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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.09.2001
Aktenzeichen: 25 UF 126/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1618 S. 4
ZPO § 516
ZPO §§ 233 ff.
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
FGG § 13 a Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

25 UF 126/01

In der Familiensache

hat der 25. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln durch die Richter am Oberlandesgericht Winn und Wolf sowie die Richterin am Oberlandesgericht Scholz

am 18. September 2001 beschlossen:

Tenor:

I.

Der Antragstellerin wird wegen der Versäumung der Beschwerdefrist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 14. März 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leverkusen vom 28. Februar 2001 - 30 F 48/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

I.

Bei dem Rechtsmittel der Antragstellerin vom 14. März 2001 handelt es sich um eine befristete Beschwerde gegen den ihr ausweislich der sich in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde (Bl. 70) am 9. März 2001 zugestellten Beschluss des Familiengerichts vom 28. Februar 2001 über die Zurückweisung ihres Antrags auf Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Kindesvaters zur Namensänderung der beteiligten Kinder gemäß § 1618 S.4 BGB ( vgl. OLG Bamberg MDR 2000, 524; Zöller/ Philippi, ZPO, 22. Auflage, § 621 e Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Das Recht der Eltern zur Bestimmung des Kindesnamens ist Ausfluss der elterlichen Sorge. Die dem Familiengericht zugewiesene Entscheidung nach § 1618 S.4 BGB ist daher eine die elterliche Sorge für ein Kind betreffende Familiensache i.S.d. § 621 Abs.1 Nr.1 ZPO ( vgl. BGH MDR 1999, 1447, m.w.N.). Gegen Endentscheidungen in Familiensachen gemäß § 621 Abs.1 Nr.1 ZPO - eine solche beinhaltet der angefochtene Beschluss - ist nach § 621 e Abs.1 ZPO die befristete Beschwerde statthaft ( vgl. OLG Bamberg a.a.O.; Zöller/Philippi, a.a.O., m.w.N.).

Als solche hätte das Rechtsmittel der Antragstellerin gemäß § 621 e Abs.3 ZPO i.V.m. § 516 ZPO analog innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses, also bis zum Ablauf des 9. April 2001 bei dem Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht Köln, eingelegt werden müssen ( vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 621 e Rdnr. 5,17,19 ). Tatsächlich ging die Beschwerde aber erst am 16. Mai 2001, also verspätet beim Beschwerdegericht ein. Zwar haben nach den gegebenen Umständen die zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Rechtsmitteleinlegung beim unzuständigen Gericht verschuldet, was in Hinblick auf die Bestimmung des § 85 Abs.2 ZPO einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an sich entgegensteht. Indessen ist die Rechtsmitteleinlegung beim unzuständigen Gericht für die eingetretene Fristversäumung nicht mehr ursächlich gewesen. Nur ursächliches Verschulden schließt die Wiedereinsetzung aus. Ursächlich in diesem Sinn ist jedes Verschulden der Partei oder ihres Vertreters, bei dessen Fehlen die Frist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht versäumt worden wäre. Nach den sich aus dem Akteninhalt ergebenden Umständen steht für den Senat fest, dass die Beschwerdeschrift vom 14. März 2001 vom Erstgericht im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang ohne weiteres fristgemäß an das zuständige Oberlandesgericht hätte weitergeleitet werden können. Die besagte Beschwerdeschrift war ausweislich des Eingangsstempels am 27. März 2001, einem Dienstag, beim Amtsgericht Leverkusen eingegangen. Bis zum 9. April 2001 waren es noch 13 Tage, in denen die Frage der Zuständigkeit hätte geprüft und die Beschwerde - erforderlichenfalls auch per Fax - an das Beschwerdegericht hätte weitergeleitet werden können. Angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit hätte im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang trotz des bekanntermaßen hohen Geschäftsanfalls bei den Amtsgerichten und der Beachtung der erforderlichen Erledigung der vorliegenden Angelegenheit durch verschiedene Stellen - Bearbeitung durch Geschäftsstelle und Rechtspfleger - die Weiterleitung an das Oberlandesgericht Köln rechtzeitig zum 9. April 2001 bewirkt werden können. Stattdessen ist die Beschwerdeschrift ausweislich des Aktenvermerks des beim Erstgericht mit der Sache befassten Rechtspflegers vom 18. April 2001 ( Bl.74) diesem erst am 18. April 2001, also bereits nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgelegt worden.

Da die Begründung der befristeten Beschwerde jedenfalls am 18. Mai 2001, also nur zwei Tage nach Eingang der Beschwerdesache beim Oberlandesgericht ebenfalls dem Senat vorgelegen hat, war der Antragstellerin, und zwar auch ohne ihren Antrag ( § 236 Abs.2 S.2 ZPO) gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren.

II.

Die nach Wiedereinsetzung insgesamt zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache selbst allerdings keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht nach Beteiligung des Jugendamtes und Anhörung der betroffenen Kinder sowie ihrer leiblichen Eltern die zur Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters zur Namenserteilung gemäß § 1618 S.4 BGB notwendige Erforderlichkeit der angestrebten Namensumbenennung, sei es in "W." sei es in "W.-v.d.S." oder "v.d.S.-W.", verneint. Die Beschwerde führt zu keinem anderen Ergebnis.

Auch nach der Änderung des Kindesnamensrechts mit Wirkung ab 1. Juli 1998 müssen beide Ehegatten bei der Namensänderung der Kinder zusammenwirken. Dabei wird die von einem Elternteil verweigerte Einwilligung dann vom Familiengericht ersetzt, wenn das Kindeswohl die Einbenennung erfordert. Durch die tatbestandliche Voraussetzung der Erforderlichkeit ist eine höhere Eingriffsschwelle vorgegeben worden als sie nach altem Recht bestand. War es nach altem Recht bereits möglich, einen wichtigen Grund für eine Namensänderung dann anzunehmen, wenn die Einbenennung dem Kindeswohl "förderlich" schien, reicht eine bloße Förderlichkeit für das Kindeswohl nach jetzigem Recht nicht mehr aus. Nunmehr muss die Einbenennung für das Kindeswohl "erforderlich" sein. Die Verschärfung der Eingriffsvoraussetzungen wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bewusst vorgenommen. Die Gesetzesneufassung will damit ausdrücklich die Bindungen des Kindes an den Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, auch im Bereich des Namensrechts stärken. Erforderlich ist eine Einbenennung infolgedessen nur, wenn sie für das Kind einen so hohen Nutzen verspricht, dass ein sich um sein Kind verständig sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes zu dem Kind nicht bestünde ( vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 60. Auflage, § 1618 Rdnr. 17; OLG Oldenburg, FamRZ 1999, 1381 f., jeweils m. w. N.).

Gemessen an diesen Anforderungen ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die angestrebte Namensänderung für das Wohl der Kinder J. und G. erforderlich ist. Dies gilt trotz des von beiden - inzwischen 12 und 10 Jahre alten - Kindern jeweils geäußerten Wunsches auf Namensänderung. Zum einen vermögen Kinder in diesem Alter die volle Tragweite einer neuen Namenszuordnung noch nicht zu erkennen. Zum anderen ist nicht auszuschließen - vielmehr spricht vieles dafür -, dass dieser Wunsch der Kinder nur auf den starken Einfluss ihrer Mutter zurückzuführen ist. Aus dem im voraufgegangenen Umgangsrechtsverfahren - 30 F 352/98 Amtsgericht - Familiengericht - Solingen eingeholten psychologischen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Psychologe H. J. O. vom 14. Dezember 1998 geht hervor, dass die Kindesmutter von sich aus nicht bereit gewesen ist, den regelmäßigen Umgang des Vaters mit den beiden gemeinsamen Kindern sicherzustellen und zu fördern. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt (S.25 des genannten Gutachtens = Bl.63 der Beiakten - 30 F 352/98 - AG Solingen): "Die Kindesmutter nimmt die Äußerungen ihrer Kinder zum Anlaß, das Umgangsbegehren des Kindesvaters zurückzuweisen. Mehr noch: Sie brachte expressis verbis zum Ausdruck, daß sie keine Aktivität zu entfalten bereit sei, den Kindern einen Zugang zum Vater zu eröffnen. ... Die Frage, ob der Umgang des Vaters mit den Kindern J. und G. dem Wohl der Kinder schade, muss auf dem Hintergrund der erhobenen Befunde klar und entschieden verneint werden. Bezogen auf den Kindesvater prägen J. und G. eigenständige andere Gedanken, Gefühle und Empfindungen aus, als die Kindesmutter, die dies jedoch nicht wahrhaben will oder kann, da "an der Oberfläche" ein faktisches Verhalten der Kinder sichtbar wird, welches die Kindesmutter als Bestätigung ihrer Weigerungshaltung bewertet." Außerdem ergibt dasselbe Sachverständigengutachten, dass J. von einer starken Angst geprägt ist, die Mutter zu verlieren, und auf dem Hintergrund dieser Angst ihre ausgeprägte Abgrenzungstendenz gegenüber ihrem Vater zu sehen ist. In der Wunschwelt J.s - so der Sachverständige - lebt hingegen ein Interesse an der Wiederherstellung der Einheit der Familie weiter; hier erfolgt keine schroffe Ablehnung und Zurückweisung der Vaterpersönlichkeit (siehe o.g. Gutachten S.19 = Bl. 57 der Beiakten). Was G. anbelangt, so schließe sich dieser nach den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen quasi der älteren Schwester durch Übernahme der ablehnenden Haltung gegenüber dem Vater an. Der Sachverständige hat in dem besagten Umgangsrechtsverfahren klar zum Ausdruck gebracht, dass es den Kindern J. und G. nicht zugute käme, wenn sie von ihren "väterlichen Wurzeln" abgeschnitten würden.

Unter Berücksichtigung dessen ist der Senat - ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens eigens im vorliegenden Verfahren bedarf - davon überzeugt, dass die begehrte Namensänderung in der einen oder anderen Variante zu der im Kindesinteresse liegenden Bewahrung der Bindungen der Kinder zu ihrem leiblichen Vater eher kontraproduktiv wäre. Zwar brächte die Namensänderung sicher den Vorteil für die Kinder - etwa in der Schule -, dass ihre Integration in die neue Familie nach außen dokumentiert wäre. Auch gewisse ihnen unangenehme oder lästige Nebenerscheinungen mit der Führung eines anderen Namens als desjenigen der übrigen Familienmitglieder würden vermieden. Dieser oberflächliche Nutzen wiegt indessen eine mit einer Namensänderung einhergehende Schwächung oder völlige Durchtrennung des Namensbandes der Kinder zu ihrem leiblichen Vater nicht auf. Zutreffend weist das Jugendamt in seinem Bericht vom 4. Juli 2001 darauf hin, dass die Kinder J. und G. zwar derzeit starke Abgrenzungstendenzen gegenüber ihrem Vater haben, jedoch davon auszugehen sei, dass in der Zukunft - nach einer längeren Phase des Abstandes - die Kinder wieder vermehrt an ihrer biologischen Abstammung interessiert sein werden.

Die Entscheidung über die Kosten der nach allem unbegründeten Beschwerde beruht auf § 13 a Abs.1 S.1 FGG.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,- DM.

Ende der Entscheidung

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