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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.08.2001
Aktenzeichen: 25 UF 214/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 516
ZPO § 621 e
ZPO § 519 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1686
BGB § 1696 Abs. 1
BGB § 1684 Abs. 3
BGB § 1684 Abs. 3 S. 2
BGB § 1684 Abs. 4 S. 1
FGG § 33
FGG § 13 a Abs. 1 S. 1
FGG § 13 a Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

25 UF 214/00

In der Familiensache

hat der 25. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schroeder, den Richter am Oberlandesgericht Winn sowie die Richterin am Oberlandesgericht Scholz

am 24. August 2001 beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im übrigen der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 31. August 2000 - 316 F 298/98 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Das Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind D. S., geboren am ... 1997, wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 25. November 1999 - 316 F 298/98 - bis zum Ablauf des Jahres 2003 ausgeschlossen.

2.

Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, in jedem Halbjahr eines Kalenderjahres ein Mal auf schriftliches Verlangen des Antragstellers über für das Befinden und die Entwicklung des Kindes D. wesentliche Umstände Auskunft zu erteilen.

Die Antragsgegnerin ist ferner verpflichtet, in der selben Häufigkeit dem Antragsteller auf dessen schriftlich mitzuteilenden Wunsch hin aktuelle Fotos, die das Kind D. zeigen, zu überlassen.

II.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird als unzulässig verworfen.

III.

Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß §§ 621 e Abs.1, 621 Abs.1 Nr.2 ZPO, 1684 Abs.3 BGB statthafte und auch im übrigen zulässige - insbesondere gemäß §§ 621 e Abs.3, 516, 519 Abs.1 und 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete - befristete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache teilweise Erfolg und ist darüber hinaus unbegründet.

Die von der Antragsgegnerin eingelegte - unselbständige - Anschlussbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist allgemein anerkannt, dass der Gegner der befristeten Beschwerde gemäß § 621 e ZPO nach Verstreichen der Beschwerdefrist grundsätzlich eine unselbständige Anschlussbeschwerde einlegen kann (Zöller-Philippi, ZPO, 22. Auflage, § 621e Rdnr.24 mit Hinweis auf BGHZ 92,207/210). Von diesem Grundsatz ist der Senat bei der Bewilligung der von der Antragsgegnerin auch für ihre Anschließung nachgesuchten Prozesskostenhilfe ausgegangen. Nach Prüfung im Rahmen der vorliegenden Entscheidung hat sich indessen ergeben, dass im Verfahren des Umgangs eines Elternteils mit dem Kind eine Anschließung in Ausnahme des vorgenannten Grundsatzes nicht zulässig ist. Da die Anschlussbeschwerde nur das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers mildern soll, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für sie, wo dieses Verbot nicht gilt (Zöller-Philippi, a.a.O., § 621e ZPO Rdnr.25, mit Rechtsprechungsnachweisen). Verfahren zur Regelung des Umgangs eines Elternteils mit dem Kind haben das Ziel, dem Wohl von Kindern zu dienen. Aus diesem Grund weicht das Verschlechterungsverbot hier dem vorrangigen Grundsatz, dass auch für das Beschwerdeverfahren in erster Linie das Kindeswohl maßgeblich ist (Zöller-Philippi, a.a.O., § 621e Rdnr. 36 mit Rechtsprechungsnachweisen).

II.

Der angefochtene Beschluss des Familiengerichts hält der durch das eingelegte Rechtsmittel des Antragstellers veranlassten Überprüfung durch den Senat überwiegend nicht Stand und war daher entsprechend dem Tenor der vorliegenden Entscheidung abzuändern.

Die vom Familiengericht in seinem Beschluss vom 31. August 2000 gemäß Ziffer 1 a), b) und d) in Verbindung jeweils mit Ziffer 1 c) getroffenen Anordnungen entsprechen - unabhängig von der Frage, ob sie für die Parteien unzumutbar sind und einen unzulässigen Eingriff in ihre Rechte darstellen - nicht dem Wohl des Kindes D., an dem allein sich derartige Anordnungen nach § 1684 Abs.3 S.2 BGB auszurichten haben. Vielmehr war - und zwar insoweit auch in Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 25. November 1999 gemäß § 1696 Abs.1 BGB - das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem Sohn D. bis zum Ablauf des Jahres 2003 gemäß § 1684 Abs.4 S.1 BGB auszusetzen.

Das erst nach dem 25. November 1999 zu Tage getretene auffällig angstbehaftete Verhalten des Kindes D., wie es von seinem Verfahrenspfleger in der Stellungnahme vom 7. Juni 2000 (Bl.125) geschildert worden ist und wie es von der sachverständigen Diplom-Psychologin C. K. gemäß ihrer Darstellung in ihrem schriftlichen Gutachten vom 1. Juni 2001 (Bl.296 ff.) am 25.Mai 2001 beobachtet worden ist (Bl.256 f.), hat eine für die Beurteilung des Umgangsrechts des Antragstellers mit seinem Sohn veränderte Ausgangssituation geschaffen. Diese Veränderung im Tatsächlichen rechtfertigt es, die vom Senat in seinem Beschluss vom 4. Juli 2000 - 25 UF 115/00 - unangetastet gelassene "grundsätzliche Bewilligung eines Umgangsrechts des Antragstellers mit dem Kind D. S." im Beschluss des Familiengerichts vom 25. November 1999, deren Abänderung der Senat aber in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich dem Familiengericht im Zusammenhang mit seiner erforderlichen erneuten Entscheidung zur Ausgestaltung des Umgangsrechts vorbehalten hatte, nunmehr dahingehend einzuschränken, dass das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem Sohn bis zum Ablauf des Jahres 2003 ausgesetzt wird. Triftige, das Wohl des Kindes D. nachhaltig berührende Gründe machen diese Abänderung zu Lasten des Antragstellers notwendig.

Nach dem Ergebnis des in der Beschwerdeinstanz eingeholten familienpsychologischen Gutachtens der Sachverständigen Diplom-Psychologin C. K. vom 1. Juni 2001 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zur Zeit jeder persönliche Kontakt zwischen Vater und Kind das Wohl des Kindes nachhaltig gefährden würde. Das Gutachten der Sachverständigen basiert auf eingehenden Gesprächen mit beiden Elternteilen, ihrer Beobachtung des Kindes D. sowie der wissenschaftlichen Analyse der von ihr gewonnen Erkenntnisse. Das Gutachten überzeugt in Darstellung und Begründung. Es gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der gutachterlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin keinerlei Bereitschaft aufbringt, ihrem Kind den Vater nahe zu bringen. Sie zeigt auch wenig Bereitschaft dazu, ihr Kind mit fremden Personen vertraut zu machen und ihm bei der Loslösung von ihr als Mutter und bei der Erschließung neuer Beziehungen behilflich zu sein. Aus dieser - subjektiv vielleicht verständlichen, objektiv aber - problematischen Haltung der Antragsgegnerin, die ungünstigerweise auch noch durch deren eigene Eltern verstärkt wird, resultiert die von der Sachverständigen bestätigte starke, von ihr als nicht altersgerecht bewertete Fixierung des Kindes D. auf die Antragsgegnerin. Begegnungen mit dem Kindesvater und schon lediglich deren Thematisierung ängstigen die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Antragsteller. Da sie es bisher vermieden hat, neue und andersartige Erfahrungen mit ihm zu machen, ist sie in ihren Ängsten verhaftet geblieben und hat heute Vorstellungen von ihm und seinen Intentionen, die der Realität nicht entsprechen. Infolgedessen ist sie auch nicht in der Lage, ihrem Kind offene, unbelastete Kontakte mit dem Kindesvater zu ermöglichen. Vielmehr spürt D. die Ängste seiner Mutter, die sich auf ihn übertragen. Solange die Antragsgegnerin in ihrer Vermeidungshaltung gegenüber dem Kindesvater verharrt und sie nicht bereit ist, daran zu arbeiten, ihre eigenen Ängste abzubauen, lassen sich Kontakte zwischen Kindesvater und Kind nur mit beträchtlichen psychischen Belastungen für das Kind realisieren, was die bei diesem vorhandenen Ängste nur weiter verstärken würde. D. würde dadurch nachhaltig in seinem Kindeswohl gefährdet. Dieses Gefährdungspotential bei Durchsetzung eines auch nur beschützten Umgangs des nicht altersgerecht entwickelten, verängstigten und vollkommen auf die Antragstellerin ausgerichteten Kindes mit dem ihm fremden Antragsteller lässt derzeit die Bedeutung und Wichtigkeit von Kontakten mit dem nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil für die Entwicklung der kindlichen Identität, das heißt für die Entwicklung des kindlichen Selbstverständnisses hinsichtlich seiner Person und Herkunft, völlig zurücktreten.

Allerdings war der Ausschluss des Umgangsrechts bis Ende Dezember 2003 zu begrenzen. Der Senat geht davon aus, dass D. im Alter von 6 Jahren im Sommer 2003 eingeschult werden wird. Damit wird unweigerlich die starke Fixierung des Kindes auf seine Mutter aufgeweicht werden und D. wird seine sozialen Kontakte zwangsläufig erweitern. Aus heutiger Sicht erscheint die Zeit ab Anfang 2004, etwa ein halbes Jahr nach der Einschulung D.s, als ein günstiger Zeitpunkt für die - behutsame - Aufnahme von Umgangskontakten zwischen dem Antragsteller und D.. Dabei ist zu hoffen, dass die Antragsgegnerin während der Dauer des Ausschlusses des Umgangsrechts des Antragstellers zu D. auch ihre eigenen Ängste - allein oder mit therapeutischer Begleitung - wird abbauen und zu der Einsicht gelangen können, dass Kinder auf keinen Fall in die Beziehungskonflikte ihrer Eltern hineingezogen und zu Verbündeten nur eines Elternteils gemacht werden dürfen. Der Umgang mit beiden Elternteilen dient der Selbstfindung und psychisch stabilen Entwicklung des Kindes, beide Elternteile zu erleben. Die Antragsgegnerin sollte sich dies zum Wohle ihres Kindes, an dem ihr nach allen ihren Äußerungen doch so viel liegt, zu Herzen nehmen und darauf hinarbeiten, ihrem Kind diese ganz wesentliche Erfahrung mit seinem leiblichen Vater zu ermöglichen. Der Sachverständigen kann nur darin zugestimmt werden, wenn sie in ihrem Gutachten darauf hinweist, dass sich die Antragsgegnerin bewusst werden muss, " daß ihre Eltern nicht die Eltern ihres Kindes sind und daß eine Familie nicht "intakt" sein kann, wenn der Vater völlig ausgeblendet und nur als Verursacher großer Ängste gesehen wird."

Die in Ziffer c) des angefochtenen Beschlusses angeordnete Auskunftsverpflichtung der Antragsgegnerin war nach Maßgabe der Tenorierung im vorliegenden Beschluss aufrechtzuerhalten. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 1686 BGB, dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere widerspricht die Auskunftsverpflichtung nicht dem Kindeswohl. Das Auskunftsverlangen des Antragstellers ist in seiner Häufigkeit eng begrenzt und hat ohne eine persönliche Kontaktaufnahme zur Antragsgegnerin und D. zu erfolgen. Auch die Auskunftserteilung kann seitens der Antragsgegnerin ohne jeden persönlichen Kontakt zum Antragsteller stattfinden. Das berechtigte Interesse des Antragstellers an der Auskunft ergibt sich aus dem - zeitlich begrenzten - Ausschluss seines Umgangsrechts zu D.. Um trotzdem die Beziehung zu seinem leiblichen Kind nicht zuletzt in Hinblick auf einen zukünftigen Umgang nicht abreißen zu lassen, sondern wach halten zu können, muss es ihm möglich sein, in gewissen Zeitabständen über für das Befinden und die Entwicklung seines Sohnes D. wesentliche Umstände Informationen sowie aktuelle Fotos, die das Kind zeigen, zu erlangen.

Von der Androhung von Zwangsmitteln zur Durchsetzungen der Auskunftsverpflichtung hat der Senat abgesehen, da derzeit davon ausgegangen wird, dass es einer zwangsweisen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs des Antragstellers nicht bedarf. Erforderlichenfalls kann die Androhung nach § 33 FGG nachgeholt werden.

III.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten folgt aus § 13 a Abs.1 S.1 und 2 FGG.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 8.000,- DM

Ende der Entscheidung

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