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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: 3 U 191/05
Rechtsgebiete: HOAI, BGB


Vorschriften:

HOAI § 4
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 26.04.2005 (12 O 280/04) wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 5.064,44 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 30% und die Beklagten zu 70% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu 30% und die Klägerin zu 70% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs.2, 313a ZPO abgesehen)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat, soweit sie nach teilweiser Berufungsrücknahme noch zur Entscheidung steht, weit überwiegend Erfolg. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung restlichen Architektenhonorars, der den von den Beklagten zuletzt anerkannten und mit der Berufung nicht mehr angegriffenen Betrag in Höhe von 5.064,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2004 lediglich um 0,28 Euro zuzüglich entsprechender Zinsen übersteigt.

1.

Nach der in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2006 erklärten Teilberufungsrücknahme steht aufgrund des insoweit nicht mehr angefochtenen Urteils erster Instanz fest, dass die Klägerin von den Beklagten Zahlung noch ausstehenden Architektenhonorars in Höhe von 5.064,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2004 verlangen kann.

2.

Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin besteht nur in Höhe weiterer 0,28 Euro zuzüglich entsprechender Zinsen. Denn die Klägerin konnte von den Beklagten wegen Bindung an die von ihr unter dem 05.10.2001 erteilte Schlussrechnung lediglich noch 6.227,53 Euro verlangen; nach mit Schriftsatz vom 06.09.2004 erklärter Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen der Beklagten aus dem Verfahren 1 O 24/02 LG Aachen, die sich einschließlich Zinsen unstreitig auf 1.163,09 Euro belaufen, verbleibt daher lediglich noch der von den Beklagten zuletzt anerkannte Betrag zuzüglich weiterer 0,28 Euro, die sich im Zuge einer Nachberechnung des insoweit mit einem Rechenfehler behafteten Hinweisbeschlusses des Senats vom 23.05.2006 ergeben haben.

a.

Die Klägerin ist an ihre Schlussrechnung vom 05.10.2001 gebunden und hat deshalb Anspruch auf Architektenhonorar nur in Höhe von insgesamt 21.796,37 Euro (42.630 DM), so dass, nachdem unstreitig bereits 15.568,84 Euro (30.450 DM) gezahlt worden sind, zunächst noch ein offener Restbetrag in Höhe von 6.227,53 Euro verbleibt.

Die Klägerin ist an ihre auf der Grundlage der Pauschalhonorarvereinbarung erteilte Schlussrechnung vom 05.10.2001 gebunden. Die für eine Bindung des Architekten an seine Schlussrechnung erforderlichen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff.), der sich der Senat anschließt, ist ein Architekt an eine Schlussrechnung, mit der er die Mindestsätze unterschreitet, gebunden, wenn er mit der Schlussrechnung einen Vertrauenstatbestand begründet und der Auftraggeber sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat. Diese Grundsätze sind auf eine Honorarvereinbarung übertragbar, die deshalb unwirksam ist, weil die Mindestsätze in nicht zulässiger Weise unterschritten worden sind. Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, verhält sich der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und wenn er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. So liegt der Fall hier.

aa.

Die Klägerin verhält sich widersprüchlich, wenn sie nunmehr eine höhere Forderung geltend macht, als ursprünglich vereinbart. Hier kann offen bleiben, ob hinzutreten muss, dass dem Architekten das Abweichen von den Mindestsätzen der HOAI im Zeitpunkt der Vereinbarung bewusst gewesen ist (so etwa Vygen, in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6.Aufl. 2004, § 4 HOAI Rn94). Denn die Klägerin selbst hat im vorliegenden Verfahren darauf hingewiesen, dass die Abweichung der Pauschalhonorarvereinbarung von den Mindestsätzen aus ihrer Sicht offensichtlich war.

Umstände, die ein widersprüchliches Verhalten hier ausschließen, sind nicht ersichtlich. Widersprüchliches Verhalten entfällt allerdings, wenn der Architekt sich wegen nachträglicher Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse von einer Pauschalhonorarvereinbarung lösen will, wofür der Architekt darlegungs- und beweispflichtig ist (Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9.Aufl. 2005, § 4 HOAI Rn84). Hier sind zwar die Baukosten höher ausgefallen als ursprünglich veranschlagt; indes hat die Klägerin später auch noch in Kenntnis der gestiegenen Baukosten an der Pauschalhonorarvereinbarung festgehalten, indem sie ihre Schlussrechnung vom 5.10.2001 - eine solche liegt hier unzweifelhaft vor, da die Klägerin die Rechnung nicht nur ausdrücklich als Schlussrechnung bezeichnet hat, sondern mit ihr auch ihre Leistungen ersichtlich abschließend berechnen wollte, vgl. BGH, Urt. v. 05.11.1992, BGHZ 120, 133 ff. - auf deren Grundlage erstellt und auch im Verfahren LG Aachen 1 O 24/02, OLG Köln 3 U 168/02 nur das vereinbarte Pauschalhonorar geltend gemacht hat (vgl. zu einer gleich gelagerten Sachverhaltsgestaltung OLG Köln, Urt. v. 25.09.1998, NJW-RR 1999, 1109 ff.).

bb.

Die Beklagten haben auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertraut.

Hier spricht schon die Lebenserfahrung dafür, dass die Beklagten auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung tatsächlich vertraut haben (OLG Hamm, Urt. v. 16.01.1998, NJW-RR 1998, 811 ff.; ebenso LG Bonn, Urt. v. 02.12.2003, BauR 2004, 1199, dort nur LS). Zudem haben die Beklagten Förderanträge vorgelegt, in denen Baunebenkosten mit 10% angegeben sind; das entspricht der Höhe der Architektenkosten auf der Grundlage der Pauschalhonorarvereinbarung und zeigt, dass die Beklagten hier tatsächlich in den Bestand der Pauschalpreishonorarvereinbarung vertraut haben. Umstände, die gegen dieses Vertrauen sprechen und geeignet wären, den nach der Lebenserfahrung zu bejahenden Anscheinsbeweis zu erschüttern, hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin (vgl. Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, aaO. § 4 HOAI Rn84) nicht dargetan. Soweit die Klägerin auf die aus ihrer Sicht offensichtliche Abweichung hinsichtlich des im Vertrag ausdrücklich enthaltenen Verzichts auf den Umbauzuschlag verweist, ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Bedeutung des Verzichts auf den Umbauzuschlag den Beklagten bekannt gewesen wäre.

cc.

Die Beklagten durften auch auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertrauen. Grundsätzlich darf in die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Pauschalhonorars vertraut werden; nicht vertrauen darf allerdings, wer den Mindestpreischarakter der HOAI kennt (vgl. Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, aaO. § 4 HOAI Rn84). Dass das bei den Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses der Pauschalhonorarvereinbarung bzw. zur Zeit des "Einrichtens" (dazu s.u.) der Fall gewesen ist, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Der Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Beklagten steht die Rüge mangelnder Fälligkeit im Vorprozess entgegen der Ansicht der Klägerin hier nicht entgegen. Denn diese erfolgte erst, nachdem sich die Beklagten bereits auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung eingerichtet (dazu s.u.) hatten. Entscheidend ist alleine, ob sich der Auftraggeber auf die unwirksame Vereinbarung eingerichtet hatte; eines zusätzlichen Einrichtens auf die Schlussrechnung, das hier in der Tat angesichts des alsbald nach Erteilung der Schlussrechnung erfolgten Hinweises der Beklagten auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung im Vorprozess nicht anzunehmen sein dürfte, bedarf es hingegen nicht (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff.; KG, Urt. v. 10.07.1998, KGR 1998, 352 f.; OLG Köln, Urt. v. 25.09.1998, NJW-RR 1999, 1109 ff.; vgl. auch Koeble, Anm. zu BGH, Urt. v. 22.05.1997, LM HOAI Nr.35). Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, namentlich auf das Urteil vom 05.11.1992, Az. VII ZR 52/91, BGHZ 120, 133 ff., beruft, ist diese hier nicht einschlägig; in dem dort entschiedenen Fall fehlte es anders als im vorliegenden Fall an einer entsprechenden (unwirksamen) Pauschalpreisvereinbarung und an einem "Einrichten" des Auftraggebers auf deren Maßgeblichkeit. Mit seinem Urteil vom 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff., hat der Bundesgerichtshof vielmehr die bisher, u.a. in der von der Klägerin angeführten Entscheidung, entwickelten Grundsätze gerade für die hier vorliegende Fallgestaltung einer unwirksamen Honorarvereinbarung fortgeschrieben und dabei den Vertrauensschutz vorverlagert, ohne dass ein Widerspruch zum Urteil des BGH vom 05.11.1992, Az. VII ZR 52/91, BGHZ 120, 133 ff., bestünde (so zutreffend Hertwig, Anm. zu BGH, Urteil vom 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff., MDR 1997, 730).

dd.

Weiter haben sich die Beklagten auch auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung eingerichtet. Sie haben Förderanträge vorgelegt, in denen Baunebenkosten mit 10% angegeben sind; das entspricht der Höhe der Architektenkosten auf der Grundlage der Pauschalhonorarvereinbarung und zeigt bereits, dass die Beklagten ihre Finanzierung entsprechend "eingerichtet" hatten (vgl. Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, aaO., § 4 HOAI Rn84).

ee.

Die Zahlung des Differenzbetrages ist den Beklagten schließlich auch unzumutbar. Die Klägerin hat ihre Honorarforderung hier gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Pauschalpreis um ca. 2/3 und gegenüber der Schlussrechnung vom 05.10.2001 um ca. 60% erhöht (67.083,65 DM statt zuvor 40.600 DM bzw. 42.630 DM). Eine solche Erhöhung ist auch im Verhältnis zur Gesamtbausumme erheblich; der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff., eine Steigerung der Architektenkosten von ca. 65% zu beurteilen und diese nicht als unerheblich eingestuft. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin, die die Offensichtlichkeit der Unterschreitung der Mindestsätze geltend gemacht hat, als Architektin von Anfang an positive Kenntnis von der Unwirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung gehabt. Diese Umstände rechtfertigen aus Sicht des Senats die Wertung, dass den Beklagten die Zahlung der geltend gemachten Differenz nicht mehr zumutbar ist.

b.

Der danach noch offene Restbetrag in Höhe von 6.227,53 Euro ist in Höhe eines Betrages von 1.163,09 Euro durch Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen der Beklagten erloschen, § 389 BGB. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 06.09.2004 die Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen aus dem Verfahren LG Aachen 1 O 24/02 erklärt, § 388 BGB. Der zur Aufrechnung gestellte Kostenerstattungsanspruch bestand einschließlich aufgelaufener Zinsen unstreitig in Höhe von 1.163,09 Euro.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; dabei waren für die Kostenverteilung in erster Instanz auch die von den Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Rechtslage ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1997, BGHZ 136, 1 ff., eindeutig geklärt; vorliegend geht es allein um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 28.10.2004, MDR 2005, 410 f.).

Streitwert für das Berufungsverfahren: 17.567,40 Euro

Ende der Entscheidung

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