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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.06.2009
Aktenzeichen: 3 U 128/08
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Bonn vom 4.7.2008 - 10 O 421/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten der Klägerinnen das über einen Betrag von 298,63 € hinausgehende Guthaben auf dem Und-Konto xx1 bei der Sparkasse LC einschließlich angelaufener Zinsen freizugeben.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen und einer Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen)

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freigabe desjenigen Betrags, der 298,63 € übersteigt; diese 298,63 € entsprechen der rückständigen Instandhaltungsrücklage des Wohnungseigentümers I für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 12.3.2006, die nach der streitgegenständlichen Vertragsklausel aus Mitteln des Und-Kontos beglichen werden soll. In der mündlichen Verhandlung vom 5.5.2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin klargestellt, dass der Klageantrag auf Freigabe des Spitzenbetrags gerichtet ist und insoweit kein Zug-um-Zug-Vorbehalt besteht.

a.

Vom den Klägerinnen zustehenden Teilbetrag des Guthabens sind entgegen der Auffassung der Beklagten keine weiteren Abzüge als die genannten 298,63 € zu machen. Die Klausel erfasst bei verständiger Auslegung keine Wohngeldrückstände des Herrn I. Dafür sprechen zum einen die von den Klägerinnen angeführten Argumente:

Für die Instandhaltungsrücklage ist im Vertrag ausdrücklich geregelt, dass bestehende und künftige Rückstände des Herrn I aus den hinterlegten 15.000 € ausgeglichen werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es für das Wohngeld im Übrigen nicht so sein sollte. Auch die Formulierung der Klausel hinsichtlich des Wohngelds spricht für diese Auslegung: "Forderungen, die sich daraus ergeben, dass (Herr I) keine Wohngelder zahlt und daher der Eigentümer des Kaufgegenstands die Kosten für das Gemeinschaftseigentum derzeit allein aufbringt..." Solche Forderungen können nicht die der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen Herrn I auf Zahlung fälligen Wohngelds sein. Es müssen vielmehr Forderungen sein, die erst als mittelbare Folge ("sich daraus ergeben") entstehen. Damit können nur Außenverbindlichkeiten gemeint sein. Denn im folgenden Absatz heißt es, nach "Verbrauch" der hinterlegten 15.000 € solle "eine weitere Haftung der Verkäufer" nicht bestehen. Ein solcher Verbrauch ist nur denkbar, wenn das hinterlegte Geld zum Ausgleich von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten verwendet wird, denn bloße Wohngeldrückstände des Eigentümers I führen nicht zu einer Ausgleichspflicht des jeweiligen anderen Eigentümers und damit auch nicht zum Verbrauch der 15.000 €.

Nach alledem erfasst die Klausel nur Forderungen außenstehender Dritter - etwa solche auf Entgelt für Energielieferungen, Versicherungsprämien, Grundbesitzabgaben - gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, die deswegen nicht aus deren Vermögen beglichen werden können, weil Herr I sein Wohngeld nicht voll entrichtet hat, so dass der andere Miteigentümer sie "allein aufbringen", also aus eigenen Mitteln vorstrecken muss, um Zwangsmaßnahmen der Gläubiger zu vermeiden.

Auch der Hergang der Vertragsverhandlungen, soweit er aus dem Beweisergebnis ableitbar ist, spricht gegen die Einbeziehung rückständiger Wohngelder:

Das Vorgespräch mit der Notargehilfin, in dem eine der Parteien etwas anderes gewünscht haben soll, hat offensichtlich der Ehemann der Beklagten geführt. Damit steht zwar fest, dass der Notarin das Problem rückständiger Wohngelder bei Abfassung des Vertragsentwurfs bekannt war. Gleichwohl findet sich im Wortlaut des Vertrags kein Anhaltspunkt, dass entsprechend den Vorstellungen der Beklagten eine Lösung gefunden werden sollte, durch die sie "umfassend abgesichert" ist. Es erscheint dem Senat auch nicht vertretbar, rückständige Wohngelder unter "Schäden" zu subsumieren, wie die Beklagte es möchte. Im Ergebnis handelt es sich daher um eine einseitig gebliebene, nicht zum Vertragsinhalt gewordene Vorstellung der Beklagten.

Für diese Auslegung spricht zumindest indiziell zudem, dass der im ersten Entwurf enthaltene Satz "Es handelt sich dabei derzeit insbesondere um folgende Kosten:----" später entfallen ist. Anscheinend war geplant, diejenigen Kosten aufzuzählen, die bis zum Datum des Kaufvertrags schon bekannt waren. Dass es dazu nicht kam, lässt darauf schließen, dass es solche Kosten nicht gab. Die Wohngeldrückstände des Miteigentümers I waren indes bekannt und dürften der Höhe nach über die Hausverwaltung leicht zu ermitteln gewesen sein; es hätte nahegelegen, sie aufzuführen.

b.

Allerdings geht es vorliegend nur in Höhe eines Teilbetrags von 1.022,40 € um rückständiges Wohngeld des Eigentümers H I, nämlich dasjenige für den Zeitraum 1.1.2006 bis 12.3.2006 (siehe die Forderungsaufstellung, welche die Beklagte als Anlage zur Klageerwiderung vorgelegt hat, Bl. 38 GA). Der restliche streitige Betrag von 4.029,25 € ist das Ergebnis der Verwaltungsabrechnung vom 28.2.2006 betreffend Herrn I (Bl. 20 GA). In dieser sind Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft in Höhe von 3.319,52 € ausgewiesen, mit denen Außenstände gegenüber Dritten gemeint sein könnten. Doch fehlt es auch insoweit an einem Ausgleichsanspruch der Beklagten gegen die Klägerinnen. Diese Außenstände sind nämlich nicht aus dem hinterlegten Betrag beglichen worden, wie es der Vertrag vorsieht; von den hinterlegten 15.000 € hat die Beklagte 9.000 € freigegeben; die restlichen 6.000 € nebst Zinsen befinden sich noch auf dem Konto. Selbst wenn man den Vertrag dahin auslegt, dass die Beklagte einen Ausgleichsanspruch auch dann hätte, wenn sie bei der Begleichung von Außenständen aus eigenen Mitteln in Vorlage getreten wäre, also ohne eine Verfügung vom Und-Konto - gemeinsam mit den Klägerinnen - vorzunehmen, so ergäbe sich nichts anderes. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte solche Leistungen auf Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft erbracht hätte. Ihr Prozessbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung vom 5.5.2009 auf diesbezügliche Nachfrage des Senats erklärt, wenn es hierzu etwas vorzutragen gäbe, so hätte er es vorgetragen (insoweit nicht protokolliert).

c.

Auf den im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bonn geschlossenen Vergleich kommt es nicht an. Streitgegenstand in jenem Verfahren waren überzahlte Nebenkosten aus dem vormaligen Mietverhältnis der Parteien. Zwar ging der Regelungsgegenstand des Vergleichs hierüber hinaus und betraf auch Hausgeld und Grundbesitzabgaben. Damit sind jedoch Beträge gemeint, welche die Wohnung der Beklagten betreffen; für den vorliegenden Rechtsstreit wären aber allenfalls Positionen von Belang, die sich auf die Wohnung des ehemaligen Miteigentümers I beziehen. Zudem sind diese Beträge in Ziffer 5. des Vergleichs nicht endgültig abgerechnet worden, sondern es bestand lediglich Einigkeit, dass sie in eine noch zu erstellende Abrechnung einfließen müssen.

2.

Die Widerklage ist hingegen unbegründet. Die Beklagte hat gegen die Klägerinnen keinen Anspruch auf Freigabe eines Teilbetrags des Guthabens zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dies gilt auch hinsichtlich der 298,63 €, auf deren Erhalt die Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem oben Gesagten einen Anspruch hat, weil es sich um die rückständige Instandhaltungsrücklage des Eigentümers H I handelt. Denn die Freigabe dieses Betrags haben die Klägerinnen bereits mit der Klageschrift erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Ein Rechtsmittel findet mit Rücksicht auf den Beschwerdewert, der 20.000 € nicht übersteigt, unzweifelhaft nicht statt, § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 6.000 €

Der Hilfsantrag erhöht den Streitwert nicht, da über ihn keine Entscheidung ergangen ist, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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