Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: 26 WF 121/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 II
ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 124 Nr. 1
ZPO § 127 II S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

26 WF 121/03

In der Familiensache

pp.

hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen durch die Richterin am Oberlandesgericht v. Olshausen als Einzelrichterin

am 04.06.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfegewährung mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 15.05.2003 (11 F 41/03) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mit dem Prozesskostenhilfegesuch eingereichten Klageschrift vom 24.1.2003 (eingegangen bei Gericht am 27.01.2003) vorgetragen, dass es dem Jugendamt der Stadt Z als Beistand bislang nicht gelungen sei, den Vater des Klägers zur Errichtung eines Unterhaltstitels zu bewegen.

Unter dem 14.02.2003 bittet der Prozessbevollmächtigte des Klägers um Sachstandsmitteilung und beklagt, dass er weder auf seinen Hauptsacheantrag noch auf seinen Eilantrag -beide vom 24.01.2003 und bei Gericht am 27.01.2003 eingegangen- eine Rückmeldung erhalten habe.

Am 18.02.2003 erfolgte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Hauptantrag. Am 15.05.2003 wurde mit dem angefochtenen und hiermit in Bezug genommenen Beschluss die Prozesskostenhilfebewilligung aufgehoben, nachdem das Gericht nachträglich von der Existenz einer am 21.01.2003 errichteten Jugendamtsurkunde des Beklagten Kenntnis erlangt hat.

Aus der Dokumentation des Jugendamtes Z ist er sichtlich, dass die gesetzliche Vertreterin des Klägers die Jugendamtsurkunde bereits am 27.1.2003 erhalten hat, als sie die Aufhebung der Beistandschaft beantragt hat. Außerdem ist die gesetzliche Vertreterin darauf schriftlich darauf hingewiesen worden, dass sie das Schreiben vom 28.1.2003 und die Anlagen ihrem Anwalt vorzeigen möge.

Ausweislich des Beschwerdevorbringens hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 04.02.2003 erfahren, dass inzwischen doch eine Jugendamtsurkunde vorliegt, und das Jugendamt gleichzeitig einen sogenannten widerruflichen Vollstreckungsverzicht erklärt hat.

Mit der Beschwerde beruft sich der Kläger darauf, die Prozesskostenhilfe sei bereits bewilligt gewesen, bis die Aufklärung der Angelegenheit habe erfolgen können.

II.

Die gemäß § 127 II S. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht innerhalb der Notfrist von einem Monat ( § 127 II S.3 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.

Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 1 ZPO sind gegeben.

Durch das Verschweigen der geänderten Sachlage, ist dem Kläger für ein Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt worden, das nach den Maßstäben des Prozesskostenhilferechts als mutwillig anzusehen ist. Dies wäre durch umgehende Mitteilung vom Vorliegen der Jugendamtsurkunde vermieden worden.

Der Prozesskostenhilfe beantragende Kläger muss zur Erlangung von Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen von sich aus vortragen, dass er den gegenüber dem beabsichtigten Prozess kostengünstigeren Versuch zur Errichtung eines Unterhaltstitels im Wege einer Jugendamtsurkunde vergeblich unternommen hat. Denn ohne diesen Versuch ist eine Klage mutwillig und Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Klageverfahrens nicht zu gewähren.

Da es für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht auf den Zeitpunkt des Antragseingangs, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht ankommt, hat der Antragsteller alle tatsächlichen Änderungen der für die Entscheidung erheblichen Voraussetzungen unverzüglich dem Gericht mitzuteilen. Das gilt nicht nur für die Frage der Erfolgsaussicht, sondern auch für die Frage der Mutwilligkeit. Auch hier trägt der Antragsteller die Gefahr einer Änderung der Sachlage bis zum Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, weil der Allgemeinheit die Kosten weder für einen aussichtslosen noch für einen überflüssigen Prozess auferlegt werden dürfen ( Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Beratungshilfe, 3.A.,Rn 425).

Das Verschweigen ist vorliegend auch schuldhaft erfolgt.

Die Rechtslage war dem Prozessbevollmächtigten des Klägers durchaus bewusst. Denn er hat den zur Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Vortrag hinsichtlich des vergeblichen Versuchs der Errichtung einer Jugendamtsurkunde durch das Jugendamt in der Klageschrift ausdrücklich als Voraussetzung für die nunmehr erforderliche gerichtliche Titulierung erwähnt. Als er am 04.02.2003 davon unterrichtet wurde, dass mittlerweile eine Jugendamtsurkunde vorliegt, hätte er diesen Umstand unverzüglich dem Gericht mitteilen müssen. Denn diese Änderung der Sachlage hatte unmittelbaren Einfluss auf die Begründetheit des Prozesskostenhilfeantrags. Für die vorherige Aufklärung der Bedeutung der sog. widerruflichen Zwangsvollstreckungsverzichtes des Jugendamtes war kein Raum. Im übrigen hätte dazu ein Anruf genügt. Spätestens mit der Sachstandsanfrage vom14.02.2003 hätte die neue Sachlage mitgeteilt werden müssen. Statt dessen gibt der Prozessbevollmächtigte noch nicht einmal zu Beginn der mündlichen Verhandlung im Termin vom 10.03.2003 das Vorliegen des Vollstreckungstitels bekannt.

Dem Kläger ist das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen( § 85 II ZPO). Ob seine gesetzliche Vertreterin daneben ein eigenes Verschulden trifft, weil sie selbst erkennen konnte, dass das prozessuale Vorgehen gegen den Beklagten nach Vorliegen der Jugendamtsurkunde überflüssig war, mag dahinstehen.

Zwar ist die Zurechnung von Anwaltsverschulden im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die ablehnende Auffassung wird mit der Erwägung begründet, der Zweck des § 85 II ZPO, der darin bestehe, dass das Prozessrisiko nicht zu Lasten des Verfahrensgegners verschoben wird, erfasse nicht das Verfahren nach § 114 ff. ZPO, weil hier dem Antragsteller nur die Staatskasse gegenüberstehe, während der Prozessgegner noch gar nicht Partei dieses Verfahrens und deshalb nicht schutzwürdig sei (vgl. statt aller Zöller/ Vollkommer, 23. A., § 85 Rn 11 mit weit. Nachw.) Die Gegenmeinung, die nunmehr auch ausdrücklich vom Bundesgerichtshof vertreten wird ( BGH Z 148, 67,70 mit weiteren Nachw.) versteht den Gesetzgeber dahin, dass er in § 85 II ZPO ein allgemeines Prinzip einschränkungslos zum Ausdruck gebracht hat, dessen umfassender Geltungsanspruch im Rahmen der Regelungen des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht durch eine Sondervorschrift eingeschränkt wird. Allein diese klare gesetzgeberische Regelung gebiete bereits die Beachtung dieser Zurechnungsnorm auch im Pkh-verfahren. Darüber hinaus gebe es aber auch eine Vielzahl von Gründen, die es erfordern, das Einstehenmüssen der Partei für das Verschulden ihres Anwalts auch im Prozesskostenhilfeverfahren zur Geltung zu bringen. Der Gegner sei im Prozesskostenhilfeverfahren entgegen der Gegenmeinung kein unbeteiligter Außenstehender. Er müsse deshalb auch rechtliches Gehör erhalten. Denn die Gewährung von Prozesskostenhilfe an den Antragsteller setze ihn einem für die Gegenseite zumindest kostengünstigeren Prozess aus und belaste ihn mit dem Risiko, im Falle des Obsiegens seinen Kostenerstattungsanspruch gegen die unbemittelte Partei nicht realisieren zu können. Auf der anderen Seite werden die Interessen der unbemittelten Partei durch die Anwendung des § 85 II ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren nicht unbillig beeinträchtigt, weil sie sich wegen der Folgen der schuldhaften Versäumnisse ihres Prozessbevollmächtigten bei diesem schadlos halten kann und die Durchsetzbarkeit derartiger Ansprüche durch die Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte gesichert ist. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs an und wendet § 85 II ZPO auch im Prozesskotenhilfeprüfungsverfahren an.

Da es sich der Aufhebung von Prozesskostenhilfe nach §124 Nr.1 ZPO auch nicht etwa um eine Maßnahme mit Sanktionscharakter handelt, sondern um eine rein kostenrechtliche Maßnahme ( Zöller/Philippi, a.a.O., § 124 Rn. 5), steht der Anwendung des Grundsatzes des § 85 II ZPO hier nichts entgegen.

Ende der Entscheidung

Zurück