Beklagte hat jedoch die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 20.000,00 € (§ 3 ZPO)

Ende der Entscheidung

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