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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.01.2001
Aktenzeichen: 3 U 156/00 BSch
Rechtsgebiete: BinSchG, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, ZPO


Vorschriften:

BinSchG § 3
BinSchG § 92 ff.
BinSchG § 114
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung § 6.30 Nr. 3
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung § 1.04
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung § 6.31
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 156/00 BSch 5 C 33/99 BSch Rhein-Schifffahrtsgericht AG Duisburg-Ruhrort

Anlage zum Protokoll vom 23. Januar 2001

Verkündet am 23. Januar 2001

Meusel, JOS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Rheinschifffahrtsobergericht durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Caesar und den Richter am Oberlandesgericht Blank auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. Juli 2000 verkündete Grundurteil des Rhein-schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 5 C 33/99 BSch - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien bleibt nachgelassen, eventuell zu erbringende Sicherheitsleistungen auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank, Volks- oder Raiffeisenbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des TMS "L.", dem Beklagten gehört das MS "R.".

Am 17. Januar 1999 befand sich das TMS "L." beladen mit 1.304 ts Propylen auf dem Rhein in der Talfahrt von K. nach L.. Gegen 5.00 Uhr näherte sich das Schiff, geführt von dem Zeugen S. rechtsrheinisch fahrend Rheinkilometer ..., der späteren Unfallstelle. Es war Nebel aufgezogen. Der Zeuge S. fuhr nach Radar. Entgegen kam linksrheinisch in der Bergfahrt das MS "R.", beladen mit 650 ts Stahlblechen und geführt von dem Lotsen H.. MS "R." verfügte nicht über ein Radargerät, so dass der Zeuge H. auf Sicht fuhr. Bei Rheinkilometer ... in Höhe einer dort auf der linksrheinischen Seite befindlichen grünen Tonne kam es zur Kollision der beiden Schiffe. Der Beklagte hat sein Schiff in Kenntnis der gegen ihn gerichteten Ansprüche zu weiteren Reisen ausgesandt.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz aus diesem Unfall.

Sie hat die Ansicht vertreten, MS "R." habe bei aufziehendem Nebel die Fahrt nicht rechtzeitig eingestellt. Im Nebel habe - so die Behauptung der Klägerin - die Schiffsführung von MS "R." die Orientierung verloren und sei mit Backbordkurs in das Fahrwasser der Talfahrt geraten.

Nach Auffassung der Klägerin sei ihrerseits die Abgabe eines Dreitonsignals nicht erforderlich gewesen, denn wegen der gegenseitigen Funkdurchsagen habe die Schiffsführung von MS "R.", so die Behauptung der Klägerin, gewusst, dass ein Gegenfahrer vorhanden sei. TMS "L." habe nicht die Möglichkeit gehabt, die Kollision durch Ausweichen oder durch Einstellen der Fahrt zu verhindern.

Die Klägerin hat behauptet, durch den Unfall sei ihr ein Schaden in Höhe von 188.511,80 DM entstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten dinglich haftend mit dem MS "R." und außerdem persönlich haftend zu verurteilen, an sie 188.511,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Mai 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung gewesen, für MS "R." sei der Antritt und die Durchführung der Fahrt zulässig gewesen, weil das Wetter klar gewesen sei. Die Schiffsführung von MS "R." - so die Behauptung des Beklagten - habe die Fahrt sofort eingestellt, als das Wetter unsichtig geworden sei. MS "R." habe wegen aufkommenden Nebels vor Anker gehen wollen und sei in Höhe der grünen Tonne bei Kilometer ... praktisch ständig geworden. Entgegen der eindeutigen Kursabsprache einer Begegnung Backbord an Backbord sei TMS "L." in den Kurs der Bergfahrt gekommen und gegen das gestreckt auf seiner linksrheinischen Seite liegende MS "R." gefahren.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass TMS "L." des weiteren anzulasten sei, dass kein Dreitonsignal abgegeben worden und die gefahrene Geschwindigkeit nicht ausreichend verringert worden sei. Das Dreitonsignal sei nicht wegen geführter Funkgespräche entbehrlich gewesen; denn Funkgespräche hätten sich überdeckt.

Durch Urteil vom 10. Juli 2000 hat das Rhein-schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort die Klage der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zweifelsfrei feststehe, dass sich der Unfall deswegen ereignet habe, weil MS "R." im Nebel verfallen und dadurch mit dem Bug in den Kurs des rechtsrheinisch zu Tal fahrenden TMS "L." geraten sei. Ein Mitverschulden könne der Schiffsführung des TMS "L." nicht angelastet werden. Fest stehe zwar, dass TMS "L." ein Dreitonzeichen vor der Kollision nicht abgegeben habe. Dieser Verstoß gegen § 6.32 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung sei aber jedenfalls nicht unfallursächlich geworden.

Wegen der näheren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf den Inhalt des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 10. Juli 2000 - 5 C 33/99 BSch -(Bl. 52 - 58 GA) verwiesen.

Gegen dieses Urteil, welches dem Beklagten am 17. Juli 2000 (Bl. 60 GA) zugestellt worden ist, hat er mit bei Gericht am 16. August 2000 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt. Die Berufung ist mit Schriftsatz vom 18. September 2000 - eingegangen bei Gericht am gleichen Tage (einem Montag) - begründet worden.

Der Beklagte wiederholt und vertieft in der Berufung sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt insbesondere die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichtes. Er meint, nach Durchführung der Beweisaufnahme habe sich ergeben, dass das klägerische Schiff "Mitte Strom zu Tal" gefahren sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das TMS "L." nahe dem rechtsrheinischen Ufer gefahren sei. Allenfalls habe es - so die Behauptung des Beklagten - Kurs auf rechtsrheinisch genommen.

Außerdem, so ist der Beklagte der Auffassung, sei dem Schiffsführer des klägerischen Schiffes vorzuwerfen, dass er trotz des Nebels mit unverminderter Geschwindigkeit gefahren sei. Diese habe, so behauptet der Beklagte, deutlich höher als 15 km/h, nämlich jedenfalls 25 km/h betragen.

Der Beklagte meint, dass der Klägerin ein hälftiges Mitverschulden anzulasten sei. Dies gelte um so mehr, als die Schiffsführung des TMS "L." es unterlasse habe, das erforderliche Dreitonsignal zu geben.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit das Urteil die Klage zu mehr als 1/2 für gerechtfertigt erklärt hat.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertritt weiter die Auffassung, dass sie alles getan habe, um den Unfall zu vermeiden.

Sie behauptet, die Nichtabgabe des Dreitonsignales sei nicht schadensursächlich geworden. Als ihre Schiffsführung die im Nebel verfallene MS "R." erkannt habe, sei bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 15 km/h ein Anhalten nicht mehr möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes - insbesondere wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme - wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Partei gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der beigezogenen Verklarungsakte 5 II 2/99 Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Rhein-Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß §§ 3, 92 ff., 114 Binnenschifffahrtsgesetz, § 6.30 Nr. 3 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung dem Grunde nach in vollem Umfang bejaht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Schiffsführer des MS "R." die Kollision mit dem TMS "L." allein verschuldet hat. Die gegen die amtsgerichtliche Beweiswürdigung gerichteten Einwendungen des Beklagten sind zur Überzeugung des Senates nicht stichhaltig.

Der Senat schließt sich der eingehenden und überzeugenden Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichtes an, welches insbesondere auch die beigezogene Verklarungsakte im Wege des Urkundsbeweises umfassend ausgewertet hat. Danach ist entscheidend davon auszugehen, dass das nicht radarausgerüstete MS "R." bei auftretendem starken Nebel nicht sofort angehalten hat, sondern die Fahrt zunächst fortsetzte. Als MS "R." nach Backbord in den Kurs des talfahrenden klägerischen Schiffes verfiel, konnte dieses nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden, wobei von einer gefahrenen Geschwindigkeit des klägerischen Schiffes von 15 km/h auszugehen ist.

Der als bewiesen angesehene Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus der Aussage des Zeugen He.. Dieser Aussage kommt besonders Gewicht zu, weil es sich um einen unbeteiligten Zeugen handelt, der zudem das Geschehen aus einer guten Beobachtungsposition und aufmerksam verfolgte. Der Zeuge He. war Lotse auf dem TMS "H.". TMS "H." befand sich wie MS "R." in der Bergfahrt und fuhr unmittelbar hinter MS "R.". Der Zeuge He. beobachtete den Unfall auf seinem Radargerät. Er hat mit Bestimmtheit bekundet, dass die Schiffsführer der beiden unfallbeteiligten Schiffe zunächst eine Begegnung Backbord an Backbord abgesprochen hatten, dass die Kurse der beiden Schiffe zunächst auch entsprechend lagen und dass schließlich der Bug von MS "R." nach Backbord, in den Kurs der Talfahrt verfallen ist. Weiter hat der Zeuge mit Bestimmtheit ausgesagt, dass TMS "L." in dem Moment, als MS "R." verfiel, keine Möglichkeit mehr hatte, die Kollision zu vermeiden, weil die Entfernung der beiden Schiffe zu gering war. Der Zeuge schätzte die Entfernung auf nur noch ca. 200 m. Bestätigt wurde diese Darstellung des Geschehens durch die Zeugen S. und B., beides Schiffsführer auf TMS "L.". Der gegenteiligen Aussage des Beklagten im Verklarungsverfahren, im Moment der Kollision habe MS "R." gestreckt linksrheinisch im Strom gelegen, kann, so die Überzeugung des Senates, demgegenüber nicht gefolgt werden. Dies gilt um so mehr, weil der Beklagte dies im wesentlichen nur aus einem Funkgespräch ableitete, welches sein Lotse H. mit der Schiffsführung von TMS "H." geführt hatte.

Das Beweisergebnis wird schließlich auch nicht in Zweifel gezogen durch die Aussage des Zeugen H., auch wenn dieser nach seiner Darstellung bis zum Zeitpunkt der Kollision der Auffassung war, dass MS "R." korrekt und gestreckt im Strom lag. Denn der Zeuge räumte bei seiner Vernehmung ein, dass er "kurzzeitig die Orientierung verloren" hatte. Im Ergebnis beruhte die Auffassung des Zeugen H. nicht auf sicheren eigenen Feststellungen sondern nur darauf, dass die Schiffsführung von TMS "H." ihm vorher gesagt hatte, er liege gestreckt und gut und dass dies im weiteren angeblich nicht korrigiert worden war. Tatsächlich aber hatten sowohl der Schiffsführer des TMS "L." als auch der Zeuge He. von TMS "H." die Schiffsführung von MS "R." aufgefordert, den Kurs nach Steuerbord auszurichten, weil MS "R." gerade nicht mehr gestreckt im Strom lag. Es kann dahinstehen, ob diese beiden Funksprüche sich überlagert und deshalb für den Zeugen H. nicht hörbar waren. Jedenfalls steht fest, dass MS "R." nach Backbord verfallen war und dadurch die Kollision verursacht hat.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wird seitens des Beklagten bezüglich des "Verfalls nach Backbord" wohl nicht mehr angegriffen. Vielmehr macht der Beklagte mit der Berufung geltend, dass die Schiffsführung von TMS "L." auch Fahrfehler begangen habe, was zu einer Mithaftung führen müsse.

Dieser Auffassung des Beklagten folgt der Senat jedoch nicht. Die Schiffsführung des klägerischen Schiffes trifft kein Mitverschulden an dem Unfall. Diese durfte vielmehr darauf vertrauen, das der Schiffsführer des MS "R." den abgesprochenen Kurs beibehielt bzw. bei zu starkem Nebel die Fahrt einstellte. Das entband zwar den Schiffsführer des TMS "L." als Radartalfahrer nicht generell von der Pflicht, auch seinerseits alles zu tun, um Kollisionen mit Gegenkommern zu vermeiden (vgl. hierzu BGH, VersR 1974, 188). Dieser musste, soweit erforderlich, die Geschwindigkeit vermindern und, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen, sobald Standort oder Kurs des Gegenkommers eine Gefahrenlage verursachen konnten. Dabei ist unter Kurs nicht lediglich die Lage und Fahrtrichtung des Gegenkommers bei seiner Wahrnehmung auf dem Radarschirm zu verstehen. Vielmehr ist auch zu beachten, welchen Weg dieser voraussichtlich nehmen wird. Deshalb kann der Talfahrer dort, wo die Bergfahrt wegen der Fahrwasserverhältnisse einen Übergang zu machen pflegt, erst dann sicher sein, dass ein Gegenkommer z. B. einen Uferwechsel unterlässt, wenn es zwischen ihnen - sei es durch Schallzeichen oder auf andere Weise - zu einer Verständigung gekommen ist oder sich aus sonstigen Umständen eindeutig ergibt, dass der Gegenkommer auf der bisher eingehaltenen Seite bleiben wird. Stets muss der Radartalfahrer auch im Auge haben, dass Fahrzeuge, die sich nicht über Sprechfunk melden, möglicherweise ohne Radar fahren und dass die Wahrnehmbarkeit des Dreitonzeichens beeinträchtigt sein kann (vgl. hierzu BGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich ein Mitverschulden der Klägerin bzw. deren Schiffsführung nach Auffassung des Senates nicht rechtfertigen. Zwischen der jeweiligen Schiffsführung der unfallbeteiligten Schiffe war der Begegnungskurs abgesprochen. Die Schiffsführung des TMS "L." brauchte danach mit einem Kurswechsel bzw. Verfallen des MS "R." nicht zu rechnen, so dass die eingehaltene Fahrweise den besonderen Witterungsverhältnissen in ausreichendem Maße Rechnung trug.

Dabei ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon auszugehen, dass das TMS "L." allenfalls mit einer Geschwindigkeit von 15 km/h und damit angemessen gefahren ist. Die gegenteilige Behauptung des Beklagten ist in keiner Weise belegt und stellt eine reine Vermutung dar, so dass der glaubhaften Aussage des Zeugen S. im Verklarungsverfahren zu folgen war.

Auch kann dem talfahrenden Schiffsführer nicht vorgeworfen werden, dass er zu weit "Strommitte" gefahren ist. Auch hier ergibt sich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, dass der Schiffsführer S. nahe dem rechten Rheinufer fuhr. Entscheidender Fehler war vielmehr auf Beklagtenseite, dass das nicht mit Radar ausgerüstete bergfahrende Schiff bei auftretendem Nebel nicht rechtzeitig die Fahrt einstellte und in unsichtigem Wetter verfiel. Der Schiffsführer war frühzeitig gewarnt. Es herrschte in jenem Abschnitt am Unfallmorgen nebliges Wetter. Mit Nebelbänken war jederzeit zu rechnen. Die Wetterverhältnisse waren insbesondere auch Gegenstand des Funkverkehrs. Nicht ein falscher Kurs des klägerischen Schiffes, sondern der Fahrfehler des Schiffsführers des beklagten Schiffes, der kurzzeitig die Orientierung verloren hatte, führte zu der Kollision.

Auch der Umstand, dass klägerseits das Dreitonsignal nicht gegeben wurde, führt nicht zu einem Mitverschulden der Klägerin. Die Abgabe des Dreitonsignals war - wie das Rhein-schifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht schadensursächlich. Über Funkverkehr war dem Schiffsführer des Beklagten H. bekannt, dass sich das klägerische Schiff in Talfahrt näherte. Als das Beklagtenschiff verfiel, war das klägerische Schiff schon so nahe heran, dass der Unfall nicht mehr zu vermeiden war. Zu diesem Zeitpunkt war die Abgabe des Dreitonsignales zur Warnung unsinnig geworden.

Im Gegenteil war eher die Schiffsführung des MS "R." gemäß § 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung gehalten selbst Signalzeichen zu geben (vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtsverordnung, 3. Auflage 1996, § 6.31 Rn. 1 ff.; Rn. 3). Fahrzeuge, die wegen unsichtigen Wetters im Fahrwasser oder in dessen Nähe oder außerhalb von Häfen und Liegeplätzen stilliegen oder zum Stillliegen kommen, bilden für die durchgehende Schifffahrt, die durch das unsichtige Wetter nicht behindert ist, eine potenzielle Gefahr. Es ist deshalb eine gesteigerte Sorgfalt geboten, damit nicht Signale anderer Fahrzeuge überhört werden. Bei besonders ungünstigen Liegestellen im Fahrwasser sind gesteigerte Vorsichtsmaßnahmen geboten.

§ 6.31 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung regelt heute nur noch den Fall, in dem ein Stillieger bei unsichtigem Wetter zur Abgabe von Schallzeichen verpflichtet ist. Schallzeichen nach Nr. 1 dieser Vorschrift müssen gegeben werden, sobald und solange die Schallzeichen eines in Fahrt befindlichen Fahrzeuges vernommen werden. Ob die zum Hinweis auf die eigene Liegestelle vorgeschriebenen Schallzeichen auch gegeben werden sollen, ohne dass zuvor das Nebelzeichen eines in Fahrt befindlichen Fahrzeugs wahrgenommen ist, besagt die Verordnung nicht. Aus der allgemeinen Sorgfaltpflicht des § 1.04 muss eine solche Verpflichtung aber entnommen werden, wenn mit dem Herankommen von Fahrzeugen zu rechnen ist.

Ob die Verpflichtung zur Abgabe eines Tonsignals für die Schiffsführung des MS "R." bestand, kann letztlich aber dahinstehen, da eine mögliche Pflichtverletzung nicht schadensursächlich war. Der Kurs von MS R." war bekannt und als das Schiff in den Kurs von TMS "L." verfiel, was dessen Schiffsführung über Radar erkannt hatte, war es zur Abwendung der Kollision bereits zu spät.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass der Schiffsführung von MS "R." ein Verschulden an dem Verfallen des Schiffes anzulasten ist. Dem Beklagten ist dieses Verschulden gemäß § 3 Binnenschifffahrtsgesetz zuzurechnen, das Verschulden des Zeugen H. folgt daraus, dass er gegen § 6.30 Nr. 3 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung die Fahrt bei aufziehendem Nebel nicht so rechtzeitig eingestellt und MS "R." nicht so rechtzeitig durch Setzen des Ankers gesichert hat, dass das Schiff nicht verfallen konnte. Bei voraussehbarer Sichtbehinderung musste die Fahrt so rechtzeitig eingestellt werden, dass das Ankerwerfen beendet war, solange die Sicht noch ausreichte (vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Auflage, § 6.30 Rn. 14 m. w. N.). Gegen den, der erst zu einem Zeitpunkt seine Fahrt einstellt, zu dem das rechtzeitige Ankerwerfen nicht mehr möglich ist, spricht der Anscheinsbeweis, dass sein objektiv fehlerhaftes Verhalten auch schuldhaft ist (vgl. Bemm/von Waldstein a. a. O. Rn. 24 m. w. N.). Diesen Anscheinsbeweis hat der Beklagte nicht entkräftet. Im Gegenteil kann nach der auch zu diesem Punkt entscheidenden Aussage des Zeugen He. festgestellt werden, dass MS "R." bei aufziehendem Nebel zunächst noch weitergefahren ist, bevor das Schiff dann in Höhe der grünen Tonne bei Rheinkilometer ... weitgehend stillag und dort vor Anker gehen wollte. Der Zeuge He. hat nachvollziehbar und - wie ausgeführt - aufmerksam aus guter Beobachtungsposition bekundet, dass das rote Hecklicht von MS "R." etwa 500 m von dieser grünen Tonne im Nebel verschwunden war; sodann habe MS "R." ihre Geschwindigkeit verlangsamt. MS "R." hat nach dieser Aussage im Nebel noch ca. 500 m zurückgelegt, anstatt unverzüglich die Fahrt einzustellen und das Schiff durch Ankersetzen zu sichern. Dazu bestand dringend Veranlassung, weil dichter Nebel aufzog und für die Schiffsführung von MS "R." die dringende Gefahr bestand, die Orientierung im Nebel zu verlieren, was dann tatsächlich auch geschah. Der Zeuge H. konnte und durfte sich nicht darauf verlassen, die Schiffsführung von TMS "H." werde ihm schon bei der Orientierung behilflich sein.

Dagegen ist ein möglicher Anscheinsbeweis für ein (Mit)Verschulden der Klägerin wegen des Nichtsetzens des Dreitonsignales durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Wie oben ausgeführt konnte die Schiffsführung von TMS "L." davon ausgehen, dass die Schiffsführung von MS "R." ihren Kurs gemäß der Funkabsprache beibehielt bzw. bei sich verdichtendem Nebel die Fahrt einstellte. TMS "L." konnte daher die Fahrt mit der gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 15 km/h fortsetzen, ohne befürchten zu müssen, dass eine Kollision drohte. Als die Schiffsführung von TMS "L." schließlich die Gefahrenlage erkannte, war es zu spät, um die Kollision zu verhindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus §§ 708 Nr. 10, 709 ZPO.

Streitwert und Beschwer des Beklagten: 94.255,90 DM.

Ende der Entscheidung

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