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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: 3 U 145/99
Rechtsgebiete: BGB, BWaStrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 31
BGB § 89
BGB § 276
BWaStrG § 8
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 145/99 BSch 4 C 2/99 BSch MO AG - Moselschifffahrtsgerichts - St. Goar

Anlage zum Protokoll vom 30. Juni 2000

Verkündet am 30. Juni 2000

Lech, JS z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Moselschifffahrtssache

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln - Moselschifffahrtsobergericht - auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Caesar sowie den Richter am Oberlandesgericht Blank

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. August 1999 verkündete Urteil des Moselschiffahrtsgerichts St. Goar - 4 C 2/99 BSch Mo AG St. Goar - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahren trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 31, 89, 276 BGB wegen schuldhafter Verletzung der ihr für den Schiffsverkehr auf der Mosel obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu.

Zur Überzeugung des Senates hat die Beklagte die ihr gemäß Art. 87, 89 GG, § 8 BWaStrG obliegende Verkehrssicherungspflicht für den durchgehenden Schiffsverkehr nicht verletzt.

Der Senat verkennt nicht, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Beklagte, soweit sie den Schiffsverkehr auf der Mosel eröffnet und anderen überlässt, unabhängig von den ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten gehalten ist, den für den durchgehenden Schiffsverkehr zur Verfügung gestellten Verkehrsweg im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, dass dieser die für die zugelassene Schifffahrt erforderliche Breite und Tiefe besitzt, dass er frei von Hindernissen und, soweit erforderlich, genügend gekennzeichnet ist (vgl. im einzelnen hierzu BGHZ 37, 69 ff.). Da die lebendige Kraft des strömenden Wassers das Strombett ständigen Veränderungen unterwirft, ein ordnungsgemäßer Schiffsverkehr aber möglichst stabile und sichere Verhältnisse voraussetzt, muss durch Stromregulierung und Baggerung eine Fahrrinne von bestimmter Breite und Tiefe geschaffen und erhalten werden, die das Rückgrat des durchgehenden Schiffsverkehrs bildet.

Eine solche Fahrrinne existiert nach den getroffenen Feststellungen an der Unfallstelle. In dieser Fahrrinne hat sich der Unfall jedoch nicht ereignet. Vielmehr fand das Unfallereignis außerhalb der Fahrrinne im Fahrwasser der Mosel zwischen Kilometer .... und .... bei Bergfahrt des Klägers ca. 30 Meter vom linken Moselufer entfernt, statt. Die Fahrrinne der an der Unfallstelle ca. 128 Meter breiten Mosel verläuft an der Unfallstelle ca. 54 Meter vom rechten Ufer entfernt bis ca. 30 Meter vom linken Ufer entfernt. Sie ist dort 49 Meter breit. Gemäß den eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2000 (Bl. 117 GA) herrschte am Unfalltag extremes Niedrigwasser.

Der Beklagten kann aber nicht vorgeworfen werden, sie habe außerhalb der unstreitig ausreichend gesicherten vorhandenen Fahrrinne ihre Verkehrssicherungspflicht deswegen verletzt, weil sie auf die an der Unfallstelle vorhandene Untiefe im Fahrwasser der Mosel nicht genügend hingewiesen habe.

Je nach den örtlichen Verhältnissen kann selbstverständlich das Strombett bei entsprechendem Wasserstand auch außerhalb der Fahrrinne eine Tiefe aufweisen, die es nach nautischen Grundsätzen unter Umständen erlaubt, d. h. aufgrund der Stromkenntnis, von der durchgehenden Schifffahrt benutzt zu werden, und von ihr auch benutzt wird. Hieraus ergibt sich der Begriff des Fahrwassers der durchgehenden Schifffahrt als der nach dem jeweiligen Wasserstand für die durchgehende Schifffahrt bestimmte Teil des Stromes.

Auch dieses Fahrwasser und nicht nur die Fahrrinne ist Gegenstand der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Allerdings obliegt der Beklagten im Bereich des Fahrwassers nicht die gleiche strenge Sicherungspflicht wie im Bereich der Fahrrinne. Im Bereich der Fahrrinne muss die Beklagte den natürlichen Veränderungen, denen das Strombett, insbesondere die Stromsohle ständig, unterworfen ist, entgegentreten. Diesen Bereich muss die Beklagte turnusgemäß prüfen und je nach dem Ereignis dieser Prüfung das Strombett ausbaggern oder Hindernisse beseitigen oder, solange eine Beseitigung nicht möglich ist, kennzeichnen. Besondere Aufmerksamkeit wird die Beklagte der Kennzeichnung der Fahrrinne an Gefahrenstellen zuzuwenden haben, was die Prüfung in sich schließt, inwieweit die Fahrrinne durch Zeichen an Land kenntlich gemacht werden kann, soweit die Auslegung von Zeichen im Wasser untunlich ist.

Das die Beklagte gegen diese Sicherungspflichten bezüglich der Fahrrinne verstoßen hätte, wird seitens des Klägers nicht geltend gemacht. Insbesondere beruft sich der Kläger nicht darauf, dass die Grenze zwischen Fahrrinne und Fahrwasser nicht hätte erkannt werden können. Vielmehr ist der Kläger - aus welchen Gründen auch immer - bewusst außerhalb der Fahrrinne gefahren.

Was aber den Bereich des übrigen Fahrwassers außerhalb der ausgebauten Fahrrinne anbelangt, ist die Beklagte zu solchen regelmäßigen Prüfungen und Sicherungen nicht verpflichtet. Ihre Pflicht beschränkt sich in der Regel darauf, neue Hindernisse, die entstehen, seien es natürliche oder künstliche, zu kennzeichnen, sobald sie bekannt werden. Sie kann insbesondere durch das Verhalten der Schifffahrt nicht gezwungen werden, die Fahrrinne zu verbreitern oder noch mehr zu vertiefen. Wenn die Schifffahrt riskante Kurse fährt, die mit der nautischen Pflicht eines sorgfältigen Schiffers nicht zu vereinbaren sind, ist die Beklagte auch im Zeichen des zunehmenden Verkehrs nicht gezwungen, dem Rechnung zu tragen. Ein Schifffahrtsbrauch, der den Grundsatz, Sicherheit geht vor Schnelligkeit, missachtet, stellt sich als Missbrauch dar und braucht keine Maßnahmen der Beklagten im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht auszulösen. Dies gilt insbesondere, wenn außerhalb der Fahrrinne Kurse gefahren werden, die unter Berücksichtigung von Wasserstand und Abladung nicht jeden Zweifel hinsichtlich der Gefahr einer Grundberührung ausschließen. Eine Verschätzung in dieser Richtung geht ausschließlich zu Lasten der Schifffahrt (vgl. BGHZ, a. a. O., 72, 73). Lässt es ein Wasserstand zu, außerhalb der Fahrrinne zu fahren, so kommt es für die Frage, inwieweit das Strombett des Fahrwassers zur Verfügung steht und ein Befahren sich mit den nautischen Grundsätzen vereinbaren lässt, in erster Linie auf den Tiefgang des Fahrzeuges an. Zwar lässt sich das mit den Stromverhältnissen für die Schifffahrt verbundene Risiko auch innerhalb der Fahrrinne bei Anwendung der für die Verkehrssicherheit erforderlichen Sorgfalt nicht vollständig vermeiden. Außerhalb der ausgebauten Fahrrinne ist aber dieses Risiko schon deshalb größer, weil hier die Schifffahrt nicht ohne weiteres mit einer Mindesttiefe, die jeweils dem Wasserstand entspricht, rechnen kann. Sie muss sich hier auf die in vielen Jahren auf dem jeweiligen Strom gewonnenen Erfahrungen stützen und bei der Frage des Tiefganges einen erheblichen Sicherheitsfaktor einrechnen, da ständige Veränderungen unterliegende Unebenheiten des Strombettes naturgegeben sind.

Die vorgefundene Gefahrenstelle bestand bereits seit längerer Zeit. Sie kann als ein fester natürlicher Bestandteil des rauen Grundes - unabhängig davon, ob sich hier ursprünglich eine Buhne befand - angesehen werden. Das Hindernis lag außerhalb der Fahrrinne. Der extrem niedrige Wasserstand, wie er vom Kläger selbst erkannt wurde, ließ gerade ein Befahren der Mosel außerhalb der eigentlichen Fahrrinne ohne erhebliches Risiko nicht zu. Dass die Yacht des Klägers außerhalb der Fahrrinne auf Grund gekommen ist, zeigt gerade, dass sie sich unter Berücksichtigung des damaligen Wasserstandes außerhalb des für sie maßgebenden Fahrwasser bewegte. Es oblag dem Kläger, bewegte er sich außerhalb der eigentlichen Fahrrinne, den von ihm befahrenen Wasserbereich auf Geeignetheit des Befahrens sorgfältig zu überprüfen, um Unfälle zu vermeiden. Ließ er solche Maßnahmen außer Acht oder waren die getroffenen Maßnahmen nicht geeignet, rechtzeitig bestehende Untiefen zu erkennen, so handelte er auf eigenes Risiko.

Dass der Kläger sich dieses Risikos bewusst war, zeigt gerade der Umstand, dass er - wie er in der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2000 erklärt hat - mit dem Echolot die Fahrtiefe maß. Die getroffene Maßnahme war offensichtlich nicht geeignet, für ihn schnell auftretende Hindernisse zu erkennen. Somit hätte sich der Unfall nicht ereignet.

Gerade im Hinblick auf das extreme Niedrigwasser musste sich der Kläger des eingegangenen erhöhten Unfallrisikos bewusst sein. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass der befahrene Bereich ausreichend tief ist.

Auch der Umstand, dass es an der Unfallstelle schon häufiger zu Grundberührungen gekommen sein soll, rechtfertigt keine Kennzeichnungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist gerade die Höhe des Wasserstandes, die die Möglichkeit eröffnet, den Bereich außerhalb der Fahrrinne als Fahrwasser zu benutzen. Dieser Bereich verändert sich somit ständig. Eine Kennzeichnungspflicht könnte allenfalls dann ins Auge gefasst werden, wenn zu keiner Zeit die zum Unfallzeitpunkt bestehende Gefahrenstelle befahrbar gewesen wäre, obwohl grundsätzlich dieser Bereich als Fahrwasser - unabhängig vom Wasserstand - zur Verfügung stand. Dass es sich vorliegend aber um ein ganz überraschendes, nicht zu erwartendes Hindernis handelte, ist nicht erkennbar. Gerade die Tatsache des extrem niedrigen Wasserstandes und die verhältnismäßig geringe Grundberührung der unfallgeschädigten Yacht lässt darauf schließen, dass bei Normalwasserstand die Unfallstelle problemlos hätte befahren werden können. Gegenteiliges wird jedenfalls seitens des Klägers nicht vorgetragen.

Damit liegt aber nach Auffassung des Senates die typische Risikolage vor, wonach der Schiffsführer in eigener Entscheidungsverantwortung zu prüfen hat, ob die befahrene Route bei dem konkret gegebene Wasserstand gefahrlos zu befahren ist. Fehleinschätzungen gehen zu seinen Lasten.

Kann aber eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten nicht festgestellt werden, ist die Klage vom Moselschifffahrtsgericht zu Recht abgewiesen worden mit der Folge, dass die Berufung des Klägers zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 4.847,64 DM.

Ende der Entscheidung

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