Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.09.1999
Aktenzeichen: 27 UF 87/99
Rechtsgebiete: BSHG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BSHG § 91
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7
BGB § 1601 ff
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1361 Abs. 4 Satz 1
BGB § 1360
BGB § 1360 a
BGB § 1365
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
27 UF 87/99 31 F 454/98 AG Siegburg

Anlage zum Protokoll vom 29. September 1999

Verkündet am 29. September 1999

Cordier-Ludwig, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 27.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen auf die mündliche Verhandlung vom 8.9.1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Koall und der Richter am Oberlandesgericht Schmitz und Müller

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.3.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg - 31 F 454/98 - abgeändert.

Die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein nach § 91 BSHG übergegangener Unterhaltsanspruch der Mutter der Beklagten zu. Grundlage eines etwaigen Unterhaltsanspruchs der Mutter der Beklagten sind die §§ 1601 ff BGB. Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wären bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte verfügt unstreitig über kein eigenes Erwerbseinkommen. Die Klägerin meint, es sei von Einnahmen der Beklagten aus Kapital auszugehen. Da die Klägerin aber in erster Instanz vorgetragen hat, die Beklagte sei ihrem Verlangen, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, nachgekommen, muß die Klägerin konkret vortragen, welche Einkünfte die Beklagte aus Kapital hat. soweit die Klägerin behauptet, die Eheleute hätten eine Steuererstattung von 5.000,-DM erhalten, ist zu berücksichtigen, daß allein der Ehemann der Beklagten über Erwerbseinkünfte verfügte und die Steuererstattung allein ihm zugestanden hat. im übrigen hat die Beklagte durch Vorlage der Steuerbescheide vom 20.5.1997 und vom 8.4.1998 nachgewiesen, daß die Steuererstattung im Jahr 1997 lediglich 709,66 DM und im Jahr 1998 1.042,21 DM betragen hat.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, aus ihrer Teilhabe am Einkommen ihres Ehemannes ihrer Mutter den Unterhalt zu zahlen, wie die Klägerin meint. Da die Beklagte mit ihrem Ehemann zusammenlebt, hat sie keinen Anspruch auf eine Unterhaltsrente in Geld gemäß § 1361 Abs. 4 Satz 1 BGB. Ihr Anspruch auf Familienunterhalt gemäß §§ 1360,1360a BGB ist überwiegend auf Naturalleistung gerichtet, wie auf Gewährung von Wohnung, Verpflegungsleistungen, Kleidung usw. (BGH FamRZ 1986,668).

Eine Verwendung des möglicherweise der Beklagten gezahlten Wirtschaft- und Haushaltsgeldes scheidet aus, weil dieses nur treuhänderisch zur Verwendung für die Bedürfnisse der Familie überlassen wird (BGH a.a.O.) und daher für Zwecke der Unterhaltsgewährung an die Mutter der Beklagten nicht zur Verfügung steht.

Der Beklagten sind keine fiktiven Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Die Beklagte ist am 27.9.1944 geboren, ist also jetzt rund 55 Jahre alt. Sie war nach ihrem unstreitigen Vortrag nur bis 1973 berufstätig. Nach dem Gebot des Sohnes am 20.8.1973 schied sie aus dem Erwerbsleben aus. In der Folgezeit betreute sie das gemeinschaftliche Kind und versorgte den Haushalt. Eine Erwerbstätigkeit ist ihr daher, anders als möglicherweise bei der Frage der Leistungsfähigkeit vor allem gegenüber minderjährigen Kindern und auch bei der Frage der Bedürftigkeit nach der Trennung oder nach der Scheidung der Ehepartner, nicht zuzumuten. Eltern müssen zwar regelmäßig damit rechnen, ihrem Kind - auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus - Unterhalt zu gewähren, bis es eine - heute nicht selten langjährige - Berufsausbildung abgeschlossen hat und wirtschaftlich selbständig ist. Mit einer solchen, der natürlichen Generationenfolge entsprechenden Entwicklung kann nicht der Fall gleichgesetzt werden, daß Eltern nach ihrem Ausscheiden aus ihrem Erwerbsleben ihre Kinder, die selbst inzwischen gegründet haben, auf Unterhalt für ihren notwendigen Lebensbedarf in Anspruch nehmen müssen. Es entspricht auch verbreiteter Anschauung, daß zur Sicherstellung des Ausbildungsunterhalts für das gerade volljährig gewordene Kind dem Unterhaltspflichtigen größere Opfer angesonnen werden können, als wenn es etwa um die Heimkosten der Eltern geht. Damit wird einer grundlegend anderen Lebenssituation des zum Unterhalt herangezogenen Verwandten Rechnung getragen, der nicht mehr - wie das seine Ausbildung betreibende Kind - seine Lebensstellung noch von der des Unterhaltspflichtigen ableitet, sondern - oft seit langem - seine eigene Lebensstellung erlangt hat. Bei der Frage der Zumutbarkeit der Erwerbspflicht kommt ein weiterer Gedanke hinzu. Seit der Rentenreform von 1957 obliegt es dem im aktiven Erwerbsleben stehenden Kindern ohnehin bereits durch ihre Sozialversicherungsabgaben von rund 20 Prozent des Einkommens die ganze Elterngeneration im Alter angemessen zu versorgen. Diese vom Bundesgerichtshof (FamRZ 1992,797) zur Bestimmung des angemessenen Lebensbedarfs eines Unterhaltspflichtigen gegenüber einem volljährigen Verwandten angestellten Erwägungen sind auch für die Frage der Zumutbarkeit Erwerbspflicht des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen. Die Grundsätze der sogenannten Hausmannrechtsprechung sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber minderjährigen Kindern beschränkt, so daß keine Pflicht zur Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit besteht, soweit der unterhaltspflichtige Ehegatte seine Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, durch Haushaltsführung erfüllt (vgl. auch Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4.Auflage,§ 2 Randnote 625). Danach erscheint eine Erwerbspflicht unter den gegebenen Umstände nicht zumutbar.

Die Beklagte ist auch nicht aufgrund ihres Taschengeldanspruchs, dem sie gegen ihren Ehemann hat, als leistungsfähig anzusehen. Zwar hat der BGH (NJW 1987, 1550) bei der Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern anerkannt, daß unter Umständen ein Teil solcher Barmittel, die dem Unterhaltspflichtigen von seinem Ehegatten im Rahmen des Familie Unterhalts zur Erfüllung von persönlichen Bedürfnissen zufließen, für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen. Dementsprechend wird in der Literatur der Einsatz des Taschengeldes für die Befriedigung des Elternbedarfs zurückhaltend bejaht (Wendl/Staudigl,a.a.O.,§ 2 Rn.625; Stollenwerk in Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Rn.528.1; Heiß/Hußmann, Unterhaltsrecht, 13.Kap., Rn.53; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6.Auflage, Rn.723 und 789; ablehnend Kopp/Fichtner, BSHG,7.Auflage, § 91 Rn.9). Wendl/Staudigl meinen, denkbar sei ein teilweiser Zugriff auf einen nicht nur geringfügigen Taschengeldanspruch, welcher der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse diene und in gewissem Umfang über den angemessenen Lebensbedarfs hinausgehen könne. Zum angemessenen Unterhalt gehört indessen auch der Taschengeldanspruch. Der angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen soll aber nicht gefährdet werden. Nur wenn man den angemessenen Unterhalt ähnlich wie bei der Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern auf einen bestimmten Betrag begrenzt, läßt sich auf diese Weise die Leistungsfähigkeit begründen. Ob dieser Auffassung zufolge ist, kann dahinstehen, weil auch dann ein Unterhaltsanspruch der Mutter gegen die Beklagte nicht gegeben ist, wenn grundsätzlich dem Zugriff auf den Taschengeldanspruch für zulässig erachtet, denn die Beklagte ist auch dann nicht als leistungsfähig anzusehen.

Das Nettoeinkommen des Ehemann ist der Beklagten ist mit 7.395,-DM nachgewiesen.

Hiervon sind die Darlehensraten mit monatlich 2.641,-DM und die Hauskosten mit 173,-DM, soweit sie den Wohnwert übersteigen, abzuziehen. Den Wohnwert schätzt der Senat auf rund 1.800,-DM, so daß rund 1.000,-DM einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

Von den Versicherungsprämien sind jedenfalls diejenigen für die Lebensversicherungen, die sich auf jährlich 3.63 nur,-DM belaufen, das sind monatlich 302,50 DM zu berücksichtigen. Ein derartige Aufwand entspricht den Einkommensverhältnissen des Ehemannes der Beklagten. Bei der Berechnung des Taschengeldanspruchs kann sich der Ehemann der Beklagten dieser gegenüber darauf berufen, daß er zusätzlich zur Rentenversicherung ein Alters vor Sorge in Form von Lebensversicherungen betreibt.

Ferner ist der Unterhalt für den Sohn S. mit 945,-DM abzuziehen.

Danach verbleiben rund 5.148,-DM.

In der Regel wird als Taschengeld in der Praxis 5% des bereinigten Nettoeinkommens als angemessen angesehen (Wendl/Staudigl,a.a.O.,§ 3 Rn.60). Das sind 257,-DM. Damit übersteigt das Taschengeld nicht dem im Rahmen des angemessenen Unterhalts nach § 1603 Abs. 1 BGB für persönliche Bedürfnissen anzusetzenden Betrag. Die Höhe dieses Betrages steht zwar nicht fest. Teilweise wird als untersten Bemessung Grenze der Taschengeldbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG von derzeit 243,-DM angenommen (Heiß/Hußmann,a.a.O., 13.Kap.Rn.53). Dieser für Sozialhilfeempfänger in Einrichtungen geltende Satz ist aber zu niedrig bemessen, da dem unterhaltspflichtigen Kind nicht der notwendige Selbstbehalt, sondern jedenfalls ein angemessener Selbstbehalt zu verbleiben hat, der allgemein noch höher als der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern veranschlagt wird. Zu denken ist an eine prozentuale Erhöhung des Taschengeldbetrages nach § 21 Abs. 3 BSHG entsprechend dem Verhältnis des erhöhten Selbstbehalts von 2.250,-DM, wie er vielfach angenommen wird, zum notwendigen Selbstbehalt von 1.300,-DM. Danach ergibt sich ein Taschengeldanspruch von etwa 420,-DM ( Heiß/Hußmann a.a.O.). Ob dem zu folgen ist, kann Senat offenlassen, da jedenfalls der Taschengeldanspruch der Beklagten die Angemessenheitgrenze nicht überschreitet. Daher kann auch die Frage offen bleiben, ob bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens alle Ausgaben der Ehegatten anzuerkennen sind, die sich bei dem zur Verfügung stehenden Familien Einkommen im Rahmen einer objektiv vernünftigen Lebensführung halten, wie etwa die mit der Anschaffungen und mit dem Erwerb eines Pkws verbundenen Belastungen, die Rücklagen für Notlagen oder Ersatzbeschaffung können und für Urlaub (Stollenwerk a.a.O.IV Rn.528.2; OLG Oldenburg FamRZ 1991,1347).

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, einen Kredit aufzunehmen und zur Sicherheit die ihr gehörende Grundstückshälfte mit einem Grundpfandrecht zu belasten. Unabhängig von der Frage, ob das Grundstück zum sogenannten Schonvermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG gehört, scheitert die Kreditaufnahme daran, daß Banken und Sparkassen erfahrungsgemäß Grundstücksanteile nicht wegen eines Kleinkredits und auch dann nicht beleihen, wenn kein Einkommen vorhanden ist, aus dem der Kredit zurückgezahlt werden kann (Zöller/Philippi, ZPO, 21.Auflage, § 115 Randnote 64).

Erst recht ist die Beklagte nicht gehalten, die Teilungsversteigerung zu betreiben. Abgesehen davon, daß es hier nicht zuzumuten ist, ihrer Familie die räumliche Lebensgrundlage zu entziehen, ist es ja auch nicht möglich, ohne die Zustimmung ihres Ehemannes über den Grundstücksanteile zu verfügen, § 1365 BGB. Als Verfügung im Sinne des § 1365 BGB ist auch der Antrag auf Teilungsversteigerung zu sehen (Palandt, Kommentar zum BGB, 58.Auflage, § 1365 Rn. 8). Daß der Ehemann seine Zustimmung gegeben hatten oder gibt, trägt die Klägerin nicht vor.

Die Klage ist daher abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 5.968,66 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück