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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 27 UF 124/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VAHRG, VAÜG, FGG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 538
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 3
BGB § 1587b Abs. 1
BGB § 1587b Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 3
VAHRG § 2
VAHRG § 3b Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Nr. 1 b
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2
FGG § 12
GKG § 21 Abs. 1 S. 1
GKG § 49 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die (befristete) Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. vom 04.09.2008 wird der Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem am 01.08.2008 verkündeten Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Geilenkirchen - 12 F 12/08 - insoweit aufgehoben, als zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin Anwartschaften zu Gunsten der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 1. begründet werden.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen; das Verfahren ist insoweit ausgesetzt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

II. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:

1.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e ZPO zulässige befristete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. führt zur Aufhebung der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich insoweit, als der Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin betroffen ist, und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an die erste Instanz.

2.

Der BGH hat durch Urteil vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - (BGHZ 174, 127, 172 ff.; vgl. Leitsätze in FamRZ 2008, 395 = FamRB 2008, 35 = MDR 2008, 208; bestätigt durch Urteil vom 14.05.2008 - IV ZR 47/05 - FamRZ 2008, 1343 ff. Rn 21 ff.; so inzwischen auch der XII. Senat des BGH mit Beschlüssen vom 05.11.2008 - XII ZB 53/06 Rn 8 ff., XII ZB 87/06 - FamRZ 2009, 211 - Rn 12 f. und XII ZB 181/05 Rn 36 ff. [für die inhaltsgleiche Regelung der Rheinischen Zusatzversorgungskasse]) die in der seit dem 01.01.2002 gültigen Satzung der Beschwerdeführerin enthaltene Regelung über die Startgutschriften rentenferner Versicherter wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG für unwirksam erklärt. Eine den Vorgaben der Entscheidung entsprechende Neufassung der Satzung ist bislang nicht erfolgt, so dass ungewiss ist, wie hoch die Anrechte der Parteien bei der Beschwerdeführerin letztlich zu veranschlagen sind. Da die geschiedenen Eheleute zu den sog. rentenfernen Jahrgängen (Vollendung des 55. Lebensjahrs nach dem 01.01.2002) gehören, die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde und eine Versorgung bei der Beschwerdeführerin am 01.01.2002 noch nicht bezogen wurde, ist eine Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der Anwartschaften bei der Beschwerdeführerin derzeit nicht möglich (vgl. Borth, FamRZ 2008, 326; BGH Beschlüsse vom 5.11.2008 XII ZB 53/06 Rn 14 ff, XII ZB 87/06 Rn 14 ff und XII ZB 181/05 Rn 42 f).

3.

Dieser Umstand nötigt jedoch nicht dazu, die Entscheidung des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich insgesamt aufzuheben:

Ein Teilausgleich, der die Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (ZVöD) ausspart, ist zum einen dann möglich, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte lediglich über Anrechte außerhalb der ZVöD verfügt, die geringer sind als die des ausgleichspflichtigen Ehegatten. In einem solchen Fall liegt nach dem Ausgleichssystem gem. §§ 1587b I, II BGB und §§ 1 II, III, 2, 3b I VAHRG in Bezug auf die ZVöD ein aussonderbarer Teil vor (Borth, aaO, 327 unter 3. a) mit Hinweis auf BGH, FamRZ 1983, 38 und 890). Insoweit kann eine Teilentscheidung ergehen, weil wegen des getrennt durchzuführenden Ausgleichs in den beiden Versorgungssystemen (§ 1587b I BGB hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung, § 1 III VAHRG - sog. analoges Quasisplitting - für die ZVöD) der Wertausgleich bei der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Zusatzversorgung des Ehegatten nicht beeinflusst wird (vgl. Borth, aaO sowie ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschlüsse vom 14.04.08 - 27 UF 20/08 -, 16.04.08 - 27 UF 22/08 - und 23.10.08 - 27 UF 60/08 -).

Eine Teilentscheidung ist aber auch dann möglich, wenn - wie vorliegend - beide Parteien zusätzlich auch ausgleichungspflichtige Anrechte bei der ZVöD haben, das Anrecht des - auch im Übrigen - Ausgleichspflichtigen das zu verrechnende Anrecht des Ausgleichsberechtigten aber deutlich überwiegt (Borth, aaO unter 3. b). Auch wenn man derzeit nicht abschätzen kann, in welchem Umfang sich die vorzunehmende Neufestsetzung des Startguthabens auf die Höhe der Anrechte konkret auswirkt, wird es auf jeden Fall gem. § 1 III VAHRG zu einem Quasi-Splitting zugunsten der Antragsgegnerin kommen. Denn diese hat nach den Berechnungen des Amtsgerichts mit 7,11 € ein deutlich niedrigeres Anrecht als der Antragsteller mit 128,67 €. Nach den Berechnungen der Beschwerdeführerin erhöht sich die Differenz unter Berücksichtigung der geltend gemachten Einwendungen gegen die Umrechnung des Amtsgerichts noch weiter (10,13 € zu 193 €). Damit geht der Ausgleich sowohl bei der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 1587 b I BGB als auch für die Zusatzversorgung nur in eine Richtung, so dass eine wechselseitige Beeinflussung - vergleichbar mit den Fällen in § 2 I Nr. 1 b) VAÜG - jedenfalls ausscheidet und einer Teilentscheidung nicht entgegensteht.

Da gegen den Ausgleich der gesetzlichen Rentenanwartschaften gem. § 1587 b I BGB in dem diesbezüglichen Teil der Versorgungsausgleichsentscheidung des Familiengerichts Einwendungen nicht erhoben und Bedenken nicht ersichtlich sind, kann es bei diesem Teil der Entscheidung verbleiben.

4.

Im Übrigen ist die Entscheidung aus den dargestellten Gründen jedoch aufzuheben. Da nicht abzusehen ist, wann die Satzungsänderung erfolgen wird, kann allerdings insoweit vorerst eine Entscheidung in der Sache nicht ergehen. Vielmehr ist das Verfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen (BGH, Beschlüsse vom 05.11.2008 XII ZB 53/06 Rn 20 ff. und XII ZB 87/06 Rn 28).

a)

Bislang hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (Beschlüsse vom 30.4.2008 - 27 UF 219/07, 14.04.08 - 27 UF 20/08 -, 16.04.2008 - 27 UF 22/08 - sowie 23.10.08 - 27 UF 60/08 -) im Anschluss an die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 28.12.2007 - 15 UF 240/07 - (NJW 2008, 1393 = FamRZ 2008, 1086; Zusammenfassung mit zust. Anm. Gutdeutsch FamRB 2008, 72; ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.08 - 3 UF 29/08 -, NJW 2008, 2594 f.; OLG Zweibrücken - 6. Senat -, Beschluss vom 22.09.08 - 6 UF 158/07 -; nach Angaben der Beschwerdeführerin weiterhin: OLG Oldenburg, 3 UF 185/07 vom 08.02.08 und 4 UF 162/07 vom 05.03.08; OLG Hamm, 5 UF 157/07 vom 22.02.08) die Auffassung vertreten, dass in Fällen dieser Art entsprechend der Regelung in § 2 I 2 VAÜG eine Aussetzung des Verfahrens zu erfolgen hat (vgl. auch die Regelung in § 53c FGG). Aufgrund der oben bereits angeführten drei Entscheidungen des BGH vom 05.11.2008 stützt der Senat die Aussetzung nunmehr auf eine entsprechende Anwendung von § 148 ZPO.

Dabei entspricht es der Übung des Senats, in den Fällen, in denen eine Aussetzung in der ersten Instanz verfahrensfehlerhaft unterblieben ist, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, die Sache zurückzuverweisen und zugleich die Aussetzung auszusprechen (Beschlüsse vom 03.03.2008 - 27 UF 211/07 - unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 903, 904 u. FamRZ 2000, 1155 f. = JURIS Rn 18 und vom 23.10.08 - 27 UF 60/08 -; ebenso andere Familiensenate des OLG Köln, z.B. Beschlüsse vom 11.04.2008 - 4 UF 21/08 - OLGR 2008, 629 ff. = FamRZ 2008, 2210 = JURIS Rn 20 und vom 11.06.08 - 12 UF 17/08 - FamRZ 2008, 2213 = JURIS Rn 6; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl. 2008, § 2 VAÜG Anh. II zu § 1587 b, Rn 12), die dann von selbst endet, wenn die Neufassung der Satzung der Beschwerdeführerin in Kraft tritt (ähnlich OLG Brandenburg, Beschlüsse vom 29.02.08 - 9 UF 9/08 - und 22.05.08 - 9 UF 28/08 - OLGR 2009, 16 f. = FamRZ 2008, 2213, welches das angefochtene Urteil abändert, indem es die Aussetzung beim Amtsgericht feststellt). Eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht, damit dieses selbst - durch eine weitere Entscheidung - die Aussetzung vornehmen kann (vgl. OLG Stuttgart, aaO; OLG Naumburg, aaO; OLG Köln, FamRZ 1994, 1041; OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 1362 f.; Johannsen/Henrich/ Hahne, Ehegesetze, 4. Aufl. 2003, § 2 VAÜG Rn. 1 aE; MK-BGB/Sander, BGB, 4. Aufl. 2000, § 2 VAÜG Rn. 12) erscheint wenig zweckdienlich, zumal nach den zitierten Entscheidungen des BGH ein Ermessensspielraum bei der Aussetzungsfrage in Fällen der vorliegenden Art nicht besteht.

b)

Bei dieser Verfahrensweise bleibt der Senat auch unter Berücksichtigung der drei zitierten Beschlüsse des BGH vom 05.11.2008.

Während in den Fällen, die diesen Entscheidungen zugrunde lagen, die Familiengerichte keine Kenntnis von den Urteilen des BGH vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - (BGHZ 174, 127ff.; u.a. veröffentlicht in FamRZ 2008, 395) und vom 14.05.2008 - IV ZR 47/05 - (FamRZ 2008, 1343 ff.) zur Unwirksamkeit der Übergangsregelungen bei der Umstellung des Systems der Zusatzversorgung im Öffentlichen Dienst sowie des OLG Stuttgart vom 28.12.2007 - 15 UF 240/07 - (NJW 2008, 1393 = FamRZ 2008, 1086) und den nachfolgenden Entscheidungen einer Vielzahl von Oberlandesgerichten (z.B. OLG Oldenburg - 3 UF 185/07 - vom 08.02.2008 und - 4 UF 162/07 - vom 05.0320.08; OLG Hamm - 5 UF 157/07 - vom 22.02.2008; OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.2008 - 3 UF 29/08 -; ebenso der Senat in ständiger Rechtsprechung, u.a. 27 UF 219/07 vom 30.04.2008, 20/08 vom 14.04.2008 und 22/08 vom 16.04.2008) haben konnten, waren diese Entscheidungen und die zugrunde liegenden Rechtsfragen bei der mündlichen Verhandlung im hiesigen Verfahren und Erlass des Urteils am 01.08.2008 bereits seit Monaten in den einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht und wurden diskutiert (s. auch die Ausführungen von Gutdeutsch FamRB 2008, 72 u. Borth, FamRZ 2008, 326 f.). Dann stellt es einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.v. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar, wenn das Amtsgericht die Parteien nicht darauf hinweist, dass es von der Rechtsprechung des BGH abweichen und den Entscheidungen der Oberlandesgerichte einschließlich derjenigen des zuständigen Familiensenats nicht folgen will. Schon das Familiengericht hätte die Sache aussetzen müssen (vgl. zur Reduzierung des grundsätzlichen Ermessens in § 148 ZPO zu einer Pflicht BGH aaO). Dass dies ohne weitere Sachprüfung nicht geschehen ist, ist verfahrensfehlerhaft. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auf das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne Systembrüche übertragbar (BGH, Beschluss vom 5.11.2008 - XII ZB 53/06 - Rn 26). Ein Antrag der Parteien für die Zurückverweisung ist nicht erforderlich, da § 621 e Abs. 3 ZPO nicht auf § 538 ZPO verweist, der ein solches Antragserfordernis vorsieht (OLG Köln - 4. ZS - FamRZ 2005, 1921 ff. = JURIS Rn 11 und Beschluss vom 16.02.2009 - 4 UF 194/08 - sowie - 26. ZS - FamRZ 2004, 1301 = JURIS Rn 7; ferner OLG Stuttgart, aaO und Thomas/Putzo/Hüßtege: ZPO, 28. Aufl. 2007, § 621e ZPO, Rn 15, je mwN).

Ein Unterlassen der Aussetzung durch das Familiengericht zu einer Zeit, als die grundlegenden Entscheidungen zur Unwirksamkeit der VBL-Satzung bereits veröffentlicht und deren Auswirkungen auf das Verfahren des Versorgungsausgleichs in Rechtsprechung und Schrifttum erörtert wurden, dürfte zudem als Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung gem. § 12 FGG zu werten sein (vgl. Götsche, jurisPR-FamR 3/2009 Anm. 2), da die Maßnahmen unterlassen wurden, die erforderlich sind, um den zutreffenden Wert der Anrechte aus der ZVöD festzustellen. Die Zurückverweisung hat auch den Vorteil, dass den Parteien nicht eine Tatsacheninstanz genommen wird.

c)

Bei der nach Anpassung der Satzung der VBL zu treffenden Entscheidung wird das Familiengericht auch den Einwendungen nachzugehen haben, die die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Umrechnung der Anrechte im Hinblick auf die Teildynamik und die Anhebung der Altersgrenze für die Regelaltersrente erhoben hat (vgl. dazu auch die von ihr zitierte Entscheidung des 10. Zivilsenats des OLG Köln vom 20.02.2008 - 10 UF 230/07 -).

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind gem. § 21 I 1 GKG nicht zu erheben.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 49 Nr. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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